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Auswartiges Amt, Berlin. © 1939.
Diese digitalisierte Version © 2007 by The Scriptorium.
Scriptorium dankt Herrn F. Z. aus Osterreich fur die freundliche Bereitstellung der
Originalvorlage dieses Buches!
Geleitwort des Reichsministers des Auswartigen von Ribbentrop
Ubersicht
Dokumente:
Erstes Kapitel
Entwicklung der Deutsch-Polnischen Beziehungen
A. Der Kampfgegen das Deutschtum in Polen
undgegen Danzig von 1919 bis 1933
I. Zur Lage der Deutschen Volksgruppe in Polen
Dok.
Nr. Titel Inhalt
1. Aus dem Memorandum des Britischen
Die beabsichtigte Grenzziehung
Premierministers Lloyd George, 25. Marz zwischen Deutschland und Polen als
1919 kunftige Kriegsursache.
Aus den Bemerkungen der Deutschen
Friedensdelegation zu den
Friedensbedingungen, 29. Mai 1919
Protest gegen die beabsichtigte
Grenzziehung zwischen Deutschland
und Polen.
Der Vorsitzende des Obersten Rates der
Alliierten und Assoziierten Hauptmachte
Clemenceau an den Polnischen
Ministerprasidenten Paderewski (Auszug)
Begrundung der
Minderheitenschutzbestimmungen.
Vertrag zwischen den Alliierten und
Assoziierten Hauptmachten und Polen,
Versailles, 28. Juni 1919 (Auszug)
Minderheitenschutzbestimmungen.
Durch den Deutschen Gesandten in
Warschau im Polnischen
AuBenministerium ubergebene
Aufzeichnung, 20. November 1920
(Auszug)
Verfolgung des Deutschtums in Polen.
Rede des Volksdeutschen Abgeordneten
Beschwerden der deutschen
Spickermann vor dem Polnischen Sejm, 23. Volksgruppe.
Januar 1923 (Auszug)
7. Per Deutsche Generalkonsul in Posen an
das Auswartige Ami, 12. April 1923
Anlage: Auszug aus den "Posener
Neuesten Nachrichten" vom 12. April 1923
Besuch des Polnischen
Ministerprasidenten Sikorski in Posen.
Rede des Ministerprasidenten Sikorski.
Per Staatssekretar des Auswartigen Amis Entdeutschungspolitik der Polnischen
an den Polnischen Gesandten, 18. Juli 1923 Regierung.
9. Rechtsgutachten Nr. 6 des Standigen
Internationalen Gerichtshofs, 10.
September 1923
Vertrage volksdeutscher Ansiedler und
Pachter im polnischen, friiher zu
Deutschland gehorigen Gebiet.
10. Per Peutsche Generalkonsul in Posen an
das Auswartige Ami, 25. September 1931
Polnische Zahlen liber die deutsche
Abwanderung aus Polen.
11. Aussprache im Britischen Oberhaus, 15.
Juni 1932 (Auszug)
Minderheitenfragen.
12. Per Peutsche Generalkonsul in Posen an
das Auswartige Amt, 2. Marz 1933
Ergebnisse der Entdeutschungspolitik
der Polnischen Regierung.
13. Aus den Bemerkungen der Peutschen
Friedensdelegation zu den
Friedensbedingungen, 29. Mai 1919
Protest gegen die beabsichtigte
Abtrennung Danzigs vom Reich.
14. Anlage B der Entscheidung des
Volkerbundskommissars in Panzig, 6.
Pezember 1921
Liste der polnischen Behorden in
Danzig.
15. Entscheidung des Volkerbundskommissars Umfang des polnischen Postdienstes in
in Panzig, 2. Februar 1925 (Auszug) Danzig.
16. Gutachten eines vom Volkerbundsrat
eingesetzten Juristenausschusses, 19.
Februar 1925 (Auszug)
Befugnisse der polnischen
Eisenbahndirektion in Danzig.
17. Aufzeichnung eines Beamten der
Politischen Abteilung des Auswartigen
Amts, 8. Februar 1932
18. Per Peutsche Generalkonsul in Panzig an
das Auswartige Amt, 12. Januar 1933
Unterredung mit dem Polnischen
Gesandten liber die Zehnjahresfeier der
polnischen Studentenvereinigung
"Bratnia Pomoc" in Danzig.
Feier der polnischen Kriegervereine in
Danzig.
19. Per Peutsche Generalkonsul in Panzig an Ubersendung eines Vermerks des
das Auswartige Amt, 24. Februar 1933 Danziger Senats.
Anlage: Vermerk des Danziger Senats Wirtschaftspolitische MaBnahmen
Polens gegen Danzig..
20. Aufzeichnung eines Beam ten der Eigenmachtige Eingriffe Polens in die
Politischen Abteilung des Auswartigen Hoheitsrechte Danzigs.
Amis, 2. Marz 1933
21. Schreiben des Volkerbundskommissars in Unerlaubte Verstarkung der polnischen
Danzig an den Generalsekretar des Wache auf der Westerplatte.
Vblkerbundes, 7. Marz 1933
22. Der Deutsche Generalkonsul in Danzig an Unerlaubte Verstarkung der polnischen
das Auswartige Amt, 8. Marz 1933 Wache auf der Westerplatte.
23. Der Deutsche Generalkonsul in Danzig an Verbleiben des polnischen
das Auswartige Ami, 15. Marz 1933 Munitions schiffes "Wilja" vor der
Westerplatte.
24. Der Deutsche Gesandte in Warschau an Beurteilung der Vorgange auf der
das Auswartige Ami, 11. Marz 1933 Westerplatte in diplomatischen
Kreisen.
25. Aufzeichnung eines Beam ten der Schadigung des Danziger Hafens durch
Politischen Abteilung des Auswartigen Polen.
Amts, 3. Mai 1933
B. Deutschlands Bemiihen
um eine Verstandigung mit Polen, 1933 bis 1939
I. Verhandlungen tiber ein Deutsch-Polnisches
Verstandigungsabkommen (Mai 1933 bis Januar 1934)
26. Aufzeichnung des Reichsministers des Wunsch nach Uberpriifung der deutsch-
Auswartigen tiber eine Unterredung des polnischen Beziehungen.
Ftihrers mit dem Polnischen Gesandten, 2.
Mai 1933
27. Amtliches Deutsches Communique, 3. Mai Unterredung des Fuhrers mit dem
1933 Polnischen Gesandten (Nr. 26).
28. Amtliches Polnisches Communique, 4. Mai Unterredung des Polnischen
1933 AuBenministers mit dem Deutschen
Gesandten.
29. Aus der Rede des Ftihrers vor dem Vertrag von Versailles und deutsch-
Deutschen Reichstag, 17. Mai 1933 polnische Grenzziehung.
30. Der Deutsche Gesandte in Warschau an Moglichkeit einer Verbesserung der
das Auswartige Ami, 30. August 1933
31. Per Staatssekretar des Auswartigen Amts
an den Deutschen Gesandten in Warschau,
25. September 1933
deutsch-polnischen
Wirtschaftsbeziehungen.
Wiederaufnahme der
Wirtschaftsverhandlungen mit Polen.
32. Der Staatssekretar des Auswartigen Amts
an den Deutschen Gesandten in Warschau,
15. November 1933
33. Der Reichsminister des Auswartigen an
den Deutschen Gesandten in Warschau, 24.
November 1933
Unterredung des Fiihrers mit dem
Polnischen Gesandten liber die
Anbahnung einer deutsch-polnischen
Verstandigung.
Sprachregelung fur einen Empfang bei
Marschall Pilsudski.
34. Der Deutsche Gesandte in Warschau an
das Auswartige Amt, 28. November 1933
Empfang bei Marschall Pilsudski.
35. Unterredung des Reichsministers des
Auswartigen mit dem Polnischen
Gesandten, 9. Januar 1934
Besprechung iiber den Entwurf einer
deutsch-polnischen Erklarung.
36. Aufzeichnung des Direktors der
Rechtsabteilung des Auswartigen Amts, 22.
Januar 1934
Besprechung mit dem Polnischen
Gesandten iiber den Entwurf einer
deutsch-polnischen Erklarung.
37. Erklarung der Deutschen und der
Polnischen Regierung, 26. Januar 1934
Verstandigungsabkommen.
38. Der Deutsche Gesandte in Warschau an
das Auswartige Amt, 27. Januar 1934
Unterredung mit dem Polnischen
AuBenminister iiber die Wirkung der
deutsch-polnischen Erklarung.
II. Keine Besserung der Lage der Deutschen Volksgruppe
durch die Deutsch-Polnische Verstandigungspolitik
(November 1933 bis August 1934)
39. Der Deutsche Konsul in Thorn an das
Auswartige Amt, 25. November 1933
40. Der Deutsche Gesandte in Warschau an
das Auswartige Amt, 29. November 1933
41. Der Deutsche Gesandte in Warschau an
das Auswartige Amt, 28. Dezember 1933
Polnische Ausschreitungen bei einer
deutschen Wahlversammlung in
Graudenz.
Unterredung mit dem Polnischen
AuBenminister iiber die
Ausschreitungen in Graudenz.
Unterredung mit dem Prasidenten der
Gemischten Kommission flir
Oberschlesien iiber die Lage in
42. Per Deutsche Konsul in Thorn an das
Auswartige Amt, 31. Marz 1934
Oberschlesien.
Namensliste zur Agrarreform 1934.
43. Per Deutsche Generalkonsul in Kattowitz Deutschfeindliche Kundgebungen in
an das Auswartige Amt, 15. April 1934 Ostoberschlesien.
44. Per Peutsche Generalkonsul in Kattowitz Polnische MaBnahmen zur
an das Auswartige Amt, 28. April 1934 Bekampfung der Minderheitsschulen.
45. Per Peutsche Konsul in Thorn an das
Auswartige Amt, 28. April 1934
Einreiseverbot flir deutsche Kiinstler.
46. Per Peutsche Konsul in Thorn an das
Auswartige Amt, 28. Juni 1934
Polonisierung des staatlichen deutschen
Gymnasiums in Thorn.
47. Per Peutsche Generalkonsul in Kattowitz
an das Auswartige Amt, 1. August 1934
Der Vorsitzende des Deutschen
Volksbundes iiber Verscharfung der
Lage der deutschen Volksgruppe.
III. Polen entzieht sich der Minderheitenkontrolle des Volkerbundes
(September bis November 1934)
48. Per Peutsche Konsul in Genf an das
Auswartige Amt, 7. September 1934
Aussichten der polnischen Antrage zur
Frage des Minderheitenschutzes.
49. Aufzeichnung eines Beamten der
Politischen Abteilung des Auswartigen
Amts, 13. September 1934
50. Aufzeichnung des Staatssekretars des
Auswartigen Amts, 13. September 1934
51. Per Staatssekretar des Auswartigen Amts
an den Peutschen Gesandten in Warschau,
15. September 1934
Polnische Aufkiindigung der
Zusammenarbeit mit dem Volkerbund
bei der Durchfuhrung des
Minderheitenschutzsystems.
Unterredung mit dem Polnischen
Gesandten iiber den polnischen Schritt
in Genf.
Deutsche Stellungnahme zum
polnischen Schritt in Genf.
52. Per Reichsminister des Auswartigen an
den Peutschen Botschafter in Warschau,
14. November 1934
Weisung zu einer Demarche wegen des
polnischen Schritts in Genf.
53. Per Peutsche Botschafter in Warschau an
das Auswartige Amt, 19. November 1934
Unterredung mit dem Polnischen
AuBenminister iiber die Fragen des
Minderheitenschutzes in Ausfuhrun^
von Nr. 52.
IV. Weitere Verschlechterung in der Lage der Deutschen Volksgruppe
(November 1934 bis Oktober 1937)
54. Der Deutsche Konsul in Krakau an das
Auswartige Amt, 3. November 1934
Pommerellenkundliche Tagung des
Baltischen Instituts.
Anlage
55. Der Deutsche Generalkonsul in Posen an
das Auswartige Ami, 18. Februar 1935
Auszug aus einem Bericht liber den
Verlauf der Tagung.
Namensliste zur Agrarreform 1935.
56. Unterredung des Reichsministers des
Auswartigen mit dem Polnischen
Botschafter, 21. Februar 1935
Polonisierungspolitik in
Ostoberschlesien.
57. Unterredung des Reichsministers des
Auswartigen mit dem Polnischen
Botschafter, 12. Marz 1935
Polonisierungspolitik in
Ostoberschlesien.
58. Der Deutsche Konsul in Thorn an das
Auswartige Amt, 16. April 1935
Deutschfeindliche Ausschreitungen im
Seekreis.
59. Der Deutsche Konsul in Thorn an das
Auswartige Amt, 18. April 1935
Erregung in der deutschen Volksgruppe
liber die Ausschreitungen im Seekreis.
60. Der Deutsche Generalkonsul in Posen an
das Auswartige Amt, 18. April 1935
Ermordung eines Volksdeutschen.
61. Aufzeichnung eines Beamten der
Politischen Abteilung des Auswartigen
Amts, 11. .Tuli 1935
62. Der Deutsche Botschafter in Warschau an
das Auswartige Amt, 16. Oktober 1935
63. Der Deutsche Staatsvertreter bei der
Unterredung mit dem Polnischen
Botschaftsrat liber Entlassung von
deutschen Arbeitern in
Ostoberschlesien.
Notwendigkeit, die Bedrlickung der
deutschen Volksgruppe in der
deutschen Presse zu behandeln.
Stellungnahme der Gemischten
Gemischten Kommission fur Oberschlesien Kommission in Entlassungsfragen.
an das Auswartige Amt, 3. Januar 1936
64. Der Deutsche Generalkonsul in Thorn an Namensliste zur Agrarreform 1936.
das Auswartige Amt, 18. Februar 1936
65. Der Deutsche Generalkonsul in Kattowitz Deutschfeindliche Kundgebungen in
an das Auswartige Amt, 4. April 1936 Ostoberschlesien.
66. Per Deutsche Generalkonsul in Thorn an Auflosung deutscher Organisationen im
das Auswartige Ami, 18. Mai 1936 Korridorgebiet.
67. Unterredung des Reichsministers des Beschwerde liber deutschfeindliche
Auswartigen mit dem Polnischen Ausschreitungen in Gdingen.
Botschafter, 13. November 1936
68. Per Deutsche Botschafter in Warschau an Unterredung mit dem Polnischen
das Auswartige Amt, 18. November 1936 AuBenminister liber die
Verschlechterung der Atmosphare.
69. Per Peutsche Botschafter in Warschau an Empfang bei Marschall Rydz-Smigly.
das Auswartige Amt, 26. November 1936
70. Per Peutsche Generalkonsul in Posen an Deutschenhetze.
das Auswartige Amt, 23. November 1936
71. Per Peutsche Generalkonsul in Kattowitz Notlage der deutschen Volksgruppe.
an das Auswartige Amt, 22. Pezember 1936
Anlage EntschlieBung des Gesamtverbandes
Deutscher Angestelltengewerkschaften
in Konigshlitte.
72. Per Peutsche Generalkonsul in Kattowitz Antideutsche EntschlieBungen des
an das Auswartige Amt, 22. Pezember 1936 polnischen Westverbandes.
73. Unterredung des Reichsministers des Beschwerde liber die Haltung der
Auswartigen mit dem Polnischen polnischen Presse.
AuBenminister Beck, 20. Januar 1937
74. Per Peutsche Generalkonsul in Thorn an Deutschfeindliche MaBnahmen im
das Auswartige Amt, 4. Marz 1937 Korridorgebiet.
75. Aufzeichnung des Pirigenten der Hungermarsch der Volksdeutschen aus
Politischen Abteilung des Auswartigen Ostoberschlesien an die Grenze.
Amts, 2. April 1937
76. Per Peutsche Generalkonsul in Thorn an Annexionsforderungen bei
das Auswartige Amt, 6. April 1937 Versammlungen des Westverbandes.
77. Pas Auswartige Amt an den Peutschen Weisung, gegen Annexionsforderungen
Botschafter in Warschau, 7. April 1937 Westverbands Einspruch zu erheben.
78. Aufzeichnung des Stellvertretenden Unterredung mit dem Polnischen
Staatssekretars des Auswartigen Amts, 9. Botschafter liber deutschfeindliche
April 1937 Kundgebungen in Polen.
79. Per Peutsche Generalkonsul in Thorn an Antideutsche Boykotthetze im Soldauer
das Auswartige Ami, 7. April 1937
Kreis.
80. Per Deutsche Generalkonsul in Thorn an
das Auswartige Ami, 14. Oktober 1937
Antideutsche EntschlieBungen des
polnischen Westverbandes.
V. Verhandlungen tiber eine Deutsch-Polnische Minderheitenerklarung
(Januar bis November 1937)
81. Unterredung des Reichsministers des
Auswartigen mit dem Polnischen
AuBenminister Beck, 20. Januar 1937
Bevorstehender Ablauf des Genfer
Oberschlesien-Abkommens.
82. Per Reichsminister des Auswartigen an
den Peutschen Botschafter in Warschau,
22. Februar 1937
Weisung zur Demarche, betreffend
Ablauf des Genfer Oberschlesien-
Abkommens.
83. Per Peutsche Botschafter in Warschau an
das Auswartige Ami, 16. Marz 1937
84. Per Peutsche Botschafter in Warschau an
das Auswartige Amt, 19. April 1937
85. Aufzeichnung eines Beamten der
Politischen Abteilung des Auswartigen
Amts, 14. Mai 1937
86. Pie Peutsche Pelegation in Warschau an
das Auswartige Amt, 28. Mai 1937
87. Per Reichsminister des Auswartigen an
den Peutschen Botschafter in Warschau,
28. Mai 1937
Unterredung mit dem Polnischen
VizeauBenminister in Ausfuhrung von
Nr. 82.
Unterredung mit dem Polnischen
AuBenminister liber den Ablauf des
Genfer Abkommens und die
Notwendigkeit einer Sonderregelung
fur Oberschlesien.
Schleppender Verlauf der deutsch-
polnischen Verhandlungen iiber die mit
dem Ablauf des Genfer Abkommens
zusammenhangenden Fragen.
Einwirkung lokaler Behorden in
Ostoberschlesien auf die
Verhandlungen iiber den Ablauf des
Genfer Abkommens.
Weisung zur Demarche in
Minderheitenfrage.
88. Per Peutsche Botschafter in Warschau an
das Auswartige Amt, 1. Juni 1937
Anlage: Memorandum, 1. Juni 1937
89. Per Peutsche Botschafter in Warschau an
das Auswartige Amt, 6. Juni 1937
Unterredung mit dem Polnischen
AuBenminister in Ausfuhrung von Nr.
87.
Deutsche Stellungnahme zum deutsch-
polnischen Minderheitenproblem.
Antwort des Polnischen
AuBenministers auf die deutsche
Demarche.
90. Per Reichsminister des Auswartigen an
den Deutschen Botschafter in Warschau,
18. Juni 1937
Weisung zur Ubergabe eines deutschen
Vorschlages flir eine deutsch-polnische
Minderheitenerklarung.
91. Per Deutsche Botschafter in Warschau an Ausflihrung von Nr. 90.
das Auswartige Amt, 24. Juni 1937
92. Aufzeichnung eines Beamten der
Politischen Abteilung des Auswartigen
Amts, 24. Juni 1937
93. Der Deutsche Botschafter in Warschau an
das Auswartige Amt, 16. Juli 1937
94. Der Deutsche Botschafter in Warschau an
das Auswartige Amt, 30. Juli 1937
95. Der Deutsche Botschafter in Warschau an
das Auswartige Amt, 26. August 1937
96. Der Deutsche Generalkonsul in Kattowitz
an das Auswartige Amt, 28. August 1937
Unterredung des ReichsauBenministers
mit dem Polnischen Botschafter liber
die Verhandlungen, betreffend den
Ablauf des Genfer Abkommens.
Gesetzentwiirfe zur Bekampfung der
deutschen Volksgruppe in
Ostoberschlesien.
Unterredung mit dem Polnischen
AuBenminister liber den Entwurf einer
Minderheitenerklarang und die
EntdeutschungsmaBnahmen in
Ostoberschlesien.
Unterredung mit dem Polnischen
AuBenminister liber die
Minderheitenerklarang.
Neues Schulgesetz flir
Ostoberschlesien.
97. Das Auswartige Amt an den Deutschen
Botschafter in Warschau, 1. September
1937
Ostoberschlesisches Schulgesetz und
Minderheitenerklarang.
98. Der Deutsche Botschafter in Warschau an
das Auswartige Amt, 7. September 1937
99. Der Deutsche Botschafter in Warschau an
das Auswartige Amt, 7. September 1937
Unterredung mit dem Polnischen
AuBenminister liber das
ostoberschlesische Schulgesetz.
Erganzung zu Nr. 98.
100. Der Deutsche Botschafter in Warschau an
das Auswartige Amt, 6. Oktober 1937
101. Ubereinstimmende Erklarung der
Deutschen und der Polnischen Regierung
uber den Schutz der beiderseitigen
Minderheiten, veroffentlicht am 5.
November 1937
Unterredung mit dem Polnischen
AuBenminister liber bevorstehende
Veroffentlichung der
Minderheitenerklarang.
102. Erklarung des Fuhrers beim Empfang der
Polnischen Volksgruppenvertreter, 5.
November 1937
103. Erklarung des Polnischen
Staatsprasidenten beim Empfang der
Deutschen Volksgruppenvertreter, 5.
November 1937
104. Unterredung des Reichsministers des
Auswartigen mit dem Polnischen
Botschafter Aufzeichnung, 5. November
1937
Ubergabe eines Aide-Memoire.
Anlage: Aide-Memoire, 5. November
1937.
Minderheitenfragen.
VI. Nichtbeachtung der Deutsch-Polnischen Minderheitenerklarung
durch Polen
(November 1937 bis November 1938)
105. Der Deutsche Generalkonsul in Kattowitz
an das Auswartige Amt, 22. November
1937
Entlassung volksdeutscher Arbeiter in
Ostoberschlesien.
106. Der Deutsche Konsul in Krakau an das
Auswartige Amt, 22. November 1937
Deutschf eindliche Kundgebung in der
Universitat Krakau.
107. Aufzeichnung des Dirigenten der
Politischen Abteilung des Auswartigen
Amts, 25. November 1937
108. Der Dirigent der Politischen Abteilung des
Auswartigen Amts an den Polnischen
Geschaftstrager, 7. Dezember 1937
Unterredung mit dem Polnischen
Geschaftstrager liber die Entlassungen
volksdeutscher Arbeiter in
Ostoberschlesien.
Entlassungen volksdeutscher Arbeiter
in Ostoberschlesien.
109. Der Deutsche Botschafter in Warschau an
das Auswartige Amt, 11. Dezember 1937
110. Das Auswartige Amt an den Deutschen
Unterredung mit dem Polnischen
AuBenminister iiber die fortdauernde
Bedruckung der Volksdeutschen.
Entlassungen volksdeutscher Arbeiter
Botschafter in Warschau, 11. Januar 1938 in Ostoberschlesien.
111. Aufzeichnung eines Beamten der
Kulturabteilung des Auswartigen Amts, 25.
Januar 1938
Unterredung mit einem Mitglied der
Polnischen Botschaft iiber Fragen des
deutschen Schulwesens in Polen.
112. Aufzeichnung eines Beamten der
Unterredung mit einem Mitglied der
Kulturabteilung des Auswartigen Amis, 8. Polnischen Botschaft liber Fragen des
Februar 1938 deutschen Schulwesens in Polen.
113. Per Deutsche Botschafter in Warschau an Rede des Senators Wiesner liber die
das Auswartige Ami, 11. Marz 1938 Arbeitslosigkeit der Deutschen in
Polen.
114. Das Auswartige Ami an den Deutschen Weisung zu einer Demarche wegen
Botschafter in Warschau, 27. Mai 1938 Behinderung des volksdeutschen
Schulwesens.
115. Der Deutsche Geschaftstrager in Warschau Ausflihrung von Nr. 1 14.
an das Auswartige Amt, 30. Juli 1938
116. Der Deutsche Botschafter in Warschau an Demarche wegen deutschfeindlicher
das Auswartige Amt, 23. August 1938 Kundgebungen des Westverbandes.
117. Der Deutsche Botschafter in Warschau an Deutschfeindliche Stimmung in Polen.
das Auswartige Amt, 2. September 1938
VII. Der Deutsch-Polnische Notenaustausch tiber das Olsa-Gebiet
und das Polnische Vorgehen gegen die dortige Deutsche Volksgruppe
(Oktober 1938 bis Marz 1939)
118. Das Auswartige Amt an den Deutschen Deutschfeindliche Vorgange im Olsa-
Botschafter in Warschau, 15. Oktober 1938 Gebiet.
119. Der Deutsche Botschafter in Warschau an Ubersendung der Anlagen.
das Auswartige Amt, 25. Oktober 1938
Anlagen: Notenaustausch liber die Behandlung
Der Deutsche Botschafter in Warschau der deutschen Volksgruppe im Olsa-
an den Polnischen Minister fur Auswartige Gebiet.
Angelegenheiten, 18. Oktober 1938
Der Polnische Minister fur Auswartige
Angelegenheiten an den Deutschen
Botschafter in Warschau, 20. Oktober 1938
120. Der Reichsminister des Innern an das Volksdeutsche Fllichtlinge aus dem
Auswartige Amt, 5. November 1938 Olsa-Gebiet.
121. Das Auswartige Amt an den Deutschen Weisung zu einer Demarche wegen der
Geschaftstrager in Warschau, 26. EntdeutschungsmaBnahmen im Olsa-
November 1938 Gebiet.
122. Der Deutsche Geschaftstrager in Warschau Ausflihrung von Nr. 121.
an das Auswartige Amt, 6. Dezember 1938
123. Per Deutsche Botschafter in Warschau an Polnische Antwort auf Nr. 122.
das Auswartige Amt, 20. Dezember 1938
124. Per Deutsche Konsul in Teschen an das
Auswartige Amt, 4. Januar 1939
125. Pas Auswartige Amt an den Peutschen
Botschafter in Warschau, 1. Februar 1939
126. Per Peutsche Konsul in Teschen an das
Auswartige Amt, 21. Marz 1939
Geplante Entlassung der
nichtpolnischen Arbeiter im Olsa-
Gebiet.
Neue Weisung zu einer Demarche
wegen der EntdeutschungsmaBnahmen
im Olsa-Gebiet.
Massenentlassungen von
Volksdeutschen im Olsa-Gebiet.
127. Per Peutsche Konsul in Teschen an das
Auswartige Amt, 13. Mai 1939
Verjagung der nichtpolnischen
Erwerbstatigen aus dem Olsa-Gebiet.
VIII. Zunehmende Verscharfung des Polnischen Vorgehens
gegen die Peutsche Volksgruppe
(Oktober 1938 bis Marz 1939)
128. Per Peutsche Generalkonsul in Thorn an
das Auswartige Amt, 5. Oktober 1938
129. Per Peutsche Generalkonsul in Posen an
das Auswartige Amt, 10. Oktober 1938
Verscharfung der
BedruckungsmaBnahmen gegen die
Volksdeutschen.
Fortdauer der deutschfeindlichen
Stimmung.
130. Per Staatssekretar des Auswartigen Amts Weisung zu einer Demarche wegen
an den Peutschen Botschafter in deutschfeindlicher AuBerungen des
Warschau, 20. Oktober 1938 Woiwoden Grazynski.
131. Per Peutsche Generalkonsul in Kattowitz Entlassungen von Volksdeutschen in
an das Auswartige Amt, 8. November 1938 Ostoberschlesien.
132. Per Peutsche Botschafter in Warschau an Ausfuhrung von Nr. 130.
das Auswartige Amt, 15. November 1938
133. Per Peutsche Generalkonsul in Thorn an Verbot deutscher Jugendbucher fur
das Auswartige Amt, 23. November 1938 deutsche Schuler.
134. Per Peutsche Generalkonsul in Kattowitz Arbeitslosigkeit der Volksdeutschen
an das Auswartige Amt, 24. November Ostoberschlesiens.
1938
135. Per Peutsche Geschaftstrager in Warschau Verweigerung der Offentlichkeitsrechte
an das Auswartige Amt, 28. November fur die deutschen Gymnasien in Posen
1938
und Graudenz.
136. Das Auswartige Ami an den Deutschen Weisung zu einer Demarche wegen
Geschaftstrager in Warschau, 7. Dezember Massenentlassungen deutscher Arbeiter
1938 und Angestellter in Ostoberschlesien.
137. Per Deutsche Generalkonsul in Thorn an
das Auswartige Ami, 20. Dezember 1938
138. Per Deutsche Generalkonsul in Thorn an
das Auswartige Amt, 29. Dezember 1938
Wirkung der polnischen
VerfolgungsmaBnahmen auf die
deutsche Volksgruppe.
Beschlagnahme des Deutschen
Herbergsvereins in Graudenz.
139. Der Deutsche Generalkonsul in Thorn an
das Auswartige Amt, 30. Dezember 19381
Behinderung der Weihnachtsfeier einer
deutschen Privatschule.
140. Der Deutsche Generalkonsul in Thorn an
das Auswartige Amt, 2. Januar 1939
Boykottaktion gegen deutsche
Geschafte.
141. Der Deutsche Geschaftstrager in Warschau Vorstellungen im Polnischen
an das Auswartige Amt, 5. Januar 1939
142. Der Deutsche Generalkonsul in Thorn an
das Auswartige Amt, 19. Januar 1939
AuBenministerium wegen der
Entlassung volksdeutscher Angestellter
und Arbeiter in Ostoberschlesien.
Verzweifelte Stimmung der
Volksdeutschen.
143. Der Deutsche Generalkonsul in Kattowitz MaBnahmen gegen das deutsche
an das Auswartige Amt, 26. Januar 1939 Schulwesen in Ostoberschlesien.
144. Das Auswartige Amt an den Deutschen
Botschafter in Warschau, 1. Februar 1939
145. Der Deutsche Generalkonsul in Kattowitz
an das Auswartige Amt, 3. Februar 1939
Weisung zu einer Demarche wegen der
Deutschenhetze des Westverbandes in
Ostoberschlesien.
Antideutsche Rede des Direktors des
Westverbandes.
146. Der Deutsche Botschafter in Warschau an
das Auswartige Amt, 25. Februar 1939
Deutschfeindliche Demonstration vor
der Botschaft.
147. Der Deutsche Botschafter in Warschau an Erneute deutschfeindliche
das Auswartige Amt, 25. Februar 1939 Demonstration vor der Botschaft.
148. Der Deutsche Generalkonsul in Posen an
das Auswartige Amt, 25. Februar 1939
Antideutsche Ausschreitungen
polnischer Studenten.
149. Der Deutsche Konsul in Krakau an das
Auswartige Amt, 25. Februar 1939
150. Der Deutsche Generalkonsul in Posen an
das Auswartige Amt, 28. Februar 1939
Deutschfeindliche Demonstrationen vor
dem Studentenheim der deutschen
Hochschliler in Krakau.
Deutschfeindliche Kundgebungen
polnischer Studenten.
151. Per Deutsche Botschafter in Warschau an Deutschfeindliche Kundgebungen.
das Auswartige Ami, 28. Februar 1939
152. Unterredung des Reichsministers des Deutschfeindliche Demonstrationen
Auswartigen mit dem Polnischen und Pressehetze in Polen.
Botschafter, 28. Februar 1939
153. Per Deutsche Generalkonsul in Posen an Deutschfeindliche Demonstrationen in
das Auswartige Ami, 1. Marz 1939 Posen.
154. Per Peutsche Generalkonsul in Thorn an Fortdauer der deutschfeindlichen
das Auswartige Ami, 4. Marz 1939 Demonstrationen im Korridorgebiet.
155. Per Peutsche Botschafter in Warschau an Unterredung mit dem Polnischen
das Auswartige Ami, 9. Marz 1939 AuBenminister liber die
deutschfeindlichen Kundgebungen in
Polen.
IX. Fortsetzung der Enteignung Peutschen Grundbesitzes
in Nichtachtung der Minderheitenerklarung
(Februar 1938 bis Februar 1939)
156. Per Peutsche Botschafter in Warschau an Namensliste zur Agrarreform 1938.
das Auswartige Ami, 16. Februar 1938
157. Per Peutsche Generalkonsul in Posen an Ungerechtfertigte Heranziehung der
das Auswartige Ami, 22. Februar 1938 Volksdeutschen zur Agrarreform.
158. Per Staatssekretar des Auswartigen Amts Weisung zu einer Demarche wegen der
an den Peutschen Botschafter in neuen Namensliste zur Agrarreform.
Warschau. 22. Februar 1938
159. Per Peutsche Generalkonsul in Thorn an Wirkung der neuen Namensliste auf die
das Auswartige Ami, 25. Februar 1938 deutsche Volksgruppe.
160. Per Peutsche Botschafter in Warschau an Ausfiihrung vonNr. 158.
das Auswartige Amt, 8. Marz 1938
161. Per Staatssekretar des Auswartigen Amts Weisung zu einer Demarche wegen der
an den Peutschen Botschafter in weiteren Durchfuhrung der
Warschau, 9. November 1938 Agrarreform.
162. Per Peutsche Botschafter in Warschau an Ausfiihrung von Nr. 1 6 1 .
das Auswartige Amt, 22. November 1938
163. Aufzeichnung eines Beamten der
Politischen Abteilung des Auswartigen
Amts, 15. Februar 1939
Namensliste zur Agrarreform 1939.
164. Der Deutsche Generalkonsul in Thorn an
das Auswartige Ami, 16. Februar 1939
Eindruck der neuen Namensliste bei der
deutschen Volksgruppe.
165. Der Staatssekretar des Auswartigen Amts Weisung zu einer Demarche wegen der
an den Deutschen Botschafter in neuen Namensliste.
Warschau, 16. Februar 1939
166. Der Deutsche Botschafter in Warschau an Ausfuhrung von Nr. 165.
das Auswartige Ami, 17. Februar 1939
167. Der Deutsche Generalkonsul in Kattowitz Erfassung des deutschen Grundbesitzes
an das Auswartige Amt, 21. Februar 1939 in Ostoberschlesien durch die neue
168. Der Deutsche Generalkonsul in Thorn an
das Auswartige Amt, 21. Februar 1939
Namensliste.
Auswirkung der Agrarreform auf die
deutsche Volksgruppe.
X. Weitere Deutsche Versuche
zur Verbesserung der Lage der Deutschen Volksgruppe
durch Deutsch-Polnische Besprechungen
(November 1937 bis Marz 1939)
169. Aufzeichnung des Dirigenten der
Politischen Abteilung des Auswartigen
Amts, 25. November 1937
170. Der Deutsche Botschafter in Warschau an
das Auswartige Amt, 30. Mai 1938
Unterredung mit dem Polnischen
Geschaftstrager liber de Einleitung von
Besprechungen liber
Minderheitenfragen.
Notwendigkeit von Besprechungen
liber Minderheitenfragen.
171. Der Reichsminister des Auswartigen an
den Deutschen Botschafter in Warschau,
29. .Tuni 1938
Weisung zu einer Demarche, betreffend
Sachverstandigenbesprechungen liber
die Beschwerden der Volksgruppen.
172. Der Deutsche Botschafter in Warschau an Ausfuhrung von Nr. 171.
das Auswartige Amt, 9. Juli 1938
173. Der Deutsche Geschaftstrager in Warschau Polnische Antwort auf den deutschen
an das Auswartige Amt, 19. Juli 1938 Vorschlag.
174. Der Deutsche Botschafter in Warschau an Polnische Hinauszogerung der
das Auswartige Ami, 11. Februar 1939 Minderheitenbesprechungen.
175. Aufzeichnung eines Beamten der Polnische Zuriickhaltung bei den
Politischen Abteilung des Auswartigen Minderheitenbesprechungen.
Amis, 28. Februar 1939
176. Der Staatssekretar des Auswartigen Amts Weisung zu einer Demarche wegen der
an den Deutschen Botschafter in Formulierung des SchluBcommuniques
Warschau, 4. Marz 1939 liber die Minderheitenbesprechungen.
177. Der Deutsche Botschafter in Warschau an Ausfiihrung vonNr. 176.
das Auswartige Ami, 10. Marz 1939
178. Der Reichsminister des Innern an das Unbefriedigendes Ergebnis der
Auswartige Amt, 4. Marz 1939 Minderheitenbesprechungen.
XL Zur Lage in Danzig
(1933 bis 1939)
179. Ubereinkommen zwischen dem Senat der Ausnutzung des Danziger Hafens.
Freien Stadt Danzig und der Polnischen
Regierung, 5. August 1933
180. Der Deutsche Generalkonsul in Danzig an Programm des "Verbands der Polen in
das Auswartige Amt, 9. Mai 1934 der Freien Stadt Danzig".
181. Der Deutsche Generalkonsul in Danzig an Danzig-polnische Abkommen liber
das Auswartige Amt, 8. August 1934 Wirtschaftsfragen vom 6. August 1934.
182. Der Deutsche Generalkonsul in Danzig an Militarische Ausbildung der dem
das Auswartige Amt, 9. Januar 1935 polnischen SportausschuB
angehorenden polnischen
Vereinigungen.
183. Der Deutsche Generalkonsul in Danzig an Protestkundgebung der
das Auswartige Amt, 7. Februar 1935 deutschstammigen Danziger
Eisenbahner gegen
Massenentlassungen.
184. Der Deutsche Generalkonsul in Danzig an Weitere Klindigungen
das Auswartige Amt, 15. April 1935 deutschstammiger Eisenbahner.
185. Der Deutsche Generalkonsul in Danzig an Gefahrdung der Lebensgrundlagen des
das Auswartige Amt, 24. Juli 1935 Danziger Hafens durch eine polnische
Zollverordnung.
Anlage: Der President des Senats der Protest gegen die polnische
Freien Stadt Danzig an den Diplomatischen Zollverordnung.
Vertreter der Republik Polen in Danzig,
23. Juli 1935
186. Der Deutsche Generalkonsul in Danzig an
das Auswartige Amt, 8. November 1935
187. Der Deutsche Botschafter in Warschau an
das Auswartige Ami, 17. Juli 1936
188. Der Deutsche Generalkonsul in Danzig an
das Auswartige Ami, 4. August 1936
189. Der Deutsche Generalkonsul in Danzig an
das Auswartige Amt, 4. November 1936
Vorbereitungen der polnischen
Eisenbahnverwaltung zur Entlassung
samtlicher deutschstammiger
Eisenbahnbeamter.
Kundgebung polnischer Verbande fur
Erweiterung der polnischen Rechte in
Danzig.
Verwahrung des Danziger Senats
wegen Nichtunterrichtung iiber
AbschluB internationaler Vertrage
durch Polen.
Herausforderndes Verhalten polnischer
Zollbeamter in Danzig.
190. Der Deutsche Generalkonsul in Danzig an
das Auswartige Amt, 11. November 1936
191. Der Senat der Freien Stadt Danzig an die
Diplomatische Vertretung der Republik
Polen in Danzig, 5. April 1937
Beleidigung von Symbolen und
Hoheitszeichen des Reiches und der
NSDAP. bei einer polnischen
Kundgebung.
Polnische MaBnahmen gegen die
Danziger Firma Amada.
192. Der Deutsche Generalkonsul in Danzig an
das Auswartige Amt, 15. November 1937
Hetzrede des Diplomatischen Vertreters
der Republik Polen in Danzig.
193. Der President des Senats der Freien Stadt
Danzig an den Diplomatischen Vertreter
der Republik Polen in Danzig, 24. August
1938
Hetzkundgebungen des polnischen
Westmarkenverbandes gegen Danzig.
194. Der Deutsche Generalkonsul in Danzig an
das Auswartige Amt, 14. November 1938
195. Der Deutsche Generalkonsul in Danzig an
das Auswartige Amt, 23. Februar 1939
196. Der Deutsche Generalkonsul in Danzig an
das Auswartige Amt, 16. Marz 1939
Polnische Kundgebungen anlaBlich des
20. Jahrestages der Wiedererlangung
der Unabhangigkeit Polens.
Studentenzwischenfalle in Langfuhr
und EntschlieBung der polnischen
Studentenvereinigung "Bratnia
Pomoc".
Polnische AuBerungen zum deutsch-
polnischen Studentenkonflikt in
Danzig.
XII. Deutsche Bemuhungen um eine gutliche Losung
der Danzig- und Korridorfrage
(Oktober 1938 bis Mai 1939)
197. Unterredung des Reichsministers des
Auswartigen mit dem Polnischen
Botschafter, Berchtesgaden, 24. Oktober
1938
Deutsch-polnisches Verhaltnis und
deutscher Vorschlag zur Regelung der
Danzig- und Korridorfrage.
198. Unterredung des Reichsministers des
Auswartigen mit dem Polnischen
Botschafter, 19. November 1938
Deutsch-polnisches Verhaltnis und
deutscher Vorschlag zur Regelung der
Danzig- und Korridorfrage.
199. Aufzeichnung des Deutschen Botschafters
in Warschau, 15. Dezember 1938
200. Unterredung des Fuhrers mit dem
Polnischen AuBenminister Beck im Beisein
des Reichsministers des Auswartigen, des
Deutschen Botschafters in Warschau und
des Polnischen Botschafters in Berlin,
Berchtesgaden, 5. Januar 1939
Unterredung mit dem Polnischen
AuBenminister liber die deutsch-
polnischen Beziehungen.
Deutsch-polnisches Verhaltnis und
deutscher Vorschlag zur Regelung der
Danzig- und Korridorfrage.
201. Unterredung des Reichsministers des
Auswartigen mit dem Polnischen
AuBenminister Beck, Munchen, 6. Januar
1939
Deutsch-polnisches Verhaltnis und
deutscher Vorschlag zur Regelung der
Danzig- und Korridorfrage.
202. Unterredung des Reichsministers des
Auswartigen mit dem Polnischen
AuBenminister Beck, Warschau, 26.
Januar 1939
Deutscher Vorschlag zur Regelung der
Danzig- und Korridorfrage und
Behandlung der deutschen Volksgruppe
in Polen.
203. Unterredung des Reichsministers des
Auswartigen mit dem Polnischen
Botschafter, 21. Marz 1939
Deutsch-polnisches Verhaltnis und
deutscher Vorschlag zur Regelung der
Danzig- und Korridorfrage.
204. Der Deutsche Botschafter in Warschau an Teilmobilmachung in Polen.
das Auswartige Amt, 24. Marz 1939
205. Der Deutsche Konsul in Gdingen an das Kriegsvorbereitungen in Gdingen.
Auswartige Amt, 24. Marz 1939
206. Der Deutsche Botschafter in Warschau an Polnische MobilmachungsmaBnahmen
das Auswartige Amt, 24. Marz 1939 und englisch-polnische Besprechungen.
207. Aufzeichnung des Dirigenten der
Politischen Abteilung des Auswartigen
Amts, 25. Marz 1939
Polnische MobilmachungsmaBnahmen.
208. Unterredung des Reichsministers des
Auswartigen mit dem Polnischen
Botschafter, 26. Marz 1939
Polnische Stellungnahme zu den
deutschen Vorschlagen zur Regelun^
der Danzig- und Korridorfrage.
Anlage: Memorandum der Polnischen
Regierung.
Danzig- und Korridorfrage.
209. Unterredung des Reichsministers des
Auswartigen mit dem Polnischen
Botschafter, 27. Marz 1939
Antideutsche Ausschreitungen in
Bromberg und deutsch-polnisches
Verhaltnis.
210. Der Deutsche Botschafter in Warschau an Polnische Kriegspsychose.
das Auswartige Amt, 28. Marz 1939
211. Der Deutsche Botschafter in Warschau an
das Auswartige Amt, 29. Marz 1939
212. Aufzeichnung des Staatssekretars des
Auswartigen Amts, 6. April 1939
213. Durch den Deutschen Geschaftstrager in
Warschau im Polnischen
AuBenministerium ubergebenes
Memorandum der Deutschen Regierung
vom 28. April 1939
Erklarung des Polnischen
AuBenministers, daB Polen die
einseitige Abanderung des Danziger
Status als casus belli ansehen wiirde.
Unterredung mit dem Polnischen
Botschafter liber die polnisch-
englischen Abmachungen.
AuBerkraftsetzung der deutsch-
polnischen Erklarung vom 26. Januar
1934 durch Polen.
214. Rede des Fuhrers vor dem Deutschen
215.
Reichstag, 28. April 1939 (Auszug)
Der Deutsche Geschaftstrager in Warschau
an das Auswartige Amt, 2. Mai 1939
Das deutsch-polnische Verhaltnis und
der deutsche Vorschlag zur Regelung
der Danzig- und Korridorfrage.
Verscharfung der antideutschen
Stimmung und Pressehetze.
216. Der Deutsche Botschafter in Warschau an
das Auswartige Amt, 23. Mai 1939
Der Polnische AuBenminister und die
Schwenkung der polnischen Politik.
Zweites Kapitel
Die Englische Kriegspolitik
A. Britische Aufriistung und Hetze gegen Deutschland
(September 1938 bis Juli 1939)
217. Gemeinsame Erklarung des Fuhrers und
des Britischen Premierministers
Chamberlain, Munchen, 30. September
1938
218. Aus der Rede des Britischen Deutsch-britische Erklarung und
Premierministers Chamberlain im britische Aufriistung.
Unterhaus, 3. Oktober 1938
219. Aus der Rede des Fuhrers in Saarbrucken, Warnung vor britischen Hetzpolitikern.
9. Oktober 1938
220. Rede des Britischen Staatssekretars fur Verstarkung der britischen
Krieg Hore-Belisha in Mansion House, Territorialarmee.
London, 10. Oktober 1938 (Auszug)
221. Der Deutsche Botschafter in Paris an das Besuch des Generalstabschefs der
Auswartige Amt, 12. Oktober 1938 britischen Luftwaffe in Paris.
222. Der Deutsche Botschafter in London an das Reden britischer Minister liber
Auswartige Amt, 18. Oktober 1938 Riistungsfragen.
223. Aus der Rede Winston Churchills fur den Forderung nach britischer Aufriistung.
Rundfunk der Vereinigten Staaten von
Amerika, 16. Oktober 1938
224. Rede des Fuhrers in Weimar, 6. November Warnung vor britischen Kriegshetzern.
1938 (Auszug)
225. Rede des Reichsministers des Auswartigen Warnung vor britischen Kriegshetzern.
vor dem Verein der Auslandischen Presse
in Berlin, 7. November 1938 (Auszug)
226. Erklarung des Britischen Staatssekretars Britische Flugzeugbestellungen in
fur die Luftfahrt Sir K. Wood im Kanada.
Unterhaus, 16. November 1938 (Auszug)
227. Der Deutsche Botschafter in London an das Bevorstehender Besuch des Britischen
Auswartige Amt, 22. November 1938 Premierministers in Paris.
228. Der Deutsche Botschafter in Paris an das Britisch-franzosische Besprechungen in
Auswartige Amt, 25. November 1938 Paris.
229. Rede des Sekretars des Britischen Amts fur GroBbritannien und die deutschen
Uberseehandel R. S. Hudson im Unterhaus, Wirtschaftsbeziehungen zu den
30. November 1938 (Auszug) siiBdosteuropaischen Staaten.
230. Der Deutsche Botschafter in London an das Unterhaus anf rage betreffend
Auswartige Amt, 5. Dezember 1938 angeblicher Mobilisierung deutscher
Armeekorps.
231. Rede des Britischen Staatssekretars fur die Frage der Ruckgabe der deutschen
Kolonien Malcolm MacDonald im Kolonien.
Unterhaus 7. Dezember 1938 (Auszug)
232. Der Deutsche Botschafter in Paris an das
Auswartige Ami, 10. Dezember 1938
Antideutscher Vortrag von Duff
Cooper in Paris.
233. Der Deutsche Botschafter in London an das Beschwerde bei Lord Halifax wegen
Auswartige Amt, 5. Januar 1939 Beleidigung des Fuhrers.
234. Der Deutsche Botschafter in London an das GroBbritannien und die Botschaft des
Auswartige Amt, 9. Januar 1939
235. Ansprache des Fuhrers beim
Neujahrsempfang des Diplomatischen
Korps, 12. Januar 1939
Prasidenten Roosevelt an den KongreB
der Vereinigten Staaten von Amerika.
Hoffnung auf einen gerechten Frieden.
236. Der Deutsche Geschaftstrager in Ankara Antideutsche Bemiihungen des
an das Auswartige Amt, 17. Januar 1939 Britischen Botschafters in der Tiirkei.
237. Rundfunkansprache des Britischen Einfuhrung des freiwilligen nationalen
Premierministers Chamberlain, 23. Januar Dienstes in GroBbritannien.
1939 (Auszug)
238. Der Deutsche Botschafter in London an das Unterredung mit dem Britischen
Auswartige Amt, 25. Januar 1939 Premierminister liber die Haltung der
britischen Presse.
239. Der Deutsche Botschafter in London an das Rede Sir Samuel Hoare's vom 26.
Auswartige Amt, 27. Januar 1939 Januar 1939.
240. Rede des Britischen Premierministers
Chamberlain in Birmingham, 28. Januar
1939 (Auszug)
Begriindung der britischen Aufrustung.
241. Rede des Fuhrers vor dem Deutschen
Reichstag, 30. Januar 1939 (Auszug)
Warnung vor britischen Hetzpolitikern.
242. Rede des Britischen Premierministers
Chamberlain in Blackburn, 22. Februar
1939 (Auszug)
Britische Aufrustung.
243. Der Deutsche Botschafter in London an das Unterredung mit Lord Halifax iiber die
Auswartige Amt, 24. Februar 1939 antideutsche Propaganda in England.
244. Der Deutsche Konsul in Genf an das
Auswartige Amt, 24. Februar 1939
Englisch-franzosische Reserve zur
Generalakte.
245. Per Deutsche Gesandte in Teheran an das Antideutsche Aktivitat der britischen
Auswartige Amt, 4. Marz 1939 Politik in Iran.
246. Rede des Britischen Staatssekretars fur Verstarkung der britischen
Krieg Hore-Belisha im Unterhaus, 8. Marz Territorialarmee und Aufstellung eines
1939 (Auszug) kontinentalen Expeditionsheeres.
247. Der Deutsche Botschafter in London an das Beschwerde bei Lord Halifax iiber
Auswartige Amt, 18. Marz 1939 Beleidigung des Fiihrers durch Duff
Cooper.
248. Erklarung des Britischen Premierministers Verdoppelung der britischen
Chamberlain im Unterhaus, 29. Marz 1939 Territorialarmee.
(Auszug)
249. Der Deutsche Geschaftstrager in London Rede Lord Stanhope's auf dem
an das Auswartige Amt, 6. April 1939 Flugzeugmutterschiff "Ark Royal".
250. Erklarung des Britischen Premierministers Errichtung eines britischen
Chamberlain im Unterhaus, 20. April 1939 Versorgungsministeriums.
251. Aufzeichnung des Staatssekretars des Ubergabe eines Aide-Memoires durch
Auswartigen Amts, 26. April 1939 den Britischen Botschafter.
Anlage: Aide-Memoire Britische Mitteilung iiber Einfuhrung
der Wehrpflicht in GroBbritannien.
252. Der Deutsche Botschafter in London an das Versteifung der englischen Stimmung.
Auswartige Amt, 10. Juli 1939
253. Der Deutsche Botschafter in London an das Falschmeldungen iiber die Gesprache
Auswartige Amt, 24. Juli 1939 Hudson-Wohlthat.
254. Rede des Britischen Staatssekretars fur Vorbereitungen fur die Schaffung eines
Inneres Sir Samuel Hoare im Unterhaus, Informationsministeriums im
28. Juli 1939 (Auszug) Kriegsfall.
B. Die Britische Haltung zur Tschechischen Frage
(November 1938 bis April 1939)
255. Aus der Erklarung des Britischen Revision der tschecho-slowakischen
Premierministers Chamberlain im Grenzen.
Unterhaus, 1. November 1938
256. Der Deutsche Botschafter in London an das Die Frage der Garantie der Tschecho-
Auswartige Amt, 3. November 1938 Slowakei im Unterhaus.
257. Erklarung des Britischen Premierministers Die Vorgange in der Tschecho-
Chamberlain im Unterhaus, 14. Marz 1939 Slowakei und die britische Garantie.
258. Das Auswartige Ami an den Deutschen
Botschafter in London, 15. Marz 1939
259. Der Deutsche Botschafter in London an das
Auswartige Amt, 16. Marz 1939
260. Der Deutsche Botschafter in London an das
Auswartige Amt, 15. Marz 1939
Unterredung des Staatssekretars mit
dem Britischen Botschafter liber die
tschechische Frage.
Unterhauserklarung Chamberlains zur
Frage der britischen Garantie fur die
Tschecho-Slowakei.
Gesprach mit Lord Halifax iiber das
deutsch-tschechische Abkommen.
261. Der Deutsche Botschafter in London an das Haltung der Britischen Regierung.
Auswartige Amt, 17. Marz 1939
262. Amtliche Deutsche Mitteilung, 18. Marz Ablehnung der Entgegennahme eines
1939 britisch-franzosischen Protestes.
263. Der Deutsche Botschafter in London an das Die englische Einstellung zu den
Auswartige Amt, 18. Marz 1939
264. Der Deutsche Geschaftstrager in London
an das Auswartige Amt, 24. Marz 1939
Ereignissen in der bisherigen
Tschecho-Slowakei.
Unterhaus anf rage zur Miinchener
Erklarung.
265. Der Deutsche Geschaftstrager in London
an das Auswartige Amt, 24. Marz 1939
Kommentar zu Nr. 264.
266. Rede des Fuhrers vor dem Deutschen
Reichstag, 28. April 1939 (Auszug)
Notwendigkeit der Losung des
tschecho-slowakischen Problems.
C. Die Britische Einkreisungspolitik seit Februar 1939
267. Erklarung des Britischen Premierministers Britisches Beistandsversprechen an
Chamberlain im Unterhaus, 6. Februar Frankreich.
1939
268. Der Deutsche Botschafter in Paris an das
Auswartige Amt, 28. Februar 1939
269. Rede des Britischen Premierministers
Chamberlain in Birmingham, 17. Marz
1939 (Auszug)
Polnische Bestrebungen um
Neubelebung der polnisch-
franzosischen Allianz.
Ankundigung der Einkreisungsaktion.
270. Per Deutsche Geschaftstrager in London
an das Auswartige Ami, 19. Marz 1939
271. Aus der Rede des Britischen
Staatssekretars fur Auswartige
Angelegenheiten Lord Halifax im
Oberhaus, 20. Marz 1939
Behauptungen des Rumanischen
Gesandten in London liber ein
deutsches Ultimatum an Rumanien.
Mitteilung iiber Beginn der
Einkreisungsbesprechungen.
272. Der Deutsche Geschaftstrager in London
an das Auswartige Amt, 20. Marz 1939
Britische Einkreisungsbesprechungen.
273. Der Deutsche Gesandte in Oslo an das
Auswartige Amt, 21. Marz 1939
274. Der Deutsche Geschaftstrager in London
an das Auswartige Amt, 22. Marz 1939
Dementi des Norwegischen
AuBenministers betreffend angebliches
deutsches Ultimatum an die
skandinavischen Staaten.
Britische Einkreisungsbesprechungen
in Paris, Warschau und Moskau.
275. Der Deutsche Geschaftstrager in London Britische Einkreisungsbesprechungen.
an das Auswartige Amt, 23. Marz 1939
276. Der Deutsche Geschaftstrager in Paris an
das Auswartige Amt, 24. Marz 1939
277. Der Deutsche Geschaftstrager in London
an das Auswartige Amt, 29. Marz 1939
Britisch-franzosisches Abkommen
betreffend Hilfeleistung flir die
Niederlande und die Schweiz.
Unterhausanfrage iiber die
Einkreisungsbesprechungen.
278. Der Deutsche Geschaftstrager in Paris an Rundfunkansprache des
das Auswartige Amt, 31. Marz 1939 Ministerprasidenten Daladier vom 29.
Marz 1939.
279. Erklarung des Britischen Premierministers Garantieversprechen an Polen.
Chamberlain im Unterhaus, 31. Marz 1939
280. Der Deutsche Botschafter in Warschau an Presseerklarung des Polnischen
das Auswartige Amt, 1. April 1939 AuBenministeriums zum britischen
Garantieversprechen.
281. Rede des Fuhrers in Wilhelmshaven, 1. Britische Einkreisungspolitik.
April 1939 (Auszug)
282. Der Staatssekretar des Auswartigen Amts Britische Beistandserklarung an Polen.
an den Deutschen Botschafter in
Warschau, 3. April 1939
283. Rede des Britischen Premierministers
Chamberlain im Unterhaus, 3. April 1939
(Auszug)
Britische Beistandserklarung an Polen.
284. Aus der Rede des Britischen
Britische Beistandserklarung an Polen.
Schatzkanzlers Sir John Simon im
Unterhaus, 3. April 1939
285. Per Deutsche Geschaftstrager in London
an das Auswartige Ami, 4. April 1939
Britisch-franzosische Zusammenarbeit
auf dem Luftgebiet.
286. Per Deutsche Geschaftstrager in London
an das Auswartige Amt, 10. April 1939
287. Per Reichsminister des Auswartigen an
verschiedene Peutsche Piplomatische
Missionen in Europa, 12. April 1939
Britische Erklarungen zum Besuch des
Polnischen AuBenministers und den
britisch-polnischen Abmachungen.
Deutschland und die britischen
Einkreisungsbestrebungen.
288. Per Peutsche Geschaftstrager in London
an das Auswartige Amt, 13. April 1939
Britische Garantieerklarung zugunsten
Griechenlands und Rumaniens.
289. Per Peutsche Geschaftstrager in London
an das Auswartige Amt, 14. April 1939
Kommentar zu Nr. 288.
290. Pie Peutsche Botschaft in Paris an das Offizieller Havas-Kommentar zu den
Auswartige Amt, 15. April 1939 britisch-franzosischen
Garantieversprechungen und den
Einkreisungsverhandlungen.
291. Per Peutsche Gesandte in Bukarest an das Britische Einkreisungsbemuhungen in
Auswartige Amt, 15. April 1939 Rumanien.
292. Erklarung des Britischen Premierministers Etwaige Militarbesprechungen der
Chamberlain im Unterhaus, 18. April 1939 Einkreisungsmachte.
293. Aufzeichnung des Staatssekretars des
Auswartigen Amts, 26. April 1939
Gesprach mit dem Britischen
Botschafter liber die britische
Einkreisungspolitik.
294. Memorandum der Reichsregierung an die AuBerkraftsetzung des
Koniglich Britische Regierung, 28. April Flottenabkommens vom 18. Juni 1935
1939 durch GroBbritannien.
295. Rede des Ftihrers vor dem Peutschen
Reichstag, 28. April 1939 (Auszug)
Beziehungen zwischen Deutschland
und GroBbritannien.
296. Per Peutsche Geschaftstrager in London
an das Auswartige Amt, 29. April 1939
Eindruck der Fuhrerrede.
297. Per Peutsche Geschaftstrager in London Die britisch-turkischen Besprechungen.
an das Auswartige Amt, 2. Mai 1939
298. Aufzeichnung des Staatssekretars des
Auswartigen Amts, 8. Mai 1939
Unterredung mit dem Franzosischen
Botschafter.
299. Rede des Britischen Premierministers Britische Einkreisungspolitik und
Chamberlain in der Albert-Hall, London, Aufrustung.
11. Mai 1939 Auszug
300. Der Deutsche Botschafter in London an das Die Rede Chamberlains in der Albert
Auswartige Amt, 13. Mai 1939 Hall.
301. Erklarung des Britischen Premierministers Vorlaufiges Abkommen zwischen
Chamberlain im Unterhaus, 12. Mai 1939 GroBbritannien und der Tiirkei.
302. Aufzeichnung des Staatssekretars des Unterredung mit dem Britischen
Auswartigen Amts, 15. Mai 1939 Botschafter.
303. Rede des Britischen Premierministers Britische Einkreisungspolitik und
Chamberlain im Unterhaus, 19. Mai 1939 Aufrustung.
Auszug
304. Der Deutsche Generalkonsul in New York Amerikanische Ansichten liber
an das Auswartige Amt, 25. Mai 1939 britische Kriegsabsichten.
305. Rede des Fuhrers in Kassel, 4. Juni 1939 Deutschland und die britische
(Auszug) Einkreisungspolitik.
306. Der Deutsche Botschafter in London an das Unterhauserklarung Chamberlains zu
Auswartige Amt, 7. Juni 1939 den britisch-sowjetischen
Verhandlungen.
307. Aufzeichnung des Staatssekretars des Unterredung mit dem Britischen
Auswartigen Amts, 13. Juni 1939 Botschafter.
308. Aufzeichnung des Staatssekretars des Gesprach mit dem Franzosischen
Auswartigen Amts, 17. Juni 1939 Botschafter.
309. Der Deutsche Botschafter in London an das Reden von Churchill und Lord Halifax
Auswartige Amt, 22. Juni 1939 wahrend eines Essens im 1900-Club.
310. Franzosisch-Turkische Erklarung tiber
gegenseitige Hilfeleistung, 23. Juni 1939
311. Der Deutsche Geschaftstrager in Paris an Britisch-franzosische Vereinbarung
das Auswartige Amt, 27. Juni 1939 liber gegenseitige Hilfeleistung im
Falle eines Angriffs auf die
Niederlande und die Schweiz.
312. Rede des Britischen Staatssekretars fur Britische Einkreisungspolitik und
Auswartige Angelegenheiten Lord Halifax Aufrustung.
in Chatham House, London, 29. Juni 1939
(Auszug)
313. Der Deutsche Botschafter in London an das Besuch Generals Gamelin in London.
Auswartige Amt, 29. Juni 1939
314. Aufzeichnung des Staatssekretars des
Auswartigen Amts, 30. Juni 1939
Unterredung mit dem Franzosischen
Botschafter.
315. Per Deutsche Botschafter in Ankara an das Britische Einkreisungsbemiihungen in
Auswartige Amt, 30. Juni 1939 der Tiirkei.
316. Der Deutsche Botschafter in Paris an das
Auswartige Amt, 6. Juli 1939
317. Aufzeichnung eines Beamten der
Politischen Abteilung des Auswartigen
Amts, 10. Juli 1939
Rede des Britischen Kriegsministers
Hore-Belisha beim Jahresessen der
Vereinigung "France - Grande-
Bretagne".
Rumanien und die britische
Einkreisungsaktion.
318. Der Deutsche Botschafter in London an das Britischer Gesetzentwurf betreffend
Auswartige Amt, 12. Juli 1939 politische Kredite.
319. Der Deutsche Botschafter in London an das Britische Besorgnisse vor
Auswartige Amt, 15. Juli 1939 Zustandekommen eines deutsch-
russischen Ausgleichs.
320. Der Deutsche Botschafter in Ankara an das Britische und franzosische
Auswartige Amt, 18. Juli 1939 Militarmissionen in der Tiirkei.
321. Der Deutsche Botschafter in London an das Die turkische Militarmission in
Auswartige Amt, 19. Juli 1939 GroBbritannien.
322. Der Deutsche Botschafter in London an das Fernfliige der britischen Luftwaffe iiber
Auswartige Amt, 25. Juli 1939 Frankreich.
323. Der Deutsche Botschafter in Paris an das
Auswartige Amt, 28. Juli 1939
324. Der Deutsche Gesandte in Sofia an das
Auswartige Amt, 31. Juli 1939
Entsendung britischer und
franzosischer Militarmission nach
Moskau.
Militarische Vorbereitungen der Tiirkei
an der bulgarischen Grenze; Besuch des
Prinzregenten Paul von Jugoslawien in
London.
Drittes Kapitel
Deutschlands Bemuhen um Sicherung
friedlicher Beziehungen zu seinen Nachbarlandern
325. Aus der Rede des Fuhrers vor dem
Deutschen Reichstag, 30. Januar 1937
Deutschlands Friedensbemuhungen.
326. Aus der Rede des Fuhrers im Berliner
Sportpalast, 26. September 1938
Nichtbestehen von Differenzen
zwischen Deutschland und Frankreich.
327. Unterredung des Reichsministers des
Auswartigen mit dem Franzosischen
Botschafter, 20. November 1938
Deutsch-franzosisches Verhaltnis.
328. Unterredung des Reichsministers des
Auswartigen mit dem Vertreter des Paris
Soir, 5. Dezember 1938
Deutsch-franzosisches Verhaltnis.
329. Deutsch-Franzosische Erklarung, 6.
Dezember 1938
330. Amtliche Deutsche Verlautbarung, 6.
Dezember 1938
Besuch des ReichsauBenministers in
Paris.
331. Erklarung des Reichsministers des
Auswartigen vor der Presse, Paris. 6.
Dezember 1938
Deutsch-franzosisches Verhaltnis.
332. Erklarung des Franzosischen
AuBenministers Bonnet vor der Presse,
Paris, 6. Dezember 1938
Deutsch-franzosisches Verhaltnis.
333. Der Reichsminister des Auswartigen an
den Belgischen Gesandten, 13. Oktober
1937
Deutsche Erklarung liber die Achtung
der Unverletzlichkeit und Integritat
Belgiens.
334. Der Belgische Gesandte an den
Reichsminister des Auswartigen, 13.
Oktober 1937
Kenntnisnahme der vorstehenden Note
des ReichsauBenministers.
335. Der Deutsche Gesandte im Haag an das
Auswartige Amt, 22. Marz 1937
336. Der Deutsche Gesandte im Haag an das
Auswartige Amt, 28. Oktober 1937
Stellungnahme des Hollandischen
AuBenministers zum Garantieangebot
des Fuhrers an die Niederlande.
Hollandische Stellungnahme zu einer
etwaigen deutschen Garantieerklarung.
337. Der Staatssekretar des Auswartigen Amts
an die Deutschen Diplomatischen
Missionen, 28. April 1938
338. Ansprache des Fuhrers in Rom, 7. Mai
1938 f Auszug)
Deutsche Erklarungen liber die
endgliltige Respektierung der durch die
Wiedervereinigung Osterreichs mit
dem Reich entstandenen neuen
Grenzen.
Deutsch-italienisches Verhaltnis und
Anerkennung der Brenner-Grenze.
339. Erklarung des Fuhrers gelegentlich seiner Respektierung der Unverletzlichkeit
Unterredung mit dem fruheren und Neutralitat der Schweiz durch
Schweizerischen Bundesrat SchultheB in Deutschland.
Berlin, 23. Februar 1937
340. Ansprache des Fuhrers anlaBlich der Deutsch-jugoslawisches Verhaltnis und
Abendtafel zu Ehren des Prinzregenten von Anerkennung der neuen deutsch-
Jugoslawien, 1. Juni 1939 (Auszug) jugoslawischen Grenze.
341. Der Staatssekretar des Auswartigen Amis Anerkennung der neuen deutsch-
an den Deutschen Gesandten in Budapest, ungarischen Grenze.
18. Marz 1938
342. Vertrag zwischen Deutschland und Wiedervereinigung des Memelgebiets
Litauen, 22. Marz 1939 mit dem Reich und Verzicht auf
Gewaltanwendung in den gegenseitigen
Beziehungen.
343. Aus der Rede des Fuhrers vor dem Deutsches Angebot zum AbschluB von
Deutschen Reichstag, 28. April 1939 Nichtangriffsvertragen.
344. Amtliche Deutsche Verlautbarung, 19. Mai Verhandlungen zwischen dem Reich
1939 und den baltischen und nordischen
Staaten iiber AbschluB von
Nichtangriffsvertragen.
345. Nichtangriffsvertrag zwischen Deutschland
und Danemark, 31. Mai 1939
346. Nichtangriffsvertrag zwischen Deutschland
und Estland, 7. Juni 1939
347. Nichtangriffsvertrag zwischen Deutschland
und Lettland, 7. Juni 1939
348. Nichtangriffsvertrag zwischen Deutschland
und der Union der Sozialistischen
Sowjetrepubliken, 23. August 1939
Viertes Kapitel
Polen als Werkzeug des Englischen Kriegswillens
A. Die Auswirkung der Britischen Einkreisungspolitik
auf die Haltung Polens
I. Vernichtungsfeldzug gegen die Deutsche Volksgruppe
349. Das Auswartige Ami an den Deutschen Deutschfeindliche Kundgebungen in
Botschafter in Warschau, 27. Marz 1939 Bromberg.
350. Per Deutsche Generalkonsul in Thorn an Sprengung eines reichsdeutschen
das Auswartige Ami, 28. Marz 1939 Kameradschaftsabends in Liniewo.
351. Aufzeichnung des Dirigenten der
Politischen Abteilung des Auswartigen
Amis, 29. Marz 1939
352. Der Deutsche Botschafter in Warschau an
das Auswartige Amt, 30. Marz 1939
353. Der Deutsche Generalkonsul in Thorn an
das Auswartige Amt, 30. Marz 1939
Unterredung mit dem Polnischen
Botschaftsrat iiber deutschfeindliche
Ausschreitungen und Pressehetze in
Polen.
Protest beim Polnischen
VizeauBenminister wegen der Vorfalle
in Bromberg und Liniewo.
Uberfalle auf Reichs- und
Volksdeutsche.
354. Der Deutsche Generalkonsul in Thorn an Boykotthetze und Demonstrationen
das Auswartige Amt, 30. Marz 1939 gegen das Deutschtum in Pommerellen.
355. Der Deutsche Generalkonsul in Posen an
das Auswartige Amt, 31. Marz 1939
Vergiftung der offentlichen Meinung
gegen die deutsche Volksgruppe.
356. Das Auswartige Amt an den Deutschen
Botschafter in Warschau, 2. April 1939
357. Der Deutsche Generalkonsul in Posen an
das Auswartige Amt, 4. April 1939
Weisung zu einer Demarche wegen der
Ausschreitungen gegen die deutsche
Volksgruppe.
MiBhandlung von Volksdeutschen.
358. Der Deutsche Botschafter in Warschau an Aufruf zum Boykott des deutschen
das Auswartige Amt, 4. April 1939 Handels und Handwerks.
359. Der Deutsche Generalkonsul in Danzig an Deutschfeindliche Ausschreitungen in
das Auswartige Amt, 13. April 1939 Pommerellen.
360. Der Deutsche Geschaftstrager in Warschau Ausfuhrung von Nr. 356.
an das Auswartige Amt, 18. April 1939
361. Der Deutsche Generalkonsul in Thorn an
das Auswartige Amt, 18. April 1939
Deutschfeindliche Ausschreitungen in
Pommerellen.
362. Der Deutsche Generalkonsul in Kattowitz Hetze gegen das Deutschtum in
an das Auswartige Amt, 22. April 1939 Ostoberschlesien.
363. Der Deutsche Generalkonsul in Kattowitz Uberfalle auf Volksdeutsche in
an das Auswartige Amt, 24. April 1939 Ostoberschlesien.
364. Der Deutsche Generalkonsul in Kattowitz Ubersendung eines deutschfeindlichen
an das Auswartige Amt, 28. April 1939 Aufruf s.
Anlage:
365. Per Deutsche Generalkonsul in Kattowitz
an das Auswartige Ami, 6. Mai 1939
366. Per Deutsche Konsul in Lodz an das
Auswartige Amt, 8. Mai 1939
Aufruf des Verbandes friiherer
Freiwilliger der polnischen Armee.
Ubersendung von Unterlagen liber
Ausschreitungen gegen Volksdeutsche
in Ostoberschlesien.
Terror gegen die Deutschen in der
Woiwodschaft Lodz.
367. Per Peutsche Botschafter in Warschau an Ausstellung von Landkarten mit
das Auswartige Amt, 8. Mai 1939 polnischen Territorialanspriichen.
368. Pas Auswartige Amt an den Peutschen
Botschafter in London, 11. Mai 1939
369. Eingabe der Vertreter der Peutschen
Volksgruppe an den Polnischen
Staatsprasidenten, 12. Mai 1939
Ubersendung von Unterlagen iiber
deutschfeindliche Ausschreitungen in
Polen.
Lage der deutschen Volksgruppe.
370. Per Peutsche Konsul in Lodz an das
Auswartige Amt, 15. Mai 1939
Schwere deutschfeindliche
Ausschreitungen in Tomaschow.
371. Per Peutsche Konsul in Lodz an das
Auswartige Amt, 18. Mai 1939
Verletzungen und Sachschaden bei den
Ausschreitungen in Tomaschow.
372. Per Peutsche Generalkonsul in Kattowitz Ubersendung von Unterlagen iiber
an das Auswartige Amt, 19. Mai 1939
373. Per Peutsche Generalkonsul in Posen an
das Auswartige Amt, 22. Mai 1939
deutschfeindliche Ausschreitungen in
Ostoberschlesien.
SchlieBung deutscher Schulen.
374. Per Peutsche Botschafter in Warschau an
das Auswartige Amt, 22. Mai 1939
375. Per Peutsche Generalkonsul in Posen an
das Auswartige Amt, 25. Mai 1939
376. Per Peutsche Generalkonsul in Kattowitz
an das Auswartige Amt, 30. Mai 1939
377. Per Peutsche Konsul in Teschen an das
Auswartige Amt, 2. Juni 1939
Deutschfeindliche Ausschreitungen und
SchlieBung deutscher Schulen in
Wolhynien.
AusschlieBung deutscher Studenten von
dem Besuch der
Universitatsvorlesungen in Posen.
Ubersendung weiterer Unterlagen iiber
Ausschreitungen gegen die deutsche
Volksgruppe in Ostoberschlesien.
Enteignung des deutschen Volksheims
in Karwin.
378. Per Peutsche Botschafter in Warschau an Deutschfeindliche Rede des
Stellvertretenden Ministerprasidenten
das Auswartige Amt, 6. Juni 1939
379. Per Peutsche Konsul in Teschen an das
Auswartige Amt, 6. Juni 1939
in Thorn.
Enteignung der Deutschen Volksbank
in Teschen und des deutschen
380. Per Deutsche Generalkonsul in Thorn an
das Auswartige Ami, 6. Juni 1939
Schlilerheims in Oderberg.
Weitere deutschfeindliche MaBnahmen
und Demonstrationen in Pommerellen.
381. Per Deutsche Konsul in Lodz an das
Auswartige Ami, 7. Juni 1939
Inhalt.
382. Per Peutsche Botschafter in Warschau an
das Auswartige Amt, 15. Juni 1939
383. Per Peutsche Generalkonsul in Posen an
das Auswartige Amt, 16. Juni 1939
Unterredung mit dem Polnischen
VizeauBenminister liber
deutschfeindliche Pressehetze und
Beleidigung des Fuhrers.
SchlieBung des evangelischen
Vereinshauses in Posen.
384. Per Peutsche Generalkonsul in Posen an
das Auswartige Amt, 19. Juni 1939
385. Per Peutsche Botschafter in Warschau an
das Auswartige Amt, 19. Juni 1939
386. Per Peutsche Generalkonsul in Kattowitz
an das Auswartige Amt, 22. Juni 1939
387. Per Peutsche Generalkonsul in Thorn an
das Auswartige Amt, 23. Juni 1939
Ubersendung von Unterlagen iiber
MiBhandlungen von Reichs- und
Volksdeutschen.
Vorstellungen beim Polnischen
VizeauBenminister wegen der
wesentlichen Verschlechterung der
Lage der deutschen Volksgruppe.
Ubersendung weiterer Unterlagen liber
Ausschreitungen gegen die deutsche
Volksgruppe in Polen.
Auflosung des Johanniterordens.
388. Per Peutsche Konsul in Lodz an das
Auswartige Amt, 24. Juni 1939
Ausschreitungen gegen das Deutschtum
in Pabianice.
389. Per Peutsche Generalkonsul in Kattowitz
an das Auswartige Amt, 26. Juni 1939
390. Pas Auswartige Amt an den Peutschen
Botschafter in Warschau, 26. Juni 1939
391. Per Peutsche Botschafter in Warschau an
das Auswartige Amt, 27. Juni 1939
Systematische Entlassung deutscher
Arbeiter und Angestellter in
Ostoberschlesien.
Frage von Repressalien gegen die
polnischen
UnterdrlickungsmaBnahmen.
Stellungnahme zur Frage der
Repressalien.
392. Pie Peutsche Botschaft in Warschau an das Verbalnote, betreffend
Polnische Ministerium fur Auswartige deutschfeindliche Rede eines
Angelegenheiten, 27. Juni 1939 polnischen Generalstabsoffiziers.
393. Per Peutsche Generalkonsul in Thorn an
das Auswartige Amt, 3. Juli 1939
394. Per Peutsche Botschafter in Warschau an
Anklindigung des
Landwirtschaftsministers liber weitere
Parzellierung des deutschen
Grundbesitzes.
Gewalttatigkeiten gegen die deutsche
das Auswartige Ami, 5. Juli 1939
evangelische Kirche in Polen.
Anlage: Aufzeichnung
395. Per Deutsche Generalkonsul in Posen an
das Auswartige Ami, 10. Juli 1939
Ausschreitungen gegen deutsche
Kirchen und Pfarrhauser.
MaBnahmen gegen die deutschen
Molkereigenossenschaften.
396. Per Deutsche Generalkonsul in Thorn an
das Auswartige Amt, 10. Juli 1939
397. Per Peutsche Botschafter in Warschau an
das Auswartige Amt, 11. Juli 1939
398. Per Peutsche Generalkonsul in Posen an
das Auswartige Amt, 12. Juli 1939
Ubersendung weiterer Unterlagen iiber
den Vernichtungskampf gegen die
deutsche Volksgruppe.
Vorstellungen beim Polnischen
VizeauBenminister wegen Ermordung
eines Reichsdeutschen und die
Verfolgung des Deutschtums.
SchlieBung deutscher Volksschulen.
399. Per Peutsche Konsul in Teschen an das
Auswartige Amt, 13. Juli 1939
SchlieBung des Deutschen Theaters in
Teschen.
400. Per Peutsche Konsul in Lemberg an das Vorgehen gegen die deutschen
Auswartige Amt, 15. Juli 1939 Organisationen in Wolhynien.
401. Per Peutsche Generalkonsul in Thorn an
das Auswartige Amt, 20. Juli 1939
Ubersendung weiterer Unterlagen liber
Ausschreitungen gegen die deutsche
Volksgruppe.
402. Per Peutsche Generalkonsul in Kattowitz Weitere Ausschreitungen gegen
an das Auswartige Amt, 24. Juli 1939
Volksdeutsche in Ostoberschlesien.
403. Per Peutsche Generalkonsul in Thorn an
das Auswartige Amt, 25. Juli 1939
404. Per Peutsche Konsul in Teschen an das
Auswartige Amt, 28. Juli 1939
Beteiligung von polnischem Militar bei
den Ausschreitungen gegen
Volksdeutsche.
Weitere Entlassungen reichs- und
volksdeutscher Angestellter.
405. Per Peutsche Konsul in Teschen an das
Auswartige Amt, 3. August 1939
SchlieBung deutscher Schulen.
406. Per Peutsche Generalkonsul in Kattowitz Bevorstehende Verhaftung zahlreicher
an das Auswartige Amt, 8. August 1939 Volksdeutscher.
407. Per Peutsche Konsul in Lemberg an das Bedrohung der deutschen Volksgruppe
Auswartige Amt, 9. August 1939 in Galizien.
408. Per Peutsche Generalkonsul in Thorn an
das Auswartige Amt, 10. August 1939
Ubersendung einer Rundverfugun^
einer polnischen Finanzbehorde.
Anlage: Schreiben des Oberfinanzamts Anweisung, das Besitztum der
Graudenz, 14. Juli 1939
409. Per Deutsche Generalkonsul in Posen an
das Auswartige Ami, 12. August 1939
deutschen Volksgruppe in Polen mit
alien Mitteln zu reduzieren.
SchlieBung des Deutschen
Biichervereins in Posen.
410. Aufzeichnung eines Beamten der
Politischen Abteilung des Auswartigen
Amis, 16. August 1939
Mitteilung des Generalkonsulats
Kattowitz liber Verhaftung von
Volksdeutschen.
411. Der Deutsche Generalkonsul in Posen an
das Auswartige Ami, 15. August 1939
SchlieBung der deutschen
theologischen Hochschule.
412. Der Deutsche Generalkonsul in Kattowitz Massenverhaftungen von
an das Auswartige Amt, 16. August 1939 Volksdeutschen in Ostoberschlesien.
413. Der Deutsche Konsul in Teschen an das
Auswartige Amt, 17. August 1939
Verhaftungswelle im Olsa-Gebiet.
414. Der Deutsche Konsul in Teschen an das
Auswartige Amt, 18. August 1939
SchlieBung deutscher Vereine in
Bielitz.
415. Aufzeichnung eines Beamten der
Politischen Abteilung des Auswartigen
Amts, 20. August 1939
MiBhandlung der Volksdeutschen in
ganz Polen.
Anlage:
416. Aufzeichnung eines Beamten der
Politischen Abteilung des Auswartigen
Amts, 23. August 1939
Zusammenstellung von 38 Fallen von
MiBhandlungen Reichs- und
Volksdeutscher.
Umfang der Massenflucht der
Volksdeutschen aus Polen.
417. Der Deutsche Generalkonsul in Thorn an
das Auswartige Amt, 28. August 1939
Vertreibung der Volksdeutschen aus
den Grenzgebieten.
II. Polnische MaBnahmen gegen Danzig
418. Der Deutsche Generalkonsul in Danzig an Danzig-polnischer Grenzzwischenfall
das Auswartige Amt, 11. Mai 1939 bei Liessau.
419. Der Deutsche Generalkonsul in Thorn an Polnische Kriegsvorbereitungen gegen
das Auswartige Amt, 15. Mai 1939 Danzig.
420. Aufzeichnung eines Beamten der
Danzig-polnischer Zwischenfall in
Politischen Abteilung des Auswartigen Kalthof.
Amis, 22. Mai 1939
421. Per Deutsche Generalkonsul in Danzig an Danzig-polnischer Zwischenfall in
das Auswartige Ami, 24. Mai 1939 Kalthof.
422. Protokoll des Hauptzollamts Elbing, 24. Vernehmung des Reichsangehorigen
Mai 1939 Otto Eggert liber einen
Grenzzwischenfall.
423. Per Deutsche Generalkonsul in Danzig an Vorstellungen des Danziger Senats bei
das Auswartige Ami, 5. Juni 1939 der Diplomatischen Vertretung Polens
wegen der polnischen Zollinspektoren.
Anlage: Der Prasident des Senats der Haltung der polnischen Zollinspektoren
Freien Stadt Danzig an den Diplomatischen auf Danziger Gebiet.
Vertreter der Republik Polen in Danzig, 3.
Juni 1939
424. Der Deutsche Generalkonsul in Danzig an Spionagetatigkeit polnischer
das Auswartige Amt, 9. Juni 1939 Zollinspektoren.
425. Der Deutsche Generalkonsul in Danzig an Polnische Note in Sachen der
das Auswartige Amt, 12. Juni 1939 polnischen Zollinspektoren in Danzig.
426. Der Deutsche Generalkonsul in Danzig an Zwischenfall mit dem polnischen
das Auswartige Amt, 12. Juni 1939 Zollinspektor von Lipinski.
427. Der Deutsche Generalkonsul in Danzig an Ausflug der polnischen Berufs- und
das Auswartige Amt, 23. Juni 1939 Arbeitsvereinigung nach Dirschau.
428. Der Deutsche Generalkonsul in Danzig an Nachrichten liber beabsichtigte
das Auswartige Amt, 23. Juni 1939 polnische Provokationen in Danzig.
429. Der Deutsche Generalkonsul in Danzig an Erschwerung der polnischen
das Auswartige Amt, 7. Juli 1939 Kartoffelzufuhr nach Danzig.
430. Der Deutsche Generalkonsul in Thorn an Antideutsche Kundgebungen anlaBlich
das Auswartige Amt, 11. Juli 1939 des "Fest des Meeres".
431. Der Prasident des Senats der Freien Stadt Polnische MaBnahmen, betreffend die
Danzig an den Diplomatischen Vertreter Danziger Firma Amada und die Einfuhr
der Republik Polen in Danzig, 29. Juli 1939 von Heringen nach Polen.
432. Der Diplomatische Vertreter der Republik Polnisches Ultimatum aus AnlaB der
Polen in Danzig an den Prasidenten des angeblichen Anklindigung der Danziger
Senats der Freien Stadt Danzig, 4. August Zollbehorden, betreffend Einstellung
1939 der Kontrollfunktion polnischer
Zollbeamter in Danzig.
433. Der Diplomatische Vertreter der Republik Angebliche Anklindigung der Danziger
Polen in Danzig an den Prasidenten des Zollbehorden, betreffend Einstellung
Senats der Freien Stadt Danzig, 4. August der Kontrollfunktionen polnischer
1939 (2. Note) Zollbeamter in Danzig.
434. Der Prasident des Senats der Freien Stadt Antwort auf Nr. 43 [2] und Nr. 43 [3] .
Danzig an den Diplomatischen Vertreter
der Republik Polen in Danzig, 7. August
1939
435. Aufzeichnung eines Beamten der
Politischen Abteilung des Auswartigen
Amts, 23. August 1939
BeschieBung eines deutschen
Verkehrsflugzeuges durch polnische
Flakartillerie.
436. Aufzeichnung eines Beamten der
Politischen Abteilung des Auswartigen
Amts, 24. August 1939
Weitere Meldungen liber BeschieBung
deutscher Verkehrsflugzeuge durch
polnische Flakartillerie.
437. Der Deutsche Generalkonsul in Danzig an Polnische Schlisse gegen Danziger
das Auswartige Amt, 31. August 1939 Gebiet.
Anhang: Das Oberkommando der
Wehrmacht an das Auswartige Amt, 3.
November 1939
Militarischer Zustand der Westerplatte
und der ehemals polnischen Gebaude in
Danzig.
B. Die letzte Phase der Deutsch-Polnischen Krise
438. Erklarung des Britischen Premierministers Danzig und das britische
Chamberlain im Unterhaus, 10. Juli 1939 Beistandsversprechen fur Polen.
439. Aufzeichnung des Staatssekretars des
Auswartigen Amts, 13. Juli 1939
Unterredung mit dem Franzosischen
Botschafter.
440. Aufzeichnung des Staatssekretars des
Auswartigen Amts, 14. Juli 1939
Unterredung mit dem Britischen
Botschafter.
441. Der Deutsche Botschafter in Warschau an Interview des Marschalls Rydz-Smigly.
das Auswartige Amt, 21. Juli 1939
442. Der Deutsche Botschafter in Warschau an Interview des Marschalls Rydz-Smigly.
das Auswartige Amt, 22. Juli 1939
443. Der Deutsche Botschafter in Warschau an Besuch des britischen Generals
das Auswartige Amt, 22. Juli 1939 Ironside in Polen.
444. Per Deutsche Botschafter in Warschau an Kriegsbereitschaft der Bevolkerung
das Auswartige Ami, 1. August 1939 Polens.
445. Mitteilung des Staatssekretars des
Auswartigen Amts an den Polnischen
Geschaftstrager, 9. August 1939
Haltung der Reichsregierung gegeniiber
dem polnischen Vorgehen in Danzig.
446. Mitteilung des Unterstaatssekretars im
Polnischen AuBenministerium an den
Deutschen Geschaftstrager in Warschau,
10. August 1939
Polnische Antwort auf die Mitteilung
der Reichsregierung vom 9. August.
447. Der Deutsche Geschaftstrager in Warschau Gesprache des Polnischen
an das Auswartige Amt, 11. August 1939 AuBenministers mit dem Britischen und
Franzosischen Botschafter vor
Abfassung der polnischen Note (Nr.
446).
448. Der Deutsche Botschafter in London an das Unterredung mit Lord Halifax iiber die
Auswartige Amt, 10. August 1939 deutsch-polnische Spannung.
449. Aufzeichnung des Staatssekretars des
Auswartigen Amts, 15. August 1939
Unterredung mit dem Franzosischen
Botschafter.
450. Aufzeichnung des Staatssekretars des
Auswartigen Amts, 15. August 1939
Unterredung mit dem Britischen
Botschafter.
451. Aufzeichnung des Staatssekretars des
Auswartigen Amts, 18. August 1939
Unterredung mit dem Britischen
Botschafter.
452. Der Deutsche Geschaftstrager in AuBerung eines britischen
Washington an das Auswartige Amt, 21. Gewerkschaftsfuhrers iiber die
August 1939 Unvermeidlichkeit des Krieges.
453. Der Deutsche Geschaftstrager in London
an das Auswartige Amt, 22. August 1939
Amtliches Communique iiber die
britische Kabinettssitzung.
454. Der Britische Premierminister
Chamberlain an den Ftihrer, 22. August
1939, 22. August 1939
Die britische Haltung in der deutsch-
polnischen Krise.
455. Unterredung des Ftihrers mit dem Stellungnahme zu Nr. 454.
Britischen Botschafter, Berchtesgaden, 23.
August 1939
456. Der Ftihrer an den Britischen
Premierminister Chamberlain, 23. August
1939
Antwort auf Nr. 454.
457. Erklarung des Ftihrers gegentiber dem
Britischen Botschafter, 25. August 1939
13.30 Uhr
Das deutsche Angebot an
GroBbritannien.
458. Aufzeichnung des Direktors der Politischen Mitteilung an den Britischen
Abteilung des Auswartigen Amis, 25. Botschafter liber das Blutbad bei
August 1939 Bielitz.
459. Britisch-Polnischer Vertrag tiber
gegenseitigen Beistand, 25. August 1939
460. Der Franzosische Ministerprasident Frankreich und die deutsch-polnische
Daladier an den Ftihrer, 26. August 1939 Krise.
461. Der Ftihrer an den Franzosischen
Ministerprasidenten Daladier, 27. August
1939
Antwort auf Nr. 460.
462. Der Deutsche Geschaftstrager in Warschau AuBerungen des Britischen
an das Auswartige Amt, 27. August 1939
463. Dem Ftihrer vom Britischen Botschafter
am 28. August 1939 22.30 Uhr tibergebenes
Memorandum der Britischen Regierung
Botschafters liber das deutsche
Angebot an GroBbritannien.
Antwort auf Nr. 457.
464. Dem Britischen Botschafter am 29. August
1939 18.45 Uhr tibergebene Antwort des
Ftihrers an die Britische Regierung
Deutscher Vorschlag zur Losung der
deutsch-polnischen Krise.
465. Der Deutsche Geschaftstrager in Warschau
an das Auswartige Amt, 30. August 1939
17.30 Uhr
Allgemeine Mobilmachung in Polen.
466. Unterredung des Reichsministers des
Auswartigen mit dem Britischen
Botschafter, 30. August 1939 um
Mitternacht
Deutsch-polnische Krise.
Anlage I: Dem Reichsminister des
Auswartigen am 30. August 1939 24 Uhr
vom Britischen Botschafter tibergebenes
Memorandum der Britischen Regierung
Antwort auf Nr. 464.
Anlage II: Vorschlag ftir eine Regelung
des Danzig-Korridor-Problems sowie der
Deutsch-Polnischen Minderheitenfrage
467. Der Staatssekretar des Auswartigen Amts Schwerwiegende Zuspitzung der Lage.
an die Deutschen Diplomatischen
Missionen, 31. August 1939
468. Amtliche Deutsche Mitteilung vom 31.
August 1939 21 Uhr
469. Meldung des Polnischen Rundfunksenders
Warschau vom 31. August 1939 23 Uhr
Die deutschen Bemiihungen um eine
Regelung des Danzig-Korridor-
Problems sowie der deutsch-polnischen
Minderheitenfrage.
Stellungnahme zum deutschen
Vorschlag.
470. Von einem Beamten der Politischen
Abteilung des Auswartigen Amts gefertigte
Zusammenstellung der dem Auswartigen
Amt vorliegenden amtlichen Meldungen
tiber schwere Grenzzwischenfalle an der
deutsch-polnischen Grenze zwischen dem
25. und dem 31. August 1939
471. Rede des Fuhrers vor dem Deutschen
Reichstag, 1. September 1939
472. Unterredung des Reichsministers des
Auswartigen mit dem Britischen
Botschafter, 1. September 1939 21 Uhr
Die britische Haltung gegeniiber dem
Ausbruch der deutsch-polnischen
Feindseligkeiten.
473. Unterredung des Reichsministers des
Auswartigen mit dem Franzosischen
Botschafter, 1. September 1939 22 Uhr
Die franzosische Haltung gegeniiber
dem Ausbruch der deutsch-polnischen
Feindseligkeiten.
474. Dem Auswartigen Amt am 2. September
1939 vormittags vom Italienischen
Botschafter ubergebene Notiz
Italienischer Konferenzvorschlag.
475. Mitteilung der Havas-Agentur, 2.
September 1939
Annahme des italienischen Vorschlags
durch die Franzosische Regierung.
476. Aus der Erklarung des Britischen
Staatssekretars fur Auswartige
Angelegenheiten Lord Halifax im
Oberhaus, 2. September 1939 nachmittags
Ablehnung des italienischen
Vorschlags durch die Britische
Regierung.
477. Vom Britischen Botschafter am 3.
September 1939 9 Uhr im Auswartigen
Amt ubergebene Note
Britisches Ultimatum.
478. Note des Britischen Staatssekretars fur
Auswartige Angelegenheiten Lord Halifax
an den Deutschen Geschaftstrager in
London, 3. September 1939 11.15 Uhr
Erklarung des Kriegszustandes
zwischen GroBbritannien und
Deutschland.
479. Dem Britischen Botschafter vom Antwort auf das britische Ultimatum.
Reichsminister des Auswartigen am 3.
September 1939 11.30 Uhr ausgehandigtes
Memorandum der Reichsregierung
480. Dem Reichsminister des Auswartigen am 3. Franzosisches Ultimatum.
September 1939 12.20 Uhr vom
Franzosischen Botschafter uberreichte
Note
481. Unterredung des Reichsministers des Frankreichs Verantwortung.
Auswartigen mit dem Franzosischen
Botschafter 3. September 1939 12.20 Uhr
482. Der Staatssekretar des Auswartigen Amts Die Verantwortlichkeit GroBbritanniens
an die Deutschen Diplomatischen fur den Kriegsausbruch.
Missionen, 3. September 1939
Einleitung
Der Blick des deutschen Volkes ist unter der Fiihrung Adolf Hitlers in die Zukunft, nicht in
die Vergangenheit gerichtet. Aber der uns aufgezwungene Kampf, den wir jetzt um das
kunftige Schicksal Deutschlands durchfechten, macht es zur gebieterischen Notwendigkeit,
uns in jedem Augenblick bewuBt zu bleiben, wie es zu diesem Kampf gekommen ist und wo
seine letzten Ursachen zu suchen sind. Das liegt zwar fur jeden, der sehen will, seit langem
offen zutage und ist von maBgebender deutscher Seite schon oft genug, vor allem durch die
Reden unseres Fuhrers, offentlich klargestellt worden. Da aber die verlogene Propaganda
unserer Feinde beharrlich bemiiht ist, den wahren Sachverhalt immer wieder zu verschleiern
und die Weltoffentlichkeit sowohl liber die Ursachen des Krieges als auch iiber die von ihnen
verfolgten Ziele irrezufuhren, ist es wichtig, durch authentische amtliche Dokumente noch
einmal den unwiderleglichen Nachweis zu erbringen, daB es ausschlieBlich und allein
England war, das den Krieg verschuldet und ihn gewollt hat, um Deutschland zu vernichten.
Nachdem das Auswartige Amt bereits unmittelbar nach Kriegsausbruch in einem WeiBbuch
die Urkunden veroffentlicht hat, die iiber die letzte Phase der deutsch-polnischen Krise
AufschluB geben, legt es nunmehr eine umfangreichere Sammlung von Dokumenten vor, die
sich nicht auf die dem Kriegsausbruch unmittelbar vorhergehende Zeit beschranken, sondern
die wesentlichsten politischen Ereignisse umfassen, aus denen sich zunachst der Konflikt mit
Polen und dann der Konflikt mit England und Frankreich entwickelt hat.
Die 482 Dokumente, die in den Anlagen abgedruckt sind, sprechen eine so deutliche Sprache,
daB sie keines Kommentars bediirfen. In ihrer diplomatischen Nuchternheit geben sie ein
unmittelbares und ungeschminktes Bild von der politischen Entwicklung der letzten Jahre, ein
Bild, das auch den, der diese Entwicklung in nachster Nahe miterlebt hat, immer wieder von
neuem erschuttert und aufruttelt. Sie zeigen den systematischen Ausrottungskampf, den die
Polen seit dem Weltkrieg gegen das Deutschtum in Polen und gegen Danzig gefuhrt haben;
sie zeigen das groBziigige und unendlich geduldige staatsmannische Bemuhen des Fuhrers,
die deutsch-polnischen Beziehungen auf eine dauerhafte, den Interessen beider Teile
gerechtwerdende Grundlage zu stellen; sie zeigen demgegenuber die kurzsichtige
Verstandnislosigkeit der polnischen Machthaber, die die ihnen von Deutschland immer
wieder gebotene Moglichkeit, zu einem endgiiltigen Ausgleich zu kommen, zunichte machen.
Vor allem aber sehen wir, wie unmittelbar nach der Konferenz von Munchen der Kriegswille
Englands immer deutlicher offenbar wird, und wie die Britische Regierung dann schlieBlich
die von ihr selbst absichtlich herbeigefiihrte Verblendung der Polnischen Regierung benutzt,
um den seit langem geplanten Krieg gegen Deutschland zu entfesseln. Zwar wiirde es, um das
heuchlerische [a] und frevelhafte Vorgehen der englischen Politik in seinem ganzen Umfang
zu entlarven, einer Darstellung der gesamten Nachkriegszeit bedlirfen, in der sich England
jedem Versuche Deutschlands, sich aus den Fesseln des Versailler Diktats zu befreien,
hemmend in den Weg gestellt und jede Moglichkeit, die Revision dieses Diktats auf dem
Verhandlungswege herbeizuflihren, immer wieder vereitelt hat. Aber es geniigt, an Hand der
in diesem WeiBbuch zusammengestellten Dokumente die kurze Epoche seit dem Herbste
1938 ins Auge zu fassen, um zu erkennen, daB England von vornherein entschlossen war, mit
Gewalt den Weg des Fuhrers zu durchkreuzen, dessen genialer Staatskunst es gelungen war,
schlimmste Verbrechen von Versailles ohne jedes BlutvergieBen und ohne jeden Eingriff in
die Interessen Englands zu beseitigen, und der in der gleichen Weise auch eine friedliche
Losung der deutsch-polnischen Frage erzielt haben wiirde, wenn England nicht Polen als
Werkzeug seines Kriegswillens miBbraucht und durch diese verbrecherische Politik Europa in
den Krieg gesturzt hatte.
Diese fur immer feststehende historische Tatsache ist aufs neue dadurch erhartet worden, daB
England das groBzligige letzte Friedensangebot, das ihm der Fiihrer noch einmal in seiner
Reichstagsrede vom 6. Oktober gemacht hat, mit einer unverschamten und beleidigenden
Herausforderung Deutschlands beantwortet hat. Im unerschutterlichen BewuBtsein seines
Rechts und in unbeirrbarer Uberzeugung seines Endsieges hat das deutsche Volk diese
Herausforderung angenommen und wird nun die Waffen nicht friiher aus der Hand legen, als
bis es sein Ziel erreicht hat. Dieses Ziel ist: Die militarische Vernichtung der Gegner und
dann die Sicherstellung des dem deutschen Volke zukommenden Lebensraumes gegen jede
zukiinftige Bedrohung.
Berlin, den 3. Dezember 1939.
von Ribbentrop
Reichsminister des Auswartigen
Ubersicht
Die nachfolgenden Dokumente sollen ein Bild von der Vorgeschichte des gegenwartigen
Krieges geben. Sie beschranken sich nicht auf die dem Kriegsausbruch unmittelbar
vorausgehenden Wochen, sondern ermoglichen darliber hinaus die Bildung eines
unabhangigen Urteils liber die weiter zurlickliegenden Ursachen des Konflikts. Die
Dokumente begleiten zunachst die Entwicklung der deutsch-polnischen Beziehungen von
Versailles bis zur Ablehnung des deutschen Angebots zur glitlichen Losung der Danzig- und
Korridorfrage durch Polen. Hierbei sind die Ereignisse von 1933 bis zur Gegenwart
eingehend belegt, wahrend fur die vorausgegangenen Jahre lediglich die Lage der deutschen
Volksgruppe in Polen und Polens Vorgehen in Danzig an einigen besonderen Beispielen in
Erinnerung gerufen werden. Die Dokumente folgen sodann dem Gang der britischen
Kriegspolitik seit der gemeinsamen deutsch-englischen Erklarung von Miinchen. Eine
Darstellung der Bemuhungen des Reichs urn Sicherung friedlicher Beziehungen zu seinen
Nachbarlandern schlieBt sich an. Damit sind die Grundlagen flir das Verstandnis der
SchluBphase gewonnen, in der die britische Politik zur Auslosung des Konflikts fiihrt.
Erstes Kapitel
Entwicklung der deutsch-polnischen Beziehungen
A. Der Kampf gegen das Deutschtum in Polen
und gegen Danzig von 1919 bis 1933
I. Zur Lage der deutschen Volksgruppe in Polen
Die deutsch-polnischen Beziehungen haben seit dem Augenblick der Wiederaufrichtung eines
selbstandigen polnischen Staates in Versailles unter einem mehrfachen Verhangnis gestanden.
Erstens erklarte sich Polen unter Berufung auf eine angeblich tausendjahrige Mission zum
Erbfeind der Deutschen. Es begriindete damit nicht nur seine Anspriiche auf deutsches
Reichsgebiet, sondern geradezu seine Existenzberechtigung und empfahl sich so den
Siegermachten als zuverlassigen, jederzeit einsatzfahigen Alliierten zur Niederhaltung
Deutschlands. Zweitens: Es wurde in dieser Funktion von den Westmachten bestatigt und
durch Einbeziehung zunachst in das franzosische Bundnissystem beauftragt, den ostlichen
Sektor der permanenten Einkreisung zu ubernehmen und die Tradition der Zweifrontenlage
flir Deutschland fortzusetzen. Das deutsch-polnische Verhaltnis wurde drittens von Anfang an
durch die Uberlassung einer starken deutschen Volksgruppe vergiftet, die sofort dem
scharfsten Polonisierungszwang unterworfen war. Viertens stellten die Abtretungen deutschen
Reichsgebiets im Osten die groBten Ungerechtigkeiten des Friedensdiktats dar. Sie wurden
nicht nur vom deutschen Volk, sondern auch von maBgebenden alliierten Staatsmannern als
so unhaltbar empfunden, daB sich jedermann darin einig war, daB an dieser Stelle die erste
Wiedergutmachung einsetzen muBte, wenn nicht hier der nachste kriegerische Konflikt in
Europa ausbrechen sollte.
[ii] Lloyd George hat in einer Denkschrift flir die Konferenz von Versailles am 25. Marz 1919
(Dokument Nr. 1) auf diese kunftige Kriegsursache ebenso aufmerksam gemacht wie die
Deutsche Friedensdelegation ( Nr. 2) . Selbst der Vorsitzende des Obersten Rates Clemenceau
hat in dem bekannten Brief an Paderewski vom 24. Juni 1919 ( Nr. 3) Polen auf die
Bedeutung einer solchen Volkstumshypothek hingewiesen and den AbschluB und die
Einhaltung eines entsprechenden Minderheitenschutzvertrages ( Nr. 4) zur Voraussetzung
dafiir gemacht, daB Polen die deutschen Gebiete erhielt. Damit war zugleich die feierliche
Verpflichtung der Alliierten Machte festgelegt, die Einhaltung dieses Grundgesetzes der
deutschen und ubrigen Volksgruppen in Polen sicherzustellen. Der Wortlaut des Vertrages
laBt keinen Zweifel dariiber, wozu sich Polen gegenliber den mehr als 40% nichtpolnischen
Einwohnern des neuen Staates verpflichtet hat. Die Geschichte der deutsch-polnischen
Beziehungen von 1919 bis 1933 ist aber, wie die hier vorgelegten Urkunden zeigen, zur
Geschichte einer permanenten Verletzung dieses Vertrages durch Polen und zur Geschichte
einer stillschweigenden Mittaterschaft des Volkerbunds und der Garantiemachte geworden.
Schon am 20. November 1920 sah sich die Deutsche Regierung genotigt, aus ihrer
Zuruckhaltung herauszutreten und der Polnischen Regierung eine umfassende Beschwerde zu
uberreichen ( Nr. 5) . Sie muBte feststellen, daB "der Deutsche in Polen vogelfrei" sei. Die
Rede des Volksdeutschen Abgeordneten Spickermann im Polnischen Sejm vom 23. Januar
1923 ( Nr. 6) bestatigt den Eindruck, daB der Minderheitenschutzvertrag, "die Magna Charta
unserer Existenz", vom ersten Tag an gebrochen wurde. Einige Monate sparer kundigte der
damalige Ministerprasident General Sikorski in offentlicher Rede als Regierungsprogramm
"die Liquidation deutscher Giiter und die Entdeutschung der westlichen Provinzen" an und
erging sich in scharfen AuBerungen gegen Danzig ( Nr. 7) . Mitte 1923 hatte die Austreibung
der Deutschen bereits einen auBerordentlichen Umfang angenommen ( Nr. 8) . Polnische
MaBnahmen gegen den deutschen Grundbesitz, wie sie z. B. der Standige Internationale
Gerichtshof in seinem Gutachten vom 10. September 1923 als "nicht im Einklang mit den
internationalen Verpflichtungen der Polnischen Regierung stehend" bezeichnete ( Nr. 9) ,
verstarkten den Zwang zur Abwanderung. Im September 1931 wurde von polnischer Seite
zugegeben, daB bereits rund eine Million Deutsche aus Polen verdrangt waren ( Nr. 10) .
Weder die Garantiemachte noch der Volkerbund, der inzwischen nicht nur von der deutschen,
sondern auch von der ukrainischen Volksgruppe immer wieder um Schutz gegen die standige
Verletzung der Minderheitenbestimmungen durch Polen angerufen worden war ( Nr. 9,
Aim), sind indessen ihrer Pflicht nachgekommen. Aus einer Debatte im Britischen Oberhaus
- einer von vielen im Britischen Parlament - vom 15. Juni 1932 ( Nr. 11) geht hervor, daB man
in England die MiBhandlung der Volksgruppen in Polen und die Gefahr fur den europaischen
Frieden kannte, daB aber nichts geschah, um rechtzeitig eine Anderung herbeizuflihren.
Bereits im Marz 1933 hatte der Vernichtungskampf Polens gegen die wirtschaftliche
Existenzbasis und den kulturellen Besitzstand der deutschen Volksgruppe einen
erschreckenden Umfang angenommen ( Nr. 12) .
II. Zum Vorgehen Polens in Danzig
Die Polonisierungspolitik setzte sofort auch gegen die Freie Stadt Danzig ein. Die Deutsche
Friedensdelegation hatte unter Berufung auf die Erklarungen des Prasidenten Wilson
vergebens gegen die Abtrennung Danzigs protestiert ( Nr. 13) . Polen betrachtete den neuen
Status in Danzig von Anfang an pi] nur als Ausgangsstellung fur die endgultige
Polonisierung. Es zog mit 24 Behorden ( Nr. 14) in Danzig ein und sah in jeder von ihnen eine
polnische Zelle und Wachstumsspitze. Aus einer Feststellung des Oberkommandos der
Wehrmacht nach AbschluB des polnischen Kriegs ( Seite 395) geht hervor, daB die wichtigsten
dieser Behorden zu militarischen Stutzpunkten ausgebaut worden waren. Die Freie Stadt
Danzig hat unablassig den Voikerbundskommissar bzw. den Volkerbundsrat gegen polnische
Aktionen anrufen mussen. Unter MiBbrauch polnischer Privilegien im Post- und
Eisenbahnwesen ( Nr. 15 und 16), gestutzt auf chauvinistische polnische
Studentenvereinigungen sowie auf militarische Organisationen ( Nr. 17 , 18) , vor allem aber
auch durch Anwendung scharfsten wirtschaftlichen Druckes ( Nr. 19) hat Polen unablassig
versucht, Danzig zur Unterwerfung unter polnische Interessen zu zwingen. Eigenmachtige
Eingriffe Polens in die Hoheitsrechte Danzigs betrafen die verschiedensten Seiten des
politischen und wirtschaftlichen Lebens der Freien Stadt ( Nr. 20) . Als ein besonders
gefahrliches Element des polnischen Vordringens erwiesen sich die polnischen militarischen
Anlagen auf der Westerplatte. Sie wurde von Polen stets als militarischer Stutzpunkt
angesehen und entsprechend ausgebaut ( Nr. 21) . Die Verstarkung der polnischen Garnison
auf der Westerplatte ( Nr. 21 , 22) und das unangemeldete Verbleiben eines polnischen
Munitionsdampfers im Munitionsbecken der Westerplatte ( Nr. 23) im Marz 1933 stellten so
eindeutige polnische Rechtsverletzungen dar, daB sich auch unter den Diplomaten in
Warschau kaum jemand fand, der nicht die polnische Handlungsweise scharf verurteilt hatte
( Nr. 24) . Wahrend Polen so seine Stellung in Danzig mit alien Mitteln zu erweitern suchte,
wurde gleichzeitig durch die Errichtung und einseitige Begiinstigung des polnischen
Konkurrenzhafens Gdingen dem Danziger Hafen von Polen schwerster Schaden zugefiigt
( Nr. 25) .
B. Deutschlands Bemuhen um eine Verstandigung mit Polen,
1933 bis 1939
I. Verhandlungen tiber ein deutsch-polnisches
Verstandigungsabkommen
(Mai 1933 bis Januar 1934)
Im Interesse des nachbarlichen wie des europaischen Friedens entschloB sich der Fiihrer
sofort nach der Machtiibernahme, die deutsch-polnischen Beziehungen auf eine ganz neue
Grundlage zu stellen und zu diesem Zwecke eine Verstandigung mit Polen herbeizufiihren.
Die deutschen Verstandigungsbemuhungen setzten im Mai 1933 ein und dauerten bis 1939
fort. Am 17. Mai 1933 deutete der Fiihrer im Reichstag zum ersten Male offentlich an, daB
eine Losung im Osten gefunden werden miisse ( Nr. 29) , nachdem er schon in seiner
Unterredung mit dem Polnischen Gesandten am 2. Mai diese Notwendigkeit sehr deutlich
unterstrichen hatte ( Nr. 26) . Man leitete die Verstandigungspolitik zunachst durch
Verhandlungen iiber die Wiederherstellung des Zollfriedens ein ( Nr. 30 , 31) . Nachdem der
Fiihrer im Oktober 1933 erneut offentlich seiner Verstandigungsbereitschaft Ausdruck
gegeben hatte, kam es am 15. November 1933 zu der Unterredung zwischen dem Fiihrer und
Gesandten Lipski, in der der EntschluB des Fuhrers und des Marschalls Pilsudski fur beide
Staaten festgelegt wurde, "in ihrem Verhaltnis zueinander auf jede Anwendung von Gewalt
zu verzichten" ( Nr. 32) . Unmittelbar darauf beauftragte der Fiihrer den Deutschen Gesandten
in Warschau, Marschall Pilsudski personlich den AbschluB einer schriftlichen Abmachung
vorzuschlagen und einen pv] Entwurf hierfur zu iiberreichen ( Nr. 33) . Es stand jedoch von
vornherein fest, daB flir Deutschland die geplante Abmachung "in keiner Weise die
Anerkennung der heutigen deutschen Ostgrenzen in sich schlieBt", sondern daB mit der ins
Auge gefaBten Erklarung "eine Grundlage flir die Losung aller Probleme, also auch der
territorialen, geschaffen werden sollte" ( Nr. 33) . Deutschland hat somit das Abkommen von
1934 stets als jenen freundschaftlichen Rahmen angesehen, innerhalb dessen im Interesse des
ungestorten Zusammenlebens der beiden Volker eine friedliche Losung auch der territorialen
Fragen erzielt werden konnte. Marschall Pilsudski auBerte sich sofort zustimmend zu dem
deutschen Vorschlag einer schriftlichen Abmachung. Wie skeptisch allerdings selbst er die
Moglichkeit einer wirklich grundlegenden Umstellung des deutsch-polnischen Verhaltnisses
beurteilte, zeigt seine AuBerung, "daB sich aus der tausend Jahre alten Deutschfeindlichkeit
des polnischen Volkes groBe Schwierigkeiten ergeben wiirden" ( Nr. 34) . Wahrend nach
deutscher Ansicht das geplante Abkommen eine Moglichkeit schaffen sollte, um alle die
deutsch-polnischen Beziehungen belastenden Fragen allmahlich einer Regelung zuzufuhren,
machten die polnischen Verhandlungsfuhrer sofort den bezeichnenden Versuch, die Fragen
der deutschen Volksgruppe vom Geltungsbereich des Abkommens auszuschlieBen ( Nr. 35 ,
36) . Am 26. Januar 1934 wurde das Verstandigungsdokument unterzeichnet und
bekanntgegeben ( Nr. 37) . Von deutscher Seite war man ehrlich gewillt, einen Strich unter die
Vergangenheit zu ziehen. Nur der Fiihrer selbst besaB die Autoritat im deutschen Volk, nicht
nur vergessen zu machen, was gewesen war, sondern auch die offentliche Meinung zu einer
positiven Einstellung gegenuber Polen zu veranlassen. Selbstverstandlich erwartete
Deutschland, daB von nun an auch die Lage der deutschen Volksgruppe in Polen grundlegend
gebessert wiirde.
II. Keine Besserung der Lage der deutschen Volksgruppe
durch die deutsch-polnische Verstandigungspolitik
(November 1933 bis August 1934)
Die Erwartung wurde enttauscht. Wenige Tage nach der historischen Unterredung zwischen
dem Flihrer und Gesandten Lipski meldete das Konsulat Thorn, daB es bei schweren
Ausschreitungen gegen Volksdeutsche in Graudenz mehr als zwolf Verletzte und einen Toten
gegeben hatte ( Nr. 39 , 40) . Der President der Gemischten Kommission fur Oberschlesien, der
Schweizer Calonder, muBte Ende 1933 hinsichtlich der Behandlung der deutschen Minderheit
in Polnisch-Oberschlesien "zu seinem groBen Bedauern feststellen, daB die Politik der
Verstandigung noch keinerlei Besserung gebracht hatte", wahrend im deutschen Teil seines
Bezirks kaum AnlaB zu einer Beanstandung bestehe ( Nr. 41) . Auch die Unterzeichnung des
Verstandigungsabkommens wurde mit neuen antideutschen Aktionen quittiert ( Nr. 42 bis 47) .
Die deutschen Vertretungen in Polen kamen Mitte 1934 zu dem Urteil: Es ist keine Wendung
zum Bessern, sondern eine Verscharfung der Lage der deutschen Volksgruppe zu spiiren.
III. Polen entzieht sich der Minderheitenkontrolle des Volkerbundes
(September bis November 1934)
Wir wissen heute, daB Polen in dem Abkommen mit Deutschland ein willkommenes Mittel
erblickte, um die deutsche Volksgruppe binnen 10 Jahren auf kaltem Wege endgultig zu
liquidieren, in der Annahme, daB Deutschland m und die deutsche Presse im Sinne des
Verstandigungsabkommens stillhalten wiirden (vgl. auch Nr. 54 und 145) . Auch die lastige
Kontrolle des Minderheitenschutzvertrages durch den Volkerbund muBte beseitigt werden.
Am 13. September 1934 kundigte Polen vor der Volkerbundsversammlung die
Zusammenarbeit mit dem Volkerbund bei der Durchfuhrung des Minderheitenschutzvertrages
auf ( Nr. 48 , 49) . Praktisch lief das polnische Vorgehen auf die AuBerkraftsetzung des
Minderheitenschutzvertrages hinaus. Die westlichen Garantiemachte England und Frankreich
haben es bei einer formalen Rlige in der Volkerbundsversammlung bewenden lassen, obwohl
sie sich iiber den Ernst und die Tragweite der polnischen Aktion klar sein muBten. Von
deutscher Seite konnte der polnische Schritt nur mit ausdriicklichen Vorbehalten
aufgenommen werden, da die Polen auferlegten Minderheitenschutzverpflichtungen das
"Gegenstuck zu der besonders ungunstigen Grenzziehung der Pariser Friedenskonferenz"
darstellten ( Nr. 50 , 51) . Der ReichsauBenminister beauftragte deshalb den Deutschen
Botschafter in Warschau, der Polnischen Regierung ausdrucklich mitzuteilen, daB sich
Deutschland am Schicksal des Deutschtums nicht desinteressieren konne, zumal die
Minderheitenrechte ein integrierender Bestandteil der Gesamtregelung von 1919 seien ( Nr.
52). Der Polnische AuBenminister gab darauf die ausdriickliche Erklarung ab, daB die
Minderheitenrechte auch weiterhin durch die polnische Verfassung geschlitzt werden wiirden,
und erklarte sich bereit, etwaige Beanstandungen Deutschlands zu prufen ( Nr. 53) .
IV. Weitere Verschlechterung in der Lage der deutschen Volksgruppe
(November 1934 bis Oktober 1937)
Trotz der polnischen Zusicherungen blieb die Lage unverandert. Wahrend die deutsche Presse
im Interesse des nachbarlichen Friedens schweigt, setzt die polnische Verwaltung ihren
Ausrottungskampf unter der Hand zielbewuBt fort. Die Deutsche Botschaft, die
Generalkonsulate und Konsulate in Polen ( Nr. 54 bis 80) konnen auch in der Zeit vom
November 1934 bis Oktober 1937 immer wieder nur von neuen Aktionen gegen das
Deutschtum berichten. Auf alien Lebensgebieten wachst die Verlustliste des Deutschtums an.
Agrarreform, Arbeiterentlassungen, Schadigung von Hab und Gut der Deutschen, korperliche
Angriffe und Terrorakte, die Hetzaktionen des beruchtigten Westverbandes steigern sich
immer mehr, die Polonisierung der Schwerindustrie, des Grundbesitzes, des Arbeitsmarktes
wird erganzt durch einheitlich geleitete Boykottaktionen. Die ersten Anspruche auf weiteres
deutsches Reichsgebiet tauchen auf. Deutsche Proteste bei der Polnischen Regierung werden
gelegentlich mit Zusagen, meist aber mit Ausreden beantwortet, der deutsch-polnische
Pressefrieden ( Nr. 62) wird miBbraucht. Auch wahrend dieses Zeitabschnittes mlissen die
deutschen Vertretungen in Polen feststellen, daB von einer Verstandigung nichts zu spliren,
sondern eine Verschlechterung zu beobachten ist.
V. Verhandlungen tiber eine deutsch-polnische Minderheitenerklarung
(Januar bis November 1937)
Im Fruhjahr 1937 macht Deutschland angesichts des bevorstehenden Ablaufes des Genfer
Abkommens liber Oberschlesien einen neuen Versuch, auf dem Weg freundschaftlicher
Verhandlungen zu einem freiwillig unterzeichneten, beiderseitigen Minderheitenschutzvertrag
zu gelangen. Polen blieb auch nach dem Ablauf des Genfer Abkommens durch die
Minderheitenschutzbestim- [vrj mungen vom 28. Juni 1919 gebunden ( Nr. 82) . Der Deutsche
Botschafter in Warschau muB aber schon bei der ersten Fuhlungnahme feststellen, daB Polen
nicht flir einen zweiseitigen Minderheitenschutzvertrag zu haben ist ( Nr. 83) . Auch bei einem
zweiten Versuch ( Nr. 84) bleibt Polen bei seinem Nein. Beck ist der Ansicht, ein solcher
Vertrag beeintrachtige die polnische Souveranitat. Auch die Verhandlungen liber Fragen, die
sich aus dem Ablauf des Genfer Abkommens ergeben, stoBen auf Schwierigkeiten, sobald
Minderheitenprobleme berlihrt werden ( Nr. 85 , 86 und 92). Anfang Juni 1937 unternimmt
Deutschland in Warschau einen neuen Schritt, um ein Minderheitenabkommen zustande zu
bringen (Nr. 87, 88, 89). Dabei wird erneut klargelegt, daB "Polen als integrierenden
Bestandteil der Gesamtregelung von 1919 einseitige Minderheitenverpflichtungen
libernommen hat", auch wird die unhaltbare Lage des deutschen Volkstums eingehend
erlautert. Im Interesse des nachbarlichen Friedens ist Deutschland bereit, sich statt eines
zweiseitigen Vertrages mit einer offentlichen, sachlich libereinstimmenden, gleichzeitigen
Erklarung jeder Regierung zufrieden zu geben ( Nr. 88) . Mitten in diese Verhandlungen
platzen - nicht zufallig - neue polnische Gesetze hinein, die, am Tage nach Ablauf des Genfer
Abkommens erlassen, in Oberschlesien vollendete Tatsachen und Ausgangsstellungen flir den
weiteren LiquidationsprozeB gegen das deutsche Volkstum schaffen sollen ( Nr. 93 und 94) .
SchlieBlich gelingt es trotzdem, eine Einigung liber den Wortlaut der Minderheitenerklarung
zu erzielen, und der Termin der Veroffentlichung wird festgesetzt ( Nr. 95) . Da - am Tage vor
der geplanten Veroffentlichung - wird in Ostoberschlesien ein neues, auBerst
minderheitenfeindliches Schulgesetz erlassen, so daB an die Publikation der
Minderheitenerklarung nicht zu denken ist ( Nr. 96 und 97). Neue Verhandlungen werden
notwendig, um die Auswirkung dieses Sabotageversuches des oberschlesischen Woiwoden
Grazynski auszugleichen ( Nr. 98 und 99). Am 5 November 1937 kommt es endlich doch zur
Veroffentlichung der Minderheitenerklarung der beiden Regierungen ( Nr. 101) . Der Fiihrer
empfangt polnische Volksgrappenvertreter. Seinen herzlichen Worten ( Nr. 102) steht eine
klihlere Geste des Polnischen Staatsprasidenten gegeniiber ( Nr. 103) . Immerhin spricht
AuBenminister Beck von dem ernsthaften Willen der Polnischen Regierung, die
Minderheitenerklarang zum Ausgangspunkt einer Aktion flir die Besserang der Lage zu
machen ( Nr. 100) . Was Deutschland nach diesem neuen Verstandigungsversuch von Polen
erwartet, wird in einem Aide-Memoire flir den Polnischen Botschafter zusammengestellt ( Nr.
104) .
VI. Nichtbeachtung der deutsch-polnischen Minderheitenerklarung
durch Polen
(November 1937 bis November 1938)
Wieder folgt der Erwartung die Enttauschung auf dem FuBe. Schon am 22. November 1937
meldet das Generalkonsulat Kattowitz eine neue Bedrohungs- und Entlassungswelle ( Nr.
105) . Krakau berichtet von deutschfeindlichen Kundgebungen ( Nr. 106) . Der Deutsche
Botschafter muB am 1 1 . Dezember gegeniiber dem Polnischen AuBenminister darauf
hinweisen, daB sich in Oberschlesien nichts geandert habe, daB dort der Kampf gegen die
evangelische Kirche noch scharfer geworden sei, daB die Aktionen des Westmarkenverbandes
weitergehen und daB daher in Berlin schon das Gefiihl einer gewissen Enttauschung
vorhanden sei ( Nr. 109) . Am 25. Januar 1938 muB der Bruch eines Gentlemen-Agreements in
Schulangelegenheiten ( Nr. Ill) , am 8. Februar ein Zweifel gegeniiber polnischen Zusagen
festgestellt werden [vii] ( Nr. 112) . Der deutsche Senator Wiesner kann im Marz 1938 vor dem
Parlament geltend machen, daB in Oberschlesien flir deutsche Arbeiter eine Arbeitslosigkeit
von 60 bis 80% und flir deutsche Jugendliche totale Arbeitslosigkeit bestehe ( Nr. 113) . Auch
auf dem Schulgebiet tritt keine Erleichterung ein ( Nr. 114) . Westverband, Presse und andere
Faktoren der offentlichen Meinung in Polen gehen nicht nur liber die Minderheitenerklarang,
sondern auch liber den deutsch-polnischen Frieden hinweg. Immer neue Kundgebungen,
Demonstrationen, Hetzartikel und Reden ( Nr. 116 und 117) beweisen, daB das polnische Volk
nicht daran denkt, Deutschland gegeniiber moralisch abzurlisten.
VII. Der deutsch-polnische Notenaustausch tiber das Olsagebiet
und das polnische Vorgehen gegen die dortige deutsche Volksgruppe
(Oktober 1938 bis Marz 1939)
Die gleichen Erfahrungen macht Deutschland im Olsagebiet. Dieses Gebiet fiel Polen in der
Auseinandersetzung mit der Tschecho-Slowakei durch die deutsche Freundschaft zu. Polen
quittiert unmittelbar nach der Besetzung mit scharfstem Terror gegen das dortige Deutschtum
wie gegen die tschechische Bevolkerung ( Nr. 118) . Ein deutscher Protest flihrt zu einer
Ausdehnung der Minderheitenerklarung auf das Olsagebiet ( Nr. 119) . Trotzdem geht die
Verdrangung und Entdeutschung auf alien Lebensgebieten weiter; die Zahl der Fllichtlinge
geht in die Tausende ( Nr. 120 und 121) . Neue Vorstellungen ( Nr. 122 und 125) bleiben
erfolglos. Die deutsche Verlustliste an Arbeitsplatzen, Schulen, Grandbesitz und
Kultureinrichtungen steigt rapide an. Der Deutsche Konsul in Teschen spricht von einer "groB
angelegten Massenaktion gegen die gesamte deutsche und tschechische Arbeiter- und
Angestelltenschaft" ( Nr. 126) .
VIII. Zunehmende Verscharfung des polnischen Vorgehens
gegen die deutsche Volksgruppe
(Oktober 1938 bis Marz 1939)
Nach dem Ubergang des Olsagebiets an Polen verscharft sieh auch in den librigen
Deutschtumsgebieten der polnische Druck von Monat zu Monat. Der Erfolg von Olsa fiihrt zu
Uberheblichkeit ( Nr. 128) und erweckt Appetit auf weiteren, diesmal deutschen
Gebietszuwachs. Annexionistische Forderangen der polnischen Verbande und Zeitungen
werden laut ( Nr. 129 und 130) , die Entlassungen in Oberschlesien setzen sich in raschem
Tempo fort ( Nr. 131 und 134) , in den deutschen Schulen werden Biicher wie Goethes
"Dichtung und Wahrheit" verboten ( Nr. 133) . Im Januar 1939 setzen Verhaftungen ein, es
kommt zu Enteignungen, die Boykottaktionen gehen weiter ( Nr. 137 , 138 und 140) . Der
deutschen Bevolkerung bemachtigt sich eine verzweifelte Stimmung ( Nr. 142) . Der Besuch
des ReichsauBenministers von Ribbentrop in Warschau und seine neuen Bemuhungen um die
deutsch-polnische Verstandigung bleiben wirkungslos. Die Polnische Regierung laBt die
Zligel schleifen und ist somit verantwortlich dafiir, daB die antideutsche Welle am 24. und 25.
Februar 1939 mit beleidigenden Demonstrationen vor dem deutschen Botschaftsgebaude ( Nr.
146 und 147) , mit Ausschreitungen in Posen ( Nr. 148 und 150) , in Krakau ( Nr. 149) und
anderen Stadten ihren einstweiligen Hohepunkt erreicht. Die Rufe nach Eroberung Danzigs
und anderer deutscher Gebiete werden immer [vni] haufiger ( Nr. 151) ; Deutschland warnt
Warschau ( Nr. 152) unter Hinweis auf die Verantwortung, die Polen auf sich nimmt. Der
Deutsche Botschafter von Moltke muB feststellen, daB die Basis der deutsch-polnischen
Verstandigungsarbeit in Polen immer schmaler wird ( Nr. 155) .
IX. Fortsetzung der Enteignung deutschen Grundbesitzes
in Nichtachtung der Minderheitenerklarung
(Februar 1938 bis Februar 1939)
Ein besonderes Kapitel des Kampfes gegen das Deutschtum ist die Enteignung des deutschen
Grundbesitzes ( Nr. 156 bis 168) . Trotz des Verstandigungsabkommens von 1934 und der
Minderheitenerklarung von 1937 geht die Enteignung unter dem Vorwand der Agrarreform
verscharft weiter, was zu wirtschaftlicher Schadigung der gesamten Volksgruppe fiihrt und
eine neue Abwanderungsbewegung hervorruft. Angesichts der Geringfugigkeit der gezahlten
Entschadigung ( Nr. 159) stellen diese Enteignungen nur verschleierten Raub dar. Trotz
deutscher Interventionen wachst mit jeder neuen Liste des zu enteignenden Bodens der
absolute und relative deutsche Bodenverlust. Im November 1938 wird noch einmal der
Versuch gemacht, eine Benachteiligung der deutschen Minderheit wenigstens fur die Zukunft
zu verhindern ( Nr. 161) . Zusagen werden gegeben ( Nr. 162) , aber die neue Liste der
Enteignungen im Februar 1939 trifft den deutschen Grundbesitz noch starker als im
vergangenen Jahr ( Nr. 163 und 164) .
X. Weitere deutsche Versuche
zur Verbesserung der Lage der deutschen Volksgruppe
durch deutsch-polnische Besprechungen
(November 1937 bis Marz 1939)
Trotzdem versucht das Reich, in einer neuen Anstrengung auf dem Verhandlungswege zu
einer Verbesserang der Lage des Deutschtums zu kommen. Schon im November 1937 regt es
wiederkehrende Aussprachen zwischen Vertretern beider Staaten iiber Minderheitenfragen an
( Nr. 169) . Eine polnische Antwort bleibt aus. Im Mai 1938 wird der Vorschlag wiederholt
( Nr. 170) . Am 9. Juli wird auf Weisung des ReichsauBenministers ( Nr. 171) zum drittenmal
der Versuch gemacht, Polen zu regelmaBigen Besprechungen von Minderheitenfragen im
Geiste der Erklarungen von 1937 zu bewegen ( Nr. 172) . Durch dilatorisches Verhalten ( Nr.
173 und 174) zogert Polen die im November 1937 angeregten Besprechungen hinaus; erst bei
dem Besuch des ReichsauBenministers in Warschau am 26. Januar 1939 wird der Beginn der
Tagung endgultig zugesagt ( Nr. 202) , die schlieBlich am 27. Februar ihren Anfang nimmt
( Nr. 175) . Polen flihrt diese Besprechungen dann in einem so negativen Geist ( Nr. 176) , daB
sich die deutsche Vertretung beim AbschluB am 4. Marz zu der Feststellung gezwungen sieht:
"Die Polen denken nicht daran, ihre Politik gegeniiber der deutschen Volksgruppe irgendwie
zu andern. Sie mogen auf weniger wichtigen Gebieten zu kleinen Zugestandnissen bereit sein,
in den das Leben der deutschen Volksgruppe beruhrenden Fragen sind sie jedoch bestrebt,
ihre bisherige Entdeutschungspolitik mit allem Nachdruck fortzusetzen" ( Nr. 178) . Mit dieser
Sabotage der unermudlichen deutschen Versuche schlieBt ein langes, enttauschendes
Verstandigungskapitel ab.
[IX]
XL Zur Lage in Danzig
(1933 bis 1939)
In die deutsch-polnische Verstandigung war auch Danzig einbezogen worden. Durch direkte
Aussprache und Bereinigung vorhandener Schwierigkeiten wollte Danzig ebenfalls dazu
beitragen, das deutsch-polnische Verhaltnis von Grand auf zu bessern. Am 5. August 1933
kam es auf Danziger Initiative zu verschiedenen Ubereinkommen, die langjahrige Streitfragen
regeln sollten ( Nr. 179) . Trotzdem gehen die Polonisierangsversuche weiter ( Nr. 180) . Am 6.
August 1934 werden Abmachungen liber Wirtschafts- und Zollfragen unterzeichnet ( Nr.
181) . Polen halt jedoch an seinen Expansionsbestrebungen fest. Ihnen sollen die
Militarisierung von 17 polnischen Vereinen und Verbanden in Danzig ( Nr. 182) und die
Massenkiindigung deutschstammiger Danziger Eisenbahner ( Nr. 183 , 184 und 186) dienen.
Ende Juli 1935 flihrt ein polnischer Versuch, durch eine rechtswidrige Zollverordnung die
wirtschaftlichen Lebensgrandlagen des Danziger Hafens anzugreifen, zu einem ernsten
Konflikt ( Nr. 185) . Im Juli 1936 finden in Warschau groBe Demonstrationen gegen Danzig
statt, an denen sich auch regierungsfreundliche Verbande beteiligen; in Maueranschlagen wird
verlangt, Polen in der deutschen Stadt "Mit-Hausherrenrechte" zu verschaffen ( Nr. 187) . In
Danzig kommt es zu Beleidigungen des Reichs und seiner Hoheitszeichen durch Mitglieder
der polnischen Kolonie ( Nr. 190) . Im August 1938 geht eine antideutsche Propagandawelle
durch ganz Polen. Danzig gehort zu ihren wichtigsten Agitationsthemen. Der Ton ist auf
aufreizende Hetze und annexionistische Forderungen abgestellt ( Nr. 193) . Der
Senatsprasident protestiert beim Vertreter Polens in Danzig, der seinerseits in einer
polnischen Kundgebung auf Danziger Gebiet die Polen aufgefordert hatte, in der Hoffnung zu
leben, "daB sie in Danzig in klirzester Zeit auf polnischem Boden wohnen wlirden" ( Nr. 192) .
Der Kampf gegen Danzig wird auf alien Lebensgebieten, vor allem auch wirtschaftlich
geflihrt ( Nr. 191) . Immer wieder wird die Annexion Danzigs durch Polen gefordert oder
angeklindigt ( Nr. 194 und 195) . Auseinandersetzungen zwischen deutschen und polnischen
Studenten werden in Warschauer Kreisen als AnlaB angesehen, "eine militarische Aktion
gegen Danzig herbeizuflihren" ( Nr. 196) .
XII. Deutsche Bemtihungen um eine gtitliche Losung
der Danzig- und Korridorfrage
(Oktober 1938 bis Mai 1939)
Der zwolfte Abschnitt des Teiles B des ersten Kapitels bietet mit den Dokumenten Nr. 197
bis 216 die wichtigsten Beweisstucke fur die Aufrichtigkeit und die MaBigung, mit der
Deutschland trotz aller Ruckschlage zu einer endgultigen, fur beide Teile ehrenvollen
Losung des deutsch-polnischen Grundproblems, der Danzig- und Korridorfrage, zu
kommen versuchte. DaB beide Fragen gelost werden muBten, ergab sich aus der allgemeinen
Zuspitzung des deutsch-polnischen Verhaltnisses und des Volkstumsproblems. Es ist von
entscheidender Bedeutung, daB Deutschland die Losung nicht gegen, sondern mit Polen auf
dem Fundament der 1934 eingeleiteten Verstandigung suchte und seine Forderungen auf ein
MindestmaB herabsetzte. Am 24. Oktober 1938 entwickelte ReichsauBenminister von
Ribbentrop dem Polnischen Botschafter zum erstenmal die deutschen Vorschlage, ihren Sinn
und ihre Tragweite ( Nr. 197) . Sie haben sich in ihrer Substanz niemals geandert. Fur die
Riickkehr Danzigs zum Reich und eine exterritoriale Auto- und Eisenbahnverbindung durch
den [X] Korridor, der eine ahnliche Verbindung Polens auf Danziger Gebiet entsprechen sollte,
bot Deutschland Polen eine endgliltige Anerkennung und Garantie seiner Grenzen, d. h. also
den Verzicht auf die Riickgliederung der ubrigen abgetretenen Gebiete. Der Zeitpunkt war gut
gewahlt: Polen hatte mit deutscher Hilfe das Olsagebiet gewonnen und betrieb die
Verwirklichung einer gemeinsamen polnisch-ungarischen Grenze. Botschafter Lipski
bemuhte sich dabei um die Unterstutzung Deutschlands. Am 19. November 1938 brachte
Lipski eine teils ausweichende, teils hinhaltende Antwort ( Nr. 198) , die mit innerpolitischen
Schwierigkeiten begrundet wurde. Weder diese Antwort, bei deren Entgegennahme der
ReichsauBenminister zum zweitenmal die deutschen Vorschlage darlegte, noch das Gesprach
Becks mit dem Deutschen Botschafter am 14. Dezember ( Nr. 199) verriet auf polnischer Seite
ein Gefiihl des Bedrohtseins. Die dritte Unterredung in dieser Angelegenheit fand am 5.
Januar 1939 zwischen dem Flihrer und AuBenminister Beck statt ( Nr. 200) . Der Flihrer
entwickelte den groBen freundschaftlichen Rahmen, in dem er sich kunftig das deutsch-
polnische Verhaltnis und die Regelung der Danzig- und Korridorfrage dachte. Es war eine
Regelung, bei der auch Polen gewann und die jede Bedrohung ausschloB. Auch diesmal wich
Beck aus, erklarte sich aber bereit, "das Problem gern einmal in Ruhe zu iiberlegen". Am
nachsten Tage wurde in einer Begegnung zwischen Beck und dem ReichsauBenminister der
gleiche Gegenstand zum viertenmal eingehend durchgesprochen ( Nr. 201) ; das Thema wurde
zum funftenmal in einer Unterhaltung in Warschau anlaBlich des Besuchs des
ReichsauBenministers am 26. Januar 1939 erortert ( Nr. 202) . Beck versprach wiederum eine
reifliche Priifung der Frage. Zwischen dem Gesprach in Warschau und der sechsten
Unterredung, am 21. Marz 1939 ( Nr. 203) , liegt der Zerfall der Tschecho-Slowakei, der Polen
die gewunschte gemeinsame Grenze mit Ungarn brachte und damit die Gefahr eines
"ukrainischen Piemont" flir Polen beseitigte. Der ReichsauBenminister konnte auch die neue
polnische Sorge wegen der Slowakei sofort durch die Aussicht auf eine Teilnahme Polens an
der Garantierung des slowakischen Staates beseitigen, vorausgesetzt, daB das deutsch-
polnische Verhaltnis eine befriedigende Entwicklung nehme. Deutschland hatte zwar
Ursache, infolge neuer deutschfeindlicher Demonstrationen, scharfer Presseangriffe und neuer
MaBnahmen gegen die deutsche Volksgruppe miBtrauisch zu sein. Trotzdem trug der
ReichsauBenminister nur die alten, maBvollen Forderungen vor und erbat ihre Verwirklichung
auf freundschaftlichem Wege innerhalb einer Dauerregelung des deutsch-polnischen
Verhaltnisses. Gleichzeitig lieB er dem Polnischen AuBenminister sagen, er wiirde sich
freuen, wenn Beck ihm demnachst in Berlin einen Besuch abstatten wiirde. Polen war von den
deutschen Wiinschen seit einem halben Jahr unterrichtet. Es konnte sich am 21. Marz weder
uberrascht noch bedroht fiihlen.
Die erste Antwort Polens bestand in einer Teilmobilisierung am 23. Marz und
Trappenzusammenziehungen bei Danzig ( Nr. 204 , 205 und 207) . Die Militars gewannen
steigenden EinfluB auf die AuBenpolitik. England hatte sich bereits eingeschaltet ( Nr. 206 ).
Polen konnte darauf rechnen, daB es in der englischen Einkreisungspolitik, die mit dem 17.
Marz offene Formen angenommen hatte, eine entscheidende Rolle spielen werde und seinen
Preis stellen konnte, wie im einzelnen aus dem zweiten Kapitel ersichtlich ist. Die zweite
Antwort Polens, das Nein vom 26. Marz 1939 ( Nr. 208, Anlage) , wurde also unter dem
Eindruck der englischen Riickendeckung ausgesprochen. ReichsauBenminister von
Ribbentrop muBte feststellen, daB das Memorandum der Polnischen Regierung keine Basis
flir die deutsch-polnische Losung bieten konnte. Der Polnische Botschafter drohte, jegliche
weitere Verfolgung dieser [xi] Plane, vor allem hinsichtlich Danzigs, bedeute den Krieg. Der
ReichsauBenminister lieB sich bei allem Ernst der Lage durch diese polnische
Herausforderung nicht aus der Geduld bringen, sondern legte der Polnischen Regierung zum
siebentenmal nahe, nach Beruhigung der Situation den deutschen Vorschlag doch noch zu
erwagen ( Nr. 208) . Die dritte Antwort Polens waren neue antideutsche Ausschreitungen in
Bromberg, die Entfesselung der polnischen Presse ( Nr. 209) und die Entfachung einer
allgemeinen Kriegsstimmung, durch die das polnische Volk kriegsreif gemacht werden sollte.
Ein Bericht des Deutschen Botschafters vom 28. Marz 1939 stellte bereits fest, daB in
Warschau "eine Selbstsicherheit und Uberschatzung" um sich greife, die "im Hinblick auf den
polnischen Nationalcharakter eine Gefahr sei". Der Vizekriegsminister selbst verbreitete die
Ansicht von der Uberlegenheit der polnischen Armee iiber Deutschland ( Nr. 210 ).
AuBenminister Beck wurde immer mehr zum Gefangenen des polnischen Chauvinismus, dem
er sich unter Preisgabe seiner eigenen Politik unterwarf ( Nr. 216) . Er hielt es am 29. Marz flir
richtig, dem Deutschen Botschafter mit dem casus belli zu drohen, wenn Deutschland oder
der Danziger Senat das Statut der Freien Stadt Danzig abandere ( Nr. 211) . Statt nach Berlin
fuhr er nach London, um dort den englischen Garantiepakt zu akzeptieren. Damit war ein
Kapitel langmutiger deutscher Bemuhungen um den deutsch-polnischen Ausgleich
abgeschlossen. Polen hatte endgultig flir die Einkreisungspolitik gegen Deutschland optiert.
Es kehrte damit auch auBerlich zu der Erbfeindpolitik des Jahres 1919 zuriick, die es innerlich
nie aufgegeben hatte. Es hatte das Abkommen von 1934 zerstort, das die Gewaltanwendung
zwischen den beiden Staaten ausschloB, und verpflichtete sich zur Gewaltanwendung gegen
Deutschland selbst dann, wenn seine Interessen uberhaupt nicht beriihrt waren ( Nr. 213) . In
der Reichstagsrede vom 28. April ( Nr. 214) und im Memorandum der Deutschen Regierung
vom gleichen Tage ( Nr. 213) zog der Fiihrer einen Strich unter sechs Jahre ehrlichen,
geduldigen Bemlihens um die polnische Freundschaft, streckte jedoch selbst in diesem ernsten
Augenblick Polen noch einmal die Hand entgegen und erklarte sich flir Deutschland zu einer
neuen vertraglichen Regelung bereit. Polen hat davon keinen Gebrauch gemacht, sondern mit
der hochfahrenden Rede Becks vom 5. Mai, mit einer Steigerung der antideutschen Hetze und
mit einer nicht mehr abreiBenden Kette von Reden und Pressestimmen geantwortet, in denen
weiteres deutsches Volks- und Reichsgebiet flir Polen gefordert wurde. Von maBgebender
polnischer Seite wurde bestatigt, daB Beck nicht nur der Gefangene des polnischen
Chauvinismus, sondern auch der englischen Bemuhungen geworden war ( Nr. 216) .
Ubersicht, Teil2
Zweites Kapitel
Die englische Kriegspolitik
B. Britische Aufriistung und Hetze gegen Deutschland
(September 1938 bis Juli 1939)
Das deutsch-polnische Problem war durch die Vernachlassigung wahrend 20 Jahren und die
polnische Uberheblichkeit zur kritischsten Frage der europaischen Politik geworden. Es stellte
flir denjenigen, der einen KriegsanlaB suchte, jederzeit die gewunschte Moglichkeit zur
Verfiigung. Es war England, das im Rahmen seiner Einkreisungspolitik den europaischen
Horizont nach solchen Moglichkeiten absuchte und in den Marztagen 1939 mit dem
polnischen Chauvinismus den Kontakt herstellte. Die deutsch-englischen Beziehungen
schienen in der gemeinsamen Erklarung von Munchen ( Nr. 217) eine Wendung [xii] zum
besseren erreicht zu haben. Es waren ihr viele Jahre einseitiger deutscher Bemuhungen um
die englische Freundschaft vorangegangen. Die Verstandigung mit England gehorte zum
auBenpolitischen Programm des Nationalsozialismus. Der Flottenvertrag von 1935 sollte die
Sicherheit dafiir bieten, daB die beiden Reiche unter gegenseitiger Respektierung ihrer
Lebensinteressen nicht wieder die Klingen kreuzen wiirden. Die Munchener Erklarung sollte
diese GewiBheit friedlicher deutsch-englischer Beziehungen zu einer endgultigen machen.
Um so groBer war die Enttauschung, als Chamberlain drei Tage nach der Munchener
Erklarung im Unterhaus die Aufrustung um jeden Preis proklamierte ( Nr. 218) . Diese
Tatsache und die Haltung der englischen Opposition zwangen den Flihrer, in der Saarbrucker
Rede ( Nr. 219) sein Volk vor Vertrauensseligkeit zu warnen und auf die Moglichkeit
hinzuweisen, daB jederzeit die Kriegspartei Edens, Churchills und Coopers zur Macht
kommen konne. Die Entwicklung hat ihm Recht gegeben. Schon lange vor der tschecho-
slowakischen Spannung war Deutschland in England dazu miBbraucht worden, das englische
Publikum riistungswillig zu machen. Nach Munchen wurde dieser ProzeB rasch
vorangetrieben. Der Englische Kriegsminister verkundete schon am 10. Oktober 1938 die
bevorstehende wesentliche Verstarkung und Modernisierung der Territorialarmee ( Nr. 220) .
Gleichzeitig trieb England den franzosischen Verbundeten zu weiteren
Rlistungsanstrengungen, vor allem in der Luft, an ( Nr. 221) . Es folgten die Vorbereitungen
flir die Anlegung eines Nationalregisters fur den freiwilligen Hilfs- und Kriegsdienst ( Nr.
222) . Churchill durfte in einer Rundfunkansprache flir die Vereinigten Staaten ( Nr. 223) in
ahnlicher Weise gegen Deutschland hetzen, wie Duff Cooper in Paris ( Nr. 232) , und forderte
die allgemeine Wehrpflicht. Der Flihrer warnte in einer Rede in Weimar am 6. November
( Nr. 224) aufs neue vor den englischen Kreisen, auf deren Programm die "Vernichtung
Deutschlands und Italiens" stehe. Auch der ReichsauBenminister machte vor der
auslandischen Presse auf die Weltgefahr der Kriegshetzer in den westlichen Demokratien
aufmerksam ( Nr. 225) . Mitte November wurde die kanadische Industrie erfolgreich in das
englische Luftrustungsprogramm eingebaut ( Nr. 226) und bei einem Besuch von Chamberlain
und Halifax in Paris Frankreich zur Vermehrung der offensiven Luftwaffe gedrangt,
englischerseits aber die Entsendung eines starken Expeditionskorps zugesagt ( Nr. 227 und
228) . Am 30. November 1938 folgte die handelspolitische Kampfansage Englands an
Deutschland in Slidost- und Mitteleuropa ( Nr. 229) . Am 7. Dezember hielt es der Englische
Staatssekretar flir Kolonien flir notwendig, das Dokument von Munchen durch ein
unmotiviertes Nein in der Kolonial- und Mandatsfrage zu entwerten und Deutschland auf
diesem Gebiet den Weg des Verhandelns zu versperren ( Nr. 231) . Nebenher ging die von der
Englischen Regierung geduldete Pressehetze gegen das Reich, Beleidigungen des Fuhrers
( Nr. 233) , die Vergiftung der Atmosphare durch Falschmeldungen ( Nr. 230) und die
wachsende Bearbeitung der Offentlichkeit durch die englische Kriegspartei, der Chamberlain
nun auch schon in der Offentlichkeit Konzessionen machte ( Nr. 234) . Wie die Ansprache des
Fuhrers beim Neujahrsempfang am 12. Januar 1939 ( Nr. 235) beweist, lieB sich Deutschland
trotzdem von der Hoffnung auf Frieden und Verstandnis bei England und Frankreich nicht
zurlickschrecken. England beantwortete diese Bereitschaft mit der Einflihrung des
"freiwilligen nationalen Dienstes", der es "flir den Krieg bereit machen sollte" ( Nr. 237) , und
mit gesteigerten Bemuhungen, die englische Nation kriegsreif zu machen.
Friedensanstrengungen des Fuhrers wurden in der englischen Presse unterschlagen ( Nr. 238 ).
Noch ehe die tschechische Ausrede vorgebracht werden konnte, fiihlte sich Chamberlain vor
der Geschichte berufen, gegeniiber dem Deutschland Adolf Hitlers die gleiche Rolle zu
spielen, [xni] wie der jlingere Pitt gegeniiber Napoleon ( Nr. 240) . Der Fiihrer sah sich am 30.
Januar veranlaBt, im Reichstag aufs neue auf die Kriegspartei in England hinzuweisen und das
deutsche Volk darauf aufmerksam zu machen, daB diese "unter alien Umstanden einen Krieg
vom Zaune brechen wolle" ( Nr. 241) . Riistung und Hetze gingen in England Hand in Hand.
Man riihmte sich der uberwaltigenden Zahlen der Aufrustung ( Nr. 242) . Schon Mitte Februar
1939 machte England volkerrechtlich das SchuBfeld flir den Wirtschaftskrieg frei, indem es
die Genfer Generalakte kiindigte, soweit sie flir Kriegszeiten verbindlich war ( Nr. 244) . Es
entzog sich damit in dem geplanten Krieg jedem Schiedsgerichtsverfahren bei Streitigkeiten
mit den Neutralen. Das war eine ausgesprochene KriegsvorbereitungsmaBnahme. Die
Kriegslusternheit Englands war in der ganzen Welt zu spiiren. Englische Vertretungen im
Ausland entwickelten sich zum "Herd der Kriegspsychose". Eden, Churchill und Duff Cooper
galten als die eigentlichen Vertreter und kunftigen Fiihrer der Nation ( Nr. 245) . Am 8. Marz
riihmte der Englische Kriegsminister die GroBe und Schlagkraft der Armee, die er auf den
europaischen Kontinent schicken konne ( Nr. 246) .
Die Neuordnung im tschechischen Raum gab den Vorwand flir eine Verdoppelung der
englischen Kriegsvorbereitungen und der antideutschen Hetze. Duff Cooper konnte den
Fiihrer in offener Sitzung des Unterhauses beleidigen. Lord Halifax deckte diese
Beleidigungen gegeniiber dem Deutschen Botschafter ( Nr. 247) . Am 29. Marz verkundete
Chamberlain die Verdoppelung der auf Kriegsstarke gebrachten territorialen Feldarmee ( Nr.
248) . Am 20. April wurde das Gesetz zur Errichtung des Versorgungsministeriums, der
wehrwirtschaftlichen Zentrale der Kriegsvorbereitungen, angekundigt ( Nr. 250) . Die
englische Offentlichkeit wurde durch Reden, Nachrichten und amtliche Gesten ( Nr. 249) in
Nervositat und Kriegsstimmung gehalten. Am 26. April fiihrte England die allgemeine
Militardienstpflicht ein ( Nr. 251) . Die Begrundung sprach "von dem Wandel in der
offentlichen Meinung, der sich seit schon erheblicher Zeit stetig entwickelt habe", und von
den "neuen Verpflichtungen, die GroBbritannien vor kurzem in Europa eingegangen sei".
Beide Voraussetzungen sind von der Englischen Regierung planmaBig geschaffen worden,
um die Militardienstpflicht in der offentlichen Meinung durchsetzen zu konnen. Ein Bericht
des Deutschen Botschafters von Dirksen vom 10. Juli 1939 ( Nr. 252) faBt zusammen, was in
England getan wird, um den "Begriff Krieg zum Mittelpunkt des Denkens und der
Gesprache" zu machen. Am 28. Juli gab der Innenminister Sir Samuel Hoare die Errichtung
eines "Schatteninformationsministeriums" flir den Notfall bekannt und definierte den
Ausdruck Notfall mit dem Satz: "Ich meine den tatsachlichen Krieg" ( Nr. 254) .
B. Die britische Haltung zur tschechischen Frage
(November 1 9 3 8 bis April 1 9 3 9 )
In der Begrundung der britischen Einkreisungspolitik hat die tschechische Frage eine wichtige
Rolle gespielt. Deutschland wurde der Vorwurf gemacht, die Tschecho-Slowakei mit Gewalt
zerschlagen und die Konsultationspflicht gegeniiber England verletzt zu haben. Diesen
Behauptungen stehen amtliche englische Feststellungen entgegen, wie aus den Dokumenten
Nr. 255 bis 266 hervorgeht. Chamberlain selbst bekannte sich in einer Erklarung im
Unterhaus zur Wandelbarkeit der Grenzen von Versailles ( Nr. 255) . Die englische Garantie
flir die Tschecho-Slowakei konnte daher auch keine "Kristallisation der Grenze" bedeuten
( Nr. 256) . Am 14. Marz, dem Tag, da die Tschecho-Slowakei auseinanderbrach, gab
Chamberlain im Unterhaus zu, daB ein unprovozierter [xiv] Angriff auf die Tschecho-Slowakei
nicht stattgefunden hatte ( Nr. 257) . Am 15. Marz, d. h. nach der Unterzeichnung des deutsch-
tschechischen Abkommens, erklarte Chamberlain im Unterhaus, daB die englische Garantie
fur die Tschecho-Slowakei nicht zur Anwendung kommen konne, weil "der Staat,
dessen Grenzen wir zu garantieren beabsichtigten, von innen her zerbrach und so sein
Ende fand. Seine Majestat Regierung kann sich infolgedessen nicht mehr langer an diese
Verpflichtung gebunden halten" ( Nr. 259) . Diese amtliche englische Feststellung deckt sich
nicht nur mit der deutschen Auffassung, sondern auch mit der historischen Tatsache, daB am
14. Marz mittags gegen 13 Uhr durch die Unabhangigkeitsproklamation des slowakischen
Landtags die Tschecho-Slowakei bereits auseinandergebrochen war.
In diesem Augenblick setzte die englische Kriegspartei zum GegenstoB an und behielt die
Oberhand. Die Deutsche Botschaft in London meldete am 17. aus ahnlichen und
parlamentarischen Kreisen eine plotzliche Versteifung ( Nr. 261) . Chamberlain warf seine
eigene Politik liber Bord und kapitulierte vor der Opposition, die von nun an, im
Einvernehmen mit der Blirokratie des Foreign Office, die auBenpolitische Fuhrung ubernahm
( Nr. 263) . So kam es zu der englischen Demarche in Berlin ( Nr. 262) und zu dem Vorwurf,
Deutschland habe seine Munchener Unterschrift verleugnet. Auch dieser Vorwurf ist ad hoc
zu besonderem Gebrauch konstruiert worden. Denn aus den Dokumenten Nr. 264 und 265
geht hervor, daB England noch am 23. Marz in dem deutschen Vorgehen keinen VerstoB
gegen die Konsultationsabrede von Munchen sah. Auf Anfrage im Unterhaus, welche
Vorstellungen man in Berlin wegen des Umstandes erhoben habe, daB die Deutsche
Regierung die in Munchen versprochene Konsultation mit der Englischen Regierung nicht
vorgenommen habe, erwiderte Unterstaatssekretar Butler: "Meines Wissens enthielt das
erwahnte Communique keine derartige Erklarung. Der zweite Teil der Frage erledigt
sich damit." Der Fiihrer konnte daher mit Recht im Reichstag am 28. April den Vorwurf
zuriickweisen, die Munchener Abreden nicht eingehalten zu haben ( Nr. 266) . Das Munchener
Abkommen, in dem ein feierlicher Kriegsverzicht niedergelegt war, ist vielmehr in dem
Augenblick durch England gebrochen worden, als es Deutschland den Krieg erklarte.
C. Die britische Einkreisungspolitik seit Februar 1939
Der nachste Abschnitt behandelt von Nr. 267 bis 324 die britische Einkreisungspolitik seit
Februar 1939, die flir die Beurteilung der Kriegsursachen von entscheidender Bedeutung ist.
Denn erst durch die Verkoppelung des polnischen Komplexes mit der britischen Einkreisung
wurden relativ einfache Fragen, wie Danzig und Korridor, mit jenem Dynamit geladen, der
den Frieden zunachst in Ost- und dann in Westeuropa in die Luft sprengen muBte. Die
Englische Regierung, die sich schon vorher moralisch der Opposition unterworfen hatte,
betrieb nunmehr auch offentlich die AuBenpolitik jener Manner, deren eingestandenes Ziel
die Vernichtung des GroBdeutschen Reiches war. Noch ehe es den tschechischen Vorwand
gab, hatten England und Frankreich offentliche Erklarungen abgegeben, daB sie sich im Falle
eines Krieges mit alien Streitkraften zu Hilfe eilen wurden ( Nr. 267) . Die offentlichen
Bekundungen der englisch-franzosischen Solidaritat und "eine bemerkenswerte englische
Aktivitat in Polen" bestarkten bereits im Februar gewisse polnische Absichten "einer
allmahlichen Verschlechterung der deutsch-polnischen Beziehungen" ( Nr. 268) . In
Birmingham, zwei Tage nach Prag, blies Chamberlain [xv] die Angriffsfanfare gegen
Deutschland und kundigte offentlich die Einkreisung an: Nicht nur die Dominions und
Frankreich, sondern auch andere Machte wurden den Wunsch haben, sich mit England zu
konsultieren ( Nr. 269) . Unverantwortlich in die Welt gesetzte vollig unsinnige Geruchte liber
ein deutsches Ultimatum an Rumanien wurden begierig aufgegriffen ( Nr. 270) , um diesen
Staat fur schutzbedurftig zu erklaren. In den vorangegangenen Unterhausdebatten war von der
Opposition wie von der Regierungspartei bereits die ganze Liste der fur die Einkreisung zu
gewinnenden Staaten, einschlieBlich Polens, aufgestellt worden. Lord Halifax erklarte am 20.
Marz im Oberhaus, daB die Regierung Erwagungen dariiber anstelle, "ob nicht zwecks
gegenseitiger Unterstutzung die Ubernahme ausgedehnter gegenseitiger Verpflichtungen
geboten erscheine", und teilte mit, daB England keine Zeit versaumt habe, um "mit anderen
Regierungen in enge und praktische Konsultation zu treten" ( Nr. 271) . DaB dazu in erster
Linie Polen gehorte, belegen die Berichte des Deutschen Geschaftstragers in London vom 20.
und 22. Marz ( Nr. 272 und 274). Am 24. Marz berichtete auch der Deutsche Botschafter in
Warschau von wiederholten Besuchen des Englischen Botschafters im Polnischen
AuBenministerium wahrend der letzten Tage ( Nr. 206) . Polen wuBte demnach bereits, als es,
am 21. Marz vom ReichsauBenminister noch einmal mit der Danzig- und Korridorfrage
befaBt, am 26. Marz seine ablehnende Antwort erteilte, daB es die Garantie Englands
und der zu schaffenden Koalition hinter sich haben werde. Das polnische Nein ist daher in
erster Linie von England zu verantworten.
Zur Erzeugung der geeigneten Atmosphare wurden uberdies Hetzmeldungen liber deutsche
Angriffsabsichten gegen kleine Staaten lanciert, z. B. auch gegen Norwegen ( 273) . Die
Einbeziehung der Sowjetunion stand von Anfang an auf der Tagesordnung ( Nr. 274) . Uber
den Kopf Hollands und der Schweiz hinweg wurden auch diese Lander flir schutzbedurftig
erklart ( Nr. 276 und 311) . Im BewuBtsein, daB England seiner bedurfte, steigerte dann Polen
seine Bedingungen bis zu jenem Blankoscheck vom 31. Marz 1939 ( Nr. 206 , 277 und 279) .
Die polnische Antwort an Deutschland vom 26. Marz war daher nicht nur von der polnischen
AnmaBung, sondern hauptsachlich auch von der britischen Absicht diktiert, Polen zum
entscheidenden Faktor der Einkreisungspolitik zu machen. Mit dieser Garantie wurde, wie
selbst Duff Cooper damals schrieb, das Schicksal des englischen Empire, die Frage von Krieg
und Frieden "einer Handvoll unbekannter Leute in Polen anvertraut". Der Flihrer erteilte in
Wilhelmshaven die erste warnende Antwort: Deutschland werde nicht den schweren Fehler
wiederholen, "die Einkreisung zu sehen und sich ihrer nicht beizeiten zu erwehren" ( Nr. 281 ).
DaB sich England des grundsatzlichen Wandels seiner Politik und des Risikos, das es mit dem
polnischen Freibrief ubernahm, bewuBt war, ergibt sich aus den Reden Chamberlains und
Simons vom 3. April ( Nr. 283 und 284) . Die Verpflichtungen "Krieg zu fiihren" waren
absichtlich dort eingegangen worden, wo sie England als Vorwand flir die Kontrolle Ost- und
Mitteleuropas und flir die Auslosung eines Praventivkrieges brauchte. Die militarische
Ausfuhrung und Anpassung ging mit der Arbeit der diplomatischen Einkreisung Hand in
Hand ( Nr. 285) . Am 6. April wurde beim Besuch Becks in London die Umwandlung der
einseitigen Garantie Polens vom 31. Marz in eine zweiseitige bekanntgegeben ( Nr. 286 ).
Noch einmal wurde in vollem BewuBtsein der Tragweite die Entscheidung liber Krieg und
Frieden bedingungslos in die Hand Polens gelegt. Am 13. April wurde die Einkreisung auch
auf den italienischen Achsenpartner ausgedehnt, neben Rumanien auch Griechenland eine
einseitige Garantie pcvrj gegeben und gleichzeitig die Verbindung mit der Tlirkei hergestellt
( Nr. 288) . Die Kriegspartei war mit diesem Kurs zufrieden ( Nr. 289) . Die Bemlihungen um
die Sowjetunion, ohne die man sich damals einen Erfolg der Einkreisung nicht vorstellen
konnte, nahmen ihren Fortgang und wurden intensiviert ( Nr. 290) . Das rumanisch-polnische
Blindnis sollte auch gegen Deutschland spielen ( Nr. 291) . Gegenliber Deutschland wurde
offiziell diese Politik mit Friedensversicherungen zu tarnen gesucht ( Nr. 293) . Nach der
Einflihrung der Kriegsdienstpflicht in England war kein Zweifel mehr liber die Ziele dieser
Politik erlaubt. Der Flihrer sah sich daher am 28. April zu dem Memorandum an England ( Nr.
294) und zu seiner Rede im Reichstag ( Nr. 295) gezwungen, in denen er aus der englischen
Einkreisungspolitik die Folgerungen zog und feststellte, daB die Englische Regierung "einen
Krieg Englands gegen Deutschland nicht mehr als eine Unmoglichkeit, sondern im Gegenteil
als ein Hauptproblem der englischen AuBenpolitik ansieht" und "einseitig dem
Flottenabkommen die Grundlage entzogen und dieses auBer Kraft gesetzt hat." Voraussetzung
des Flottenabkommens war die Respektierung der gegenseitigen Lebensinteressen gewesen.
Der Fiihrer war auch jetzt noch zur Verstandigung bereit und lieB die Tiir "flir neue
Verhandlungen" offen. In den Reihen der englischen Kriegspartei war man verargert, "daB die
Rede nicht kriegerischen Charakter gehabt habe" ( Nr. 296) .
England jedoch tat auch jetzt nichts, um die polnische Frage durch Einwirkung in Warschau
zu entspannen und zwischen Polen und Deutschland einen Kontakt herzustellen. Im
Gegenteil, die englische Ermutigung der polnischen Uberheblichkeit war sofort zu spliren
( Nr. 298) . Man sprach zwar davon, daB die Frage Danzig und Korridor bereinigt werden
konnte und mliBte ( Nr. 299) , aber man lieB voile vier Monate verstreichen, ohne Polen zu
veranlassen, das Verhandlungsangebot des Fuhrers vom 28. April anzunehmen. Am 12. Mai
wurde die Einkreisungspolitik gegen die Achse mit der englisch-turkischen Garantieerklarung
weiter vorwarts getrieben ( Nr. 301) , am 19. Mai durch Chamberlain erklart, daB die
Einkreisungsfront durch endgultige Vertrage mit den garantierten Staaten befestigt und durch
neue Abmachungen mit weiteren Machten erganzt werden mliBte ( Nr. 303) . Die starksten
Bemuhungen galten nun dem Einbau der Sowjetunion ( Nr. 306) . Das Schicksal dieser
Verhandlungen, die bis zur Selbsterniedrigung gefuhrt wurden, ist bekannt. Der englische
Wille zum Praventivkrieg war allenthalben zu spiiren ( Nr. 304) . In seiner Rede in Kassel ( Nr.
305) warnte der Fiihrer aufs neue, Deutschland werde nicht warten, bis die
Einkreisungspolitik vollendet sei. Die Warnungen wurden wiederholt ( Nr. 307 und 308) . Die
Englische Regierung hatte sich mit der Opposition so weit gefunden, daB selbst ein Churchill
keinen Unterschied entdecken konnte ( Nr. 309) . Am 23. Juni wurde die franzosisch-turkische
Erganzung des englischen Einkreisungsabkommens vom 12. Mai bekanntgegeben ( Nr. 310) .
Den aggressiven Sinn der englischen AuBenpolitik enthiillte Lord Halifax in einer Rede in
Chatham House ( Nr. 312) , als er erklarte, die britische Politik bleibe "lediglich auf dem
unabanderlichen Weg, den die eigene Geschichte ihr vorgezeichnet habe". Es ist die Ruckkehr
zur "Balance of Power", die die jeweils starkste Kontinentalmacht mit Hilfe von Koalitionen
niederwirft, ehe sie sich der englischen Kontrolle entziehen kann. Ende Juni wurde der
gemeinsame Oberbefehl iiber die franzosisch-englischen Streitkrafte besprochen ( Nr. 313) .
Der Englische Kriegsminister bekannte sich offen zum System der Europa beherrschenden
franzosischen Allianzen, das nunmehr von England ubernommen wurde ( Nr. 316) . Die
englischen Einkreisungsbemuhungen in Sudosteuropa nahmen trotz gelegentlicher
Widerstande der zu garantierenden Staaten ihren [xvii] Fortgang ( Nr. 317) . Mit Hilfe von
politischen Krediten sollte der Einkreisungspolitik der Weg bereitet werden ( Nr. 318) . Mitte
Juli tauchte in England zum ersten Male die "Besorgnis" vor einem deutsch-russischen
Ausgleich auf, der eine Besserung der deutsch-polnischen Beziehungen zur Folge haben
konnte ( Nr. 319) . Zur Hebung der Kriegsstimmung in der Heimat, in Polen und Frankreich
veranstaltete die englische Luftwaffe Demonstrations- und Propagandafliige iiber Frankreich
( Nr. 322) . Ende Juli erklarte sich England, um das sowjetrussische Biindnis um jeden Preis zu
sichern, dazu bereit, militarische Verhandlungen aufzunehmen, ehe die politischen zum
AbschluB gekommen waren ( Nr. 323) . Ein Vorgang, von dem Chamberlain im Unterhaus
erklarte, daB er einzigartig sei. Der AbschluB des deutsch-russischen Nichtangriffspaktes
versetzte der Einkreisung den todlichen StoB. Aber England hatte in voller Absicht alle
Bracken zu einer friedlichen Regelung hinter sich abgebrochen und lieB dem Verhangnis
s einen Lauf.
Drittes Kapitel
Deutschlands Bemuhungen
um Sicherung friedlicher Beziehungen
zu seinen Nachbarldndern
Das dritte Kapitel (Dokumente Nr. 325 bis 348) zeigt Deutschlands Bemlihen um die
Sicherung friedlicher Beziehungen zu seinen Nachbarstaaten. Wahrend England der
Weltmeinung einzuhammern versuchte, daB Deutschland mit der ganzen Welt in Spannung
lebe und jeder seiner Nachbarn taglich eines deutschen Angriffs gewartig sein mlisse, schuf
Deutschland durch feierliche Erklarungen, Vertrage, Freundschaften und Blindnisse endgultig
festgelegte Grenzen und klare Verhaltnisse, mit Ausnahme der tschechischen und polnischen
Feindschaften, die von beiden Volkern selbst gestiftet und aufrechterhalten worden waren.
Ebenso wie gegenliber England (Mlinchener Erklarung, Nr. 217) war auch gegenliber
Frankreich der EntschluB, es niemals wieder zu einer kriegerischen Auseinandersetzung
zwischen den beiden Landern kommen zu lassen, nach den zahlreichen, seit Losung der
Saarfrage abgegebenen Erklarungen des Fuhrers zu diesem Thema ( Nr. 325 , 326) am 6.
Dezember 1938 in Paris ( Nr. 329 bis 332) feierlich festgelegt worden. In seiner Rede vom 30.
Januar 1937 hatte der Flihrer bereits versichert, daB die Deutsche Regierung bereit ware,
Belgien und Holland jederzeit "als unantastbare neutrale Gebiete anzuerkennen und zu
garantieren" ( Nr. 325) . Die Unverletzlichkeit und Integritat Belgiens wurde daraufhin zum
Gegenstand eines deutsch-belgischen Notenwechsels gemacht ( Nr. 333 , 334), wahrend
hollandischerseits die Ansicht vertreten wurde, daB die Unantastbarkeit des niederlandischen
Gebietes nicht Gegenstand einer unter niederlandischer Beteiligung zustande gekommenen
Regelung sein konne ( Nr. 335 , 336) .
Der Umstand, daB Deutschland infolge der Wiedervereinigung Osterreichs mit dem Reich mit
der Schweiz, Liechtenstein, Italien, Jugoslawien und Ungarn neue Grenzen erhielt, veranlaBte
die Deutsche Regierung zur Abgabe einer Reihe von besonderen Erklarungen, durch die diese
Grenzen als endgultig und unantastbar bezeichnet wurden ( Nr. 337) . Die Schweiz hatte
vordem schon aus dem Munde des Fuhrers die Versicherung erhalten, daB Deutschland
jederzeit ihre Unverletzlichkeit und Neutralitat respektieren werde ( Nr. 339) . Ungarn
gegenliber wurde durch den Deutschen Gesandten eine Erklarung iiber die Unverletzlichkeit
der deutsch-ungarischen Grenze abgegeben ( Nr. 341) . Die Italien [xvnrj und Jugoslawien
erteilten Zusicherungen wurden in besonders feierlicher Weise gelegentlich des Besuches des
Fuhrers in Rom ( Nr. 338) sowie des Besuches des Prinzregenten von Jugoslawien in Berlin
( Nr. 340) erneuert.
Im Norden wurde zunachst mit Litauen am 22. Marz 1939 ein Vertrag abgeschlossen, der
unter anderem die Verpflichtung enthalt, nicht zur Anwendung von Gewalt gegeneinander zu
schreiten ( Nr. 342) . Sodann sprach der Flihrer in der Reichstagsrede vom 28. April 1939 seine
Bereitschaft aus, alien von Roosevelt in dessen Telegramm erwahnten Staaten
Nichtangriffszusicherungen unter der Voraussetzung der unbedingten Gegenseitigkeit zu
geben ( Nr. 343) . Der Gedankenaustausch, der hierauf mit Schweden, Norwegen und Finnland
erfolgte, wurde mit dem Ergebnis beendet, daB die genannten drei Staaten der Deutschen
Regierung aufs neue erklarten, daB sie sich von Deutschland nicht bedroht flihlten und im
librigen die Absicht hatten, mit keinem Lande Nichtangriffspakte abzuschlieBen ( Nr. 344 ).
Dagegen wurden zwischen Deutschland und Danemark am 31. Mai 1939 ( Nr. 345) , zwischen
Deutschland und Estland am 7. Juni 1939 ( Nr. 346) und zwischen Deutschland und Lettland
am gleichen Tage ( Nr. 347) Nichtangriffs vertrage abgeschlossen. SchlieBlich kam es am 23.
August 1939 zu dem AbschluB des Nichtangriffsvertrages zwischen Deutschland und der
Union der Sozialistischen Sowjet-Republiken ( Nr. 348) .
Ubersicht, Teil 3
Viertes Kapitel
Polen als Werkzeug des englischen Kriegswillens
A. Die Auswirkung der britischen Einkreisungspolitik
auf die Haltung Polens
I. Vernichtungsfeldzug gegen die deutsche Volksgruppe
Das vierte Kapitel bringt den Nachweis flir den MiBbrauch Polens als Werkzeug des
englischen Kriegswillens ( Nr. 349 bis 482) . Die Auswirkung der britischen Blankovollmacht
war sofort zu spiiren. Polen setzte zum Vernichtungsfeldzug gegen die deutsche Volksgruppe
an. Einen Tag nach dem polnischen Nein, am 27. Marz 1939, kommt es in Bromberg unter
Rufen wie "Weg mit Hitler", "Wir wollen Danzig", "Wir wollen Konigsberg" zu
deutschfeindlichen Demonstrationen ( Nr. 349) . An anderer Stelle wird bei einem
Kameradschaftsabend der Reichsdeutschen von eindringenden Polen Fiihrerbild und
Reichsflagge vernichtet ( Nr. 350) , wogegen scharfster Protest eingelegt wird ( Nr. 351 und
352) . Thorn und Posen miissen Ende Marz von neuerlicher Verscharfung der Hetze,
Demonstrationen, tatlichen Angriffen und annexionistischen Forderungen berichten ( Nr. 353 ,
354 und 355). In Posen halten die Ausschreitungen eine voile Woche an. Es kommt immer
ofters zu Uberfallen auf Volksdeutsche, wobei es Schwerverletzte gibt ( Nr. 355 und 357) .
Deutsche Proteste sind erfolglos ( Nr. 360) . Anfang April wird ein offentlicher Aufruf in ganz
Polen verbreitet, der das Generalprogramm flir die Entdeutschung des Landes enthalt ( Nr.
358) . Mitte April uberschreiten die ersten deutschen Fluchtlinge die Grenze ( Nr. 359) . Den
Konsulaten ist es fast unmoglich, alle Falle einzeln aufzufuhren ( Nr. 361) . Auch in
Oberschlesien tobt die Hetze ohne MaBen ( Nr. 362) . Terrorakte fiillen die Berichte der
deutschen Konsulate ( Nr. 363) . Der Aufstandischenverband gibt die Terrorbefehle aus ( Nr.
364). Am 6. Mai meldet Generalkonsulat Kattowitz 200 Terrorfalle ( Nr. 365) , am 19. Mai
weitere hundert ( Nr. 372) allein aus Oberschlesien. Kein Deutscher ist seines Lebens und
seines Eigentums mehr sicher. Der Terror greift auch rxixi auf das kongreBpolnische Gebiet
iiber und wird durch planmaBige Brandstiftung verscharft ( Nr. 366) . Die letzten
kulturpolitischen Stutzpunkte des Deutschtums werden zerstort ( Nr. 369 , 373, 374, 377, 379,
383 , 385 , 390 , 391, 399 usw.). Die deutsche Volksgruppe wendet sich in ihrer Verzweiflung
an den Polnischen Staatsprasidenten ( Nr. 369) . Die Englische Regierung wird durch die
Deutsche Botschaft iiber diese friedensgefahrliche Entwicklung auf dem laufenden gehalten
( Nr. 368) , ohne daB etwas geschieht. Mitte Mai steigert sich die Hetze zu
Deutschenpogromen, bei denen Tausende von Deutschen "wie Freiwild" gejagt werden ( Nr.
370 und 371). Die Fluchtlingsbewegung nimmt zu ( Nr. 374) , desgleichen das polnische
Sabelrasseln, die Verkundung annexionistischer Kriegsziele ( Nr. 367 , 378) und die
offentlichen Verunglimpfungen und Beleidigungen des Fiihrers, die erneut zu scharfen
Protesten zwingen ( Nr. 382) . Auf dem wirtschaftlichen Sektor werden planmaBig deutsche
Genossenschaften, Molkereien und Apotheken liquidiert ( Nr. 380 , 395). Lodz meldet am 7.
Juni: "Die Bedrohungen der Volksdeutschen mit Totschlag, Folterungen usw. sind zu
taglichen Selbstverstandlichkeiten geworden." Ganze Familien bringen wegen der standigen
Morddrohungen ihre Nachte in den Waldern zu ( Nr. 381 ).
Proteste im Polnischen AuBenministerium werden mit Achselzucken und stillschweigendem
Eingestandnis beantwortet, daB man gegeniiber den Militars machtlos und der Gefangene des
polnischen Chauvinismus geworden ist ( Nr. 382 und 385) . Nach IVi Monaten englischer
Garantie faBt der Deutsche Botschafter in Warschau seine Eindrlicke dahin zusammen, "daB
die Verhetzung AusmaBe angenommen hat, wie er sie wahrend seiner langjahrigen Tatigkeit
nicht habe beobachten konnen" ( Nr. 385) . Nach den Apotheken, Krankenhausern und
konfessionellen Vereinshausern werden die Deutschen Heime in Posen, Bromberg, Lodz,
Tarnowitz, Karwin und Oderberg geschlossen und enteignet ( Nr. 377 , 379, 385 , 390) . Dann
geht man zum Angriff gegen das religiose und kirchliche Leben der deutschen Volksgruppe,
vor allem gegen die evangelische Kirche, iiber. Ein Bethaus der Brudergemeinde wird
demoliert ( Nr. 388) . Polnische Bischofe werden von einem Generalstabsoberst aufgefordert,
dafiir zu beten, daB den "polnischen Brudern jenseits der Grenze ihre Probezeit verkiirzt und
sie durch ein zweites Grunwald aus der Unfreiheit erlost wiirden" ( Nr. 392) . Ein Bericht der
Deutschen Botschaft worn 5. Juli schildert die Verfolgung der evangelischen Kirche und ihrer
Diener, er zeigt, daB die Anschlage gegen Kirchen und Pfarrer zu einem System geworden
sind ( Nr. 394) . Die theologische Hochschule des deutschen Protestantismus in Posen wird
geschlossen ( Nr. 411) . Das englische Christentum, dem diese Dinge bekanntgegeben wurden,
schwieg dazu. Immer mehr stellt sich heraus, daB die Behorden selbst die Trager des
Liquidationsprozesses sind ( Nr. 396) . Die englische Mitverantwortung dafiir stellt der
Deutsche Botschafter in Warschau fest, indem er schreibt, "die Polnische Regierung fiihlt sich
offensichtlich durch die englische Blankovollmacht so stark, daB sie es nicht mehr flir notig
halt, bei der Behandlung der Minderheit irgendeine Rucksicht auf die deutschen Interessen zu
nehmen" ( Nr. 397) . Konsulat Lemberg berichtet Mitte Juli, daB in seinem Amtsbezirk gegen
das Deutschtum mit den Methoden vorgegangen wird, die bei den beruchtigten Pazifikationen
1930 gegen die Ukrainer angewandt worden waren ( Nr. 400) . Nun beteiligt sich auch das
Militar an den Ausschreitungen ( Nr. 403) . Das Deutschtum in Galizien steht vor der
Vernichtung. Es sieht keine Zukunft mehr und wird mit Brandstiftung und Gefahr an Leib und
Leben bedroht ( Nr. 407) . Was der offene Terror ubersieht, wird durch Steuerterror und
Behordenschikane nachgeholt ( Nr. 408) .
rxxi Im August 1939 nahert sich die Verfolgung des Deutschtums in alien Woiwodschaften
ihrem Hohepunkt. Haussuchungen und Verhaftungen sind an der Tagesordnung ( Nr. 410 ,
412). Die letzten deutschen Vereine werden geschlossen ( Nr. 414) . Eine Aufzeichnung des
Auswartigen Amts zeigt aus einer uniibersehbaren Fiille von Terrorakten 38 typische und
schwerwiegende Falle ( Nr. 415) . Es ist eine Liste des Schreckens, die nur noch durch die
ScheuBlichkeit der Bromberger Mordnacht und die Hinschlachtungen der Deutschen in ganz
Polen iibertroffen wird, deren traurige Spuren die deutsche Armee verfolgen konnte. Die
Volksdeutschen der Grenzgebiete werden ins Innere verschleppt oder in Konzentrationslager
geworfen ( Nr. 417) . Die Zahl der Fluchtlinge iiberschreitet 70.000 ( Nr. 416) .
II. Polnische MaBnahmen gegen Danzig
Nachdem Polen jede Anderung des Statuts von Danzig als casus belli erklart and dafiir die
englische Deckung gefunden hatte, muBte sich Danzig nach der Erteilung der britischen
Blankovollmacht an Polen auf alles gefaBt machen. Polnische Flugzeuge und polnisches
Militar verubten schon im Mai 1939 Grenzverletzungen ( Nr. 418) . Die Besatzung der
Westerplatte wurde unter Verletzung der geltenden Vertrage verstarkt, rings um die Danziger
Grenzen wurden Truppen zusammengezogen ( Nr. 419) . Am 20. Mai wurde ein Danziger
Staatsangehoriger in Kalthoff durch Schusse aus dem Auto der Polnischen Diplomatischen
Vertretung in Danzig niedergestreckt ( Nr. 420) und dieser Mord dann von polnischer Seite
noch zum Gegenstand eines herausfordernden Notenwechsels gemacht ( Nr. 421) . Der 23.
Mai brachte einen weiteren Grenzzwischenfall ( Nr. 422) . Gleichzeitig erhohte Polen
planmaBig die Zahl der polnischen Zollinspektoren ( Nr. 423) , was den Danziger Senat zu
Protestschritten zwang. Polen antwortete mit der Androhung einer weiteren Verstarkung des
polnischen Zollpersonals ( Nr. 425) . Diese polnischen Zollinspektoren wurden vor allem auch
flir Spionage eingesetzt ( Nr. 424 und 426) . Im Juli ging Polen gegen Danzig mit
wirtschaftlichen Druckmitteln vor. Die Einfuhr von Lebensmitteln aus Polen ( Nr. 429) und
die Ausfuhr von Produkten der Danziger Lebensmittelindustrie nach Polen ( Nr. 431) wurden
verhindert. Danzig sollte wirtschaftlich blockiert werden. Polen traf Vorbereitungen zur
Provozierung von Zwischenfallen in Danzig ( Nr. 428) ; der Vertreter der polnischen
Minderheit im Danziger Volkstag erklarte bei einer Kundgebung in Gdingen, "daB die
polnische Bevolkerung Danzigs die Vereinigung Danzigs mit dem Mutterlande Polen mit
Hilfe der polnischen Armee erreichen werde" ( Nr. 430) . Einen Hohepunkt erreichte die
Spannung durch ein polnisches Ultimatum in der Nacht vom 4. auf den 5. August ( Nr. 432 ,
433 und 434) . Eine niemals erlassene angebliche Anordnung des Danziger Senats wurde zum
Vorwand fur dieses Ultimatum und flir Drohungen mit "unverzuglichen
VergeltungsmaBnahmen" genommen. Seit dem 23. August wurden deutsche
Verkehrsflugzeuge in sehr zahlreichen Fallen von polnischen Streitkraften auf der Halbinsel
Hela beschossen ( Nr. 435 und 436) . Inzwischen war die vertragswidrige Militarisierung der
polnischen Stutzpunkte in Danzig fortgesetzt worden. Wie das Oberkommando der
Wehrmacht nach der Niederwerfung der Westerplatte feststellte, betrug hier die polnische
Besatzung, die vertragsmaBig auf 88 Mann festgesetzt war (vgl. Nr. 22) , in Wahrheit 240
Mann; das Gelande war zu einem mit Artillerie und Maschinengewehren verteidigten
Befestigungssystem ausgebaut worden ( Nr. 437, Anhang ).
rxxn
B. Die letzte Phase der deutsch-polnischen Krise -
Die immer wiederholten englischen Zusicherungen hatten Anfang Juli in Polen zu einer
ausgesprochenen Kriegsstimmung gefuhrt. Die polnische Kriegslust konnte durch die
Ausfuhrungen, mit denen der Leiter der britischen Politik am 10. Juli im Unterhaus zu dem
deutsch-polnischen Streitpunkt Stellung nahm, nur verstarkt werden. Chamberlain
wiederholte und bekraftigte die britischen Zusagen an Polen, vor allem in der Danziger Frage
( Nr. 438) . Es geht aus dieser Erklarung hervor, daB England die polnische Lesart kritiklos
ubernommen und bei aller Beteuerung, man wurde eine freundschaftliche Losung begruBen,
nichts getan hat, um Polen zu einem Entgegenkommen zu bewegen. Im Gegenteil, die Rede
Chamberlains vom 10. Juli 1939 zeigt, daB England durch die Einkreisungspolitik erst die
Frage Danzig und Korridor mit jener Hochspannung geladen hat, die zur Explosion flihren
muBte. Wir wissen heute, daB die englische Garantie in Wahrheit ausschlieBlich gegen
Deutschland gerichtet war (vgl. S. 420, Anm.) und daB Polen spater die groBere Halfte seines
Staatsgebiets an SowjetruBland verloren hat, ohne daB England irgend etwas unternahm.
Diese Tatsachen beleuchten erst vollends die bezeichnende englische
Verantwortungslosigkeit, mit der in der Erklarung Chamberlains die nationale Existenz und
Unabhangigkeit Polens als durch die bescheidenen deutschen Vorschlage zur Danzig- und
Korridorfrage bedroht hingestellt wurde. Die gleiche Rede enthalt auch das durchsichtige
Spiel mit den Daten der deutschen Vorschlage vom 21. Marz, der polnischen Ablehnung vom
26. und der englischen Garantieerklarung vom 31. Marz. Vorstehend ist an Hand der
Dokumente Nr. 269 bis 279 bereits der Nachweis gefuhrt worden, daB man es hier mit einem
bewuBt gefalschten Arrangement der Zeitpunkte und ihrer Hintergrunde zu tun hat. Eine
Aufzeichnung des Staatssekretars Freiherr von Weizsacker vom 13. Juli ( Nr. 439) nagelt den
Englischen Premierminister, der behauptet hatte, Deutschland habe den Status quo in Danzig
bis zum Jahre 1944 garantiert, auf einen zweiten Irrtum fest. Der Englische Botschafter in
Berlin konnte nicht widersprechen, als ihm Staatssekretar Freiherr von Weizsacker vorhielt,
daB offentliche Erklarungen dieser Art Polen lediglich "den Riicken starken" miiBten, "statt es
zur Besinnung zu bringen" ( Nr. 440) . Indessen wurden gegeniiber Polen die Demonstrationen
des britischen Kriegswillens wiederholt. Der Besuch des englischen Generals Ironside in
Warschau diente diesem Zweck ( Nr. 443) . Die britische Kriegsentschlossenheit begegnete
sich in Warschau mit der polnischen. Marschall Rydz-Smigly legte sich in seinem ersten
offentlichen Interview, das zugleich einen unmittelbaren Eingriff in die AuBenpolitik
darstellte, vor dem englischen Besuch absichtlich auf ein "Menials" in der Danziger Frage
fest ( Nr. 441 , 442) und versperrte damit aufs neue die Moglichkeiten einer direkten
Fuhlungnahme. Die Propaganda des polnischen Chauvinismus und das englische Antreiben
hatten es Ende Juli so weit gebracht, daB das polnische Volk in alien seinen Schichten
kriegsbereit war und der sicher erwarteten bewaffneten Auseinandersetzung mit Vertrauen
und Zuversicht entgegensah ( Nr. 444) . Am 9. August teilte Deutschland der Polnischen
Regierung mit, daB eine Wiederholung der ultimativen Forderungen an Danzig eine
Verscharfung in den deutsch-polnischen Beziehungen herbeifuhren wiirde, fur deren Folgen
allein die Polnische Regierung verantwortlich sein werde. Zugleich wurde die Polnische
Regierung darauf aufmerksam gemacht, daB die Aufrechterhaltung der von Polen gegen
Danzig getroffenen wirtschaftlichen MaBnahmen die Freie rxxm Stadt zwingen wiirde, sich
nach anderen Ein- und Ausfuhrmoglichkeiten umzusehen ( Nr. 445) . Die Polnische Regierung
antwortete mit einem Aide-Memoire, das in der Feststellung gipfelte, Polen werde jede
Intervention der Reichsregierung in Danziger Angelegenheiten, die die dortigen polnischen
Rechte und Interessen schadige, als Angriffshandlung ansehen ( Nr. 446) . Die polnische
Antwort war mit Zustimmung Englands und Frankreichs erfolgt ( Nr. 447) .
England wurde vorbeugend auf den Ernst der Entwicklung hingewiesen ( Nr. 448) . Auch
Frankreich kann nicht behaupten, daB es von Deutschland nicht vor dem Weg gewarnt wurde,
den Polen eingeschlagen hatte. In der Unterredung des Staatssekretars Freiherr von
Weizsacker mit dem Franzosischen Botschafter ( Nr. 449) am 15. August wurde eine "sehr
ernste, warnende Sprache" gefuhrt und nachdriicklichst auf die ultimativen Drohungen gegen
Danzig und andere Exzesse aufmerksam gemacht. Polen zoge damit sein Schicksal iiber sich
zusammen und brachte seine Freunde dazu, ihre Existenz aufs Spiel zu setzen. Der
Botschafter lehnte es indessen fur Frankreich ab, einen Druck auf Warschau auszuiiben.
Dieselbe ernste Sprache fiihrte Staatssekretar Freiherr von Weizsacker am gleichen Tag
gegeniiber dem Britischen Botschafter, der aufs neue auf die Ermutigung der polnischen
Uberheblichkeit durch die britische Garantie und auf das Londoner Einverstandnis mit der
Drohnote an Danzig hingewiesen wurde ( Nr. 450) . Henderson wuBte dagegen nichts
Uberzeugendes vorzubringen. Den Rat, Polen in der Frage Danzig und in seinem Verhalten
zum Reich zur Vernunft zu bringen, schlug England auch diesmal in den Wind. England hatte
sich nicht nur kritiklos den polnischen Standpunkt zu eigen gemacht ( Nr. 451) , sondern sich
auch bewuBt auf die kriegerische Auseinandersetzung eingestellt. Die Uberzeugung davon
war iiber Europa hinaus fuhlbar ( Nr. 452) . England lieB sich auch durch die historische
Warnung davon nicht abbringen, die in der Ankundigung eines Nichtangriffspaktes zwischen
Deutschland und der Sowjetunion enthalten war ( Nr. 453) . Chamberlain beantwortete sie
offentlich ( Nr. 453) und in einem Schreiben an den Fiihrer ( Nr. 454) mit der erneuten
Wiederholung, daB man Polen im GenuB der Blankovollmacht lassen werde. Aus diesem
Schreiben und den Erlauterungen, die der Britische Botschafter am 23. August in einer
Unterredung mit dem Fiihrer in Berchtesgaden dazu gab ( Nr. 455) , geht hervor, daB England
nicht bereit war, iiber unverbindliche Worte hinaus in Warschau diejenigen Voraussetzungen
zu schaffen, die flir eine Wiederaufnahme der direkten Verhandlungen mit Deutschland
unerlaBlich waren. Man hatte nahezu fiinf Monate verstreichen lassen, Polen in seiner
AnmaBung bestarkt und schob nun Deutschland die Aufgabe zu, dem polnischen Ubermut
goldene Briicken zu bauen. Uber die ganze Verantwortung Englands flir die Zuspitzung der
polnischen Frage lieB der Fuhrer in dieser Unterredung keinen Zweifel. Der Flihrer wies
darauf hin, daB England die Hand Deutschlands immer zuruckgestoBen habe und "lieber den
Krieg als etwas zum Vorteil Deutschlands" geschehen lassen wiirde. Der deutsche Standpunkt
ist in der schriftlichen Antwort des Fuhrers an Chamberlain vom 23. August 1939
zusammenfassend niedergelegt ( Nr. 456) : Das Fehlen der direkten Streitpunkte mit England,
die Bescheidenheit und Billigkeit der deutschen Forderungen an Polen, die Auswirkung der
britischen Garantie, die Zuspitzung der Lage in Danzig und die Verfolgung der deutschen
Volksgruppe in Polen, die Kenntnisnahme von der Entschlossenheit Englands zum Krieg,
aber auch die deutsche Entschlossenheit, die Interessen des Reichs wahrzunehmen und
englische militarische Vorbereitungen mit der deutschen Mobilmachung zu be- rxxmi
antworten. Das Schreiben schlieBt mit der Versicherung, niemand wiirde glucklicher liber eine
Anderung der britischen Haltung gegeniiber Deutschland sein als der Fuhrer.
Obwohl das Schreiben des Britischen Ministerprasidenten vom 22. August und die am
folgenden Tage von den britischen Staatsmannern gehaltenen Reden jedes Verstandnis flir
den deutschen Standpunkt vermissen lieBen, machte der Fuhrer am 25. August 13.30 Uhr
einen neuen Versuch, sich mit GroBbritannien zu verstandigen ( Nr. 457) . Er wolle, so
eroffnete er dem Britischen Botschafter, "heute England gegeniiber einen Schritt
unternehmen, der genau so entscheidend sei wie der Schritt RuBland gegeniiber, der zu der
kurzlichen Vereinbarung gefiihrt habe". Nach Zuruckweisung der Unterstellung von
Weltherrschaftsplanen entwickelte er das polnische Problem in seiner ganzen Gefahrlichkeit
und Dringlichkeit. Deutschland sei entschlossen, die mazedonischen Zustande an seiner
Ostgrenze zu beseitigen. Einen Zweifrontenkrieg werde es nicht geben, das Abkommen mit
RuBland sei bedingungslos und eine Wende auf langste Zeit. Er sei bereit, nach der Losung
des deutsch-polnischen Problems England noch einmal ein umfassendes Angebot zu machen.
Er bejahe das Britische Imperium und sei bereit, die Kraft des Deutschen Reiches flir dessen
Bestand einzusetzen, sofern seine begrenzten kolonialen Forderungen, die auf friedlichem
Wege ausgehandelt werden konnten, erfullt, seine Verpflichtungen gegeniiber Italien und
SowjetruBland nicht beriihrt wiirden. Er sei ferner bereit, eine vernunftige Begrenzung der
Rustungen zu akzeptieren. Im Westen stehe jede Grenzkorrektur auBer Erwagung. Sofort nach
Losung der deutsch-polnischen Frage werde er mit einem Angebot an die Britische Regierung
herantreten. Es war ein Angebot von europaischem, ja weltweitem AusmaB. Seine Ablehnung
durch England erscheint im Lichte der spateren kriegerischen Ereignisse und der Lasten, die
auf der neutralen Welt nunmehr liegen, um so verantwortungsloser. Englands Antwort auf die
groBziigigen Vorschlage lieB auf sich warten. Vordem vollzog England die flir die weitere
Entwicklung folgenschwerste Handlung: Der nunmehr schriftlich niedergelegte britisch-
polnische Beistandspakt, mit dem England sein Schicksal endgultig mit dem Polens verband,
wurde an dem gleichen 25. August in London vom Britischen AuBenminister und vom
Polnischen Botschafter gezeichnet ( Nr. 459) . - Die britische Stellungnahme zu den
Vorschlagen des Fuhrers vom 25. August war in dem Memorandum enthalten, das dem
Fuhrer vom Britischen Botschafter erst am 28. August, nach Verlust von 3 kostbaren Tagen,
abends 22.30 Uhr iiberreicht wurde ( Nr. 463) . Die Britische Regierung lehnt es darin ab, die
deutsch-englische Zukunft und die europaische Befriedung von der polnischen Intransigenz
zu trennen. Sie zeigt sich aber aller Gefahren bewuBt, die der augenblickliche Zustand an der
Ostgrenze in sich schlieBt und stimmt mit Deutschland in der Notwendigkeit einer raschen
Losung uberein. Sie schlagt daher als nachsten Schritt direkte Verhandlungen zwischen
Deutschland und Polen vor und fiigt hinzu, daB sie von der Polnischen Regierung bestimmte
Zusicherungen erhalten habe, mit der Reichsregierung in direkte Verhandlungen liber die
deutsch-polnischen Fragen einzutreten, deren Ergebnisse von anderen Machten garantiert
werden miissen. Wir wissen heute, daB die Englische Regierung hierbei nicht vor einer
bewuBten Irrefiihrang der Reichsregierung zuriickgeschreckt ist. Aus dem inzwischen
veroffentlichten Schriftwechsel des Britischen AuBenministers mit dem Britischen
Botschafter in Warschau ergibt sich namlich, daB die in der britischen Stellungnahme vom 28.
August enthaltene Behauptung, eine definitive Zusicherung der Bereitschaft Polens zu
direkten Besprechungen in rxxivi Handen zu haben, nicht dem Sachverhalt entspricht.. In
seiner Antwort, dem Britischen Botschafter am 29. August 18.45 Uhr uberreicht ( Nr. 464 ),
nimmt der Flihrer den britischen Vorschlag an. Er macht aber England darauf aufmerksam,
daB die Zustande im Osten flir eine GroBmacht unertraglich sind und ein Zustand erreicht ist,
der ein weiteres Hinnehmen oder auch nur Zusehen ausschlieBe. Der Flihrer weist weiter
darauf hin, daB vielleicht nur noch Stunden zur Verfugung stehen, um die Spannung zu
beseitigen. Deutschland habe lange versucht, auf dem Weg friedlicher Verhandlungen
weiterzukommen, ohne von der Polnischen Regierung unterstutzt zu werden. Trotz ihrer
skeptischen Beurteilung der vorgeschlagenen direkten Besprechungen nehme die
Reichsregierung den britischen Vorschlag an und erklare sich damit einverstanden, daB durch
Vermittlung der Englischen Regierung eine mit alien Vollmachten versehene polnische
Personlichkeit nach Berlin komme, mit deren Eintreffen die Reichsregierung flir Mittwoch,
den 30. August, rechne. Sie werde sofort Vorschlage einer flir sie akzeptablen Losung
ausarbeiten und diese, wenn moglich, bis zur Ankunft des polnischen Unterhandlers auch der
Britischen Regierung zur Verfugung stellen. Die Antwort Polens war die Anordnung der
allgemeinen Mobilmachung ( Nr. 465) .
Wahrend die Britische Regierung noch liber die Mitteilung des Flihrers vom 25. August
beriet, fand ein Briefaustausch zwischen dem Franzosischen Ministerprasidenten Daladier
und dem Flihrer statt ( Nr. 460 und 461) . Der Flihrer begrlindete in seiner Antwort wiederum
ausflihrlich den deutschen Standpunkt in der deutsch-polnischen Frage und wiederholte noch
einmal seinen festen EntschluB, die gegenwartige deutsch-franzosische Grenze als endgliltig
anzuerkennen.
Die Britische Regierung lieB sich mit ihrer Antwort auf die deutsche Anregung der
Entsendung einer bevollmachtigten polnischen Personlichkeit wiederum Zeit. Erst um
Mitternacht des 30. August liberbrachte Henderson ein Antwortmemorandum der Britischen
Regierung ( Nr. 466 Anlage I) und erklarte gleichzeitig, daB die Britische Regierung nicht in
der Lage sei, der Polnischen zu empfehlen, einen bevollmachtigten Vertreter zu entsenden.
Sie schlage vielmehr vor, Deutschland moge sich auf dem normalen diplomatischen Weg an
Polen wenden. Im Memorandum bestatigt die Englische Regierung, daB Deutschland seine
Vorschlage angenommen hat. Obwohl sie sich der Gefahr bewuBt sei, daB zwei mobilisierte
Armeen einander in nachster Nahe gegenliberstanden, halte sie es doch flir untunlich, schon
heute (30. August) die Flihlungnahme herzustellen. England hat demnach mehr als 24
Stunden verstreichen lassen, ohne den direkten Kontakt herzustellen.
Dem ReichsauBenminister blieb unter diesen Umstanden nichts anderes librig, als
festzustellen ( Nr. 466) , daB Polens Antwort die Generalmobilmachung gewesen sei und daB
man umsonst auf das Erscheinen eines polnischen Vertreters gewartet habe. Um zu zeigen,
was Deutschland dem polnischen Vertreter vorzuschlagen beabsichtigt hatte, verlas der
ReichsauBenminister die inzwischen ausgearbeiteten deutschen Vorschlage, die, in 16 Punkte
zusammengefaBt, die fairste Losung der Streitfragen darstellten ( Nr. 466 Anlage II) , und
erlauterte sie im einzelnen. Die amtliche deutsche Mitteilung ( Nr. 468) stellt fest, daB
Deutschland weitere 24 Stunden umsonst auf eine bevollmachtigte polnische Personlichkeit
gewartet habe und daB auch der Polnische Botschafter, der am 31. August 18.30 Uhr im
Auswartigen Amt erschien, keine Vollmacht zum Verhandeln besessen, sondern nur erklart
habe, Polen erwage die britische Anregung im giinstigen Sinne. Der polnische Rundfunk ( Nr.
469) und die rxxvi gesamte polnische Presse haben die deutschen Vorschlage sofort als
unannehmbar und "unverschamt" abgelehnt. - Von englischer wie von polnischer Seite sind
zu diesen Vorgangen unrichtige Darstellungen verbreitet worden. Insbesondere wird
englischer- wie polnischerseits behauptet, Polen habe die Vorschlage, die es angeblich
abgelehnt habe, zur Stunde der Ablehnung noch gar nicht gekannt. Der Englische Botschafter,
dem sie vom ReichsauBenminister "at top speed" vorgelesen worden seien, habe sie nicht
verstanden und nicht weiterleiten konnen, weil man sie ihm nicht ausgehandigt hatte.
Demgegenuber ist daran zu erinnern, daB der Hauptinhalt der deutschen Vorschlage schon in
der Antwort des Fuhrers vom 29. August ( Nr. 464) enthalten war, die England im Laufe des
30. dem Britischen Botschafter in Warschau zur Ubermittlung an die Polnische Regierung
zugesandt hatte. Im ubrigen geht aus den inzwischen veroffentlichten amtlichen britischen
Dokumenten einwandfrei hervor, daB Henderson die im einzelnen ausgearbeiteten deutschen
Vorschlage der sogenannten 16 Punkte sehr wohl verstanden und in der gleichen Nacht
unmittelbar im AnschluB an seine Unterredung mit dem ReichsauBenminister deren
Hauptinhalt zutreffend sowohl nach England als auch an seinen englischen Kollegen in
Warschau weitergeleitet hat. Am Morgen des 3 1 . August hat Henderson, wie er in seinem
AbschluBbericht vom 20. September selbst zugibt, den Polnischen Botschafter in Berlin iiber
die Einzelheiten der deutschen Vorschlage (16 Punkte) unterrichten lassen, die er inzwischen
von einem Vertrauensmann auch schriftlich erhalten hatte. Dem gleichen Hendersonschen
SchluBbericht zufolge verbrachte der Polnische Botschafter im AnschluB an diese Mitteilung
der 16 Punkte den Vormittag in Telephongesprachen mit Warschau. Die Polnische Regierung
hat die Vorschlage demnach gekannt. Wenn England den guten Willen zur Herstellung eines
Kontaktes in letzter Stunde gehabt hatte, ware dies zeitlich und technisch auch in diesem
Stadium noch moglich gewesen. Aber nicht nur England hat es abgelehnt, Warschau die
Annahme des deutschen Vorschlags zu raten, sondern, wie aus den veroffentlichten
englischen Dokumenten hervorgeht, auch Beck hat erklart, er werde einer deutschen
Einladung selbstverstandlich nicht folgen und Lipski nicht einmal ermachtigen, die
deutschen Vorschlage entgegenzunehmen. Im ubrigen war es, nachdem England fiinf
Monate darauf verzichtet hatte, trotz wachsender Spannungen Polen zu einem direkten
Kontakt mit dem Reich zu bewegen, von vornherein klar, daB sein letzter Vorschlag nur ein
Versuch war, die Kulissen so zu arrangieren, daB es mit seinem polnischen Verbundeten nicht
bei der Herbeifuhrung des Krieges in flagranti ertappt wurde. Dies zeigen die gleichfalls von
England selbst veroffentlichten mehrfachen Ermahnungen des Englischen AuBenministers an
Warschau, " im Hinblick auf die Weltmeinung" auBerst vorsichtig zu sein. Es ging nicht um
die friedliche Bereinigung der Spannung, sondern darum, der Weltoffentlichkeit gegeniiber
das "friedliche" Gesicht zu wahren.
Nachdem somit alle Moglichkeiten zu einer friedlichen Regelung der deutsch-polnischen
Krise erschopft waren, sah sich der Flihrer genotigt, die von Polen schon seit langem
gegeniiber Danzig, dem Deutschtum in Polen und schlieBlich gegeniiber Deutschland durch
zahlreiche Grenzverletzungen ( Nr. 470) angewandte Gewalt mit Gewalt abzuwehren. In der
Rede des Fuhrers vor dem Reichstag am 1 . September ( Nr. 471) ist der deutsche Standpunkt
abschlieBend zusammengefaBt. Die polnische Herausforderung im Osten duldete kein
weiteres Zogern. Es kam nun darauf an, ob die Westmachte frivol genug waren, auch
Westeuropa in die Auseinandersetzung zu verwickeln. GroBbritannien war dazu entschlossen,
wie endgultig durch die Note bestatigt wurde, rxxvn die Sir Nevile Henderson am 1 .
September 1939 21 Uhr im Auswartigen Amt iiberreichte. Darin werden die Einstellung
"jeglicher Angriffshandlung gegen Polen" und Zusicherungen gefordert, daB Deutschland
bereit ist, seine Truppen "unverziiglich aus polnischem Gebiet zuruckzuziehen", andernfalls
wiirde GroBbritannien ohne Zogern seine vertraglichen Pflichten gegeniiber Polen erfullen
( Nr. 472) . Um 22 Uhr iiberbrachte der Franzosische Botschafter eine Note gleichen Wortlauts
( Nr. 473) . Der ReichsauBenminister wies den Vorwurf, Polen angegriffen zu haben, scharf
zuruck, erklarte sich aber bereit, den Inhalt der Noten dem Flihrer weiterzuleiten.
In diesem Augenblick setzte ein Vermittlungsversuch des Duce ein, wie aus Dokument Nr.
474 hervorgeht. Er enthielt den Vorschlag eines Waffenstillstandes und der Einberufung einer
Konferenz in 2 bis 3 Tagen. Die Reichsregierung erklarte sich bereit, auf den Vorschlag
einzugehen; auch die Franzosische Regierung hatte eine positive Autwort erteilt. Das
Dokument Nr. 475 , eine Mitteilung der Havasagentur vom 2. September 1939, ist in diesem
Zusammenhang von historischer Bedeutung. Diese Mitteilung wurde namlich, wie sich
herausstellte unter englischem Druck, spater zuriickgezogen. England hatte inzwischen die
Franzosische Regierung gezwungen, sich der englischen Auffassung anzuschlieBen, die auf
der Zuruckziehung der deutschen Truppen bestand ( Nr. 476) . Damit war die Aktion des Duce
in einem Augenblick torpediert, in dem sie kurz vor dem Erfolg stand. Statt dessen sandte
England am 3. September vormittags 9 Uhr ein auf 1 1 Uhr befristetes Ultimatum, in der es die
Forderungen auf Einstellung der Kampfhandlungen und Zuruckziehung der deutschen
Truppen wiederholte und sich fur den Fall der Ablehnung nach Ablauf dieser Zeit als im
Kriege mit Deutschland befindlich erklarte ( Nr. 477) . 11 Uhr 15 desselben Tages
unterrichtete Lord Halifax den Deutschen Geschaftstrager in London davon, daB sich England
vom 3. September 1939 11 Uhr vormittags ab als im Kriegszustand mit Deutschland
befindlich ansehe ( Nr. 478) . Es war selbstverstandlich, daB die Reichsregierung es ablehnen
muBte, die ultimativen Forderungen Englands "entgegenzunehmen, anzunehmen oder gar zu
erfullen". In einem Memorandum, vom ReichsauBenminister dem Britischen Botschafter am
3. September 11 Uhr 30 uberreicht, wies Deutschland diese Forderungen unter nochmaliger
Entwicklung des deutschen Standpunktes und der englischen Verantwortwortung fur eine
kriegerische Auseinandersetzung zuruck und erklarte, "jede Angriffshandlung Englands mit
den gleichen Waff en und in der gleichen Form zu beantworten" ( Nr. 479) . 12 Uhr 30
desselben Tages erschien der Franzosische Botschafter im Auswartigen Amt und uberreichte
eine Note des Inhalts, daB Frankreich sich verpflichtet sehe, vom 3. September 17 Uhr ab, die
"vertraglichen Bindungen zu erfullen, die Frankreich gegenliber Polen eingegangen sei", eine
Mitteilung, die sich nicht nur zeitlich von der englischen unterscheidet ( Nr. 480) . Der
ReichsauBenminister verwies auf die Zerschlagung des italienischen Vermittlungsversuchs
durch England sowie auf die auf zwei Stunden befristete ultimative Forderung Englands und
sprach sein Bedauern aus, wenn es trotz des gesuchten Ausgleichs mit Frankreich zu einem
durch nichts gerechtfertigten Angriffskrieg Frankreichs gegen Deutschland kommen wiirde.
Die heutige Franzosische Regierung trage die Verantwortung flir das Leid, das dann den
Landern zugefugt werde ( Nr. 481) .
In einem Rundtelegramm des Staatssekretars des Auswartigen Amts an die deutschen
diplomatischen Missionen wird die Verantwortung Englands flir den Kriegsausbruch
abschlieBend festgestellt ( Nr. 482) . Dieses Urteil wird vor der Geschichte Bestand haben.
rxxvm Es ware eine der vornehmsten Aufgaben europaischer Friedensarbeit gewesen, den seit
Versailles an der deutsch-polnischen Grenze aufgehauften Ziindstoff rechtzeitig zu beseitigen.
England, als einer der Hauptverantwortlichen flir den Gefahrenherd, hat in 20 Jahren nichts
unternommen, um hier den von ihm so oft gepriesenen Grundsatz des "peaceful change" in
die Tat umzusetzen. England hat hingegen eine Entgiftung des deutsch-polnischen
Verhaltnisses bewuBt hintertrieben, indem es Polen mit seiner Garantie im gleichen
Augenblick in die anti-deutsche Front lockte, als der Flihrer sich in Fortsetzung seiner
muhseligen sechsjahrigen Verstandigungsarbeit um eine gutliche Regelung der zwischen
Deutschland und Polen stehenden Fragen auf dem Verhandlungswege bemuhte. England hat
die deutschen Bestrebungen, noch in letzter Minute einen friedlichen Ausgleich
herbeizufiihren, sabotiert und Polen in seiner aggressiven Haltung ermutigt. England hat
schlieBlich, nachdem die deutsche Selbsthilfe gegen die polnischen Provokationen
unabweislich geworden war, den Vermittlungsvorschlag des Duce allein durch sein Verhalten
zum Scheitern gebracht und damit endgultig zu erkennen gegeben, daB ihm die polnische
Frage lediglich als Vorwand diente, um den Vernichtungskrieg gegen die starkste Macht des
Kontinents zu entfesseln.
In der klaren Erkenntnis dieser Tatsache hat das deutsche Volk, seiner gerechten Sache und
seiner Starke bewuBt, den ihm von England aufgezwungenen Krieg entschlossen
aufgenommen.
Sinn und Ziel des Kampfes ergeben sich aus seinen Ursachen von selbst. Sie sind vom
Reichsminister des Auswartigen noch einmal in seiner Rede in Danzig am 24. Oktober kurz
zusammengefaBt worden, als er ausfiihrte, das deutsche Volk werde "nicht eher die Waffen
niederlegen, als bis die Sicherheit des Deutschen Reiches in Europa gewahrleistet und die
Garantie dafiir geschaffen wird, daB ein solcher Angriff auf das deutsche Volk flir alle Zeiten
ausgeschlossen ist".
Erstes Kapitel
Entwicklung der Deutsch-Polnischen Beziehungen
A. Der Kampf gegen das Deutschtum in Polen
und gegen Danzig von 1919 bis 1933
I. Zur Lage der deutschen Volksgruppe in Polen
Nr. 1
Aus dem Memorandum des Britischen Premierministers Lloyd George,
25. Marz 1919
"Einige Erwagungen flir die Friedenskonferenz,
ehe sie ihre Bedingungen endgultig festsetzt"
(Ubersetzung)
Die Aufrechterhaltung des Friedens wird davon abhangen, daB keine Ursachen zur
Verzweiflung vorhanden sind, die dauernd den Geist des Patriotismus, der Gerechtigkeit oder
des "fair play" aufstacheln. Unsere Bedingungen diirfen hart, sogar grausam und selbst
erbarmungslos sein, um Genugtuung zu erlangen, aber gleichzeitig konnen sie so gerecht sein,
daB das Land, dem sie auferlegt werden, in seinem Herzen fiihlen wird, daB es kein Recht zur
Klage hat. Aber Ungerechtigkeit und AnmaBung, ausgespielt in der Stunde des Triumphes,
werden nie vergessen und vergeben werden.
Aus diesen Griinden bin ich auf das scharfste dagegen, mehr Deutsche, als unerlaBlich notig
ist, der deutschen Herrschaft zu entziehen, um sie einer anderen Nation zu unterstellen. Ich
kann mir keine starkere Ursache flir einen kunftigen Krieg vorstellen, als daB das deutsche
Volk, das sich zweifellos als eine der kraftvollsten und machtigsten Rassen der Welt erwiesen
hat, rings von einer Anzahl kleiner Staaten umgeben werden soil, von denen viele aus
Volkern bestehen, die noch nie vorher eine stabile Regierung aufgestellt haben, aber jeder
breite Massen von Deutschen einschlieBt, die die Vereinigung mit ihrem Heimatland fordern.
Der Vorschlag der polnischen Kommission, 2.100.000 Deutsche der Aufsicht eines Volkes
von anderer Religion zu unterstellen, das noch niemals im Laufe seiner Geschichte die
Fahigkeit zu stabiler Selbstregierung bewiesen hat, muB meiner Beurteilung nach friiher oder
spater zu einem neuen Krieg in Osteuropa fiihren
Nr. 2
Aus den Bemerkungen der Deutschen Friedensdelegation
zu den Friedensbedingungen, 29. Mai 1919 1
Durch die in Artikel 27 und 28 vorgesehene Regelung der territorialen Fragen im Osten
werden dem polnischen Staat mehr oder minder groBe Teile der preuBischen Provinzen Ost-
und WestpreuBen, Pommern, Posen und m Schlesien zugeteilt, die nicht von unbestreitbar
polnischer Bevolkerung bewohnt werden. Unbekummert um ethnographische Gesichtspunkte
werden zahlreiche deutsche Stadte, weite rein deutsche Landstrecken zu Polen geschlagen,
nur damit Polen giinstige militarische Grenzen gegen Deutschland oder wichtige
Eisenbahnknotenpunkte erhalt. Unterschiedslos werden Gebiete, die in verschiedenen
Jahrhunderten von Polen losgelost sind oder in denen es uberhaupt nie geherrscht hat, jetzt
ihm zugesprochen. Die Annahme der vorgeschlagenen Regelung wiirde deshalb eine
Vergewaltigung von groBen unbestreitbar deutschen Gebieten bedeuten. Eine solche
Regelung wiirde auBerdem den Wilsonschen Grundsatzen widersprechen, daB bei Ordnung
der nationalen Fragen vermieden werden soil, "neue Elemente des Zwistes und der
Gegnerschaft zu schaffen oder alte derartige Elemente zu verewigen, die wahrscheinlich mit
der Zeit den Frieden Europas und somit der Welt storen wiirden"
Nr. 3
Der Vorsitzende des Obersten Rates der Alliierten
und Assoziierten Hauptmachte Clemenceau
an den Polnischen Ministerprasidenten Paderewski
Auszug
(Ubersetzung)
Paris, den 24. Juni 1919
Im Namen des Obersten Rates der Alliierten und Assoziierten Hauptmachte habe ich die
Ehre, Ihnen hiermit den Text des Vertrages in seiner endgultigen Form mitzuteilen, um dessen
Unterzeichnung Polen auf Grand von Artikel 93 des Vertrages mit Deutschland bei
Gelegenheit der Bestatigung der Anerkennung Polens als unabhangiger Staat und der zu
seinen Gunsten erfolgten Ubertragung der Gebiete, welche dem ehemaligen Deutschen Reich
angehorten und Polen durch den genannten Vertrag zugeteilt werden, ersucht werden wird.
GleichermaBen muB ich Ihre Aufmerksamkeit auf die Tatsache lenken, daB die polnische
Nation die Wiedererlangung ihrer Unabhangigkeit den Anstrengungen und Opfern der
Machte verdankt, in deren Namen ich mich an Sie wende. Es ist der Entscheidung dieser
Machte zu danken, daB die Wiederherstellung der polnischen Souveranitat liber die in Frage
stehenden Gebiete und die Einbeziehung der Bewohner dieser Gebiete in die polnische Nation
im Begriffe sind verwirklicht zu werden. Um diese Gebiete in voller Sicherheit besitzen zu
konnen, wird Polen in Zukunft weitgehend von der Unterstutzung abhangig sein, die die
Hilfsmittel dieser Staaten dem Volkerbund gewahren werden. Hieraus erwachst daher flir
diese Machte die Verpflichtung, welcher sie sich nicht entziehen konnen, in der
dauerhaftesten und feierlichsten Form die Garantie gewisser wesentlicher Rechte
sicherzustellen, welche den Einwohnern einen notwendigen Schutz geben werden, welches
auch immer die Veranderungen sein mogen, die in der inneren Verfassung des polnischen
Staates eintreten konnten.
Um dieser Verpflichtung nachzukommen, ist Artikel 93 in den Friedensvertrag mit
Deutschland eingesetzt worden.
Es ist eine neue Lage, die die Machte jetzt zu erwagen haben, und die Erfahrung hat
gezeigt, daB neue Bestimmungen notwendig sind. Die Gebiete, 151 welche jetzt an Polen und
andere Staaten ubergehen, umfassen unvermeidlicherweise eine betrachtliche Bevolkerung,
welche andere Sprachen spricht und anderen Rassen angehort als das Volk, welchem sie
einverleibt wird. Unglucklicherweise sind die Rassen durch lange Jahre bitterer Feindschaft
getrennt gewesen. Es ist anzunehmen, daB diese Bevolkerungsteile sich leichter in ihre neue
Lage finden werden, wenn sie von Anfang an wissen, daB sie sicher sein konnen, in
wirksamer Weise gegen jedes Risiko einer ungerechten Behandlung oder Unterdruckung
geschutzt und sichergestellt zu sein. Die bloBe Tatsache, zu wissen, daB diese Garantien
vorhanden sind, wird hoffentlich die von alien gewunschte Verstandigung wirklich erleichtern
und in der Tat dazu beitragen, zu verhindern, daB es notwendig wird, sie mit Gewalt
aufzuerlegen.
Was die individuellen Bestimmungen des vorliegenden Vertrages betrifft, so garantiert
Artikel 2 alien Bewohnern die Grundrechte, die in alien zivilisierten Staaten tatsachlich
gewahrleistet sind.
Die Bestimmungen 3 bis 6 bezwecken, jeder Person, welche tatsachlich in dem unter die
polnische Souveranitat kommenden Gebiet wohnt, alle die Privilegien zu sichern, welche dem
Mitburger gebuhren. Die Artikel 7 und 8 bestimmen im Einklang mit dem Vorhergehenden,
daB kein Unterschied in der Behandlung gemacht werden soil zum Nachteil der polnischen
Burger, welche durch ihre Religion, ihre Sprache oder ihre Rasse von der groBen Menge der
polnischen Bevolkerung verschieden sind. Wir glauben zu wissen, daB die Polnische
Regierung, weit davon entfernt, irgendeinen Einwand gegen den Inhalt dieser Artikel zu
erheben, bereits ihrerseits ihre feste Entschlossenheit erklart hat, die in ihnen zum Ausdruck
gebrachten Grundprinzipien zu den Grundlagen ihrer Einrichtungen zu machen.
Die folgenden Artikel haben einen etwas andersartigen Charakter, indem sie gewissen
Minderheitengruppen noch weitere besondere Rechte zugestehen
Nr. 4
Vertrag zwischen den Alliierten und Assoziierten Hauptmachten
und Polen, Versailles, 28. Juni 1919
Auszug
(Ubersetzung)
Artikel 1
Polen verpflichtet sich, die in den Artikeln 2 bis 8 dieses Kapitels enthaltenen Bestimmungen
als Grundgesetze anzuerkennen mit der Wirkung, daB kein Gesetz, keine Verordnung und
keine amtliche Handlung im Gegensatz oder Widerspruch zu ihnen stehen und daB kein
Gesetz, keine Verordnung und keine amtliche Handlung gegen sie Geltung beanspruchen
darf.
Artikel 2
Die Polnische Regierung verpflichtet sich, alien Einwohnern ohne Unterschied der Geburt,
Nationalitat, Sprache, Rasse oder Religion vollen und ganzen Schutz ihres Lebens und ihrer
Freiheit zu gewahren.
Alle Einwohner Polens sollen das Recht auf freie, offentliche und private Ausiibung jedes
Bekenntnisses, jeder Religion oder jedes Glaubens haben, deren Betatigung nicht mit der
offentlichen Ordnung und den guten Sitten unvereinbar ist.
M
Artikel 7
Alle polnischen Staatsangehorigen sind vor dem Gesetze gleich und genieBen die gleichen
burgerlichen und politischen Rechte, ohne Unterschied der Rasse, Sprache oder Religion.
Der Unterschied der Religion, des Glaubens oder des Bekenntnisses darf keinem polnischen
Staatsangehorigen im Genusse der burgerlichen oder politischen Rechte schaden,
insbesondere bei der Zulassung zu offentlichen Amtern, Tatigkeiten und Ehrenstellungen oder
bei der Ausiibung der verschiedenen Berufe und Gewerbe.
Es darf keine Bestimmung erlassen werden, die die polnischen Staatsangehorigen im freien
Gebrauch irgendeiner Sprache irgendwie beschrankt, weder in ihren privaten oder
wirtschaftlichen Beziehungen, noch auf dem Gebiete der Religion, der Presse oder bei
Veroffentlichungen jeder Art, noch in offentlichen Versammlungen.
Unbeschadet der Festsetzung einer Staats- und Amtssprache durch die Polnische Regierung
miissen den fremdsprachlichen polnischen Staatsangehorigen angemessene Erleichterungen
fur den mundlichen oder schriftlichen Gebrauch ihrer Sprache vor den Gerichten gewahrt
werden.
Artikel 8
Die polnischen Staatsangehorigen, die einer volkischen, religiosen oder sprachlichen
Minderheit angehoren, sollen die gleiche Behandlung und die gleichen rechtlichen and
tatsachlichen Sicherheiten genieBen wie die anderen polnischen Staatsangehorigen. Sie sollen
insbesondere das gleiche Recht haben, auf ihre Kosten Wohlfahrts-, religiose oder soziale
Einrichtungen, Schulen und andere Erziehungsanstalten zu errichten, zu leiten und zu
beaufsichtigen und in ihnen ihre Sprache frei zu gebrauchen und ihre Religion frei auszuiiben.
Artikel 9
Auf dem Gebiete des offentlichen Unterrichtswesen soil die Polnische Regierung in den
Stadten und Bezirken, in denen in betrachtlichem Verhaltnis fremdsprachige polnische
Staatsangehorige wohnen, angemessene Erleichterungen schaffen, um sicherzustellen, daB in
den Elementarschulen den Kindern dieser polnischen Staatsangehorigen der Unterricht in
ihrer eigenen Sprache erteilt wird. Diese Bestimmung soil nicht ausschlieBen, daB die
Polnische Regierung in diesen Schulen die polnische Sprache zum Pflichtfach macht.
In den Stadten und Bezirken, in denen in betrachtlichem Verhaltnis polnische
Staatsangehorige wohnen, die einer volkischen, religiosen oder sprachlichen Minderheit
angehoren, soil fur diese Minderheiten ein gerechter Anted an dem GenuB und an der
Verwendung der Summen sichergestellt werden, die in den staatlichen, kommunalen und
anderen Haushaltsplanen fur Zwecke der Erziehung, der Religion oder der Wohltatigkeit
ausgeworfen werden.
Die Bestimmungen dieses Artikels finden nur auf die polnischen Staatsangehorigen deutscher
Sprache in den Teilen Polens Anwendung, die am 1. August 1914 deutsches Gebiet waren.
Artikel 12
Polen ist damit einverstanden, daB, insoweit die Bestimmungen der vorstehenden Artikel
Personen einer volkischen, religiosen oder sprachlichen Minderheit betreffen, diese
Bestimmungen Verpflichtungen von internationalem Interesse begriinden und unter die
Garantie des Volkerbundes gestellt werden. m Sie konnen nur mit Zustimmung der Mehrheit
des Volkerbundsrates geandert werden. Die Vereinigten Staaten von Amerika, das Britische
Reich, Frankreich, Italien und Japan verpflichten sich, keiner Abanderung der bezeichneten
Artikel ihre Zustimmung zu versagen, wenn sie von der Mehrheit des Volkerbundsrates
formgerecht angenommen worden ist.
Polen ist damit einverstanden, daB jedes Mitglied des Volkerbundsrates befugt ist, die
Aufmerksamkeit des Rates auf jede Verletzung oder jede Gefahr einer Verletzung irgendeiner
dieser Verpflichtungen zu lenken, und daB der Rat befugt ist, alle MaBnahmen zu treffen und
alle Weisungen zu geben, die nach Lage des Fades zweckmaBig und wirksam erscheinen.
Polen ist ferner damit einverstanden, daB im Falle einer Meinungsverschiedenheit zwischen
der Polnischen Regierung und einer jeden Alliierten und Assoziierten Hauptmacht oder jeder
Macht, die Mitglied des Volkerbundsrates ist, liber die rechtlichen und tatsachlichen Fragen,
die diese Artikel betreffen, diese Meinungsverschiedenheit als Streit anzusehen ist, der im
Sinne des Artikels 14 der Volkerbundssatzung internationalen Charakter tragt. Die Polnische
Regierung ist damit einverstanden, daB jeder Streit dieser Art auf Verlangen des anderen Teils
vor den Standigen Internationalen Gerichtshof gebracht wird. Diese Entscheidung des
Standigen Internationalen Gerichtshofes soil endgultig sein und dieselbe Kraft und Wirkung
haben wie eine auf Grand des Artikels 13 der Volkerbundssatzung gefallte Entscheidung.
Nr. 5
Durch den Deutschen Gesandten in Warschau
im Polnischen AuBenministerium ubergebene Aufzeichnung,
20. November 1920
Auszug
Bisher ist von einer Sammlung und Einreichung des deutscherseits zahlreich vorliegenden
Beschwerdematerials abgesehen worden, weil die Deutsche Regierung der Hoffnung lebte,
die infolge der damaligen kriegerischen Ereignisse erregte Stimmung an den beiderseitigen
Grenzen wiirde durch besonnene Haltung der Bevolkerung und der amtlichen Stellen sich
allmahlich beruhigen. Deswegen ist auch vermieden worden, durch Bekanntmachung
besonders belastender Falle in der Presse die Offentlichkeit in Deutschland erneut zu erregen.
Nunmehr sieht sich die Deutsche Regierung aber genotigt, angesichts der dauernden
amtlichen Schritte der Polnischen Gesandtschaft in Berlin und der meist gleichzeitig
erscheinenden Ankundigung solcher Schritte in der polnischen Presse sowie mit Rucksicht
auf die hierdurch stark beunruhigte deutsche offentliche Meinung, aus dem vorliegenden
Material einige besonders schwerwiegende Tatsachen zur Kenntnis der Polnischen Regierung
zu bringen. Sie bemerkt dabei, daB sie sich bei dem Umfange dieses Materials versagen muB,
Einzelfalle anzufuhren, daB aber die Unterlagen flir die geschilderten Tatsachen auf Wunsch
jederzeit zur Verfugung gestellt werden konnen.
Willkiirliche Verhaftungen von Deutschen sind in alien Teilen des abgetretenen Gebietes bis
in die allerletzte Zeit vorgekommen. Mitunter wird ein willkiirlicher Grand vorgeschlitzt, der
sich nachher als nicht stichhaltig erweist. In einigen Fallen ist den Betreffenden sogar der
Grand der Verhaftung iiberhaupt nicht bekanntgegeben worden. Eine Vernehmung findet
haufig erst nach langerer Haft statt.
M Verschiedentlich sind solche ohne ersichtlichen Grand verhafteten Deutschen aus ihrer
Heimat abtransportiert worden; liber ihren Verbleib wurden die Angehorigen nicht
unterrichtet, so daB sie keine Nachforschungen anstellen konnten.
Die Behandlung der Inhaftierten laBt oft sehr zu wiinschen iibrig. Uber Unterbringung in
Raumen, welche zur Aufnahme von Menschen nicht geeignet erscheinen, sowie liber zu enge
Belegung dieser Raume, mangelnde Lliftung und Heizung, unzureichende Kost und ganzlich
mangelnde Bewegungsfreiheit wird verschiedentlich geklagt. DaB die Verhafteten haufig mit
allerlei Gesindel und Verbrechern niedrigster Sorte zusammen eingesperrt werden, verursacht
um so starkere Erregung der offentlichen Meinung, als es sich in den meisten Fallen um
angesehene Burger, Beamte, Geistliche und flihrende Manner des Wirtschaftslebens handelt.
Vollig schutzlos bleiben die Gefangenen oft gegenliber Beschimpfungen, MiBhandlungen,
Beraubungen und Erpressungen durch das untere Gefangnispersonal oder durch
Militarpersonen.
In verschiedenen Fallen hat die Verhaftung und die mit ihr verbundene schlechte Behandlung
das Ziel der wirtschaftlichen Verdrangung des Betreffenden erreicht und ihn zum Verkauf
seines Besitztums gefligig gemacht.
Obwohl die Polnische Regierung das feierliche Versprechen abgegeben hatte, die
Bevolkerung deutscher Abstammung nicht zum Heeresdienst heranzuziehen, ehe sie nicht
allgemein von ihrem Optionsrecht Gebrauch machen konnte, haben in verschiedenen
Bezirken Musterungen stattgefunden, in denen die Deutschen, falls sie nicht in das polnische
Heer eingereiht werden wollten, zur vorzeitigen Abgabe einer Optionserklarang gezwungen
wurden. Hierbei waren die Optanten in zahlreichen Fallen Beschimpfungen und
MiBhandlungen ausgesetzt. Verschiedentlich sind Optionsberechtigte in das polnische Heer
eingestellt worden, obwohl sie erklarten, flir Deutschland optieren zu wollen. In mehreren
Bezirken wurden diejenigen, welche flir Deutschland optiert hatten, deswegen ausgewiesen.
Auch hierbei sind MiBhandlungen und Beraubungen vorgekommen. Derartige
Beschrankungen des Optionsrechtes haben sich noch bis in die letzte Zeit wiederholt,
obgleich inzwischen Weisungen der Polnischen Regierung zur Abstellung dieses
MiBbrauches ergangen sind.
Auf der Durchfahrt durch den Korridor werden selbst in den Durchgangsziigen noch immer
Reisende wegen angeblicher abfalliger AuBerungen iiber den polnischen Staat oder wegen
UnregelmaBigkeiten bei der PaBrevision aus dem Zuge heraus verhaftet und ohne Grand liber
Gebiihr lange unter unwiirdiger Behandlung festgehalten; verschiedentlich sind solche
Reisende beschimpft, miBhandelt und ihrer Habe beraubt worden.
Aber auch den in Polen verbliebenen Deutschen ergeht es vielfach nicht besser. Auch hier
liegen zahlreiche Falle von Beschimpfungen vor. Auf die berechtigten Empfindungen der
deutschen Minderheit wird haufig nicht die erforderliche Riicksicht genommen; Denkmaler,
die der alteingesessenen Bevolkerung heilig und teuer waren, sind in Thorn und anderen
Orten besudelt und beschadigt worden; Deutsche werden unter Drohungen gezwungen,
polnische Lieder zu singen; Verhaftete miissen sich bei Revision der Zelle als "Deutsches
Schwein" melden; Leute, die soeben flir Deutschland optiert haben, werden gezwungen, Polen
hochleben zu lassen; Evangelische miissen an Stelle ihrer Konfession angeben, sie seien
"verriickt". GroBe Erbitterung hat die korperliche Untersuchung angesehener Frauen und
Madchen in Soldau nach dem Abziige der Bolschewisten hervorgerufen. Beraubungen und
MiBhandlungen von Deutschen sind an der Tagesordnung. Polnische Beamte dulden solche
Vergewaltigungen, ohne einzuschreiten.
M Verschiedentlich ist die Tatsache, daB die Deutschen um ihres Deutschtums willen verfolgt
werden, von amtlichen Organen ganz offen zugestanden worden. So hat der
Distriktskommissar in Argenau einem flir Deutschland optierenden Landwirt angedroht, daB
man seinen in Polen verbleibenden Vater, einen einarmigen Invaliden, nicht lange auf seinem
Anwesen belassen werde.
Vom Starosten in Putzig wurde Ende August der verscharfte Belagerungszustand verhangt,
weil die dortigen Militarpflichtigen groBtenteils flir Deutschland optiert hatten. Weiter hatte er
verfiigt, daB alle ansassigen Deutschen ihre Optionserklarung bis Ende September d. J.
abzugeben hatten, widrigenfalls sie der sofortigen militarischen Einziehung unterliegen
wiirden. Die flir Deutschland Optierenden muBten binnen 12 Monaten das Land verlassen.
Der Starost von Graetz hat vor kurzem die deutschen Burger der Stadt in einem Saale
versammelt und sie durch Militar mit vorgehaltenem Bajonett zwingen lassen, ein von ihm
verfaBtes Telegramm an die Deutsche Regierung zu unterzeichnen, in dem gegen die
angebliche Bedriickung polnischer Burger in Deutschland Stellung genommen wird.
Eine systematische Deutschenhetze betreibt der Starost von Kulm, indem er in offentlichen
Versammlungen auf dem Marktplatze zu Kulm die Volksmenge gegen die Deutschen
aufhetzt. Hierbei hat er unter anderem erklart, wenn ein Deutscher wage, irgend etwas gegen
den polnischen Staat zu sagen, so solle man ihn mit Stricken binden und ihn durch die StraBen
zur Starostei oder aufs Gericht schleifen. Ende August hat er die Reichsdeutschen und
diejenigen, welche die Optionserklarung flir Deutschland abgegeben hatten, kurzerhand
ausgewiesen und sie bei ihrem Abzuge aufs argste gepeinigt. Die von ihm angeordneten
willkiirlichen Verhaftungen haben unter der deutschen Bevolkerung groBe Beunruhigung und
Erbitterung hervorgerufen.
In einer ganzen Reihe von Fallen sind Deutsche von Polen ermordet worden. Manche dieser
Verbrechen sind bisher ungesiihnt geblieben. In anderen Fallen ist die erbetene Aufklarung
bisher nicht erfolgt.
Wo es sich um ErschieBungen durch Grenzsoldaten handelt, haben diese in mehreren Fallen
die deutsche Grenze iiberschritten und auf deutschen Boden widerrechtlich von ihrer Waffe
Gebrauch gemacht. Um sich der Strafe zu entziehen, haben sie sogar mehrfach die Leiche auf
polnisches Gebiet geschafft. Die meisten Falle lagen so, daB ein Waffengebrauch iiberhaupt
nicht gerechtfertigt war.
Die vorstehende Zusammenstellung erbringt den erdriickenden Beweis dafiir, daB der
Deutsche in Polen z. Z. keineswegs die feierlich zugesagte Gleichberechtigung genieBt, daB er
vielmehr fast iiberall geradezu als vogelfrei gilt
Nr. 6
Rede des Volksdeutschen Abgeordneten Spickermann
vor dem Polnischen Sejm, 23. Januar 1923-
Auszug
"Hoher Sejm! Im Namen der Deutschen Fraktion habe ich die Ehre, folgende Erklarung
abzugeben:
Wir bedauern feststellen zu mussen, daB der Herr Ministerprasident in seinem Expose eine
Wendung gebraucht hat, die es beinahe so erscheinen um laBt, als wenn auch ihn dieses tagein
tagaus gespritzte chauvinistische Gift ein klein wenig infiziert hatte. Er hat, wie wir meinen,
mit vollem Vorbedacht seine Ausfuhrungen iiber die volkischen Minderheiten mit der
Feststellung eingeleitet: 'Polen ist ein Nationalstaat!' Das ist ein verhangnisvolles Wort. Diese
Auffassung hat ja gerade die groBen Massen unserer polnischen Mitburger zu der
SchluBfolgerung gelangen lassen: Also haben die Fremdstammigen hier nichts zu suchen, sie
sind - was in tausend Varianten immer wiederholt wurde - nur geduldete Gaste. Wollen sie
sich als mehr betrachten, so mussen sie aus dem Lande gedrangt werden.' Wir haben lange
genug unter dem unertraglichen Zustand gelitten, den solche Argumentation geschaffen hat.
Der gesamte Apparat der inneren Verwaltung hat ausgesprochenermaBen unter der Parole
gestanden: Kein Mittel ist unversucht zu lassen, die polnischen Burger deutschen Stammes
aus dem Lande zu treiben, das Land zu entdeutschen, zu purifizieren, wie man das so
geschmackvoll auszudriicken beliebte. Auch das brutalste Mittel ist zu diesem Zwecke
erlaubt. Selbst der gesetzgebende Sejm hat sich nicht gescheut, sich bei seiner
gesetzgeberischen Arbeit von solchen Gedankengangen leiten zu lassen. Er hat damit in den
breitesten Massen das Gefiihl fur Recht und Unrecht auf das schwerste erschuttert. Wird es
gesetzlich sanktioniert, einen Deutschen um seines Volkstums willen aus seinem Eigentum zu
entfernen, und das unter Modalitaten, die ihn um sein gesamtes Vermogen bringen und die
ihn als bettelarmen Fluchtling in die Fremde ziehen lassen, dann kann man es dem Manne von
der StraBe nicht veriibeln, wenn auch er das Gefiihl fur die Unverletzlichkeit des Eigentums
verliert. Was Wunder, wenn bis weit hinauf in die Oberschichten die Moral auf das schwerste
erschuttert ist.
Wir gehen vielleicht nicht zu weit, wenn wir gerade in der Klassifizierung der Staatsblirger,
die eben zuruckgeht auf den irrigen Begriff des Volksstaates, die letzte Wurzel alles Ubels auf
alien Gebieten des Staatswesens erblicken. Und nicht zuletzt auch die Ursache dafiir, daB
vielfach das Vertrauen des Auslandes zu unserem Wirtschaftsleben verlorengegangen ist. Es
gilt heute - auch in den Zentralinstanzen - als reine Selbstverstandlichkeit, daB die
Unternehmungen Deutscher mit ihren Angeboten und Forderungen ausscheiden, wenn sie mit
polnischen Unternehmungen in Konkurrenz stehen. Wenn es als patriotische Pflicht gilt, den
verdienstvollsten und kenntnisreichsten Leitern industrieller Werke den LaufpaB zu geben
und in den groBen gesellschaftlichen Organisationen die deutschen Teilhaber riicksichtslos
auszumerzen, wenn jedes, aber auch jedes Mittel willkommen ist, den deutschen
Gewerbetreibenden, den deutschen Fabrikherrn zur Abgabe seines Unternehmens an einen
Polen zu zwingen, muBte da nicht unser gesamtes Wirtschaftsleben aufs schwerste erschuttert
werden, muBte da nicht unter den neuen Herren die Produktivitat der Betriebe und mit ihr die
Steuerkraft zuriickgehen, muBte nicht das Vertrauen der langjahrigen auslandischen
Geschaftsfreunde verlorengehen? ....
Leicht wird es nicht sein, alle die Eiterbeulen auszubrennen, die das Gift des nationalen
Chauvinismus am Volkskorper hat aufquellen lassen; es wird auch kaum geniigen, die
auBeren Krankheitserscheinungen zu bekampfen, wenn nicht gleichzeitig der
Krankheitserreger, das im Dunkeln fortwirkende Gift, beseitigt wird. Darum ist heute die
klipp und klare Beantwortung der Frage unabweislich: Ist Polen ein Nationalstaat oder ist es
ein Nationalitatenstaat?
Wir hatten vielleicht der Feststellung des Herrn Ministerprasidenten - Polen ist ein
Nationalstaat - nicht eine so entscheidende Bedeutung beigelegt, uu wenn nicht der Herr
Ministerprasident im unmittelbaren AnschluB an diese Feststellung die Sonderrechte der
Minderheiten allzu eng dahin umgrenzt hatte, daB sie befugt waren, ihre sprachliche und
religiose Eigenart frei zu pflegen. Da fehlt das Wesentlichste! Fur uns Deutsche in Polen
kommt aber kaum die Pflege religioser Eigenart in Frage, denn wie wir Deutschen einerseits
den verschiedenen Religionsgemeinschaften angehoren, sind wir auf der anderen Seite
allesamt mit unseren polnischen Mitburgern in den gleichen Religionsgemeinschaften
verbunden, in Gemeinschaften, die einen Unterschied der volkischen Zugehorigkeit nicht
kennen. DaB es die Episkopate der groBten Religionsgemeinschaften mit den von ihnen
gelehrten christlichen Lebenswahrheiten fur vereinbar halten, die ihnen anvertrauten
Deutschen zur Aufgabe ihres Deutschtums zu bestimmen, und daB der nationale
Chauvinismus auch in die Amtsstuben der polnischen Geistlichkeit beider Bekenntnisse und
auf die Kanzeln seinen Weg gefunden hat, steht auf einem anderen Blatte.
Ebenso ist die Pflege der deutschen Muttersprache losgelost von den staatlichen Belangen.
Unerhort zwar, daB sich polnische Chauvinisten noch immer fur befugt halten, unter
Verletzung des Postgeheimnisses ohne jede gesetzliche Ermachtigung unsere Korrespondenz
zu offnen und zu kontrollieren, bedauerlich, daB man es flir geboten halt, uns nach wie vor mit
Spitzeln und Spionen zu umgeben. Aber sei's! Wir haben nichts zu verheimlichen. Wen unser
Familienleben interessiert, mag ruhig in unsere Interna Einblick haben. Aber so weit ist wohl
bisher noch niemand gegangen, daB er uns im eigenen Heim im Gebrauche der Muttersprache
behindern wollte.
Sollte indessen der Herr Ministerprasident unter dem freien Gebrauch der Muttersprache ein
Recht verstehen, das liber die Grenzen des Privatlebens hinausreicht, ein Recht, das sich in
der Offentlichkeit auswirkt, so bitten wir, dieses Recht flir uns praktisch werden zu lassen.
Aus den Gemeindekorperschaften in den westlichen Woiwodschaften sind wir fast restlos
hinausgedrangt wegen angeblich ungenligender Kenntnis der polnischen Sprache; im
oberschlesischen Sejm ist dieser Tage ein Gesetz zur Annahme gelangt, das den
ausschlieBlichen Gebrauch der polnischen Sprache auch in solchen Gemeindevertretungen
vorschreibt, die sich in der Hauptsache aus Deutschen zusammensetzen, und das 5 Monate,
nachdem Oberschlesien an Polen gefallen ist, also nach Ablauf einer Periode, in der es beim
besten Willen nicht moglich war, die polnische Sprache zu erlernen. Wir stellen nur ungern
Vergleiche mit der Vergangenheit an, aber wir konnen es nicht unterlassen, darauf
hinzuweisen, daB in den polnischen Kreisen der ehemaligen Provinz die polnische Sprache
neben der deutschen noch drei Menschenalter nach Einverleibung dieser Provinz in den
preuBischen Staat als Amtssprache zugelassen war. Wir dlirfen ferner darauf hinweisen, daB
in diesen Tagen der Senat den Gebrauch der Minderheitensprache selbst fur die
Kommissionssitzungen abgelehnt hat. Mit dem 'freien' Gebrauch der Muttersprache ist es also
ein eigen Ding.
Was uns aber der Minderheitsschutzvertrag als hochstes Gut gegeben hat und was fur uns die
Magna Charta unserer Existenz ist, das ist die Moglichkeit, auch im polnischen Staat an
unserem Volkstum festhalten zu dlirfen, ohne daB uns deshalb eine differentielle Behandlung
zuteil werden darf....
Wenn uns der Minoritatenschutzvertrag zur Erhaltung und zur Pflege unseres Volkstums
besondere Rechte auf kulturellem Gebiete zuerkannt hat, Rechte, die - worauf der Herr
Ministerprasident j a hinwies - auch in unserer Verfassung verankert sind, so sind alle diese
Sanktionen papierene Lettern ge- mi blieben. Der Minoritatenschutzvertrag datiert vom Jahre
1919, die Verfassung vom Jahre 1921 ! Entgegen aber den dort feierlichst verbrieften Rechten
ist in den vergangenen Jahren bis auf den heutigen Tag alles getan worden, die deutsche
Schule zu zerschlagen. Sei es, daB die Lokalinstanzen entsprechende Instruktionen der
Zentrale in der Hand hatten, sei es, daB sie nationalistisch eingestellt, den Intentionen ihrer
Vorgesetzten am besten zu entsprechen glaubten, wenn sie den offiziellen Weisungen
entgegenhandelten: tatsachlich ist der Erfolg ihrer systematischen, zielsicheren Arbeit, daB
das insbesondere in den Westmarken einst so bluhende deutsche Schulwesen in Trummern
liegt. Man hat uns unsere Schulgrundstucke, unsere Schulgebaude, die wir und unsere Vater
aus eigenen Mitteln aufgebaut hatten, weggenommen; man hat uns immer wieder daran
gehindert, andere Gebaude zur Einrichtung von deutschen Privatschulen zu erwerben, man hat
die alten deutschen Lehrer dadurch zur Abwanderung veranlaBt, daB man von ihnen in
kurzester Frist die Erlernung der polnischen Sprache verlangte - eine Unmoglichkeit fur alle
die, die in uberwiegend oder gar rein deutschen Gemeinden amtierten. Und heute, nachdem
wir uns, so gut es gehen wollte, Hilfskrafte fur die Unterrichtserteilung herangebildet haben,
bestreitet man ihnen die Lehrbefahigung; den seminaristisch vorgebildeten Deutschen aber
werden Schwierigkeiten bei der Anstellung gemacht. Endlich sollen vollqualifizierte
Lehrpersonen, die deutsche Reichsangehorige sind, auch an deutschen Privatschulen nicht
mehr unterrichten dlirfen. Dazu kommen die bekannten Machenschaften, die uralte
Schulsysteme in einzelne Ortschaften auseinanderreiBen, damit die Schlilerzahl unter 40
herabgedrlickt wird und so der Anspruch auf eine offentliche Schule wegfallt.
So sieht die Freiheit in der Pflege unserer kulturellen Eigenart und die Flirsorge des Staates
flir das deutsche Schulwesen aus!
Wir hoffen, Herr Ministerprasident, daB es jetzt anders werden wird. Es gehort in der Tat ein
eiserner Besen dazu, hier Wandel zu schaffen! Eine grundlegende Anderung des ganzen
Systems! Wenn Starosten, Polizeibeamte und Schulmanner weiter dem Okazistenverein
angehoren diirfen, einem Verein, der sich als Hochburg nationalistischer Tendenzen die
Entdeutschung des Landes zum Ziele gesetzt hat, so ist es ausgeschlossen, daB die
andersgerichteten Intentionen des Herrn Ministerprasidenten ihre Verwirklichung finden...."
Nr. 7
Der Deutsche Generalkonsul in Posen an das Auswartige Amt
Bericht
Posen, den 12. April 1923
Am 10. d. M. ist Ministerprasident General Sikorski in Posen eingetroffen und hat im SchloB
Wohnung genommen.
Bereits vor der Ankunft Sikorskis wurde der Zweck seiner Reise nach Posen in der hiesigen
Presse lebhaft besprochen. Der Kurjer Poznanski bringt die Reise des Ministerprasidenten mit
der Westmarkenpolitik in Zusammenhang. "General Sikorski will", so schreibt der Kurjer,
"sich die Sympathien des nationalen Lagers sichern, und zwar dadurch, daB er die
Entdeutschung der Westmarken im Sinne der Forderung der Bevolkerung GroBpolens und
Pommerellens vorschiebt." Der Dziennik Poznanski erklart, daB der Aufenthalt des
Ministerprasidenten in Posen vermutlich zur Losung der brennenden Fragen, unter anderem
der Liquidation deutscher Giiter, beitragen wurde.
roi Nach den Audienzen fand am Abend im Rathaus ein feierlicher Empfang flir den
Ministerprasidenten statt. Er wurde dort von dem Stadtprasidenten Ratajski mit einer
BegruBungsrede empfangen, in der Ratajski hervorhob, daB die deutsche Gefahr nicht nur an
den Grenzen bestehe, sondern auch im Inlande. Sie werde nicht eher beseitigt sein, bis alles
deutsche Land in polnische Hande ubergegangen sei und der Feind nicht mehr unnotig im
eigenen Lande ernahrt zu werden brauche. GroBpolen konne ferner nicht mehr ertragen, daB
als Folge der Politik der Polnischen Regierung auf jeden deutschen Eindringling einige 10
Morgen Land mehr als auf einen polnischen Burger fielen.
Den Ton, den der Stadtprasident Ratajski angeschlagen hatte, nahm Sikorski in seiner
Antwortrede auf. Die Rede wird in einem Zeitungsabschnitt der Posener Neuesten
Nachrichten, dessen Inhalt sich mit der durch die polnische Presse erfolgten Wiedergabe
deckt, gehorsamst beigefugt. Die Rede hat hier einen starken Eindruck gemacht und auf die
deutschen Kreise sehr alarmierend und deprimierend gewirkt. Es erscheint mir dringend
erforderlich, daB von deutscher Seite eine Entgegnung erfolgt, damit das hiesige Deutschtum
von einer ubersturzten Massenabwanderung zuriickgeh alien wird.
Ganz besonders scharf wird in der Rede die Liquidationsfrage behandelt. Die Regierung
werde spatestens binnen eines Jahres die Liquidation deutscher Giiter und die Entdeutschung
der westlichen Woiwodschaften riicksichtslos durchfuhren. - Auffallend ist auch der scharfe
Ton, den er gegen die Freie Stadt Danzig gebrauchte. "Danzig ist nur eine freie Stadt, und
seine ganze Zukunft hangt von Polen ab. Die Polnische Regierung hat nicht die Absicht, die
bisherige Nachgiebigkeit weiterzuuben."
In der Pressekonferenz hat Sikorski nochmals die Liquidationsfrage eingehend berlihrt und
zugesichert, daB die Regierang fur Liquidationen deutscher Giiter, die unverziiglich
durchgefiihrt werden muBten, materielle Mittel in Form von langfristigen Krediten gewahren
wlirde.
Am 1 1. d. M. hat General Sikorski Posen wieder verlassen.
Stobbe
Anlage
Auszug aus den Posener Neuesten Nachrichten vom 12. April 1923
Bei dem feierlichen Empfang im Rathaus hielt Ministerprasident Sikorski folgende Rede:
" Es liegt im unmittelbaren Interesse der Minderheit, daB dieser historische ProzeB, nach
langer Bedrlickung durch die PreuBische Regierang, dieser ProzeB, den man Entdeutschung
der westlichen Woiwodschaften nennt, in einem moglichst kurzen und raschen Tempo
vollfiihrt werde. Es wurden in dieser Hinsicht ubrigens ganz entschuldbare Fehler begangen.
Solange Polen kein naher bezeichneter Wert war, konnte es sich nicht erlauben, elementare
Gerechtigkeit auszumessen, weil jeder Justizakt auf internationalem Boden als Gewaltakt
gehindert wurde.
Der Starke hat immer Recht, und der Schwache wird als besiegt angesehen, und man schiebt
ihn auf den zweiten Plan. Ich stelle fest, daB am Vortage der Aufnahme der
Liquidierungsaktion deutscher Giiter, die der Herr Stadtprasident erwahnte, unsere bisherige
Nachgiebigkeit und unser Schwanken [mi einer radikalen Anderung unterliegen mussen. Die
Regierang, die ich reprasentiere, will, daB diese Angelegenheit innerhalb eines Jahres
bestimmt geregelt wird.
Die, welche in der Zeit der Gefahr, in der sich das Vaterland befand, zugunsten eines fremden
Staates optiert haben, mussen auch die Konsequenzen dieser Option tragen. Je schneller diese
Angelegenheit erledigt wird, desto eher wird auch die fur unseren inneren Frieden notwendige
Konsolidierung der Verhaltnisse eintreten.
Was nun die deutschen Kolonisten, die Eindeutschung der Stadte und die Liquidierung der
dazu bestimmten Industrieunternehmen betrifft, so betone ich, daB wer immer uns vor der
Welt des Mangels an Humanitat bezichtigt, nicht im Einklang ist mit der tatsachlichen Lage.
Polen war human, ist human, und es ist moglich, daB sogar allzu groBe Humanitat unseren
Staat ofters verschiedenen Gefahren ausgesetzt hat "
Unmittelbar nach dem Empfang im Rathaus fand im Kabinett des Stadtprasidenten eine
Pressekonferenz statt, an der die Vertreter fast aller Posener Zeitungen teilnahmen. Der
Ministerprasident gab hier mehrere Informationen iiber den Stand der Liquidierung.
Was die Optanten betrifft, so erklarte General Sikorski, daB die Regierang diese
Angelegenheit in sehr verwickeltem Zustande ubernommen habe Uber die Kolonisten
auBerte sich der Ministerprasident, daB die gegenwartige Politik der schnellen Liquidierung
weitergefuhrt werden wird und daB es im Interesse der Kolonisten selbst liege, die
Liquidierung selbst am raschesten durchzufuhren. Die Ausweisung von 160.000 Optanten
wird das polnische Element in Posen und Pommerellen starken.
Nr. 8
Der Staatssekretar des Auswartigen Amts an den Polnischen Gesandten
Berlin, den 18. Juli 1923
Herr Gesandter!
Auf die Note vom 16. Juni d. J. Nr. 3630/23- beehre ich mich folgendes zu erwidern:
Seit dem Zeitpunkt, in welchem einige friiher preuBische Provinzen an die Polnische Republik
iibergegangen sind, hat weit liber eine halbe Million Deutscher, die zum groBten Teil dort seit
langem angesessen waren, dieses Gebiet verlassen. Die Umstande dieser Abwanderung, die
fiir die Betroffenen vielfach Verarmung und Elend mit sich brachte, beweisen, daB sie in der
Mehrzahl der Falle nicht freiwillig vor sich ging. DaB diese Entdeutschung der westlichen
Provinzen Polens planmaBig geschieht und ein politisches Ziel bildet, das nicht nur von
nationalistischen polnischen Parteien, sondern auch von den polnischen Behorden bis zu den
hochsten Spitzen hinauf angestrebt und gefordert wird, hat der fruhere Ministerprasident
Polens, Sikorski, in seiner Rede im Rathaus in Posen am 10. April d. J. 1 unzweideutig
ausgesprochen.
risi Die Haltung der nachgeordneten Behorden in Polen entspricht diesem Grundsatz und diese
AuBerungen von autoritativer Seite verbunden mit dem Vorgehen der unteren Behorden
haben in der Tat in Deutschland den Eindruck erwecken miissen, daB die Toleranz der
Polnischen Regierung, von der die Note vom 16. Juni spricht, auf die deutsche Minderheit in
Polen keine Anwendung findet.
Im ubrigen gestattet sich die Deutsche Regierung darauf hinzuweisen, daB das Vorgehen der
Polnischen Regierung auch mit den bestehenden Vertragen und den allgemeinen Regeln des
Volkerrechts nicht in Einklang steht. Uber die Frage der RechtmaBigkeit des polnischen
Vorgehens wird in einer wichtigen Beziehung der Standige Internationale Gerichtshof im
Haag sich demnachst gutachtlich auBern. Mit Bedauern muB aber die Deutsche Regierung
feststellen, daB polnische Behorden, obwohl seit einer Reihe von Monaten in Dresden
Verhandlungen liber die Regelung der Staatsangehorigkeitsfragen schweben, fortfahren, auch
in solchen Fallen Ausweisungen vorzunehmen und sogar zur Liquidation des Eigentums zu
schreiten, in denen strittig ist, ob der Betroffene deutscher oder polnischer Staatsangehoriger
ist. Gerade dieses Vorgehen, das auf das Bestreben schlieBen laBt, auch in ungeklarten Fallen
vollendete Tatsachen zu schaffen, nur um jene Entdeutschungsaktion moglichst schnell
durchzuflihren, dlirfte den Herrn PreuBischen Ministerprasidenten zu seinen Ausflihrungen
veranlaBt haben.
Das Auswartige Amt beehrt sich weiter nachdriicklich der in der Note vom 16. Juni zum
Ausdruck gebrachten Auffassung zu widersprechen, als seien die AuBerungen des Herrn
PreuBischen Ministerprasidenten der AusfluB einer "conviction hostile" oder einer "agressivite
evidente". Wenn in Deutschland an irgendeiner Stelle unfreundliche Stimmen gegen Polen
laut waren, so sind sie stets nur die Reaktion auf Kundgebungen und MaBnahmen von
polnischer Seite. Das Auswartige Amt darf in diesem Zusammenhange daran erinnern, daB
der Polnische AuBenminister Herr Seyda in seinem Expose vor der Senatskommission fur
auswartige Angelegenheiten am 8. Juni, also unmittelbar vor der Rede des Herrn PreuBischen
Ministerprasidenten, Ausflihrungen gegenliber Deutschland gemacht hat, die notwendig einen
scharfen Widerhall wecken muBten. Am 19. Juni hat ferner der Polnische Staatsprasident Herr
Wojciechowski in Kattowitz eine Rede gehalten, in der die deutsche Kultur als perfide und
Deutschland als ein Staat hingestellt wird, dem Gewalt liber Recht gent. Auf zahlreichen
Kundgebungen hervorragender polnischer Politiker in Wort und Schrift, die sogar das
Verbleiben OstpreuBens in deutschem Besitz als eine Gefahr fur Polen bezeichnen, darf in
diesem Zusammenhange ebenfalls kurz hingewiesen werden. In alien diesen AuBerungen
kommt tatsachlich ein Geist der Aggressivitat und der Feindseligkeit zum Ausdruck, der
gelegentlichen deutschen AuBerungen iiber die Entdeutschungspolitik Polens durchaus nicht
innewohnt.
Den verantwortlichen Stellen des Deutschen Reiches liegt daran, die nachbarlichen
Beziehungen zu Polen zu regeln und Reibungsflachen zwischen beiden Staaten zu beseitigen.
Die parallelgehende Geldentwertung in Deutschland und in Polen hat neuerlich wiederum
bewiesen, wie eng beide Staaten wirtschaftlich verbunden und wie sehr sie beide an einer
Herstellung korrekter Verhaltnisse interessiert sind. Die Deutsche Regierung benutzt die
Gelegenheit festzustellen, daB ihrerseits nichts unternommen ist, was irgendwie der
Entwicklung derartiger Beziehungen zwischen den beiden Staaten hinderlich sein konnte.
Wenn Zwischenfalle wie der vorliegende trotzdem eintreten, so kann um das Auswartige Amt
die Ursache nur in jenen Kundgebungen und MaBnahmen von polnischer Seite finden, die in
alien deutschen Kreisen als speziell gegen Deutschland gerichtet empfunden werden miissen.
Genehmigen Sie, usw.
Frhr. von Maltzan
Atimertumgeii:
! Anlage zur Note des Vorsitzenden der Deutschen Friedensdelegation in Versailles an den
Prasidenten der Konferenz von Versailles vom 29. Mai 1919. ...zuriick...
Die Rede wurde namens der Deutschen Fraktion im Verlauf der Debatte iiber eine
Regierungserklarung des Polnischen Ministerprasidenten Sikorski gehalten. ...zuriick...
In dieser Note hatte der Polnische Gesandte gegen eine Erklarung protestiert, in der sich der
PreuBische Ministerprasident am 9. Juni im PreuBischen Landtag gegen die
Minderheitenpolitik Polens gewandt hatte. ...zuriick...
4 Vgl. Nr. 7 . ...zuriick...
Erstes Kapitel (Forts.)
Entwicklung der Deutsch-Polnischen Beziehungen
A. Der Kampf gegen das Deutschtum in Polen
und gegen Danzig von 1919 bis 1933
I. Zur Lage der deutschen Volksgruppe in Polen
Nr. 9
Rechtsgutachten Nr. 6 des Standigen Internationalen Gerichtshofs,
10. September 1923 5
Auszug
(Ubersetzung)
Der Volkerbundsrat hat am 3. Februar 1923 folgenden BeschluB gefaBt:
"Der Volkerbundsrat ist mit gewissen Fragen befaBt worden, die sich auf folgende Tatsachen
beziehen:
a) eine Anzahl von Ansiedlern, die ehemals deutsche Reichsangehorige waren und
jetzt auf polnischem, friiher zu Deutschland gehorigem Gebiet wohnhaft sind, haben
insbesondere auf Grand des Artikels 91 des Vertrages von Versailles die polnische
Staatsangehorigkeit erworben. Sie besitzen ihre Giiter auf Grand von
Rentengutsvertragen; obgleich diese Vertrage mit der deutschen
Ansiedlungskommission vor dem Waffenstillstand vom 11. November 1918
abgeschlossen worden waren, hatte eine Auflassung vor diesem Tage nicht
stattgefunden. Die Polnische Regierang betrachtet sich auf Grand des Artikels 256 des
Vertrages von Versailles als rechtmaBige Eigentumerin dieser Giiter und halt sich fur
berechtigt, die erwahnten Vertrage zu annullieren. Infolgedessen haben die polnischen
Behorden gewisse MaBnahmen gegen diese Ansiedler ergriffen, die ihre Vertreibung
von den Giitern, die sie innehaben, zur Folge haben;
b) die polnischen Behorden wollen Pachtvertrage nicht anerkennen, die vor dem 1 1 .
November 1918 zwischen der Deutschen Regierang und deutschen
Reichsangehorigen, die jetzt polnische Staatsangehorige geworden sind,
abgeschlossen worden sind. Es sind dies Pachtvertrage iiber deutsches Staatseigentum,
das spater auf Grand des Vertrages von Versailles, insbesondere gemaB Artikel 256,
auf den polnischen Staat iibergegangen ist.
Der Volkerbundsrat ersucht den Standigen Internationalen Gerichtshof, ein Rechtsgutachten
iiber folgende Fragen abzugeben:
1. Betreffen die unter a und b bezeichneten Punkte internationale Verpflichtungen der Art,
wie sie in dem am 28. Juni 1919 in Versailles unterzeichneten Vertrage zwischen den
Vereinigten Staaten von Amerika, dem Britischen Reich, Frankreich, Italien, Japan und Polen
vorgesehen sind, und gehoren sie gemaB diesem Vertrage zur Zustandigkeit des
Volkerbundes?
rm 2. Fur den Fall, daB die erste Frage bejaht wird, ersucht der Rat den Gerichtshof, ein
Rechtsgutachten iiber die Frage abzugeben, ob das im vorstehenden unter a und b bezeichnete
Verhalten der Polnischen Regierang im Einklange mit ihren internationalen Verpflichtungen
steht."
.... Der Gerichtshof ist der Ansicht:
- daB die in a und b des Beschlusses des Volkerbundsrates vom 3. Februar 1923 erwahnten
Punkte internationale Verpflichtungen von der Art betreifen, wie sie der am 28. Juni 1919 in
Versailles unterzeichnete Vertrag zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika, dem
Britischen Reich, Frankreich, Italien, Japan und Polen im Auge hat, und daB diese Punkte zur
Zustandigkeit des Volkerbundes gehoren, wie sie sich aus diesem Vertrage ergibt,
- daB die unter a und b des erwahnten Beschlusses bezeichnete Haltung der Polnischen
Regierung nicht im Einklang mit ihren internationalen Verpflichtungen steht -
Loder A. Hammarskjold
President Sekretar
Nr. 10
Der Deutsche Generalkonsul in Posen an das Auswartige Amt
Bericht
Posen, den 25. September 1931
Welche Fortschritte die EntdeutschungsimaBnahmen in den letzten Jahren gemacht haben,
wird jetzt auch von polnischer Seite mit geradezu zynischer Offenheit zugegeben. AnlaB zu
der Erorterang dieser Frage bot flir die hiesige Presse eine Veroffentlichung, in der das
Problem der deutschen Abwanderung besprochen wird. Es handelt sich um eine
Untersuchung des Warschauer Forschungsinstituts flir Nationalitatenfragen, erschienen in der
"Nationalitatenfragen" betitelten Zeitschrift (Nr. 1, 2 und 3). Die Untersuchungen laufen
darauf hinaus, daB bis zu dem Jahre 1931 rand 1.000.000 Deutsche aus Polen abgewandert
sind.
Wenngleich diese Zahl hinter unseren Schatzungen zuriickbleibt, so ist es doch
bemerkenswert, daB auch von polnischer Seite eine so hohe Abwanderungsziffer als Erfolg
der Entdeutschungspolitik zugegeben wird.
Liitgens
Nr. 11
Aussprache im Britischen Oberhaus, 15. Juni 1932
Auszug
(Ubersetzung)
Lord Noel-Buxton: In letzter Zeit sind auf den Tagungen des Volkerbundsrates wichtige
Fragen, die die nationalen Minderheiten betreffen, behandelt worden, vor allem wurde auf der
Januartagung, als Lord Cecil die Britische Regierung vertrat, ein Bericht verhandelt, der sich
mit der sogenannten Terrorisierung beschaftigte, die im Herbst 1930 in der Ukraine
stattgefunden hat. Diese Vorfalle waren der Gegenstand einer von nicht weniger als 65
Mitgliedern des britischen Parlaments unterzeichneten Eingabe, und diese Tatsache
unterstreicht das offentliche Interesse an einer Regierungserklarung liber ihre Tatigkeit in der
Minderheitenfrage.
Diese Frage bildet einen starken Faktor in den internationalen Beziehungen. In der Debatte
dariiber im letzten Jahr haben alle drei Sprecher, von denen jeder groBe Erfahrung auf diesem
Gebiet besitzt, ihre Wichtigkeit unterstrichen, und diese Bedeutung ist besonders groB in einer
Zeit der Spannungen wie der gegenwartigen. Sie bildet den Hauptgrund fiir Reibungen
zwischen gewissen Staaten, und wo solche Reibungen in starkstem AusmaB eintreten, muB
die Gefahr von Zwischenfallen, die zu einem groBen Ungliick fiihren konnen, in Rechnung
gestellt werden. Ein Beispiel dafiir bildet der Fall Danzig. Jeder kennt die Besorgnisse, die mit
diesem Fall verkniipft sind. Die deutschen und die franzosischen Zeitungen waren voll von
ihnen, die deutschen prophezeiten eine Besetzung durch die Polen und die franzosischen
prophezeiten einen deutschen Putsch. Lord D'Abernon hat kurzlich die Lage in Danzig
beschrieben und von dem Korridor als dem Pulvermagazin Europas gesprochen. Ich selbst
habe in Danzig die Schwierigkeiten kennengelernt, die jeden Augenblick zu einem
gefahrlichen Zwischenfall fiihren konnen. Auf der deutschen wie auf der polnischen Seite gibt
es Unruhe, und diese hat mehr als einmal zu ZusammenstoBen gefuhrt, die den Verlust von
Menschenleben nach sich zogen. Erst vor kurzem hat der polnische Kommissar mit seinem
Rucktritt gedroht, falls nicht der Kommissar des Volkerbundes polnische Truppen zu Hilfe
rufe. Die Verscharfung der Lage, die zu dieser sehr gefahrlichen Situation fiihrt, entspringt in
der Hauptsache aus der Behandlung der deutschen Bevolkerung auf polnischem Territorium,
und die verderblichen Folgen all dieser Umstande haben sogar ihre Ruckwirkung auf die
Abriistungskonferenz, weil sich die Grundlage fiir die Befriedigung der Bevolkerung in
Gefahr befindet.
Eine andere bedauerliche Folge ist, daB uberall die Forderung nach Grenzrevision angeregt
wird und dadurch mehr und mehr die europaischen Staaten in zwei Lager geteilt werden. Auf
der einen Seite haben wir Deutschland, Ungarn und Bulgarien und im engen Zusammenhang
mit ihnen Italien, auf der andern steht das Lager, in dem sich Polen und die Staaten der
Kleinen Entente befinden, und diese beklagenswerte Unruhe kann nur durch eine gerechte
Behandlung der Minderheiten besanftigt werden. Die Minderheitenvertrage hatten naturlich
den Zweck, diese Reibungen zu vermeiden, die die Alliierten sonst als unausweichbar
erkannten. Die Schwierigkeiten der Lage waren zugegebenermaBen ernst. Wir hatten
zumindest 26 Millionen Angehorige der Minderheiten - einzelne Sachverstandige gaben die
Zahl noch viel hoher an -, und friiher untergeordnete Volker erhielten die Kontrolle iiber ihre
bisherigen Herren, im die sehr oft einer hoheren Zivilisation angehorten als sie selbst. Nach
zwolfjahrigem Bestehen dieses Zustandes sollte ein harmonisches Verhaltnis leichter erzielt
werden konnen, als es sich in der Tat erwiesen hat. Die Auswanderung ist in der Hauptsache
abgeschlossen und ebenso die Agrarreform; die Bevolkerungen sind in einer solchen Weise
als seBhaft anzusehen, daB ein harmonisches Verhaltnis erleichtert werden muBte. Die
Alliierten sahen indessen voraus, daB fremde Herrschaft genau festgelegte
Schutzbestimmungen notwendig machte. Grenzen nach ausgesprochen ethnologischen Linien
zu ziehen war unmoglich, und daher konnte politische Einheit nur durch Bestehenlassen der
kulturellen Unterschiede erzielt werden. Dementsprechend wurden den neuen auf
Veranlassung der Alliierten errichteten Staaten Bedingungen auferlegt.
Die Minderheitenvertrage bestimmten, daB erstens Gleichheit vor dem Gesetz bestehen miisse
- ein Beispiel hierfur ist das Verbot, in den offentlichen Anstellungsverhaltnissen
Unterscheidungen durchzufuhren -, zweitens kulturelle Rechte, insbesondere das Recht auf
Elementarschulen in der Muttersprache der Minderheit, das Recht auf soziale Einrichtungen
und das Recht, vor Gericht die Minderheitensprache zu benutzen. Die Durchfiihrung der
Vertrage unterlag der besonderen Garantie des Volkerbundes. Die Garantiefrage ist
zugegebenermaBen schwierig, aber wir miissen uns die Bestimmungen ins Gedachtnis
zuriickrufen, in denen die Garantie niedergelegt war. Die Vertrage sagen, daB die
Verpflichtungen von internationalem Interesse unter der Garantie des Volkerbundes stehen,
und die Garantie wurde vom Volkerbundsrat 1920 durch Annahme des Tittoni-Berichtes
festgelegt, demzufolge die Garantie besagt, daB der Volkerbund sich vergewissern muB, daB
die Bestimmungen fur den Schutz der Minderheiten standig beobachtet werden. Ein Bruch der
Sondergarantien dieser Art verstarkt die Gefahr ihrer Nichterfiillung. Die MaBnahmen von
Mr. Arthur Henderson als Staatssekretar des Auswartigen Amts berechtigten zu Hoffnungen
auf Erfullung der Garantie, was die Gefahr verringerte, und es ware gut, wenn diese
Verringerung weiter anhielte.
Ich mochte einen Vorschlag machen, den, wie ich hoffe, die Regierung Seiner Majestat
gunstig aufnehmen wird. Nach dem Vorgang des WeiBbuches, das kurzlich auf Anregung des
Volkerbundes in Verbindung mit den chinesisch-japanischen Ereignissen des letzten Winters
veroffentlicht wurde, sollte die Regierung ein WeiBbuch herausgeben, das flir den Gebrauch
des Parlaments das Verfahren, die Machtbefugnisse und die Verantwortlichkeiten der
Mitglieder des Volkerbundsrats im Hinblick auf die Minderheiten sowie die Art der Garantie
darlegt, die vom Volkerbund hinsichtlich der Ausfuhrung der Vertrage ubernommen worden
ist. Wie werden diese Vertrage angewendet? Die Tschechoslowakei ist eine einigermaBen
gluckliche Ausnahme von der im allgemeinen als bedauerlich zu bezeichnenden Regel. Die
andern haben ein schlechtes Zeugnis. Wir sehen dort einen nicht durch Klugheit
eingedammten Nationalismus. Assimilierung durch Zerstorung der Kultur ist an der
Tagesordnung. Dies war zwar durch den Volkerbund vorausgesehen, und es sollten
Bestimmungen hierfur bestehen, aber der ProzeB geht noch weiter. Die Formen der
Unterdruckung sind sich uberall ahnlich, wenn sie auch dem Grade nach verschieden sind.
Wir haben die Unterdruckung der Schulen, wir haben die Unterdruckung der politischen
Rechte, und in einer sonst so melancholisch anmutenden Frage ist flir den Humor gesorgt
durch die Methoden, mit denen die politischen Rechte unterdriickt werden, namlich die
Absicht, der Bevolkerung die Ausiibung des Wahlrechts dadurch unmoglich zu machen, daB
man auf die brillante Idee verfallen ist, die Wahlurnen mit Abfall zu fiillen, so daB es
unmoglich wird, die Wahlzettel hineinzuwerfen. Regulierungen auf landwirt- im schaftlichem
Gebiet sind ebenfalls dazu benutzt worden, um die Bevolkerung von ungunstig eingestellten
Dorfern durch den ErlaB von Verboten wegen Maul- und Klauenseuche daran zu hindern, zur
Wahl zu gehen, Verordnungen, die, wie Euere Lordschaften wissen, auf dem Kontinent oft
die Bewegungsfreiheit der Menschen ebenso hindern wie die der Tiere. Es gibt aber auch die
einfachere Methode, die Wahler auf dem Wege zur Wahl niederzuschlagen, was ja viel
ernster ist und sich, wie bewiesen worden ist, im Falle der Wahlen in Oberschlesien ereignet
hat.
AuBerdem ist weit verbreitet die ungleichmaBige Behandlung der Minderheiten bei der
Berufung auf offentliche Posten. Ich mochte Eueren Lordschaften zwei oder drei Beispiele
aus kurzlich vorgekommenen Fallen unterbreiten.
Die Alliierten erwarteten groBe Dinge von Polen, einer Rasse mit einer groBen
Geschichte, beruhmt in Kunst und Wissenschaften, einer Rasse, die den neueren
Zivilisationen in ihrer Nachbarschaft ein Beispiel der Weisheit geben sollte und, wie wir
hoffen wollen, geben wird. Aber die Politik Polens ist in dieser Hinsicht, wie wir zugeben
miissen, bisher dem eigenen Staat abtraglich gewesen. Die Frage der deutschen Bevolkerung
in Polen ist eine sehr dringende Angelegenheit. Aus dem Korridor und aus Posen sind bereits
nicht weniger als 1 Million Deutsche seit der Annexion abgewandert, weil sie die
Bedingungen dort unertraglich finden. Die Abhangigkeit jeder Person von der Gunst der
ortlichen Behorden flir die Erlangung einer offentlichen Konzession wird benutzt, um groBe
Teile der Bevolkerung loszuwerden. Die Kolonisierung, die heute noch den
Beratungsgegenstand des Volkerbundsrates bildet, wird benutzt, um den Minderheiten
gegenliber Unterschiede zu machen. In der Schulfrage zeigen sich Zahlen, denen Glauben zu
schenken Eueren Lordschaften schwerf alien wird. 45% der deutschen Kinder in Thorn und
Posen sind ihrer Schulen beraubt und in polnische Schulen getrieben worden. In der
Gesamtzahl der Schulen ist ein Ruckgang von 50% eingetreten. Das ist eine direkte
Verletzung des Artikels im Vertrag mit Polen, der bestimmt:
"Polen wird dafiir sorgen, .... daB in den Volksschulen den Kindern der Unterricht .... in ihrer
eigenen Sprache erteilt wird."
Ein sehr merkwurdiges und interessantes Beispiel ist jetzt zu meiner Kenntnis gekommen, flir
dessen Wahrheit ich mich verbiirgen kann und das die Behandlung der protestantischen
Sonntagsschulen betrifft. Dort hat man ein System, das dem englischen sehr ahnlich zu sein
scheint. Die Lehrer sind nicht Berufskrafte, und hier hat ein vorsatzlicher Angriff auf das
ganze System der Sonntagsschulen stattgefunden. Die Polizei brach in diese ein, die Lehrer
wurden in einen Raum eingeschlossen, die Kinder, wahrend sich die Lehrer nebenan hinter
SchloB und Riegel befanden, verhort und die Blicher beschlagnahmt. Dies ist Verfolgung
gemeiner Art und offensichtlich Teil des Versuchs, den Gebrauch der Sprache so weit zu
unterdrucken, wie er nur unterdriickt werden kann durch tatsachliche Verminderung des
AusmaBes, in dem die Bevolkerung ihre Sprache lesen und schreiben lernt. Sie kann die
Sprache in ihrem eigenen Haus sprechen, aber es bleibt ein Versuch, die Sprache zu
unterdrucken. Noch ernstere Dinge ereignen sich in dem ukrainischen Teil Polens. Die
Ukraine scheint von uns weit entfernt zu sein, aber sie geht doch die ganze Welt an, denn sie
bedeutet eine flir die Interessen des Friedens wichtige Frage. Die Ukrainer sind ein viel
groBeres Volk, als wir uns zu erinnern gewohnt sind. 6 Millionen von ihnen leben in Polen,
sie bilden, abgesehen von den Briten und Franzosen, die groBte Volksgruppe in Kanada,
daher sind sie in einem hohen MaB zur britischen Angelegenheit geworden. Im polnischen
Ostgalizien mi wurden vom Ende des Krieges bis 1928 die Volksschulen um zwei Drittel
vermindert, namlich von 2400 auf 745. In den Universitaten, in denen die Ukrainer unter
osterreichischer Herrschaft 11 Lehrstuhle innehatten, besitzen sie jetzt keinen, obwohl ihnen
1922 von der Polnischen Regierung eine eigene Universitat versprochen worden war. In dem
Teil der polnischen Ukraine, der friiher zu RuBland gehorte, in Wolhynien, sind die
Bedingungen noch harter. Hier gibt es ein umfangreiches System der Kolonisierung durch
friihere Soldaten, und diese Leute - bewaffnet und Ungesetzlichkeiten nicht abgeneigt -
verfolgen ihre Nachbarn in einer auBerst bedauernswerten Weise. Die Genossenschaftsladen,
die ein Merkmal der ukrainischen Landwirtschaft sind, werden unterdriickt, und alles dies ist
meiner Meinung nach Teil der Politik, die Bauern ununterrichtet und uneinig zu erhalten. In
der ganzen Ukraine gibt es iiberdies das System polizeilicher Ausweise flir jeden, der
irgendeine Genehmigung erhalten will, und dies fiihrt zu einem allgemeinen System
polizeilicher Verfolgung. Ein ungiinstiger Polizeibericht besiegelt naturlich das Schicksal
eines Schullehrers, der sich nicht besonderer Gunst erfreut. Wir konnen in diesem
Zusammenhang eine besonders beklagenswerte Tatsache nicht beiseitelassen, namlich die
Folterung von Gefangenen in Gefangnissen und von Verdachtigen, die sich die Ungnade der
polnischen Behorden zugezogen haben. Uberzeugende Beweise dafiir, daB in solchen Fallen
mittelalterliche Folter angewandt werden, liegen zu meinem Bedauern vor.
Diese Behauptungen wurden im Volkerbundsrat durch Lord Cecil als Delegierten der
Britischen Regierang als das Gewissen der Menschheit erschiitternd bezeichnet. Sie sind vom
Rat nicht untersucht worden, wie das hatte erfolgen miissen. Der Bericht wurde ohne
Untersuchung angenommen. Die Anschuldigungen sind beachtlich flir die Frage der
Minderheiten, die Gegenstand des Ratsberichts vom Januar war. Diese Terrorisierung war aus
dem Ratsbericht genligend bekannt, aber ich mochte Euere Lordschaften doch an ihre Not
erinnern durch Verlesung der Worte eines ausgezeichneten Rechtsgelehrten, der der Krone in
den Kolonien gedient hat, Sir Walter Napier, der folgendes schrieb: "Die Flihrer des Dorfes
wurden umringt, in eine Scheune getrieben, entkleidet, niedergehalten und mit dicken
Stocken, die zum Dreschen gebraucht werden, geschlagen. Arzten war es verboten, von den
Stadten in die Dorfer zu gehen, und Bauern, die den Versuch machten, sich zur Behandlung in
die Stadte zu begeben, wurden durch die Polizei zur Umkehr gezwungen."
Nur mit groBem Widerstreben kritisiert man einen befreundeten Staat, aber nichts wird, wie
die Beratungen im Volkerbundsrat gezeigt haben, gewonnen, wenn man den Bruch von
Vertragen ignoriert, wenn diese Vertragsbruche abgestellt werden konnen. Wir diirfen nicht
vergessen, daB Polen ganz besondere Ursache hat, diese Vertrage zu beachten, denn die ihm
zugestandenen Annexionen wurden ihm unter der Bedingung zugestanden, daB es diesen
Gebieten Autonomic gewahrt. Diese Bestimmung wurde von der Botschafterkonferenz 1923,
in der unser Land ein fuhrendes Glied war, aufgestellt
Lord Dickinson: Ich hoffe, Sie werden mir erlauben, ein paar Beobachtungen denen
hinzuzufugen, die mein Freund Lord Noel-Buxton vorgebracht hat, und ihm gleichzeitig daflir
zu danken, daB er die Angelegenheit vor diesem Hause zur Sprache brachte. Vielleicht mag
man sich manchmal fragen, warum wir uns berechtigt flihlen, Euere Lordschaften zu bitten,
diesem Problem Aufmerksamkeit zu schenken, aber ich glaube, ich kann zwei Tatsachen
erwahnen, die meiner Meinung nach sicher die Beanspruchung einiger Minuten [221 Ihrer Zeit
mit dieser Sache rechtfertigen. Vor allem ist das Problem eines von erheblichem Umfang -
von viel groBerem Umfang, als man gewohnlich glaubt - denn es gibt in jedem Lande gewisse
Minderheiten, manche zahlreicher, manche kleiner. Sie sind naturlich, wie der Name sagt,
Minderheiten - sehr oft eine kleine Minderheit -, aber die Gesamtzahl der Personen, die unter
den Bedingungen von Minderheitenvertragen leben, ist bedeutend. Ihre Zahl anzugeben, ist
schwierig. Es wurden Zahlen wie 20, 30, 40, ja sogar 50 Millionen genannt, je nachdem, ob
diejenigen, die die Zahlen angeben, geneigt sind, sie zu verkleinern oder zu vergroBern, aber
ich glaube, daB man ungefahr richtig schatzt, wenn man sagt, daB mindestens 30 Millionen
Menschen von der richtigen Durchfuhrung der Minderheitenvertrage in Europa abhangen, und
wenn irgend jemand flir die Minderheitenvertrage verantwortlich ist, so ist es sicher die
Britische Regierung.
In Paris wurde die Frage, wie sich Lord Cecil of Chelwood erinnern wird, in groBer
Ausfuhrlichkeit erortert, und es war nicht sehr einfach, uberhaupt die Annahme der
Minderheitenvertrage zu erreichen. Ich war damals nicht anwesend, aber mir ist gesagt
worden, daB ohne den Nachdruck, den die Vertreter dieses Landes der Frage gaben, die
Minderheitenvertrage wohl niemals entstanden waren. Wenn dem so ist, dann scheint mir, daB
die Regierung Seiner Majestat und ihre Vertreter in Genf einen besonderen Teil der
Verantwortung daflir tragen, darauf zu achten, daB diese Vertrage wirksam gemacht werden.
Ich beabsichtige nicht, mich mit der Frage Polen zu beschaftigen, wie das mein Freund getan
hat, erstens, weil ich bei meinen Bemerkungen lieber eine Bezugnahme auf irgendein
bestimmtes Land in dieser Hinsicht vermeiden mochte, und zweitens, weil ich weiB, daB es
besonders in Polen und in alien diesen Landern politische Schwierigkeiten bei der Errichtung
ihrer Regierungen gegeben hat, die wir schwer beurteilen konnen. Dennoch sind wir ziemlich
unvermittelt vor diese Lage gestellt worden durch die Vorgange in der Ukraine und die Art
und Weise, in der die Minderheit durch die Polnische Regierung und den Volkerbund
behandelt worden ist. Mein Interesse an dieser Frage stammt aus der Kriegszeit. Ich habe
nicht den Vorzug, den Osten so gut zu kennen wie mein Freund, aber unmittelbar nach dem
Kriege besuchte ich diese Lander aus besonderem Interesse flir die Minderheiten, und fur
jeden, der zu dieser Zeit dorthin kam, war es offensichtlich, daB hier ein Problem bestand, von
dem der Friede Europas und vielleicht der Welt abhangen wiirde. Von der richtigen Losung
der Beziehungen dieser Minderheiten zu der Bevolkerung, in deren Mitte sie leben, hing und,
ich glaube, hangt noch heute der zukunftige Frieden Europas ab.
In alien diesen Landern finden Sie groBe Gruppen von Menschen, die von ihren Nachbarn in
beinahe jeder Hinsicht, ja man kann sagen, uberhaupt in jeder Hinsicht, abweichen. Sie
unterscheiden sich in ihrer Sprache, in ihrer Religion, in ihren kulturellen Bindungen, in ihren
Lebensbedingungen, ihrer Geschichte und in jeder Einzelheit von den Menschen, von denen
sie umgeben sind, und sie sind, wie Euere Lordschaften sehr wohl wissen, stets die Ursache
flir einen groBen Teil der Schwierigkeiten im Osten Europas gewesen. Der Krieg anderte die
Lage in zweierlei Hinsicht. Einerseits befreite er eine groBe Zahl von Menschen, von denen
man sagt, daB sie bisher unter dem Joch fremder Herrscher lebten. Er befreite eine groBere
Zahl als die, die er andererseits wieder einem solchen Joch nach dem Krieg unterwarf, und
insoweit ist der Krieg ein Befreiungskrieg gewesen. Aber auf der anderen Seite unterwarf 1221
er viele Millionen Menschen neuen Bindungen, und diese waren in der Regel Menschen, die,
wenn sie auch nicht immer ihren Nachbarn uberlegen waren, doch sicherlich glaubten, von
hoherem Wert zu sein. Anstatt daB Rumanen den Ungarn, Polen den Deutschen, Tschechen
den Osterreichern Untertan waren, wurden Deutsche, Ungarn und Osterreicher andern Staaten
unterworfen, und es war ganz klar, daB unter diesen Umstanden nichts anderes die
Versohnung in Europa herbeiflihren konnte als eine sehr groBziigige Auslibung der Rechte der
Regierungen iiber diese Menschen
Weil diese Minderheiten ihre vertraglichen Rechte besitzen, hat die ganze Frage eine solche
Bedeutung gewonnen, und weil sie glaubten, daB ihnen diese Rechte vorenthalten werden, ist
in den Minderheiten das Gefiihl entstanden, daB sie keine Hilfe von dem internationalen
Organ, dem Volkerbund, erhalten konnen, das gerade zu dem Zweck geschaffen worden ist,
ihnen Gerechtigkeit zuteil werden zu lassen. Das Ergebnis ist, daB sie Abhilfe und
Gerechtigkeit nicht vom Volkerbund, sondern von anderen Stellen erwarten. Sie sehen nicht
auf uns, sondern auf Deutschland. Denn die deutschen Vertreter im Volkerbund sind die
Vorkampfer der Minderheiten geworden. Deutschland hat mit dem Entwurf der
Minderheitenvertrage nichts zu tun. Deutschland selbst erhob Einwendungen gegen die
Annahme der Verpflichtungen der Vertrage, als es dem Volkerbund beitrat. Wenn jetzt irgend
jemand in der Versammlung oder im Rat eine Frage aufwirft, dann ist es der deutsche
Vertreter, der die fuhrende Rolle ubernimmt. Es scheint mir ein groBer Irrtum unserer
Regierung zu sein, daB sie diese Lage hat entstehen lassen. An den Minderheitenrechten war
die britische offentliche Meinung stets interessiert, und ich ware glucklich, wenn wir
feststellen konnten, daB etwas aktivere Schritte von unseren Vertretern in dieser besonderen
Richtung unternommen wurden
Viscount Cecil ofChelwood: Ich bin sicher, daB niemand von Ihnen glauben wird, daB sich
mein Freund Lord Dickinson entschuldigen muBte, als er einen so interessanten Bericht iiber
diese sehr wichtige Frage erstattete. Er war gewiB berechtigt zu sagen, daB eine geschichtliche
Verbindung zwischen diesem Land und der Minderheitenfrage besteht. Er bezog sich auf die
Ereignisse in der Pariser Konferenz. Er hatte noch viel weiter zuriickgehen konnen. Wenn er
die Protokolle der Berliner Konferenz durchsieht, die zu dem Berliner Vertrag fiihrten, wird er
finden, daB der Britische AuBenminister jener Tage zu einem Teil der Autor zusammen mit,
ich glaube, dem Franzosischen AuBenminister des allgemeinen Vorschlags war, daB, wo
immer ein Land durch einen Vertrag eine betrachtliche GebietsvergroBerung erfahrt, diesem
Lande auch die Verpflichtung auferlegt werden sollte, seine Minderheiten zu schiitzen
Ganz zweifellos ist diese Frage von sehr groBer Bedeutung. Das Minderheitenproblem ist fur
einen groBen Teil der Unruhe verantwortlich, die ungliicklicherweise noch immer besteht,
besonders in Mitteleuropa. Ich glaube aber auch, es ist nur billig, zu sagen, daB die Frage eine
der schwierigsten und delikatesten ist. Ohne jeden Zweifel hat auch jeder Minderheitenstreit,
wie Lord Noel-Buxton sagte, zwei Seiten. Auf der einen Seite besteht der Wunsch der
Mehrheit des Landes, das Gebiet und die Bevolkerung zu einigen, seine Position zu starken
und im oft miBbrauchten Namen des Patriotismus zu versuchen, alle Opposition gegen diese
Einigkeit auszurotten. Auf der andern Seite haben Sie das sehr naturliche Gefiihl, das sehr
lobenswerte Gefiihl, wenn Sie wollen, der Minderheit die ihr eigene, besondere Existenz
innerhalb des Staates zu erhalten. Die Minderheit wertet ihre Verbindung mit ihrer alten
Nationalitat wahrscheinlich sehr hoch, und sie hat den sehr starken sentimen- im talen
Wunsch - ich gebrauche hier das Wort sentimental nicht in einem herabwiirdigenden Sinne -,
ihre Stellung zu erhalten. Es ist klar, daB, wenn diese beiden Richtungen zusammenprallen, es
sehr groBe Schwierigkeiten geben muB
Lord Noel-Buxton sagte, daB in mancher Hinsicht diese Minderheitenfrage ein Pulvermagazin
bedeutet, und ich stimme mit ihm uberein. Sie ist angefullt mit Explosivmaterial. Als Beispiel
fiihrte er Danzig an, aber ich glaube, er wird mit mir darin ubereinstimmen, daB hier nicht
eine typische Minderheitenfrage vorliegt, wenn die Lage dort auch ernste Schwierigkeiten
enthalt, die die Aufmerksamkeit des Volkerbundes im hohen MaBe auf sich gezogen haben.
Dort haben Sie einen Staat von uberwiegend deutschem Charakter innerhalb eines Landes,
das uberwiegend polnisch ist, und den Zusammenprall von zwei Nationalitaten, die offenbar
stets einander feindlich gesinnt sind, wenn sie zusammentreffen. Meiner Beurteilung nach ist
dies nicht ein typischer Minderheitenfall, da er nicht unter die Minderheitenvertrage fallt. Es
ist ein Fall von zwei anscheinend unversohnlichen Volksteilen, die durch Anwendung der
Vertrage in eine bestimmte Zusammenstellung gebracht worden sind
In der Minderheitenfrage muB es die erste Aufgabe sein, zu versuchen, die in Frage
kommende Regierung zu uberzeugen, daB sie sich besser benehmen und Garantien flir ein
besseres Verhalten geben sollte. Um den Fall Polens und der Ukraine herauszugreifen: Die
Verzogerung war, wie ich hore, in diesem Falle durch die Bemuhungen hervorgerufen, die
Polnische Regierung zu veranlassen, eine Art von Garantie oder eine Erklarung abzugeben,
daB sie ein neues System schaffen wolle, das die Schwierigkeiten beseitigen wiirde. Das
erfordert Zeit. Das Problem besteht nicht darin, eine Maschinerie oder ein Komitee
zusammenzubringen, sondern liegt in der Schwierigkeit, delikate Verhandlungen mit
Schnelligkeit zu fiihren
Der Staatssekretcir fur Krieg (Viscount Hailsham): Was die Ukrainer betrifft, so ist die
ganze Frage der Stellung dieser Minderheiten in diesem Jahr vor den Volkerbund gekommen
als Ergebnis der sogenannten Befriedigung der polnisch-ukrainischen Provinzen im Jahre
1930. Eingaben gegen die Handlungen der polnischen Behorden in dieser Angelegenheit
wurden im letzten Jahr durch ein Dreier-Komitee erortert, dessen britisches Mitglied Lord
Cecil war. Dieses Komitee kam zu dem SchluB, daB ein prima facie-Fa\\ der Verletzung der
Minderheitenvertrage durch die Polnische Regierung vorlage. Der Bericht iiber diese Frage
wurde dem Volkerbundsrat am 30. Januar d. J. durch Herrn Sato, Mitglied der Japanischen
Delegation, vorgelegt. Dieser Bericht gab der Ansicht Ausdruck, daB die polnischen
Behorden zu ihrem Vorgehen in hohem MaBe provoziert worden seien, daB sie nicht die
Absicht hatten, eine systematische antiukrainische Politik zu verfolgen und daB sie in Zukunft
eine versohnliche Haltung annehmen und sich bemiihen wiirden, mit den verantwortlichen
Elementen unter den Ukrainern flir die Besserung der Lage in den ukrainischen Provinzen
zusammenzuwirken.
Man wird sich ferner erinnern, daB bei der Beratung des Berichts im Volkerbundsrat Lord
Cecil, der flir die Britische Regierung sprach, die Aufmerksamkeit seiner Kollegen auf die
auBerst bedauerliche Natur einiger der in dem Bericht erwahnten Vorfalle lenkte, erklarte, das
von Herrn Sato ausgesprochene Bedauern darliber zu teilen, daB die Polnische Regierung den
unschuldigen Opfern der durch ihre Beamten begangenen MiBbrauche keine Entschadigung
zugestanden habe, und der Hoffnung Ausdruck gab, daB die Polnische Regierung energische
MaBnahmen zur Versohnung und Befriedung ergreifen wiirde. Er druckte auch sein Bedauern
dariiber aus, daB Anschuldigungen iiber die MiB- mi handlungen ukrainischer Gefangener, die
in den Eingaben enthalten waren, nicht untersucht und zum Gegenstand eines Berichts
gemacht werden sollten und wies darauf hin, daB, wie die Dinge jetzt lagen, diejenigen, die
die Anschuldigungen erhoben hatten, sagen konnten, daB ihre Beschuldigungen von der
Korperschaft, an die sie sich gewendet hatten, weder zurlickgewiesen noch untersucht worden
seien
Was den Fall der Deutschen in Posen und im Korridor betrifft, den der edle Lord erwahnt hat,
so ist die Lage die, daB bis vor kurzem diese Eingaben in der Hauptsache aus Klagen
einzelner Mitglieder der Minderheit bestanden, die darliber Klage fuhrten, wegen ihres
Volkstums in Fragen wie der Enteignung oder Beschrankung ihres Eigentums unter dem
Agrarreformgesetz oder der Gewahrung oder Zuriickziehung von Erleichterungen auf dem
Gebiete der Erziehung, von Alkoholverkaufslizenzen und ahnlichem benachteiligt zu werden.
In den meisten dieser Falle war es nicht moglich, auf Grund der zuganglichen Unterlagen die
Behauptung der Polnischen Regierung in Frage zu stellen, daB die Handlungen ihrer
Behorden durch rein praktische Erwagungen hervorgerufen worden seien, wie dem
UbermaBigen Verhaltnis des GroBgrundbesitzes in einem gewissen Gebiet oder der
UbergroBen Zahl von Alkoholkonzessionen in einer bestimmten Stadt, und daB sie nicht eine
Beeintrachtigung irgendwelcher durch die Minderheitenvertrage gewahrten Rechte
bedeuteten. Immerhin liegen dem Volkerbundsrat verschiedene Eingaben vor, die sich mit der
Frage der Diskriminierung als Gesamtproblem befassen und Vergleichsstatistiken enthalten,
die eine ungleichmaBige Behandlung von Personen deutschen und polnischen Volkstums in
groBen Gebieten nachweisen sollen. Solche Statistiken erfordern sehr sorgsame
Untersuchungen, die gegenwartig vorgenommen worden, und ehe nicht die Ergebnisse dieser
Prufung vorliegen, wird es flir die Regierung Seiner Majestat natiirlich unmoglich sein, eine
Erklarung iiber die Frage abzugeben
Wir sind dankbar flir alle nur moglichen Anregungen, die uns helfen wiirden, eine
befriedigendere Erfullung der durch diese Minderheitenvertrage ubernommenen
Verpflichtungen herbeizufuhren. Wir sind uns aber auch bewuBt, daB die Frage, wie die
Durchfuhrung derartiger Verpflichtungen erzwungen werden kann, notwendigerweise eine
sehr delikate ist. Das ganze Problem jeder Art von ZwangsmaBnahmen enthalt offenkundig
zahllose Schwierigkeiten, und ein erfolgloser Versuch, die Beachtung derartiger Vertrage zu
erzwingen, oder ein erfolgloser Versuch, sich flir die Sache einer Minderheit einzusetzen,
konnte der Sache der Minderheit selbst leicht mehr Schaden zufiigen als die ruhigere und
weniger Aufsehen erregende Methode, auf die in Frage kommenden Regierungen EinfluB
auszuiiben. Trotz aller Wunsche, diese Vertrage dem Buchstaben und dem Geist nach voll
beobachtet zu sehen, ist Seiner Majestat Regierang genotigt, zu bekennen, daB, wie die Dinge
im Augenblick stehen, sie nicht sieht, daB sie selbst mehr tun konnte, als sie in der
Vergangenheit zu tun versucht hat. 1
Unterschrift
1261
Nr. 12
Der Deutsche Generalkonsul in Posen an das Auswartige Amt
Bericht
Posen, den 2. Marz 1933
Wieder hat die Agrarreform in diesem Jahr dem Deutschtum wertvollen Boden entzogen und
der deutschen Minderheit mit erbarmungsloser Harte vor Augen gefuhrt, daB sie sich hier
einem hartnackigen und planmaBigen Angriff gegeniibersieht, der letzten Endes ihre
Vernichtung und Verdrangung zum Ziel hat.
I27i Dieser Angriff wird in zwei Richtungen gefuhrt:
1) Gegen die wirtschaftliche Existenzbasis.
2) Gegen den kulturellen Besitzstand.
Der doppelte Druck, der auf diese Weise ausgeiibt wird, soil die Minderheit allmahlich
seelisch zermurben und ihre Widerstandskraft brechen.
Hinsichtlich des gegen die deutsche Existenzbasis gefuhrten Kampfes steht die Verdrangung
von Grund und Boden im Vordergrund. Etwa 70 bis 80% der deutschen Bevolkerung lebt
direkt oder indirekt von der Landwirtschaft. Die Zerschlagung des deutschen Grundbesitzes
trifft daher nicht nur den Eigentlimer allein, sondern gleichzeitig eine ganze Reihe von
Einzelexistenzen, die von ihm abhangig oder auf ihn angewiesen sind. Man kann somit
ermessen, was der in den letzten 14 Jahren eingetretene Verlust von Grund und Boden fur die
Gesamtheit der deutschen Minderheit bedeutet.
Der deutsche Bodenverlust seit 1919 setzt sich folgendermaBen zusammen:
a) unmittelbare Liquidation
b) mittelbare Liquidation
c) Annullation
d) Folgen der allgemeinen Rechtsunsicherheit
e) Wiederkaufsverordnung
f) Agrarreform
130 100
ha
159 287
tt
58 700
tt
50 000
tt
72 718
tt
52 460
tt
546 265
ha^
Der Verlust in knapp 14 Jahren betragt also weit liber Vi Million ha. Dazu kommen noch rund
200.000 ha staatlichen Besitzes und rund 300.000 ha Forstbesitz. Auch dieser Verlust
bedeutet eine Schwachung des Deutschtums im Hinblick auf die groBe Anzahl deutscher
Arbeiter und Angestellter, die dort ihr Brot verdienten.
Mit gleicher Zielsicherheit richtet sich der polnische Angriff auch auf alien anderen Gebieten
gegen die Existenzgrundlagen der Minderheit. Entlassungen von Arbeitern, die sich zum
Deutschtum bekennen, haben einen erschreckenden Umfang angenommen. Langjahrige
Angestellte werden pensionslos oder mit geringen Abfindungen aus ihren Arbeitsplatzen
verdrangt. Deutsche Handwerker und Gewerbetreibende werden boykottiert. Arzte verlieren
ihre Kassenpraxis, Apotheker werden enteignet, Schankkonzessionen entzogen. Uberall sind
nicht sachliche Motive maBgebend, sondern einzig und allein die Tatsache, daB es sich um
deutsche Menschen handelt, die an ihrem Volkstum festhalten wollen.
Nicht besser sieht es auf dem kulturellen Gebiet aus. Hier wird mit besonderer Zahigkeit
gegen die deutschen Unterrichtsbetriebe vorgegangen. Im Jahre 1924 waren von den
mehreren tausend deutschen Schulen in Posen und Pommerellen 557 Unterrichtsbetriebe
ubriggeblieben. Von diesen 557 sind bis zum Jahre 1932 noch weitere 335 geschlossen
worden, a so daB jetzt nur noch 222 Schulbetriebe msi vorhanden sind, die von deutschen
Kindern besucht werden. Aber auch von diesen kann nur etwa 1/3 als wirkliche
Minderheitsschule bezeichnet werden, weil der Unterricht vielfach von Lehrern erteilt wird,
die der deutschen Sprache nicht ausreichend machtig sind. Im ubrigen muB ein nicht
unwesentlicher Teil der Unterrichtsstunden in polnischer Sprache erteilt werden, so daB bei
alien Minderheitsschulen der deutsche Charakter stark durchbrochen ist.
Die deutschen Vereine, Verbande und sonstigen kulturellen Organisationen sehen sich
dauernd Drangsalierungen ausgesetzt.
So ftihlt sich die Minderheit von alien Seiten bedrangt. Auch die Atmosphare des Hasses, der
die Deutschen ausgesetzt sind, hat in keiner Weise nachgelassen und fiihrt immer wieder zu
MiBhandlungen und Verfolgungen.
Unter diesem wirtschaftlichen und seelischen Druck, der nun schon seit 14 Jahren anhalt, hat
ein sehr groBer Teil der deutschen Bevolkerung, der mit 70% sicherlich nicht zu hoch
geschatzt ist, die alte Heimat verlassen. Es ist im Hinblick auf die geschilderten Umstande nur
allzu verstandlich, wenn der Abwanderungsdrang auch heute noch anhalt. Taglich erhalt das
Generalkonsulat Antrage von Minderheitsangehorigen, die den Wunsch haben, nach dem
Reiche uberzusiedeln. Recht erheblich scheint auch gerade neuerdings die Abwanderung
durch illegale Grenzuberschreitung zu sein. Die deutsche Minderheit erleidet hierdurch in
ihrem Bestande weitere schwere Verluste.
Lutgens
Afmttrkungtti:
5
Die deutsche Minderheit hat immer wieder versucht, durch Anrufung der ihr durch
internationale Vertrage zu ihrem Schutz gegebenen internationalen Instanzen zu ihrem Recht
zu kommen.
Beim Volkerbund sind nicht weniger als 154 Beschwerden anhangig gemacht worden, die
die Lage der deutschen Minderheit in Polen betreffen. Vor der Gemischten Kommission fur
Oberschlesien wurden, abgesehen von den in die Tausende gehenden Beschwerden, die ohne
Stellungnahme des Prasidenten erledigt wurden, 90 deutsche Beschwerden verhandelt, von
denen 75 als berechtigt anerkannt wurden, wahrend die Zahl der polnischen Beschwerden 35
betrug, von denen aber nur 12 als berechtigt anerkannt wurden. ...zuriick...
Aus der Begrundung des Gutachtens sind folgende Satze hervorzuheben:
"Die Durchfuhrung des Gesetzes vom 14. Juni 1920 wlirde bewirken, daB das vernichtet
wlirde, was friiher geschaffen wurde, namlich insofern, als das an die Ansiedler gestellte
Verlangen, ihr Heim zu verlassen, eine Eindeutschung zur Folge haben wlirde. Eine solche
MaBnahme ist daher, obwohl sie begreiflich sein mag, gerade das, was der
Minderheitenvertrag seiner Absicht nach verhuten sollte.- Die Absicht des Vertrages war
zweifellos, eine gefahrliche Quelle von Bedriickungen, Beschuldigungen und Konflikten zu
beseitigen, zu verhindern, daB Rasse- und GlaubenshaB Platz greifen sowie die bei seinem
AbschluB erworbene Rechtslage dadurch zu schutzen, daB er die in diesem Zeitpunkt
vorhandenen Minderheiten unter den unparteilichen Schutz des Volkerbundes stellte."
...zuriick...
Auch in den offentlichen Sitzungen des Volkerbundsrates ist wiederholt von Vertretern
verschiedener Staaten bei der Behandlung von Eingaben der deutschen Minderheit in Polen
die Bedeutung und Notwendigkeit des Schutzes der Minderheiten und der Unterlassung aller
UnterdruckungsmaBnahmen hervorgehoben worden, namentlich auch im Interesse der
Erhaltung des Friedens:
Bei der Behandlung einer Petition des Deutschen Volksbundes vom 19. Mai 1928,
betreffend die Sicherheitsverhaltnisse in Polnisch-Oberschlesien, in der offentlichen Sitzung
des Volkerbundsrates vom 8. September 1928 fiihrte das Hollandische Ratsmitglied Beelaerts
van Blockland folgendes aus:
"Er teile die Zuversicht des Berichterstatters, wenn dieser erklare, daB
gegebenenfalls auf Grand der eingeleiteten und im Zuge befindlichen Untersuchungen
geeignete MaB- um nahmen hinsichtlich der Schuldigen getroffen werden wurden.
Indem er selbst den Bericht annehme, spreche er aber gleichzeitig die feste Erwartung
aus, daB die Polnische Regierung verstehen werde, die erforderlichen MaBnahmen zu
ergreifen, um die Bevolkerung zu beruhigen und hierdurch das Vertrauen der
Bevolkerung in den Volkerbund noch zu erhohen, der die Aufgabe habe, auch iiber die
Interessen der Minderheiten zu wachen." (Societe des Nations, Journal Officiell 1928
p. 1490.)
In der offentlichen Sitzung des Volkerbundsrates vom 26. September 1928 bei
Behandlung einer Petition wegen SchlieBung deutscher Minderheitsschulen im polnisch
gewordenen Teile Oberschlesiens sah sich gegenuber dem Verhalten des Polnischen
Ratsmitgliedes des AuBenministers Zaleski das Kanadische Ratsmitglied Dandurand
veranlaBt, einen besonderen Appell an die Polnische Regierung zu richten. Nach dem
Sitzungsprotokoll hat er dabei folgendes ausgefuhrt:
"Er beschranke sich darauf, eine Bitte auszusprechen. Die Lage an Ort und Stelle
sei ihm nicht bekannt, aber er denke an die 25, 30 oder 35 Kinder, die morgen ihrer
Schule beraubt sein wurden, die sie noch gestern hatten besuchen diirfen." (Societe des
Nations, Journal Officiell 1928 p. 1678.)
Als in der Sitzung des Volkerbundsrates in Lugano am 15. Dezember 1928, in der
lediglich Minderheitsbeschwerden aus Oberschlesien, und zwar ausschlieBlich aus dem
polnisch gewordenen Teile, verhandelt und beraten wurden, der Polnische AuBenminister
Zaleski als Ratsmitglied in einer langeren schriftlich formulierten Erklarung das Eintreten des
Deutschen Volksbundes in Kattowitz fur die Interessen des Deutschtums durch Petitionen
beim Volkerbundsrate als eine nicht zu duldende Handlungsweise erklarte, sah sich der
damalige Ratsprasident der franzosische AuBenminister Briand genotigt, gegeniiber den
polnischen Ausfuhrungen die Wahrung der Rechte der Minderheiten als eine der vornehmsten
internationalen Pflichten deutlich herauszustellen. Er sprach von "der heiligen Sache und den
heiligen Rechten der Minderheiten" und gab zum Schlusse die Versicherung ab:
"Die Rechte der Minderheiten werden nicht vernachlassigt werden." (Societe des
Nations, Journal Officiel 1929 p. 70, 71.)
Als in der Volkerbundsratssitzung vom 24. Januar 1931 die SchluBbehandlung der zwei
Noten der Deutschen Reichsregierung vom 27. November und 9. Dezember 1930, betreffend
die Lage der deutschen Minderheit in der Woiwodschaft Schlesien (Polen), und der Note der
Deutschen Reichsregierung vom 17. Dezember 1930, betreffend die Lage der deutschen
Minderheit in den Woiwodschaften Posen und Pommerellen (Polen), stattfand und der vom
Volkerbundsrat gebilligte Bericht des Berichterstatters des Japaners Yoshizawa (Societe des
Nations, Journal Officiel 1931 p. 237, 238) vorgetragen war, wies das Britische Ratsmitglied
der AuBenminister Henderson auf das groBe Interesse hin, das die Offentlichkeit, vornehmlich
in England, fur die Minoritatenfrage in Oberschlesien habe. Sodann nahm er AnlaB, besonders
zu unterstreichen, wie die loyale Ausfuhrung der internationalen Minderheitsverpflichtungen
eine Lebensnotwendigkeit flir die Aufrechterhaltung des Friedens sei. Nach dem Protokoll
erklarte er:
"Er wolle heute weniger in seiner Eigenschaft als Vertreter GroBbritanniens,
sondern vielmehr als President des Rates sprechen. Er habe es nicht notig zu sagen,
wie glucklich er sei, daB das durch die Minderheitenvertrage und das Ubereinkommen
betreffend Oberschlesien vorgesehene System seitens des Rates so entschieden
vertreten werde. Dieses System bilde einen Teil des offentlichen europaischen und
Weltrechts; man habe anlaBlich der Ausarbeitung der Friedensvertrage erkannt, daB
die loyale Durchfuhrung der Minderheitenvertrage von lebenswichtiger Bedeutung flir
die Erhaltung des Friedens sei..." (Societe des Nations, Journal Officiell 1931 p. 238,
239). ...zuriick...
Q
Im Jahre 1939 war diese Zahl infolge verscharfter Anwendung der Agrarreform auf 685.700
ha angewachsen. ...zuriick...
9 Die Zahl erhohte sich bis zum Jahre 1939 auf 425 Schulen. ...zuriick...
Erstes Kapitel (Fo rts. )
Entwicklung der Deutsch-Polnischen Beziehungen
A. Der Kampf gegen das Deutschtum in Polen
und gegen Danzig von 1919 bis 1933
II. Zum Vorgehen Polens in Danzig
Nr. 13
Aus den Bemerkungen der Deutschen Friedensdelegation
zu den Friedensbedingungen, 29. Mai 1919-
Insbesondere steht die in den Artikel 100 bis 108 verlangte Preisgabe der rein deutschen
Hansestadt Danzig und ihrer ebenfalls rein deutschen Umgebung in schroffstem Gegensatz zu
alien in den Erklarungen des Prasidenten Wilson gegebenen Zusicherungen. Danzig wies
nach der Zahlung vom 1. Dezember 1910 eine verschwindende polnisch sprechende
Minderheit von 3,5 v. H. auf, der Kreis Danziger Niederung 1 v. H., der Kreis Marienburg 3 v.
H., auch der Kreis Danziger Hohe hatte nur 1 1 v. H. Selbst die Polen bestreiten nicht
ernstlich, daB Danzig stets deutschen Charakter gehabt hat. Der Versuch, Danzig zu einer
Freien Stadt zu machen, sein Verkehrswesen und die Vertretung seiner Rechte nach auBen
dem polnischen Staat auszuliefern, wiirde zu heftigem Widerstand und zu einem dauernden
Kriegszustand im Osten fiihren. Dabei sind die wirtschaftlichen MaBnahmen so getroffen, daB
flir Danzig jeder Verkehr mit Deutschland aufs auBerste erschwert wird - offenbar zu dem
Zweck, dieses rein deutsche Gebiet im Laufe der Zeit durch wirtschaftlichen Druck zu
polonisieren. Die Deutsche Regierung muB darum die beabsichtigte nationale Vergewaltigung
Danzigs ablehnen und die Forderung erheben, Danzig und Umgegend beim Deutschen Reich
zu belassen
1291
Nr. 14
Anlage B der Entscheidung des Volkerbundskommissars in Danzig,
6. Dezember 1921
Liste der polnischen Behorden, die sich augenblicklich in Danzig
und in den Vororten befinden
1. Diplomatische Vertretung der Republik Polen
2. Behorde flir Domanen, Landwirtschaft und Forsten der Polnischen Republik
3. Polnische PaBstelle
4. Bliro flir Militarangelegenheiten
5. Polnische Telegraphenagentur (P. A. T.)
6. Staatsamt zum Einkauf von Artikeln ersten Bedarfs und Fischverwertung (P. U. Z. A. P. P.)
7. Bliro flir Finanz- und Zollangelegenheiten
8. Polnische AuBenhandelsstelle
9. Zweigstelle des polnischen Staatsamts flir Holzausfuhr
10. Zweigstelle des polnischen staatlichen Naphtha-Amtes
11. Polnisches Beschaffungsamt
12. Polnisches Ruckwandererlager
13. Polnische Oberpostdirektion
14. Polnisch-Amerikanische Postexpedition
15. Polnisches Postamt, Expedition Danzig-Neufahrwasser
16. Polnisches Wirtschaftsamt
17. Polnische Eisenbahn-Bau-Aufsichtsverwaltung
18. Polnische Marine-Bau-Aufsichtsverwaltung
19. Polnische Eisenbahndirektion
20. Polnische Linienkommandantur
21. Polnische Marine-Funkenstation
22. Polnische Marinewetterwarte
23. Bliro flir polnische Staatsschiffahrt
24. Polnische Wirtschaftsadministration, Militarverwaltung.
Nr. 15
Entscheidung des Volkerbundskommissars in Danzig, 2. Februar 1925 11
Auszug
Meine Entscheidung in diesem Fall lautet folgendermaBen:
a) Der Post-, Telegraphen- und Telephondienst, zu dessen Einrichtung die Polnische
Regierang auf Grand der Artikel 29 und 30 des Vertrages von Paris berechtigt ist, bedeutet
ein Postamt im Hafen von Danzig. Dieses Postamt rjoi ist dasjenige, das der polnischen
Postverwaltung auf dem Heveliusplatz zugeteilt worden ist.
b) Der durch diesen Postdienst von dem Gebiet der Freien Stadt nach Polen und umgekehrt
bewirkte Verkehr muB von den unter a) erwahnten Gebauden nach der einen oder mehreren
auf polnischem Gebiete gewahlten Stellen gehen, und keine postalischen, telegraphischen
oder telephonischen Sendungen oder Mitteilungen oder sonstiges darf auf diesem Wege
angenommenen oder ausgegeben werden, auBer in der unter a) erwahnten Stelle. Die
Ausdriicke "angenommen" (received) und "ausgegeben" (delivered) bedeuten Annahme oder
Ausgabe durch irgendwelche dabei angewendeten Mittel und haben mit deutschen
posttechnischen Ausdriicken nichts zu tun.
c) Der Gebrauch von Briefkasten auBerhalb der Grenzen des unter a) erwahnten Gebaudes
oder der Gebaude und ein Einsammlungs- und Bestelldienst durch Brieftrager in irgendeinem
Teile des Gebietes der Freien Stadt ist unzulassig und widerspricht der Entscheidung vom 25.
5. 1922.
d) Das unter a) erwahnte Postamt ist nicht dazu bestimmt, sich mit alien Briefen zu befassen,
die an irgendeiner Stelle im Danziger Gebiete nach Polen oder dem Auslande von polnischen
Staatsangehorigen oder anderen Einwohnern der Freien Stadt aufgegeben worden sind. Es ist
vielmehr dazu bestimmt, den im Danziger Gebiet rechtmaBig errichteten polnischen Behorden
zu ermoglichen, bei diesem Postamt und keiner anderen Stelle sonst Postsendungen
zusammenzustellen und sie von dort unmittelbar nach Polen oder dem Auslande zu befordern,
und sich des weiteren mit durchgehenden Postsendungen aus Polen liber den Hafen von
Danzig nach Uberseelandern und umgekehrt zu befassen.
e) Die Ziffern 1 und 2 des Abkommens vom 19. 4. 1923 liber die Sichtungsstelle und das
Abkommen vom 29. August 1924 liber die Umschlagstelle fur Uberseesendungen im Hafen
bleiben von dieser Entscheidung unberlihrt.
M. S. MacDonnell
Nr. 16
Gutachten eines vom Volkerbundsrat eingesetzten Juristenausschusses-
Auszug
(Ubersetzung)
Genf, den 19. Februar 1925
Am 12. Dezember 1922 gab der Hone Kommissar auf Grand des Artikels 39 des Vertrages
vom 9. November 1920 zwischen Danzig und Polen folgende Entscheidung ab:
"Polen hat kein Recht, auf Danziger Gebiet eine Eisenbahndirektion einzurichten, die
sich mit der Verwaltung anderer Eisenbahnen als der auf dem Gebiet der Freien Stadt
gelegenen beschaftigt, ausgenommen im Fall einer Vereinbarung mit der Freien Stadt
Danzig..."
Der Vertrag von Versailles gab Polen in bezug auf Danzig gewisse Rechte, die den Zweck
in sich schlossen, Polen einen freien Zugang zum Meere mi zu sichern. Da die Zuerkennung
dieser Rechte an Polen eine Abweichung von den herkommlichen Regeln des Volkerrechts
hinsichtlich der Beziehungen zwischen Staaten bedeutet, war es notig, ihnen eine
vertragsmaBige Grundlage zu geben. Man hat dieses in dem Vertrag von Versailles und den
darauffolgenden Entscheidungen und Abkommen beracksichtigt.
Polen halt die Meinung aufrecht, daB in den auBergewohnlichen Rechten, die ihm zuerkannt
waren, das Recht auf eine Eisenbahnverwaltung auf Danziger Gebiet mit eingeschlossen war.
Unter dieser Verwaltung sollten nicht nur die Danziger Eisenbahnen, die Polens Leitung
anvertraut waren, sondern auch polnische Eisenbahnen auBerhalb des Danziger Gebiets
stehen. Beansprucht wird also, den Sitz eines Teils der Landesverwaltung auf fremdem Boden
einzurichten, und wenn wir das Vorhandensein eines auBergewohnlichen Rechts anerkennen,
so muB der Beweis zu liefern sein, daB es vertragsmaBig begriindet ist. Der JuristenausschuB
hat alle diesbezuglichen Schriften sorgfaltig gepriift, hat aber keine Bestimmungen gefunden,
die Polen folgerungsweise oder ausdriicklich ermachtigt, die Danziger Direktion mit der
Verwaltung und dem Betriebe von Eisenbahnlinien auf polnischem Gebiete zu betrauen
Irgendeine andere Verfugung, die Polen unterstutzen konnte, hat der JuristenausschuB in
den in Kraft befindlichen Vertragen, Entscheidungen und Abkommen nicht finden konnen.
Unter diesen Umstanden ist er der Meinung, daB die Entscheidung des Hohen Kommissars
vom 12. Dezember 1922 mit den Vertragen, Entscheidungen und Abkommen, die in
Wirksamkeit sind, ubereinstimmt.
van Eysinga
C. Vivante
A. Niquille
Nr. 17
Aufzeichnung eines Beamten der Politischen Abteilung
des Auswartigen Amts
Berlin, den 8. Februar 1932
Der Polnische Gesandte, der mich heute aus anderem AnlaB aufsuchte, ist von mir auf die
unerhorten Vorgange bei der Zehnjahresfeier der polnischen Studentenvereinigung "Bratnia
Pomoc" in Danzig aufmerksam gemacht worden. Ich habe inn insbesondere darauf
hingewiesen, daB die Ansprache des amtlichen polnischen Vertreters in Danzig Herrn Lalicki,
in der von der Ruckgabe Danzigs an das polnische Vaterland die Rede ist, sowie die
Erklarung des polnischen Obersten Landau: "hoffentlich mochten bald von Danzigs Rathaus
polnische Fahnen wehen", kaum geeignet waren, die Beunruhigung zu beseitigen, in der sich
Danzigs Bevolkerung seit langerer Zeit wieder befande.
Der Polnische Gesandte wich aus, indem er behauptete, ihm sei nichts liber diesen Vorfall
bekannt und fiigte hinzu, daB er bei seiner personlichen Bekanntschaft mit dem Rat Lalicki,
der ein durchaus besonnener Mensch sei, sich derartige Erklarungen kaum vorstellen konne.
Er wiirde seinerseits bemiiht sein, die Angelegenheit aufzuklaren.
Noebel
mi
Nr. 18
Der Deutsche Generalkonsul in Danzig an das Auswartige Amt
Bericht
Danzig, den 12. Januar 1933
Auf Einladung der polnischen Kriegervereine und der Organisationen fur die polnische
militarische Vorbereitung in Danzig, deren Komitee nach einer Notiz der Gazeta Gdanska aus
folgenden Vereinen besteht:
Verein der Krieger, Platzwache Danzig,
Sportclub "Gedania",
Ruderclub,
Sportclub "Orzel", unter dessen Namen sich der Verein "Strzelec" (Schutze) verbirgt,
Verband der Legionare,
Verband der Reserveoffiziere und
Verband der Unteroffiziere der Reserve,
hat am 5. d. M. im Werftspeisehaus in Danzig eine Feier der "Soldaten-Oblate" stattgefunden,
bei der von den Rednern wiederum in unverantwortlicher Weise gegen Deutschland und
Danzig gehetzt worden ist und offen die Einverleibung Danzigs in Polen in kurzer Zeit
verheiBen wurde.
Nach dem Bericht eines absolut zuverlassigen Vertrauensmannes verdient die Rede des
polnischen Geistlichen und Religionslehrers am hiesigen polnischen Gymnasium Nagorski
besondere Beachtung, da sie die groBten Beschimpfungen gegen Deutschland und Danzig
enthalt. Wahrend der Rat Zielkiewicz, der Vertreter des Ministers Papee, die
Versammlungsteilnehmer nur zur Einigkeit mahnte, brauchte der Vertreter des
Marinedepartements Kommandore Kosianowski wiederum auBerst scharfe Worte gegen
Danzig und hob dabei die Verdienste des Ministers Papee hervor, der standig darauf bedacht
sei, die Warschauer Regierung in ihrem Kampfe um Danzig aufzurutteln. Auch der Direktor
der hiesigen polnischen Eisenbahnbezirksdirektion Dobrzycki gebrauchte in seiner Ansprache
recht kriegerische Worte.
Diese neue polnische Provokation hat hier naturgemaB Aufsehen erregt. Die hiesige Presse
hat daher Veranlassung genommen, die breite Offentlichkeit ausflihrlich liber die
Veranstaltung zu unterrichten und diese einmal auf das verantwortungslose Treiben der
polnischen militarischen Organisationen auf Danziger Gebiet, die sich in letzter Zeit
wiederum lebhaft zu riihren begannen, aufmerksam zu machen. Der Religionslehrer Nagorski
hat zwar in einem Artikel erklart, daB der veroffentlichte Wortlaut seiner Rede eine grobe
Falschung sei; der Aufforderung, der hiesigen Presse eine moglichst wortgetreue Ubersetzung
seiner Rede zur Verfugung zu stellen, ist er jedoch bisher nicht nachgekommen.
von Thermann
£331
Nr. 19
Der Deutsche Generalkonsul in Danzig an das Auswartige Amt
Bericht
Danzig, den 24. Februar 1933
In der Anlage beehre ich mich, Abschrift eines Vermerks zu uberreichen, der im Senat liber
die Danzig-polnischen Wirtschaftsbeziehungen, insbesondere die neuen polnischen
KontrollmaBnahmen, angefertigt worden ist.
In Vertretung
Koester
Anlage
Seit den Vorverhandlungen zum Versailler Vertrag bis heute hat Polen Danzig gegenliber
seine Politik mit der groBten Konsequenz durchgeflihrt. Nachdem es ihm nicht gelungen ist,
durch den Vertrag von Versailles, durch den Pariser Vertrag und auch durch das Warschauer
Abkommen die Polonisierung Danzigs zu erreichen, hat es dasselbe Ziel unter dem Druck
wirtschaftlicher MaBnahmen verfolgt.
Der Druck gegen Danzig verstarkte sich besonders im Jahre 1925, als der deutsch-polnische
Zoll- und Wirtschaftskrieg einsetzte. Es wurde immer mehr versucht, es von seiner
wirtschaftlichen und Kulturgemeinschaft mit dem Deutschen Reich abzudrangen und
insbesondere den Bezug deutscher Waren nach Danzig, die die Freie Stadt Danzig auf dem
Wege von Kontingenten und auf dem Wege des Veredelungsverkehrs beziehen konnte, zu
unterbinden.
Im Jahre 1929 nahm der Kampf Polens gegen Danzig bereits Formen an, die die Existenz der
Freien Stadt in ihrer wirtschaftlichen und politischen Selbstandigkeit gefahrdeten. Von Jahr
zu Jahr verstarkte sich dieser Kampf und hat zur Zeit seinen Hohepunkt erreicht.
Wenn in der ersten Zeit nach der Abtrennung Danzigs vom Deutschen Reich Polen versuchte,
Danzig dadurch zu erdrosseln, daB es die Lieferung von Lebensmitteln aus Polen nach Danzig
sperrte, so ging es spater dazu liber, den Warenverkehr des Danziger Handels und der
Danziger Industrie nach Polen zu unterbinden.
Es benutzte hierzu im wesentlichen zwei Vorwande, und zwar:
1. den Danziger Veredelungsverkehr, der nach der Behauptung Polens in unzulassiger Weise
von der Danziger Zollverwaltung geduldet wurde, und
2. die Kontingente, die Danzig aus dem Deutschen Reich und aus dem ubrigen Auslande
bezieht, wobei Polen behauptet, diese Kontingente flossen in groBen Mengen nach Polen ab,
obgleich sie nur flir Danzig bestimmt seien, und indem es weiter behauptet, daB
Kontingentwaren, auch wenn sie bearbeitet oder verarbeitet seien (nationalisiert), nicht nach
Polen hineinkommen durften.
Mit diesen Fragen hat sich auf Grand von Danziger und polnischen Antragen im Mai 1932
und im November 1932 der Volkerbundsrat beschaftigt und in den wesentlichsten Punkten
dem Standpunkt der Danziger Regierang Rechnung getragen. Insbesondere hat der
Volkerbund erklart, daB Polen Waren, die aus dem Veredelungsverkehr stammen, nach Polen
hineinlassen miisse, solange der schwebende Streit in dieser Angelegenheit nicht
abgeschlossen sei.
[Ml Weiterhin hat der Volkerbundsrat bestimmt, daB Danziger Kontingentwaren, die in
genugendem Umfange be- oder verarbeitet worden sind, als Danziger Waren angesehen
werden miissen und daher freien Verkehr in dem gesamten Danzig-polnischen Zollgebiet
genieBen.
Die Polnische Regierang hat sich um diese Entscheidungen des Volkerbundsrats nicht
gekummert und in den letzten Monaten ein System eingefuhrt, das nach der Ansicht der
Danziger Regierang den bestehenden Vertragen widerspricht.
Obgleich auf Grand des Art. 215 des Warschauer Abkommens der Warenverkehr zwischen
Danzig und Polen mit ganz bestimmten Ausnahmen frei ist, verlangt jetzt Polen von jeder
Ware, unabhangig davon, ob es sich um Kontingentwaren, um Danziger oder sogar um
polnische Waren handelt, die Abstempelung der Fakturen durch polnische Behorden in
Danzig, d h. Polen verlangt eine Einfuhrgenehmigung fur samtliche Waren, die aus Danzig
nach Polen gehen soil. Die Einfuhrgenehmigung oder die Abstempelung der Fakturen wird
davon, abhangig gemacht, daB sich die betreffenden Industrie- oder Geschaftsbetriebe einer
Kontrolle durch polnische Beamte in weitgehendstem Umfange unterwerfen. Aber damit
nicht genug, Polen verlangt von den Firmen, die sich schon tatsachlich solcher Kontrolle unter
dem Zwange der Verhaltnisse unterworfen haben, daB sie nur Waren beziehen, die wiederum
von Firmen stammen, die sich ebenfalls von polnischen Beamten kontrollieren lassen.
Weiterhin schreibt die Polnische Regierang den Danziger kontrollierten Firmen vor, von
welchen Firmen sie in Danzig kaufen diirfen, und verweist sie in unzahligen Fallen auf den
Einkauf von Waren aus Polen, obgleich die gleichen und bessere Waren in der Freien Stadt
Danzig zu haben sind. In letzter Zeit werden an die Firmen auch dahingehende Forderangen
gestellt, daB sie in einem gewissen Umfange polnische Arbeitnehmer einstellen miissen, da
sie sonst Polen gegenuber als illegal gelten und mit dem Absatz ihrer Waren nach Polen nicht
rechnen konnten.
Wenn die Regierang der Freien Stadt dieses System weiterhin duldet und Polen mit seinen
Forderangen in der bisherigen Weise fortschreitet, so ist klar ersichtlich, daB die gesamte
Danziger Wirtschaft in wenigen Monaten unter polnischer Kontrolle steht, unter der Kontrolle
polnischer Beamter und unter der Kontrolle polnischer Konkurrenten, und der
Handelsspionage wird dadurch Tiir und Tor geoffnet. Es ist die Zeit abzusehen, wo Polen von
den Firmen verlangt, daB sie entsprechend ihres Absatzes nach Polen polnische Arbeitnehmer
beschaftigen miissen, wenn sie ihr Leben in Danzig noch fristen wollen.
Der Hohe Kommissar und der Volkerbundsrat stehen solchen MaBnahmen Polens machtlos
gegenliber.
Nr. 20
Aufzeichnung eines Beamten der Politischen Abteilung
des Auswartigen Amts
Berlin, den 2. Marz 1933
Innerhalb der letzten 10 Jahre hat sich Polen folgende besonders schwerwiegende
eigenmachtige Eingriffe in die Hoheitsrechte Danzigs zuschulden kommen lassen:
1. Nichtzulassung eines Danziger Delegierten zur Berner Eisenbahnkonferenz (Entscheidung
des Volkerbundskommissars vom 8. Januar 1924),
mi 2. einseitige Regelung der Ausstellung von Passen fur Danziger Staatsangehorige
(Entscheidung des Volkerbundskommissars vom 28. Januar 1924),
3. Verhinderung der Teilnahme einer Danziger Delegation am Stockholmer WeltpostkongreB
(Entscheidung des Volkerbundskommissars vom 10. November 1924),
4. eigenmachtige Einrichtung eines polnischen Postdienstes in Danzig (Entscheidung des
Volkerbundskommissars vom 2. Februar 1925),—
5. Entsendung polnischer Marinepatrouillen an Land ohne Genehmigung der Danziger
Regierung (Bericht des Volkerbundskommissars vom 15. August 1931),
6. eigenmachtige Erlassung des Finanzstrafgesetzes vom 21. April 1932 (vom Volkerbundsrat
behandelt in seiner Sitzung vom 10. Mai 1932),
7. Anordnungen zur Verhinderung des von Danzig geiibten, passiven Veredelungsverkehrs
(als "action directe" gekennzeichnet in der Entscheidung des Volkerbundskommissars vom
29. Marz 1932),
8. eigenmachtige Einfuhrung der polnischen Wanning bei der polnischen Staatsbahn
(Schreiben des Volkerbundskommissars an den Generalsekretar des Volkerbunds vom 4.
November 1932).
von Lieres
Nr. 21
Schreiben des Volkerbundskommissars in Danzig
an den Generalsekretar des Volkerbundes
(Ubersetzung)
Danzig, den 7. Marz 1933
Am 6. Marz morgens teilte mir der Diplomatische Vertreter der Republik Polen in Danzig
Herr Minister Papee mit, daB die Polnische Regierung in Anbetracht der Sachlage, die durch
die vom Senat kiirzlich in der Frage der Hafenpolizei eingenommene Haltung geschaffen sei,
und in Anbetracht der nach Ansicht der Polnischen Regierung bestehenden Gefahr eines
Handstreichs auf die polnische Munitionsniederlage auf der Westerplatte seitens gewisser
Elemente in Danzig beschlossen hatte, vorlaufig die Wache der polnischen
Munitionsniederlage auf der Westerplatte zu verstarken. Herr Papee hat hinzugefugt, daB
diese Wachmannschaften nicht aus den Mauern der Westerplatte hinausgehen wiirden und
daB sie ausschlieBlich mit der Aufgabe betraut seien, die der polnischen Wachabteilung durch
den RatsbeschluB vom 9. Dezember 1925 anvertraut sei.
Ich habe die Aufmerksamkeit des Herrn Ministers Papee auf die geltenden Bestimmungen
und besonders auf das Danzig-polnische Abkommen vom 22. Juni 1921 und auf den Bericht
gelenkt, der dem Rate des Volkerbundes am jm 9. Dezember 1925 unterbreitet wurde, sowie
auf die Erklarungen, die von dem Vertreter Polens bei dieser Gelegenheit abgegeben wurden.
Es geht klar aus diesen Bestimmungen hervor, daB der Bestand der Wache auf der
Westerplatte nur verstarkt werden darf, wenn die Polnische Regierung ein dahingehendes
Ersuchen an den Hohen Kommissar gerichtet hat und dieser die erforderliche Zustimmung
gegeben hat.
Ich habe Herrn Minister Papee erklart, daB ich unter diesen Umstanden gegen den BeschluB,
den die Polnische Regierung gefaBt habe, ohne sich vorher an den Hohen Kommissar zu
wenden, Einspruch erheben und ihn ersuchen muBte, die erforderlichen MaBnahmen zu
treffen, um die geschaffene Sachlage richtigzustellen.
Eine Stunde spater richtete der Senat der Freien Stadt Danzig an mich ein Schreiben, in dem
er mir mitteilte, daB der Senat festgestellt habe, daB die polnische Wache auf der Westerplatte
um mehr als 100 Leute verstarkt worden sei, die mit Maschinengewehren und anderen
Waffen ausgerustet und am gleichen Tage mit dem Dampfer "Wilja" angekommen seien. Der
Senat hat mich gebeten, ihm mitzuteilen, ob die Verstarkung mit Genehmigung des Hohen
Kommissars erfolgte und, bejahendenfalls, aus welchen Griinden. Ich habe dem Prasidenten
des Senats geantwortet, daB ich keine Erlaubnis hierzu gegeben hatte, und ich habe den
Diplomatischen Vertreter Polens unter Ubermittlung einer Abschrift des Schreibens des
Senats gebeten, wenn die in dem Schreiben des Senats enthaltenen Nachrichten richtig seien,
die erforderlichen MaBnahmen zu treffen, damit die fraglichen Truppen von der Westerplatte
unverzuglich zuriickgezogen wurden, da diese Verstarkung der Truppen erfolgt sei, ohne daB
die Polnische Regierung vorher ein dahingehendes Ersuchen an den hohen Kommissar
gerichtet habe und ohne daB dieser die erforderliche Erlaubnis gegeben habe.
Am Abend hat mich dann der Senat gebeten, auf Grand von Artikel 39 des Pariser Vertrages
zu entscheiden, daB die Polnische Regierung verpflichtet ist, unverzuglich die sich auf die
Vertrage griindende Rechtslage wiederherzustellen und die Wache auf der Westerplatte auf
die festgesetzte Starke zu vermindern. Der Senat hat mich des weiteren gebeten, die
erforderlichen MaBnahmen zu der Feststellung zu treffen, daB die Verstarkung der Truppen
auf der Westerplatte ohne Genehmigung des Hohen Kommissars eine action directe bedeutet.
Bei Ubermittlung dieses Antrages an Minister Papee habe ich die Hoffnung ausgedriickt, daB
die Antwort, die ich von ihm auf mein Schreiben vom Tag vorher erwartete, den Antrag des
Senats gegenstandslos machen wiirde.
Da ich von der Polnischen Regierung nicht die Zusicherung erhalten habe, daB die fraglichen
Truppen unverzliglich zuriickgezogen werden, und in Anbetracht des Ernstes der
gegenwartigen Lage sehe ich mich unter Bezugnahme auf den RatsbeschluB vom 13. Marz
1925, durch den der Rat sich grundsatzlich vorbehalten hat, selbst in den Fragen einer "action
directe" zu entscheiden, gezwungen, Sie zu bitten, die erforderlichen MaBnahmen zu treffen,
daB die Frage der action directe, die mit dem Antrag des Senats vom 6. Marz 1933 gestellt
wurde, baldmoglichst auf die Tagesordnung einer Sitzung des Rats gesetzt wird.
Um das Verfahren zu vereinfachen and auf diese Weise dem Rat die Priifung der Frage zu
erleichtern, erlaube ich mir, dem Rate auch die Frage zu unter- im breiten, die den
Gegenstand der Ziffer 1 des Antrages des Senats vom 6. Marz 1933 bildet, M indem ich von
dem Rechte Gebrauch mache, das mir Artikel 39 des Pariser Vertrages verleiht, die Fragen,
die mir auf Grand dieses Artikels zur Entscheidung unterbreitet wurden, an den Rat zu
verweisen.—
Helmer Rosting
Nr. 22
Der Deutsche Generalkonsul in Danzig an das Auswartige Amt
Bericht
Danzig, den 8. Marz 1933
Trotz der peinlichen Erfahrungen, die die Polnische Regierung in den letzten Monaten in den
Fallen gemacht hat, in denen sie durch offenen Rechtsbrach und durch Hinwegsetzung liber
die Vertrage und Entscheidungen der Volkerbundsinstanzen in Danzig vorzugehen versuchte,
wie in dem Falle des unangemeldeten Einlaufens des Zerstorers "Wicher" in den Danziger
Hafen und in der Anordnung iiber die Einfuhrung polnischer Wanning auf den Danziger
Eisenbahnen, hat die Polnische Regierung einen neuen Rechtsbrach dadurch begangen, daB
sie ohne Genehmigung des Hohen Kommissars die Besatzung der Westerplatte um etwa 100
Mann bewaffnete Polizei verstarkte.
Was zunachst die Rechtslage betrifft, so ist in der zwischen Danzig und Polen am 22. Juni
1921 abgeschlossenen Vereinbarang festgelegt, daB der Hohe Kommissar das Recht hat, iiber
die Starke der polnischen Wachmannschaften fiir die Bewachung polnischen Kriegsmaterials
im Danziger Hafen auf dem laufenden gehalten zu werden, wobei ausdriicklich betont wird,
daB die Starke der Besatzung im Einvernehmen zwischen dem Hohen Kommissar und der
Polnischen Regierung festgelegt wird (vgl. Danziger Staats- und Volkerrecht, Stilke 1927, S.
610). Diese Vereinbarang ist dem Volkerbundsrat in seiner Sitzung vom 23. Juni 1923 zur
Kenntnis gebracht worden und erneut durch den BeschluB des Volkerbundsrats vom 9.
Dezember 1925, durch den auch die Starke der Besatzung auf 2 Offiziere, 20 Unteroffiziere
und 66 Mann festgelegt wurde, bestatigt worden (vgl. Danziger Staats- und Volkerrecht, S.
651). Damals hatte auch der Vertreter der Polnischen Regierung durch seine Erklarung, die
Polnische Regierung behalte sich das Recht vor, dem Rat ein Ersuchen um Verstarkung des
Bestandes der Wachmannschaft zu unterbreiten, wenn die Umstande es erfordern, selbst
anerkannt, daB Polen nicht berechtigt ist, ohne Genehmigung der Volkerbundsinstanzen eine
solche Verstarkung vorzunehmen.
1381 Aus der Vorgeschichte dieser neuesten Aktion der Polnischen Regierung ist
hervorzuheben, daB am 4. d. M. der hiesige Polnische Diplomatische Vertreter zunachst
mundlich, dann schriftlich bei dem Hohen Kommissar angefragt hat, ob er das Vorgehen
Danzigs in der Frage der Hafenpolizei als action directe ansehe. Der Hohe Kommissar hatte
damals eine Antwort verweigert mit der Begriindung, er sei Richter und konne daher eine
solche Frage nicht ohne Antrag entscheiden, auch sei flir eine Entscheidung iiber die Frage
der action directe der Rat zustandig.
Am Morgen des 5. Marz teilte Herr Papee dem Hohen Kommissar mit, daB die Polnische
Regierung beabsichtige, die Garnison auf der Westerplatte zu verstarken. Auf die
Einwendung Rostings, daB die Starke der Besatzung eine bestimmte Zahl nicht ubersteigen
diirfte, erklarte Herr Papee, daB Polen nach den Vertragen berechtigt sei, die Besatzung im
Falle einer Gefahr zu verstarken. Eine solche Gefahr lage jetzt vor, da die Polnische
Regierung in Erfahrung gebracht hatte, daB ein militarischer "Run" auf die Westerplatte
beabsichtigt sei. Beweise konnte Herr Papee nicht erbringen, so daB der Hohe Kommissar von
vornherein Widerspruch gegen jede Verstarkung der Besatzung auf der Westerplatte erhob.
Tatsachlich sind die Behauptungen von Herrn Papee vollkommen aus der Luft gegriffen.
Trotz dieses Widerspruchs des Herrn Rosting erklarte Herr Papee am Morgen des 6. Marz
ihm gegeniiber, daB die Polnische Regierung beschlossen hatte, die Besatzung auf der
Westerplatte zu verstarken. Rosting erhob sofort Widerspruch gegen diesen BeschluB der
Polnischen Regierung. Daraufhin versuchte Herr Papee einzulenken. Er machte den
Vorschlag, daB man das polnische Versaumnis dadurch gutmachen konnte, daB Rosting die
friihere Besprechung als Antrag auf Genehmigung der Verstarkung ansehen, diesen ablehnen,
aber die vorubergehende Verstarkung der Besatzung stillschweigend dulden sollte.
Erfreulicherweise hat Rosting dieses Angebot sofort abgelehnt.
Inzwischen halte der Senat durch Pressemeldungen aus Warschau erfahren, daB 100 Mann
polnischer Polizei aus Warschau nach Danzig in Marsch gesetzt worden seien, angeblich um
die Besatzung der Westerplatte zu verstarken. AuBerdem war der polnische Munitions- und
Truppentransportdampfer "Wilja" von Gdingen kommend in das Munitionsbecken der
Westerplatte eingelaufen, auf dem sich, wie der Polizeiprasident aus sicherer Quelle erfahren
hatte, 100 Mann Polizei und 1 1 Maschinengewehre befanden. Daraufhin hat sich der Senat an
den Hohen Kommissar gewandt und unter Darstellung des Sachverhalts diesen um Auskunft
gebeten, ob er die Verstarkung genehmigt habe, was dieser umgehend verneinte.
Da der Hohe Kommissar im Verlauf seiner weiteren Bemuhungen von der Polnischen
Regierung nicht die erbetene Zusicherung erhielt, daB die fraglichen Truppen unverzuglich
zuriickgezogen werden, hat er in Anbetracht des Ernstes der gegenwartigen Lage den
Generalsekretar des Volkerbundes gebeten, die Frage auf die Tagesordnung einer
auBerordentlichen Sitzung des Rats im Laufe dieser Woche zu setzen.
Das Vorgehen Polens hat naturlich in Danzig sehr starke Erbitterung hervorgerufen.
Infolgedessen hatte der Senat auf Anregung von Herrn Rosting vorsorglich einen Teil der
Einwohnerschaft einberufen, um zu verhindern, daB unbesonnene Elemente sich zu
Beschadigungen von polnischen Gebauden, Briefkasten usw. und zu Angriffen auf polnische
Personen hinreiBen lassen konnten.
von Thermann
£391
Nr. 23
Der Deutsche Generalkonsul in Danzig an das Auswartige Amt
Bericht
Danzig, den 15. Marz 1933
Das Verbleiben des Munitionstransportdampfers "Wilja" in dem Munitionsbecken auf der
Westerplatte nimmt durch das Verhalten der polnischen Behorden eine Entwicklung, die man
nur noch als grotesk bezeichnen kann. Wie bereits gemeldet, hatte Polen das Nichtauslaufen
der "Wilja" mit der Angabe zu erklaren versucht, daB das Schiff Maschinenschaden hatte.
Zugleich wurde mitgeteilt, daB das Schiff nunmehr mit Schlepperhilfe den Danziger Hafen
verlassen wurde. Nachdem dies aber auch nach weiteren 72 Stunden nicht geschehen war, hat
der Senat erneut Protest gegen die Verletzungen des Abkommens liber die Westerplatte
erhoben. Inzwischen teilte der hiesige Polnische Diplomatische Vertreter dem Senat mit, daB
der Maschinenschaden auf der "Wilja" behoben sei, daB aber die "Wilja" noch verbleiben
muBte, da ein schon vorher angekundigter Kriegsmaterialtransport von Dirschau kommend
auf den Dampfer geladen werden sollte. Hierauf hat der Senat wiederum Protest dagegen
erhoben, daB das Schiff im Munitionsbecken der Westerplatte von Polen zuruckgehalten wird,
ohne daB eine genaue Angabe iiber einen bevorstehenden Munitionstransport gemacht werden
konnte. Der Senat bittet daher erneut, daB die "Wilja" unverziiglich das Becken verlaBt.
Bemerkenswert ist noch, weil darin der unerhorte MiBbrauch der Westerplatte durch Polen
offen in Erscheinung tritt, daB der Kriegsmaterialtransport, der am Montag ankam und mit
dessen Durchfuhr iiber die Westerplatte das Einlaufen der "Wilja" begriindet worden war, am
1 1. d. M. durch einen Schlepper vom Munitionsbecken abgeholt, von diesem auf die Reede
gefahren, dort auf das polnische Schiff "Sl3.sk" umgeladen und nach dem Ausland
transportiert worden ist.
Das ganze Vorgehen Polens bezweckt naturlich nur, unter irgendeinem Vorwand bis auf
weiteres die "Wilja", auf der die Verstarkung der Besatzung der Westerplatte untergebracht
ist, im Munitionsbecken liegenzulassen.
Die einzige Genugtuung, die sich aus dem Verhalten Polens ergibt, ist die, daB jetzt die
Polnische Regierung selbst die Unhaltbarkeit des in Verbindung mit dem Munitionstransport
iiber Danzig geschaffenen Systems der ganzen Welt vor Augen fiihrt.
von Thermann
Nr. 24
Der Deutsche Gesandte in Warschau an das Auswartige Amt
Bericht
Warschau, den 11. Marz 1933
In der Frage der Westerplatte habe ich in den letzten Tagen Gelegenheit gehabt, mit den
hiesigen Vertretern der wichtigsten Ratsmachte zu sprechen, und habe im Hinblick auf deren
eventuelle Berichterstattung mich bemiiht, teilweise vorhandene irrige Auffassungen
richtigzustellen.
Mi Ubereinstimmend wird dieser neue Gewaltcoup als "echter Beck" angesehen, obschon
dieses Mai - wohl im Gegensatz zu dem Fall "Wicher"- - auch der Marschall Pilsudski vorher
sein placet gegeben zu haben scheint. Als Zweck des Unternehmens wird in erster Linie die
Regelung der Polizeifrage- angesehen. Die polnische Behauptung von einer Gefahrdung der
Westerplatte hat anscheinend bisher nicht viel Glauben gefunden Wenn weiter vielfach gesagt
wird, daB Beck mit seinem Vorgeben offenbar eine Antwort auf die deutschen Wahlen habe
geben wollen, so mag es richtig sein, daB auch dieser Gedanke mitgespielt hat. Ich mochte
aber eher glauben, daB als beabsichtigte Nebenwirkung der Wunsch im Vordergrund
gestanden hat, den Vertretern des Revisionsgedankens in Europa ein Warnungszeichen zu
geben.
Ich habe unter den hiesigen Diplomaten kaum einen gefunden, der nicht mit mehr oder
weniger scharfen Worten die polnische Handlungsweise kritisiert bzw. verurteilt hatte.
Andererseits ist in den Unterhaltungen zuweilen auch darauf hingewiesen worden, daB man
nicht recht verstehen konne, warum der Danziger Senat gerade jetzt das Arrangement
bezuglich der Hafenpolizei aufgekiindigt habe. Diese Vorwiirfe, denen ich unter Verwendung
der Berichte des Generalkonsulats Danzig entgegengetreten bin, wurden besonders stark
hervorgehoben von Seiten des Englischen Botschafters, dessen Urteil mit Rucksicht auf die
Rolle Englands als Berichterstatter in dieser Angelegenheit besonders wichtig erscheint, der
aber leider in deutsch-polnischen bzw. Danzig-polnischen Angelegenheiten meistens eine
starke Voreingenommenheit zeigt.
Was die Frage anbetrifft, ob etwa dem polnischen Vorgehen ein provokatorischer Charakter
zukommt, mit dem Ziel, Zwischenfalle hervorzurufen, odevfaits accomplis zu schaffen, so
herrscht in hiesigen diplomatischen Kreisen die Ansicht vor, daB derartige Absichten nicht
vorliegen. Zur Begrundung wird meistens angefuhrt, daB Polen kein Interesse daran habe,
Situationen herbeizufuhren, die zwangslaufig die Frage der deutschen Ostgrenzen aufwerten
mussen. Selbst wenn man diese Auffassung flir zutreffend ansehen wollte, wird man
jedenfalls sagen mussen, daB demjenigen, der mit dem Feuer spielt, zum mindesten der
Vorwurf eines dolus eventualis nicht erspart werden kann.
von Moltke
[411
Nr. 25
Aufzeichnung eines Beamten der Politischen Abteilung
des Auswartigen Amts
Berlin, den 3. Mai 1933
Die standig wachsende Konkurrenz des polnischen Nachbarhafens Gdingen mit dem
Danziger Hafen hat die Regierung der Freien Stadt schon im Mai 1930 genotigt, sich an den
Hohen Kommissar zu wenden, urn die Verpflichtungen Polens liber die Frage der vollen
Ausnutzung des Danziger Hafens zu klaren.
Eine Denkschrift des Senats in dieser Sache vom 9. Mai 1930 wird mit den folgenden
grands atzlichen Ausfiihrungen eingeleitet:
"Danzig war in der Zeit vor dem Kriege das Ideal eines in sich in der Einfuhr und Ausfuhr
ausgeglichenen Hafens mit dem Verkehr hochwertiger Giiter, deren Umschlag wie Handel in
der Hand des Danziger Kaufmanns lagen. Die Hafeneinrichtungen Danzigs waren in langen
Jahren gleichmaBigen Verkehrs diesem Guterumschlag angepaBt und auf ihn eingearbeitet
und konnten ihn miihelos bewaltigen. Diese harmonische Einheit zwischen Danziger Hafen
und Danziger Handel ist durch die Auswirkung der Nachkriegszeit zerstort worden. Bei der
Mehrzahl der Umschlagguter des Danziger Hafens hat der Danziger Eigenhandel seine
fiihrende Stellung verloren. Der Danziger Hafen ist vom Handelshafen zum Speditionshafen
herabgesunken. Die zahlenmaBige Vervierfachung seines Warenverkehrs beruht auf einer
auBerordentlichen Zunahme des Verkehrs geringwertiger Massengliter, insbesondere der
Kohlenausfuhr, deren Wert 1927 bei einer Menge der Halfte des Gesamtwarenumschlages nur
8% des Gesamtwertes des Ausfuhrverkehrs liber den Danziger Hafen betrag. Geringwertiger
Massengliterverkehr, deren Handel sich auBerhalb Danzigs vollzieht, deren Umschlag
kostspielige risikoreiche Neueinrichtungen des Hafens bedingt haben und deren fur gewisse
mit der Spedition und Schiffahrt zusammenhangende Wirtschaftszweige bestehender Nutzen
in keiner Weise die Schadigungen der Ausschaltung des Danziger Hafens auf vielen Gebieten
des Warenverkehrs auszugleichen vermag, sind die Kennzeichen des Wirtschaftslebens
Danzigs in der Nachkriegszeit.
Diese flir Danzig in der Nachkriegszeit erwachsenen Nachteile sind in der letzten Zeit
katastrophal verscharft worden, und es sind flir den Danziger Handel und das gesamte
Wirtschaftsleben schwere Depressionen eingetreten, deren Rlickwirkung auf die Grandlagen
des Danziger Staates gefahrdrohend sind. Die Ursachen hierzu sind nach Auffassung der
Regierung der Freien Stadt Danzig darin zu erblicken, daB ein groBer Teil des polnischen
Handels von dem Wege liber Danzig abgelenkt wird, da Polen die nach Danzig flihrenden
Eisenbahnen und Wasserwege nicht in genligendem MaBe ausbaut, da es den Ausbau des
Danziger Hafens unzureichend fordert und da Polen unmittelbar neben Danzig einen eigenen
Hafen in Gdingen erbaut und den Verkehr dieses Hafens in Gdingen mit alien Mitteln unter
Hintansetzung des in Danzig geschaffenen freien Zuganges zum Meere fordert."
In der Zwischenzeit hat die zielbewuBt fortgeflihrte polnische Wirtschaftspolitik zu einem
weiteren erschreckenden Rlickgang der Umsatze des Danziger Hafens geflihrt, wie aus
folgender Aufstellung zu ersehen ist:
1421 Es betrag in Danzig in Tonnen:
die Einfuhr die Ausfuhr insgesamt
1929 1792 951 6 766 699 8 559 650
1930 1090 631 7 122 462 8 213 093
1931 754 300 7 576 205 8 330 505
1932 428 103 5 047 949 5 476 052
Demgegeniiber sind die Umschlagszahlen des Gdingener Hafens von besonderem Interesse:
Es betrug in Gdingen in Tonnen:
die Einfuhr die Ausfuhr insgesamt
1926
179
413 826
414 005
1927
6 702
889 439
896 141
1928
192 711
1 767 058
1 959 769
1929
329 644
2 492 858
2 822 502
1930
504 117
3 121 631
3 625 748
1931
558 549
4 741 565
5 300 114
1932
432 887
4 761 400
5 194 287
Ein Vergleich der angefuhrten Zahlen ergibt einwandfrei, daB die von Polen mit alien Mitteln
betriebene Begiinstigung Gdingens mit dem fortschreitenden Niedergang des Danziger
Hafens Hand in Hand gent.
von Lieres
Anmcckun^cri:
10 Anlage zur Note des Vorsitzenden der Deutschen Friedensdelegation in Versailles an den
Prasidenten der Konferenz von Versailles vom 29. Mai 1919. ...zuruck...
Diese Entscheidung erging auf Ansuchen des Danziger Senats, nachdem die polnische
Postverwaltung in Danzig am 5. Januar 1925 ohne vorherige Unterrichtung der Offentlichkeit
einen polnischen Post-, Telephon- und Telegraphendienst eingerichtet hatte. ...zuruck...
i o
Vom Volkerbundsrat gebilligt am 13. Marz 1925. ...zuruck...
13 Vgl. Nr. 15 . .. .zuruck. ..
14 Unter Ziffer 1 ersucht der Senat "gemaB Artikel 39 des Pariser Vertrages zu entscheiden: Die
Polnische Regierung ist verpflichtet, den auf den Vertragen beruhenden legalen Zustand
unverziiglich wiederherzustellen und die Besatzung der Westerplatte auf die vorgesehene
Starke zuriickzufuhren". ...zuriick...
In Verfolg dieses Schreibens wurde die Angelegenheit auf die Tagesordnung der 71.
(auBerordentlichen) Session des Volkerbundsrats gesetzt. In der Sitzung des Volkerbundsrats
vom 14. Marz erklarte der Polnische Vertreter, die Polnische Regierung habe beschlossen, die
Besatzung der Westerplatte unverziiglich auf ihre Normalstarke zuriickzufiihren. Der
Berichterstatter, der Britische AuBenminister Sir John Simon, bemerkte hierzu vor dem
Volkerbundsrat, daB die Polnische Regierung mit Vollendung der Riicknahme der Truppen
dem Antrag des Volkerbundskommissars entsprochen haben werde. Die Angelegenheit war
somit im Sinne Danzigs geregelt worden. ...zuriick...
16 Vgl. Nr. 22 . ...zuriick...
1 n
Danzig und Polen hatten 1925 iiber die Einrichtung einer gemischten, aus Danziger und
polnischen Staatsangehorigen bestehenden Hafenpolizei ein Abkommen getroffen, das bis
1927 gliltig war. Der durch das Abkommen herbeigefiihrte Zustand hatte nach Ablauf des
Abkommens zunachst unverandert fortgedauert, bis der Danziger Senat am 15. Februar 1933
in Verfolg des ihm im Abkommen zugestandenen Rechts der Uberpriifung der Lage die
Danziger Staatsangehorigen aus der Gemischten Hafenpolizei zuriickberief und die
Polizeigewalt im Danziger Hafen durch die Danziger Polizei ubernehmen lieB, wodurch die
Lage von 1925 wiederhergestellt wurde. ...zuriick...
Erstes Kapitel (Fo rts. )
Entwicklung der Deutsch-Polnischen Beziehungen
B. Deutschlands Bemuhen
um eine Verstandigung mit Polen, 1933 bis 1939
I. Verhandlungen
iiber ein Deutsch-Polnisches Verstandigungsabkommen
(Mai 1933 bis Januar 1934)
Nr. 26
Aufzeichnung
des Reichsministers des Auswartigen iiber eine Unterredung des Fiihrers
mit dem Polnischen Gesandten
Berlin, den 2. Mai 1933
Der Herr Reichskanzler empfing heute morgen in meiner Gegenwart den Polnischen
Gesandten, der im Auftrage seiner Regierung darauf hinwies, daB in Polen seit der
Ubernahme der Regierung durch die Nationalsozialistische Partei in Deutschland eine
wachsende Unruhe Platz gegriffen hatte, die teilweise einen panikartigen Umfang
angenommen habe. Der Gesandte betonte das Interesse Polens an einem freien Ausgang zum
Meer, das von keiner Polnischen Regierung mehr aufgegeben werden konne. Aus diesem
Grande miisse Polen sein Recht auf Danzig aufrechterhalten, und er sei beauftragt, vom Herrn
Reichskanzler eine Zusicherung zu erhalten, daB man deutscherseits nicht beabsichtige,
irgend etwas an dem jetzigen Zustand in Danzig zu andern.
Der Kanzler erwiderte Herrn Wysocki, daB er zunachst ein besonderes Recht Polens auf
Danzig zuriickweisen miisse. Wenn in Polen eine Beunruhigung bestehe, so konne er nur
sagen, daB man deutscherseits wesentlich mehr AnlaB zu einer solchen Beunruhigung habe
und sich durch die Vorgange in Oberschlesien, durch Zusammenziehung von Militar an der
Grenze, durch die Besetzung der Westerplatte in Danzig dauernd bedroht fiihle. Die Grenze
zwischen Polen und Deutschland sei durch die Kurzsichtigkeit der Staatsmanner, durch
Unverstand und durch Ubelwollen in einer Weise gezogen, daB ein ruhiges
Nebeneinanderleben der zwei Nationen, solange diese Grenzziehung bestehe, so gut wie
undenkbar sei. Er achte jede Nationalitat, und er betrachte Polen als eine Realitat, die er als
solche beriicksichtige. Allerdings verlange er, daB auch polnischerseits Deutschland als
Realitat behandelt wiirde. Wenn zur Zeit des Abschlusses des Vertrages von Versailles die
Gemliter nicht vollig verwirrt gewesen waren, so hatte polnischerseits der Errichtung eines
Korridors durch das deutsche Gebiet niemals zugestimmt werden dlirfen, denn es sei klar,
daB dadurch eine dauernde Spannung zwischen Deutschland und Polen entstehen muBte. Es
ware wesentlich kliiger gewesen, den Zugang zum Meer, von dem der Gesandte als von
einem unverauBerlichen Recht der Polen gesprochen habe, auf der anderen Seite von
OstpreuBen zu suchen. In diesem Falle wiirde wohl schon langst ein gutes Verhaltnis
zwischen Deutschland und Polen bestehen und auch die Moglichkeit einer wirtschaftlichen
Verstandigung gegeben gewesen sein. Er, der Kanzler, mochte nur wiinschen, daB die
zwischen Deutschland und Polen schwebenden politischen Fragen einmal von den
beiderseitigen Staatsmannern leidenschaftslos gepriift und behandelt wlirden. Er sei
uberzeugt, daB sich dann auch ein Aus- jmi weg aus der jetzigen unhaltbaren Lage ergeben
konnte. Deutschland wolle den Frieden. Eine gewaltsame Enteignung polnischen Gebiets
liege ihm feme. Es behalte sich aber vor, diejenigen Rechte, die ihm vertragsmaBig zustanden,
jederzeit und nach Gutdunken in Anspruch zu nehmen.
Auf Bitten des Polnischen Gesandten erklarte sich der Reichskanzler bereit, liber den
Empfang des Gesandten und die Unterredung ein Communique herauszugehen, das im
Wortlaut beigeheftet ist.—
Frhr. von Neurath
Nr. 27
Amtliches Deutsches Communique, 3. Mai 1933
Der Polnische Gesandte Herr Wysocki stattete heute dem Deutschen Reichskanzler einen
Besuch ab. Die Unterredung, bei welcher der AuBenminister Freiherr von Neurath zugegen
war, beschaftigte sich mit den schwebenden politischen Fragen, die das Verhaltnis
Deutschlands zu Polen beriihren. Der Reichskanzler betonte die feste Absicht der Deutschen
Regierung, ihre Einstellung und ihr Vorgehen strengstens im Rahmen der bestehenden
Vertrage zu halten. Der Reichskanzler sprach den Wunsch aus, daB die beiden Lander ihre
gemeinsamen Interessen beiderseits leidenschaftslos uberprufen und behandeln mochten.
Nr. 28
Amtliches Polnisches Communique, 4. Mai 1933
Die Unterredung, die am 2. d. M. der Herr Reichskanzler in Anwesenheit des Herrn
AuBenministers Freiherr von Neurath dem Polnischen Gesandten Herrn Dr. Wysocki
gewahrte und die vom Wolffschen Bureau veroffentlicht wurde, hat einen beruhigenden
EinfluB auf die deutsch-polnischen Beziehungen zur Folge gehabt.
Im Zusammenhang mit dieser Unterredung hat der AuBenminister von Polen Herr Beck den
Deutschen Gesandten in Warschau Herrn von Moltke empfangen und hervorgehoben, daB die
Polnische Regierung ihrerseits die feste Absicht hat, ihre Einstellung und ihr Vorgehen
strengstens im Rahmen der bestehenden Vertrage zu halten. Der Polnische AuBenminister
sprach weiter den Wunsch aus, daB die beiden Lander ihre gemeinsamen Interessen
beiderseits leidenschaftslos uberpriifen und behandeln mochten.
Nr. 29
Aus der Rede des Fuhrers vor dem Deutschen Reichstag,
17. Mai 1933
Die geistige Mentalitat des vergangenen Jahrhunderts, aus der man glaubte, vielleicht aus
Polen und Franzosen Deutsche machen zu konnen, ist uns genau so fremd, wie wir uns
leidenschaftlich gegen jeden umgekehrten Versuch wenden.
I45i Wir sehen die europaischen Nationen um uns als gegebene Tatsache. Franzosen, Polen
usw. sind unsere Nachbarvolker, und wir wissen, daB kein geschichtlich denkbarer Vorgang
diese Wirklichkeit andern konnte. Es ware ein Gliick flir die Welt gewesen, wenn im Vertrage
von Versailles diese Realitaten auch in bezug auf Deutschland gewiirdigt worden waren.
Denn es muBte das Ziel eines wirklich dauerhaften Vertragswerkes sein, nicht Wunden zu
reiBen oder vorhandene offenzuhalten, sondern Wunden zu schlieBen und zu heilen. Eine
iiberlegte Behandlung der europaischen Probleme hatte damals im Osten ohne weiteres eine
Losung finden konnen, die den verstandlichen Anspriichen Polens genau so wie den
naturlichen Rechten Deutschlands entgegengekommen ware. Der Vertrag von Versailles hat
diese Losung nicht gefunden. Dennoch wird keine Deutsche Regierung von sich aus den
Bruch einer Vereinbarung durchfuhren, die nicht beseitigt werden kann, ohne durch eine
bessere ersetzt zu werden.—
d
Nr. 30
Der Deutsche Gesandte in Warschau an das Auswartige Amt
Bericht
Warschau, den 30. August 1933
Priift man, was hinsichtlich einer Verbesserung der deutsch-polnischen Beziehungen
geschehen konnte, so ware ein Abbau der KampfmaBnahmen des nunmehr 8 Jahre dauernden
Zollkriegs von besonderer politischer Tragweite. DaB die Aufhebung der im Laufe dieser
Zeitspanne beiderseits ergriffenen KampfmaBnahmen nicht nur auf die weitere Ausgestaltung
der Wirtschaftsbeziehungen gunstig einwirken wiirde, sondern auch im Sinne der deutsch-
polnischen Entspannung einen starken Eindruck auf die Offentlichkeit hervorrufen wiirde,
steht auBer Zweifel.
So groB das MiBtrauen in die Absichten und Methoden des Gegners bei uns sein mag - wozu
Polen besonders auch wieder in letzter Zeit zahlreiche Anlasse gegeben hat -, halte ich doch
die Uberwindung der praktischen und psychologischen Schwierigkeiten flir moglich und
erforderlich. Der deutsch-polnische Handelskrieg, der noch im vorigen Herbst mit Recht als
ein Stellungskrieg bezeichnet werden konnte, hat in letzter Zeit wieder starker den Charakter
eines Offensivkrieges angenommen. Diese Verscharfung zu beseitigen und dariiber hinaus
wieder zu normaleren und besseren Beziehungen auf dem Gebiete des Handels zu gelangen,
wiirde - mehr als mi vieles andere - zur Entspannung der deutsch-polnischen politischen
Beziehungen, wie sie in den Verlautbarungen des Herrn Reichskanzlers programmatisch
verkundigt worden ist und auch aus der Danziger Initiative zu einer Bereinigung der
Streitfragen mit Polen- erkennbar wird, in allerstarkstem MaBe beitragen.
von Moltke
Nr. 31
Der Staatssekretar des Auswartigen Amts
an den Deutschen Gesandten in Warschau
ErlaB
Berlin, den 25. September 1933
Die Auffassung, daB im Zuge der auf eine Entspannung der deutsch-polnischen Beziehungen
hinzielenden Politik jetzt auch wirtschaftspolitische Besprechungen mit Polen wieder
angebahnt werden sollten, wird hier geteilt.
Was den materiellen Inhalt der Verhandlungen mit Polen angeht, so muBten zunachst einmal
die beiderseitigen KampfmaBnahmen abgebaut werden. Die Deutsche Regierung ist unter der
Voraussetzung einer entsprechenden Haltung der Polnischen Regierung hierzu bereit.
Wieweit dariiber hinaus durch gegenseitige Zugestandnisse, die auf polnischer Seite bei dem
dort bestehenden System der Einfuhrverbote und vielfach prohibitiven Zolle praktisch in
Einfuhr- und Zollkontingenten bestehen muBten, eine Erweiterung des auBerordentlich stark
geschrumpften beiderseitigen Handelsvolumens moglich ist, muBten die Verhandlungen
ergeben.
Ich bitte ergebenst, die Frage einer Wiederaufnahme der wirtschaftspolitischen
Besprechungen mit der Polnischen Regierung zu erortern und iiber das Ergebnis zu
berichten.-
von Btilow
Nr. 32
Der Staatssekretar des Auswartigen Amts
an den Deutschen Gesandten in Warschau
Telegramm
Berlin, den 15. November 1933
Die Unterredung des Herrn Reichskanzlers mit Herrn Lipski hat heute vormittag in
Gegenwart von Herrn von Neurath stattgefunden und ungefahr eine Stunde gedauert. Das
amtliche Communique wird durch WTB verbreitet. Dieses Communique ist mit Herrn Lipski
vereinbart worden, der auch die Genehmigung der Warschauer Regierung eingeholt hat.—
I47i Herr Lipski begann die Unterredung, indem er GriiBe von Marschall Pilsudski bestellte
und dem Wunsch des Warschaus Ausdruck verlieh, die deutsch-polnischen Beziehungen
durch unmittelbare Aussprache freundschaftlicher zu gestalten. Er hob dabei hervor, daB es
immer der Wunsch des Marschalls gewesen sei, mit Deutschland freundschaftliche
Beziehungen zu pflegen. Auf die langere Rede von Herrn Lipski erwiderte der Herr
Reichskanzler eingehend, indem er zunachst ausfuhrte, daB sein Standpunkt als
Nationalsozialist bekannt sei; er rechne mit Realitaten und betrachte den Bestand des
polnischen Staates als etwas Gegebenes. Ahnlich wie in seiner Reichstagsrede vom Mai d. J.—
hat der Herr Reichskanzler ausgefuhrt, daB er ein Gegner jeder gewaltsamen Nationalisierung
fremder Gebietsteile sei. Polen und Deutschland seien nun einmal Nachbarvolker, dieser
Tatsache mlisse Rechnung getragen werden, und es sei ein Unsinn, etwa wegen kleiner
Grenzberichtigungen einen Krieg zu fiihren. Allerdings miisse er betonen, daB durch den
Friedensvertrag von Versailles ein Zustand geschaffen worden sei, der fur Deutschland
unertraglich sei und jeden Deutschen immer schmerzen miisse. Er glaube, daB es ebensogut
moglich gewesen ware, dem Wunsche Polens auf freien Zugang zum Meere auf einem
anderen Wege zu entsprechen. Er sei Soldat gewesen, er kenne den Krieg und wisse auch, daB
ein siegreicher Krieg keinem Teil dauernd nur Vorteil bringen wiirde und, gemessen an den
Opfern, in keinem Verhaltnis stehen wiirde zu dem Gewinn. Er glaube aber, daB bei gutem
Willen und bei Schaffung einer geeigneten Atmosphare auch schwierige Fragen einer
friedlichen Losung entgegengefuhrt werden konnten. In diesem Sinne begruBe er die
Anregung Marschall Pilsudskis, und er sei seinerseits zu einer Erklarung durchaus bereit, daB
die Deutsche Regierung die Absicht habe, auf eine gewaltsame Losung der zwischen
Deutschland und Polen schwebenden Fragen zu verzichten.
Btilow
Nr. 33
Der Reichsminister des Auswartigen an den Deutschen Gesandten
in Warschau
Telegramm
Berlin, den 24. November 1933
Der Herr Reichskanzler ist mit dem Ihnen hier bereits personlich ubergebenen Entwurf einer
deutsch-polnischen Erklarung einverstanden.- Der Herr Reichskanzler ist ferner damit
einverstanden, daB Sie diesen Entwurf in einer Audienz dem Marschall Pilsudski im Namen
des Herrn Reichskanzlers iibergeben. Ich bitte Sie, sofort diese Audienz in geeigneter Form
nachzusuchen und auf schnelle Anberaumung des Termins zu drangen.
Ich bitte, bei der Audienz etwa folgendes auszufuhren: Der Herr Reichskanzler erwidere mit
bestem Dank die GriiBe des Marschalls. Er habe mit Genugtuung die Stellungnahme des
Marschalls begriiBt, dessen Ideen von ihm durchaus geteilt wiirden, wie sich aus dem
vereinbarten Pressecommunique— im ergebe. Der Reichskanzler sei der Ansicht, daB es
zweckmaBig sei, es nicht bei diesem Communique zu belassen, sondern eine Form zu finden,
welche die Gedanken und die Willensrichtung der beiden Regierungen klarer prazisiere und
einen nachhaltigeren politischen Effekt habe. Sie seien deshalb beauftragt, den Entwurf einer
Erklarung zu liberreichen, wie sie von beiden Regierungen abgegeben werden konnte, um zu
dem gewlinschten Ziele zu gelangen. Zur Begrlindung dieses Entwurfs ware weiter
auszufuhren, daB es dem Herrn Reichskanzler gut erscheine, nicht mit den hergebrachten
alten Begriffen und schon etwas abgegriffenen Formulierungen zu operieren, sondern anstatt
dessen eine Form zu wahlen, die den politischen EntschluB der beiden Regierungen
unzweideutig in Erscheinung treten lasse und auf die Offentlichkeit einen starkeren Eindruck
machen wiirde als die nicht mehr in besonderem Ansehen stehende ubliche Paktform. Dabei
ware aber zu betonen, daB die in dem Entwurf gewahlte Form nichts an dem bindenden
Charakter der Abmachungen andere, wie sich schon aus der am SchluB vorgesehenen
Ratifizierung ergabe.
Zu Ihrer Information mochte ich noch darauf hinweisen, daB die Fassung der von uns
vorgeschlagenen Erklarung in keiner Weise die Anerkennung der heutigen deutschen
Ostgrenzen in sich schlieBt, sondern im Gegenteil zum Ausdruck bringt, daB mit dieser
Erklarung eine Grundlage flir die Losung aller Probleme, also auch der territorialen Probleme,
geschaffen werden soil.
Neurath
Nr. 34
Der Deutsche Gesandte in Warschau an das Auswartige Amt
Telegramm
Warschau, den 28. November 1933
Empfang bei Marschall Pilsudski hat heute nachmittag stattgefunden. Die Unterredung, bei
der AuBenminister Beck zugegen war und die etwa \ l A Stunde dauerte, trug einen betont
freundlichen Charakter, wie liberhaupt die flir hiesige Verhaltnisse ungewohnlich schnelle
Anberaumung des Empfangs als besondere Aufmerksamkeit zu werten ist.
Der Marschall, der in Unterhaltung gern vom sachlichen Thema abschweift, um personliche
Erinnerungen, meistens militarischer Art, einzuflechten, macht einen geistig frischen,
korperlich aber liber seine Jahre hinaus gealterten und fast gebrechlichen Eindruck. Seine
Grundeinstellung zu dem erorterten Fragenkomplex war gekennzeichnet durch eine immer
wieder zum Ausdruck kommende sympathische Anerkennung der Personlichkeit des
Reichskanzlers, dessen aufrichtigen Friedenswillen er im Laufe der Unterhaltung wiederholt
unterstrich.
Ich begann die Unterredung mit Ubermittlung der GriiBe des Reichskanzlers, die Pilsudski mit
sichtlicher Befriedigung entgegennahm. Nach der weisungsgemaB erfolgten Darlegung iiber
die von uns gewahlte Form der "Erklarung" habe ich diese dem Wunsch des Marschalls
entsprechend auf deutsch vorgelesen und durch Erlauterungen in der ihm gelaufigeren
franzosischen Sprache erganzt.
1491 Pilsudski auBerte sich zustimmend zu Grundgedanken des deutschen Vorschlags. Er
billigte insbesondere, und zwar in der ihm eigenen drastischen Ausdrucksweise, die Wahl
einer neuartigen Formulierung und den ihm besonders sympathischen Verzicht auf die
verhaBten Paragraphen, lieB aber vorsichtshalber durchblicken, daB manchmal auch
althergebrachte Formen und Paragraphen ihren Wert hatten. Er erklarte, daB er naturgemaB
nicht in der Lage sei, zu Einzelheiten des Entwurfs Stellung zu nehmen, daB er aber ein
besonderes Bedenken schon jetzt hervorheben wolle, und zwar die Bezugnahme auf den
Schiedsvertrag von Locarno, der in Polen einen schlechten Klang habe. Hinsichtlich des
weiteren procedere setzte der Marschall des langeren auseinander, wem alles der Entwurf zur
Priifung und Begutachtung vorgelegt werden mlisse, und wies wiederholt darauf hin, daB
dieses Verfahren geraume Zeit in Anspruch nehmen wiirde. Im weiteren Verlauf der
Unterredung unterstrich Pilsudski den Wunsch, die deutsch-polnischen Beziehungen auch
seinerseits auf eine freundnachbarliche Basis zu bringen, betonte aber mit einer Deutlichkeit,
wie ich sie bisher von polnischen Politikern kaum gehort habe, daB sich aus der 1000 Jahre
alten Deutschfeindlichkeit des polnischen Volkes groBe Schwierigkeilen bei der
Durchfuhrung dieser Politik ergeben wiirden. Diese Politik diirfe infolgedessen nicht auf
Gefuhlsmomente, sondern nur auf Erwagungen der Vernunft aufgebaut werden. Seiner
Behauptung, daB die Verhaltnisse in Deutschland ahnlich lagen, widersprach ich und betonte
unter Hinweis auf Vorfalle der letzten Zeit die Notwendigkeit, eine planmaBige
Verstandigungspolitik einzuleiten, wie das bereits von seiten Deutschlands z. B. auf dem
Gebiet der Presse in wirksamer Weise geschehen sei. Meine Darlegungen beantwortete
Pilsudski, indem er seiner grenzenlosen Verachtung fur die Presse Ausdruck verlieh, mit der
er nichts zu tun haben wolle, gab aber zu, daB es nutzlich sei, auf die politischen
Organisationen einzuwirken.
AbschlieBend erwahnte ich den Wunsch des Reichskanzlers, auch auf wirtschaftlichem Gebiet
zu normalen Beziehungen zu gelangen. Pilsudski erwiderte, daB seinerzeit nur ein einziger
Minister im polnischen Ministerium dem Zollkrieg widersprochen habe, wahrend heute sich
wohl kaum ein Minister finden wiirde, der die Fortfuhrung dieses unseligen Krieges gutheiBe.
Allerdings sei Polen, das sich ohne jegliche Reserve durch die Wirtschaftskrise
durchgekampft habe, darauf angewiesen, einen wirtschaftlich tragbaren Ausgleich zu suchen.
Moltke
Nr. 35
Unterredung des Reichsministers des Auswartigen
mit dem Polnischen Gesandten
Aufzeichnung
Berlin, den 9. Januar 1934
Der Polnische Gesandte hat mien heute aufgesucht und hat mir einen abgeanderten Entwurf
fur eine Erklarung liber die Regelung der deutsch-polnischen Beziehungen iibergeben. Der
Gesandte hat dabei darauf hingewiesen, daB die Polnische Regierung sich bemiiht habe,
unserem Entwurf so nahe als moglich zu kommen. Er habe die Vollmacht zur Zeichnung und
sei jederzeit dazu bereit.
IM Ich erklarte Herrn Lipski, ich muBte naturlich den polnischen Entwurf zunachst
durchsehen, ehe ich zu ihm Stellung nehmen konnte, wiirde ihm aber so bald wie moglich
Mitteilung dariiber zukommen lassen, ob und welche Wunsche wir etwa noch zu auBern
hatten.
Mir scheint besonders bedenklich der Vorschlag, daB unter die Erklarung nicht solche Fragen
fallen sollen, "welche nach internationalem Recht zur ausschlieBlichen Zustandigkeit der
Staaten gehoren". Damit wird offensichtlich bezweckt, die Frage der Behandlung der
deutschen Minderheit in Polen von einer direkten Aussprache zwischen der Deutschen und
der Polnischen Regierung auszuschlieBen.
Frhr. von Neurath
Nr. 36
Aufzeichnung des Direktors der Rechtsabteilung des Auswartigen Amts
Berlin, den 22. Januar 1934
Der Polnische Gesandte sagte sich am Sonnabend, dem 20. d. M., bei mir zu einer
Fortsetzung unserer Besprechungen an. Er erzahlte, daB er inzwischen in Warschau die von
mir gestellten Fragen in seinem Ministerium und vor allem mit Marschall Pilsudski
besprochen habe.
Bei der Erorterung des polnischen Vorschlags, wonach die Erklarung sich nicht auf die zur
ausschlieBlichen Zustandigkeit der Staaten gehorenden Fragen erstrecken sollte, beantwortete
Herr Lipski meine friihere Frage dahin, daB man damit nur die Einmischung in innere
Angelegenheiten des Landes ausschlieBen wolle. In Polen hatten sich, wie er behauptete, z. B.
im letzten Jahr hier und da Bestrebungen geltend gemacht, der Behandlung der Juden in
Deutschland entgegenzutreten. Das habe die Regierung selbstverstandlich abgelehnt. Es sei
gut, in der Erklarung derartige Moglichkeiten ausdriicklich auszuschlieBen. Ich nahm Herrn
Lipski beim Wort und sagte ihm, wenn die Polnische Regierung nichts anderes bezwecke,
dann solle sie doch ihren Vorschlag auch dementsprechend formulieren, damit die
Offentlichkeit sehe, was gemeint sei. Er erklarte daraufhin, man werde sich in Warschau mit
folgender Fas sung zufriedengeben:
"Die beiden Regierungen stellen fest, daB diese Erklarung sich nicht auf solche Fragen
erstreckt, die nach internationalem Recht ausschlieBlich als innere Angelegenheiten
eines der beiden Staaten anzusehen sind."
Diese Formel hat gegenliber der alten Formel den Vorteil, daB sie die Minderheitenfrage nicht
mehr von einer eventuellen diplomatischen Besprechung zwischen Deutschland und Polen
ausschlieBt. Denn die Minderheitenfragen sind zweifellos keine Fragen, die nach
internationalem Recht ausschlieBlich als innere Angelegenheiten eines Landes angesehen
werden konnten.
Gaus
T511
Nr. 37
Erklarung der Deutschen und der Polnischen Regierung,
26. Januar 1934
Die Deutsche Regierung und die Polnische Regierung halten den Zeitpunkt fur gekommen,
um durch eine unmittelbare Verstandigung von Staat zu Staat eine neue Phase in den
politischen Beziehungen zwischen Deutschland und Polen einzuleiten. Sie haben sich deshalb
entschlossen, durch die gegenwartige Erklarung die Grundlage fur die kunftige Gestaltung
dieser Beziehungen festzulegen.
Beide Regierungen gehen von der Tatsache aus, daB die Aufrechterhaltung und Sicherung
eines dauernden Friedens zwischen ihren Landern eine wesentliche Voraussetzung flir den
allgemeinen Frieden in Europa ist. Sie sind deshalb entschlossen, ihre gegenseitigen
Beziehungen auf die im Pakt von Paris vom 27. August 1928 enthaltenen Grundsatze zu
stutzen, und wollen, insoweit das Verhaltnis zwischen Deutschland und Polen in Betracht
kommt, die Anwendung dieser Grundsatze genauer bestimmen.
Dabei stellt jede der beiden Regierungen fest, daB die von ihr bisher schon nach anderer Seite
hin iibernommenen internationalen Verpflichtungen die friedliche Entwicklung ihrer
gegenseitigen Beziehungen nicht hindern, der jetzigen Erklarung nicht widersprechen und
durch diese Erklarung nicht beriihrt werden. Sie stellen ferner fest, daB diese Erklarung sich
nicht auf solche Fragen erstreckt, die nach internationalem Recht ausschlieBlich als innere
Angelegenheiten eines der beiden Staaten anzusehen sind.
Beide Regierungen erklaren ihre Absicht, sich in den ihre gegenseitigen Beziehungen
betreffenden Fragen, welcher Art sie auch sein mogen, unmittelbar zu verstandigen. Sollten
etwa Streitfragen zwischen ihnen entstehen und sollte sich deren Bereinigung durch
unmittelbare Verhandlungen nicht erreichen lassen, so werden sie in jedem besonderen Falle
auf Grand gegenseitigen Einvernehmens eine Losung durch andere friedliche Mittel suchen,
unbeschadet der Moglichkeit, notigenfalls diejenigen Verfahrensarten zur Anwendung zu
bringen, die in den zwischen ihnen in Kraft befindlichen anderweitigen Abkommen flir
solchen Fall vorgesehen sind. Unter keinen Umstanden werden sie jedoch zum Zweck der
Austragung solcher Streitfragen zur Anwendung von Gewalt schreiten.
Die durch diese Grundsatze geschaffene Friedensgarantie wird den beiden Regierungen die
groBe Aufgabe erleichtern, flir Probleme politischer, wirtschaftlicher und kultureller Art
Losungen zu finden, die auf einem gerechten und billigen Ausgleich der beiderseitigen
Interessen beruhen.
Beide Regierungen sind der Uberzeugung, daB sich auf diese Weise die Beziehungen
zwischen ihren Landern fruchtbar entwickeln und zur Begriindung eines gutnachbarlichen
Verhaltnisses fiihren werden, das nicht nur ihren beiden Landern, sondern auch den iibrigen
Volkern Europas zum Segen gereicht.
Die gegenwartige Erklarung soil ratifiziert und die Ratifikationsurkunden sollen so bald als
moglich in Warschau ausgetauscht werden. Die Erklarung gilt fur einen Zeitraum von 10
Jahren, gerechnet vom Tage des Austausches [521 der Ratifikationsurkunden an. Falls sie nicht
von einer der beiden Regierungen 6 Monate vor Ablauf dieses Zeitraums gekiindigt wird,
bleibt sie auch weiterhin in Kraft, kann jedoch alsdann von jeder Regierung jederzeit mit einer
Frist von 6 Monaten gekiindigt werden.
Ausgefertigt in doppelter Urschrift in deutscher und polnischer Sprache.
Berlin, den 26 Januar 1934
Fur die Deutsche Regierung: Fur die Polnische Regierung:
C. Freiherr von Neurath Jozef Lipski
Nr. 38
Der Deutsche Gesandte in Warschau an das Auswartige Amt
Telegramm
Warschau, den 27. Januar 1934
AuBenminister Beck, der mich heute zu sich bat, auBerte sich dankbar und mit lebhafter
Befriedigung iiber Zustandekommen deutsch-polnischer Vereinbarung. Die Bedeutung dieses
Ereignisses, das man wohl als historisch bezeichnen konne, sei flir ihn und ganz besonders flir
den Marschall Pilsudski noch erhoht worden durch die Worte, die der Herr Reichskanzler an
den Polnischen Gesandten gerichtet habe. Der Eindruck in polnischer Offentlichkeit sei
auBerordentlich und starker, als er erwartet habe. So habe zum Beispiel Bekanntgabe in
groBtem Konzertsaal Warschaus lebhaften Applaus Publikums hervorgerufen und selbst in
der Provinz habe Zeitungsauflage verdreifacht werden mussen. Es zeige sich, daB nach
Fehlschlag von internationalen Konferenzen und Pakten eine mutige und von Fuhrerwillen
zeugende Politik starke Wirkung ausiibe, insbesondere wenn sie allgemein vorhandenem
Friedensbedurfnis Rechnung trage. Hierin liege Ansporn flir Weiterverfolgung dieser Linie.
Die Oppositionsparteien hatten sich noch nicht geauBert. Er furchte sie auch nicht und werde
in der nachsten Woche Gelegenheit nehmen, seine Politik vor dem Sejm zu vertreten.
Die Aufnahme in der Weltoffentlichkeit sei, soweit ihm bisher Nachrichten vorlagen,
durchweg gunstig. Insbesondere begruBe er das diesbeziigliche Havas-Comniunique, das ihm
AnlaB gegeben habe, den Polnischen Botschafter in Paris zu beauftragen, der Franzosischen
Regierang Dank auszusprechen.
Moltke
Attmcttuitigen:
ii
Vgl. Nr. 27 . .. .zuriick.
19 Den gleichen Gedanken hat der Fiihrer in seiner Rede im Berliner Sportpalast vom 24.
Oktober 1933 folgendermaBen entwickelt:
"So wie man wirtschaftlich sinnlos handelte, handelte man auch politisch sinnlos. Nur ein
einziges Beispiel: Zwischen Polen und Deutschland wird der Korridor gelegt. Es hatte sich
damals eine andere Losung finden lassen. Es gibt in Europa Deutsche, es gibt in Europa
Polen. Die beiden werden sich daran gewohnen miissen, nebeneinander und miteinander zu
leben und auszukommen. Weder konnen die Polen das deutsche Volk aus der europaischen
Landkarte wegdenken, noch sind wir unverstandig genug, um etwa die Polen wegdenken zu
wollen. Wir wissen, beide sind da, sie miissen miteinander leben. Warum legt man ihnen dann
einen Zankapfel in ihr Leben hinein? Alles vermochten die Machte damals. Warum muBten
sie das tun? Nur um HaB zu verewigen, nur um Volker, die miteinander auskommen wiirden,
in Zwietracht zu sturzen. Es ware wirklich moglich gewesen, einen anderen Weg zu finden,
um beiden Landern Gerechtigkeit widerfahren zu lassen." .. .zuruck...
20 Vgl. Nr. 179 , Anm. T1261 . ...zuruck...
7 1
Die Verhandlungen wurden bereits Anfang Oktober aufgenommen und fuhrten am 7. Marz
1934 zur Unterzeichnung des "Zollfriedensprotokolls". ...zuriick...
77
Das Communique hat folgenden Wortlaut:
"Der Reichskanzler empfing heute vormittag den Polnischen Gesandten, der ihm seinen
Antrittsbesuch machte. Die Aussprache iiber die deutsch-polnischen Beziehungen ergab voile
Ubereinstimmung beider Regierungen in der Absicht, die die beiden Lander beriihrenden
Fragen auf dem Wege unmittelbarer Verhandlungen in Angriff zu nehmen und in ihrem
Verhaltnis zueinander auf jede Anwendung von Gewalt zu verzichten." ... zuriick. ..
23 Vgl. Nr. 29 . ..■zuruck...
74
Es handelt sich um einen Vorentwurf der unter Nr. 37 abgedruckten Erklarung vom 26.
Januar 1934. ...zuriick...
25 Vgl. Nr. 32 , Anm. T221 . ...zuriick..
Erstes Kapitel (Fo rts. )
Entwicklung der Deutsch-Polnischen Beziehungen
B. Deutschlands Bemuhen
um eine Verstandigung mit Polen, 1933 bis
1939
II. Keine Besserung der Lage der Deutschen Volksgruppe
durch die Deutsch-Polnische Verstandigungspolitik
(November 1933 bis August 1934)
Nr. 39
Der Deutsche Konsul in Thorn
an das Auswartige Amt
Telegramm
Thorn, den 25. November 1933
Anm. d. Scriptorium:
Eine noch mehr ins
Einzelne gehende
Dokumentation der
Lage der
Volksdeutschen in
Polen als die in den
folgenden Kapiteln
gegebene finden Sie in
dem Buch Die
deutsche Volksgruppe
in Polen 1934-39.
Deutsche Wahlversammlung Graudenz Montag 20. 11. wurde
gestort durch angeblich bezahlte Elemente, als Generalsekretar deutscher Volksgruppe liber
deutsch-polnische Verstandigung sprach. Dieselben Elemente sind Urheber blutigen
Zwischenfalls am Donnerstag.
Donnerstag stattfand in Loge Sitzung Vertrauensmanner fur deutsche Liste bei
Stadtverordnetenwahlen. Gegen 21 Uhr erschienen erwahnte Elemente, die Anwesende mit
Bierkriigen bewarfen und verletzten. Gegen 23 Uhr forderte die Polizei Anwesende zum
Heimgehen auf. Alteste Versammlungsteilnehmer konnten unbehelligt heimkehren. Jiingere
verlieBen Loge gegen 24 Uhr geschlossen, begleitet von etwa sechs Polizisten. Diese leiteten
Versammlungsteilnehmer in dunkle Seitengasse, wo Angriff besagter Elemente erfolgte.
Mehr als zwolf Verletzte, wovon einer auf Transport gestorben, ein anderer in Lebensgefahr.
Laut Angabe Gewahrsleute besteht begriindeter Verdacht, daB Angreifer Schutzen-Verband
angehoren und von Regierungspartei gedungen sind.
In Vertretung
Hoops
Nr. 40
Der Deutsche Gesandte in Warschau an das Auswartige Amt
Bericht
Warschau, den 29. November 1933
Ich habe in einer Unterredung, die ich aus anderem AnlaB mit dem AuBenminister hatte,
Gelegenheit genommen, diesen auf die Graudenzer Ausschreitungen- anzusprechen. Ich
verwies ihn insbesondere auf die starke Erregung, die hieriiber in der deutschen Offentlichkeit
entstanden sei, wodurch die erfreuliche Besserung der Atmosphare wieder gefahrdet wiirde.
Herr Beck erwiderte, daB er diese Vorfalle ebenfalls bedauere. Im ubrigen versuchte er, die
Ausschreitungen mit der bei Wahlen in alien Landern zu konstatierenden Aufpeitschung der
politischen Leidenschaften zu entschuldigen. Erst mein Hinweis auf die antideutsche
Propagandawoche des Westmarkenvereins und den Kontrast, der zwischen solchen
unzeitgemaBen Kundgebungen mi und den beiderseitigen Regierungserklarungen besteht,
veranlaBte den AuBenminister zu der Erklarung, daB energische MaBnahmen gegen die Tater
ergriffen werden wiirden und daB er sich mit dem Minister des Innern in Verbindung setzen
wolle, um der Verhetzung entgegenzuwirken.
Ich darf bitten, die Tatsache meiner Intervention in dieser Angelegenheit nicht in der Presse
zu verwerten, da es ohnehin schon groBe Schwierigkeiten bereitet, Minderheitsfragen hier
offiziell zur Sprache zu bringen und eine Veroffentlichung noch weiter erschwerend wirken
wiirde.
von Moltke
Nr. 41
Der Deutsche Gesandte in Warschau an das Auswartige Amt
Bericht
Warschau, den 28. Dezember 1933
Der Prasident der Gemischten Kommission in Kattowitz, Prasident Calonder, hat sich kurz
vor Weihnachten zwei Tage lang in Warschau aufgehalten, um nach verhaltnismaBig langer
Zeit wieder einmal den Kontakt mit der Polnischen Regierung aufzunehmen. Bei einem
groBeren Diner, das von dem Unterstaatssekretar Graf Szembek am Abend veranstaltet wurde,
bin ich als einziger auswartiger Vertreter zugezogen gewesen, eine Aufmerksamkeit, die
immerhin im Rahmen der gegenwartigen Verstandigungspolitik eine gewisse Beachtung
verdient. Ich hatte nach dem Essen Gelegenheit zu einer langeren Unterhaltung mit Prasident
Calonder. Er erklarte, von seiner Unterredung mit AuBenminister Beck sehr befriedigt zu sein,
wenn er auch den Eindruck nicht los werden konne, daB diesem bei seinem starken
Selbstandigkeitsdrang jede internationale Kontrolle auBerst zuwider sei. Immerhin wiirden die
Dinge in Oberschlesien wesentlich besser liegen, wenn auch dort die Beckschen
Auffassungen iiber die Behandlung der Minderheit geteilt wiirden. Leider sei dies aber
keineswegs der Fall und zu seinem groBen Bedauern miisse er feststellen, daB auch die
erfreulicherweise von Deutschland und Polen verfolgte Politik der Verstandigung in dieser
Hinsicht noch keinerlei Besserung gebracht habe. Er habe sogar den Eindruck, daB die
Provinzialbehorden sich gegen diesen Verstandigungsgedanken innerlich auflehnten und daB
sie versuchten, durch scharfes Vorgehen gegen die Minderheit ein Gegengewicht gegen die
Warschauer Politik zu schaffen oder aberfaits accomplis herzustellen, fur den Fall, daB die
Verstandigungspolitik wirklich Fortschritte mache.
Auf meine Frage, ob er mit der Entwicklung, die die Dinge in Deutsch-Oberschlesien
genommen hatten, zufrieden sei, antwortete Prasident Calonder, daB er im Fruhjahr groBe
Sorge gehabt habe, daB aber inzwischen eine ganz wesentliche Besserung eingetreten sei, so
daB er in dem deutschen Teil seines Bezirkes, abgesehen von einigen kleineren Fragen, kaum
AnlaB zu irgendeiner Beanstandung habe. Im ubrigen freue er sich ganz besonders darauf,
Anfang Januar dem Herrn Reichskanzler, flir dessen geniale Politik er aufrichtige
Bewunderung habe, seinen Besuch machen zu konnen.
von Moltke
T551
Nr. 42
Der Deutsche Konsul in Thorn an das Auswartige Amt
Bericht
Thorn, den 31. Marz 1934
Die nach AbschluB des Zehnjahrespaktes veroffentlichte neue Namensliste zur Agrarreform
1934 ist ein deutlicher Beweis dafiir, daB seit dem AbschluB des Verstandigungsabkommens,
abgesehen von einigen auBeren Zeichen einer Besserung der Atmosphare, alles beim alten
geblieben ist. In dieser Liste sind 1 1 Giiter, davon 10 deutsche, aufgefiihrt. In Hektar
ausgedriickt, entfallen von den beanspruchten 1,475 ha rand 1,032 auf deutschstammigen
Besitz. 8 von diesen 10 Giitern haben bereits auf friiheren Namenslisten gestanden, 5 davon
haben keine Zuschlage- erhalten und sind infolgedessen so reduziert, daB sie nicht mehr
lebensfahig erscheinen. Alle 10 Giiter standen und stehen wirtschaftlich sehr gut, was von den
danebenliegenden polnischen Giitern nicht gesagt werden kann. Trotzdem erhalten letztere
noch Zuschlage. Das rigorose polnische Vorgehen verstoBt nicht nur offen gegen den Geist
des Zehnjahrespaktes, sondern entspricht auch nicht dem Wunsche des Volkerbundes, der
seinerzeit in Genf die Wiedergutmachung der seitherigen polnischen AgrarmaBnahmen
forderte.
von Kuchler
Nr. 43
Der Deutsche Generalkonsul in Kattowitz an das Auswartige Amt
Bericht
Kattowitz, den 15. April 1934
Am 13. April 1934 fand in Antonienhutte - Ostoberschlesien - ein Protestumzug des
Aufstandischen-, des Schutzen- und des Reservistenverbandes unter Beteiligung von etwa 500
Personen gegen die deutsche Minderheit und die deutschen Verbande statt. Zwei
Polizeibeamte begleiten den Umzug. Wahrend des Umzuges, der sich durch samtliche StraBen
in Antonienhutte bewegte, spielte die Reservistenkapelle. Es wurden polnische Lieder
gesungen. In den StraBen, in denen deutsche Minderheitsangehorige wohnen, wurden von
mehreren Umzugsteilnehmern, die mit Pistolen bewaffnet waren, etwa 25 bis 30 Schusse
abgegeben. Von den Sprechchoren wurde folgendes ausgerufen: "Nieder mit den deutschen
Minderheitsschulen und Verbanden! Es lebe die polnische Schule, nieder mit dem
Verstandigungspakt!". Gegen 21 Uhr loste sich der Umzug vor dem Rathaus auf. Nach dem
Umzug wurden mehrere deutsche Minderheitsangehorige von den Aufstandischen auf der
StraBe belastigt und bedroht.
In Vertretung
Quiring
1561
Nr. 44
Der Deutsche Generalkonsul in Kattowitz an das Auswartige Amt
Bericht
Kattowitz, den 28. April 1934
Die in der Anlage des Erlasses vom 25. April enthaltenen Angaben liber polnische
MaBnahmen zwecks Bekampfung der Minderheitsschule- stellen nur einen kleinen
Ausschnitt aus dem Bild mehr oder minder offenen Terrors dar, der gegenwartig anlaBlich der
Schulanmeldungen gegen die deutsche Minderheitsschule in Polnisch-Oberschlesien ausgeiibt
wird. Ein Abflauen dieser von den verschiedensten polnischen Verbanden betriebenen
Agitation gegeniiber den Vorjahren ist bisher nicht festzustellen, vielmehr werden auch in
diesem Jahr erneut alle Register wirtschaftlicher und moralischer Bedriickung gezogen, um
die Erziehungsberechtigten von der An- bzw. Ummeldung ihrer Kinder in die
Minderheitsschule abzuhalten. Eine Auswirkung der Verstandigungspolitik ist hier jedenfalls
noch nicht festzustellen.
In Vertretung
Quiring
Nr. 45
Der Deutsche Konsul in Thorn an das Auswartige Amt
Bericht
Thorn, den 28. April 1934
Das Konzert des Dresdner Streichquartetts, das Freitag in Thorn stattfinden sollte, muBte
abgesagt werden, da die Kunstler die Einreisegenehmigung nicht erhalten haben. Die
Deutsche Rundschau (Bromberg) schreibt dazu: "In Berlin ist kurzlich der polnische Tenor
Jan Kiepura begeistert gefeiert worden. Der Reichskanzler und der Reichspropagandaminister
empfingen den polnischen Tenor in ihren Logen. Wo bleibt die gegenseitige Verstandigung?"
von Kuchler
Nr. 46
Der Deutsche Konsul in Thorn an das Auswartige Amt
Bericht
Thorn, den 28. Juni 1934
Ich hatte wiederholt Gelegenheit zu berichten, daB der Zehnjahrespakt zwischen Deutschland
und Polen zwar nach auBen hin eine gewisse Entspannung gebracht habe, daB aber im ubrigen
im Verhaltnis Polens zu Deutschland, insbesondere was die Behandlung der Minderheit
anlangt, in diesem Gebiet keine Anderung zu verspuren sei.
I57i Dies zeigt sich auch auf dem Gebiet der Schule. So wurde kiirzlich der in Thorn an dem
einzigen staatlichen Gymnasium mit deutscher Unterrichtssprache tatige Oberlehrer Paul
Brien in den Ruhestand versetzt. Wie ich festgestellt habe, waren keine padagogischen
Grunde fur die Entlassung maBgebend. Sie liegt vielmehr im Zuge der polnischen
Bestrebungen, dieses alte deutsche Gymnasium allmahlich in ein polnisches umzuwandeln.
Ein deutscher Lehrer nach dem anderen ist hier durch einen polnischen ersetzt worden. Aber
man hatte gehofft, daB dieser zielbewuBte UmwandlungsprozeB nach dem Zehnjahrespakt
eingestellt werden wiirde. Mit der Abberufung des Oberlehrers Brien wird das Kollegium
nunmehr aus neun polnischen und drei deutschen Lehrern bestehen. Unter diesen Umstanden
kann das Gymnasium nicht mehr als eine deutsche Lehranstalt angesehen werden.
von Kuchler
Nr. 47
Der Deutsche Generalkonsul in Kattowitz an das Auswartige Amt
Telegramm
Kattowitz, den 1. August 1934
Auf Mitgliederversammlung des Deutschen Volksbundes hielt dessen Prasident, Prinz von
PleB, programmatische Rede, in der er sich mit gegenwartigem deutsch-polnischen Verhaltnis
und seinen Auswirkungen auf die Lage der Minderheiten beschaftigte. Der Prinz erklarte, wer
an deutsch-polnische Verhandlungen Hoffnungen auf sofortige Besserung der Lage gekniipft
hatte, muBte enttauscht werden, denn seit Jahren bestehende Gegensatze verschwanden nicht
von heute auf morgen; aber niemand hatte damit rechnen konnen, daB statt Verbesserung
weitere Verscharfung der Lage der deutschen Volksgruppe eintreten wiirde. Verscharfung
lage vor allem in zunehmender Entlassung deutscher Arbeiter, die damit ihrer
Lebensgrundlage beraubt wiirden.
Noldeke
AniircckuiKjen:
26 Vgl. Nr. 39 . ...zuruck...
Den Grandbesitzern konnten nach dem polnischen Agrargesetz bei der Parzellierung unter
gewissen Voraussetzungen auch liber die Normalgrenze hinausgehende Flachen belassen
werden ("Zuschlage" zur Normalflache). ...zuruck...
Die Anlage enthalt Angaben iiber Einschiichterungsversuche und TerrormaBnahmen Eltern,
die ihre Kinder flir die deutsche Minderheitsschule angemeldet hatten. ...zuruck...
Erstes Kapitel (Fo rts. )
Entwicklung der Deutsch-Polnischen Beziehungen
B. Deutschlands Bemuhen
um eine Verstandigung mit Polen, 1933 bis 1939
III. Polen entzieht sich der Minderheitenkontrolle
des Volkerbundes
(September bis November 1934)
Nr. 48
Der Deutsche Konsul in Genf an das Auswartige Amt
Telegramm
Genf, den 7. September 1934
Aus der gestrigen Unterredung mit einem hohen Beamten Volkerbundssekretariats iiber
polnischen Minderheiten-Antrag ist folgendes bemerkenswert:
1. Nach Auffassung Sekretariats besteht keine Aussicht, daB Polens Antrag
Verallgemeinerung des Minderheitenschutzes durchdringt, weil sowohl GroBmachte wie
andere Staaten dagegen sind.
2. Auch Aussichten dafiir, daB Polen daraufhin nach Ablehnung Generalisierung des
Minderheitenschutzes mit Erfolg Forderung nach Befreiung der ihm auferlegten
Minderheitenschutz-Bestimmungen stellen konnte, sind nach Auffassung Sekretariats gering.
An sich konnte Polen unter Hinweis auf einseitige Belastung mit Minderheitenschutz-
Bestimmungen und insbesondere darauf, daB, wie zu erwarten, RuBland bei Eintritt in den
Volkerbund keine Auflagen in dieser Beziehung gemacht werden, nach Artikel 12 des
polnischen Minderheiten-Vertrages- Abanderung der Minderheiten-Vorschriften verlangen,
die unter Umstanden ganzlicher Abschaffung gleichkame, wozu nach Bestimmungen Artikels
einfache Ratsmehrheit geniigt. Diesem Versuch wiirde jedoch von GroBmachten
entgegengehalten werden konnen, daB Minderheitenschutz Voraussetzung flir Zuteilung
groBer Gebiete an Polen und Kleine Entente gewesen sei und daB durch Aufhebung
Minderheitenschutz-Vertrage Gesamtrevisionsfrage angeschnitten wiirde. Nach Auffassung
Sekretariats sind sowohl Kleine Entente als Griechenland polnischer Initiative durchaus
abgeneigt, da sie sich in ahnlicher Lage bezuglich Verbindung von Minderheiten- und
Territorial-Fragen befinden.
Krauel
Nr. 49
Aufzeichnung eines Beamten der Politischen Abteilung
des Auswartigen Amts
Berlin, den 13. September 1934
Konsul Krauel telephoniert soeben aus Genf:
Beck habe soeben in der Bundesversammlung eine Rede gehalten, die nahezu ausschlieBlich
der Minderheitenfrage gewidmet war und in der er ausflihrte, Polen mliBte auf
Generalisierung der Minderheitenverpflichtungen bestehen; 1221 er hatte jedoch gehort, daB
verschiedene Staaten sich ablehnend verhalten wiirden. Er sehe sich deshalb gezwungen,
mitzuteilen, daB Polen in Zukunft jede Zusammenarbeit mit den internationalen Organen bei
der Kontrolle der Durchflihrung des Minderheitenschutzsystemes durch Polen verweigern
wiirde.-
von Kamphoevener
Nr. 50
Aufzeichnung des Staatssekretars des Auswartigen Amts
Berlin, den 13. September 1934
Der Polnische Gesandte sagte sich heute nachmittag dringend bei mir an und war um 3/4 7
Uhr bei mir. Er hat ein Telegramm des AuBenministers Beck erhalten, mit dem Auftrag, uns
eine Erklarung liber die in Genf durch Herrn Beck erfolgte Aufkundigung des
Minderheitenvertrages abzugeben. Der Gesandte sei beauftragt, uns mitzuteilen, daB dieser
Schritt, von dem wir wohl durch die Presse bereits unterrichtet seien, die Beziehungen der
Polnischen Regierung zu den deutschen Minderheiten in keiner Weise andere, und daB die
polnischen Gesetze in bezug auf die Minderheiten und deren Gleichberechtigung im
polnischen Staat aufrechterhalten blieben.
Ich sagte dem Polnischen Gesandten, ich nahme von seinen Erklarungen Kenntnis, miisse
aber gleich bemerken, daB der zweite Teil der Erklarung uns nicht befriedigen konne, denn
zahllose Beschwerden der deutschen Minderheiten in Polen und eine endlose Reihe von
Prozessen hatten bewiesen, daB die polnischen Gesetze in bezug auf die Minderheiten
praktisch nicht ausreichen. Infolgedessen mliBte ich die Stellungnahme der Reichsregierung
vorbehalten. mi Der Gesandte erwiderte, die Erklarung des Ministers Beck sei eine
Fortflihrung der vor zwei Jahren eingeleiteten Politik, die auf eine Verallgemeinerung der
Minderheitenverpflichtungen hinziele. Polen konne sich eine Deklassierung nicht langer
gefallen lassen.
Ich sagte dem Gesandten, die Erklarung Herrn Becks sei fur uns eine Uberraschung. Aus der
Presse entnahme ich, daB der Polnische AuBenminister die Stellungnahme der Machte zu
seinem vor kurzem eingebrachten neuen Antrage beziiglich eines allgemeinen
Minderheitenabkommens nicht abgewartet habe. Was uns anlange, so habe die Deutsche
Regierung im vorigen Jahr erklart, daB sie si omnes grundsatzlich bereit sei, ein allgemeines
Minderheitenabkommen zu schlieBen. Hinsichtlich der Deklassierung konne ich seinen
Gedankengangen nicht folgen, denn die besondere Auflage, die Polen und den anderen
Staaten in bezug auf die Minderheiten auferlegt wurden, sei das Gegenstuck zu der fur die
unterlegenen Machte besonders ungunstigen Grenzziehung der Pariser Friedenskonferenz. Ich
erinnerte ihn an die Note die Clemenceau am 24. Juni 1919 an den damaligen Polnischen
Ministerprasidenten Paderewski- gerichtet hat. Der Polnische Gesandte hatte hierauf nichts
mehr zu erwidern.
von Billow
Nr. 51
Der Staatssekretar des Auswartigen Amts
an den Deutschen Gesandten in Warschau
Telegramm
Berlin, den 15. September 1934
Polnischer Schritt in Minderheitenfrage wird hier wie folgt beurteilt:
Obwohl Herr Beck formell nicht den Minderheitenvertrag als solchen gekiindigt, sondern nur
die weitere Zusammenarbeit mit den internationalen Organen abgelehnt hat, lauft sein Schritt
praktisch auf Lahmlegung Minderheitenschutzsystems hinaus.
Minderheitenschutzbestimmungen sind in Vertragen von 1919 zum Erganzungsstuck
damaliger territorialer Regelungen gemacht worden. Dies gilt insbesondere fur deutsch-
polnische Grenze, wie sich aus Artikel 93 Versailler Vertrages, Praambel
Minderheitenschutzvertrages und bekannten Brief Clemenceaus an Paderewski vom 24. Juni
1919- ergibt. Verpflichtung zu Minderheitenschutz war Gegenleistung neuer Staaten fur den
Erwerb neuer Gebiete, so daB mit Annullierung dieser Gegenleistung im Grunde die gesamten
Territorialfragen neu aufgeworfen werden.
Wir haben die Garantie des Volkerbundes fur den Minderheitenschutz praktisch schon langst
als fiir uns wertlos erkannt und haben auf Ausnutzung dieser Garantie durch unseren Austritt
aus dem Volkerbund verzichtet. Das andert aber nichts an der prinzipiellen Bedeutung des
polnischen Schrittes und an seinem Zusammenhang mit den territorialen Fragen.
Den Hauptton werden wir unter diesen Umstanden auf die Tatsache zu legen haben, daB der
Volkerbund, der schon in der Abriistungsfrage vollkommen versagt hat, nun auch in der
wichtigen Minderheitenfrage den Boden unter mi den FiiBen verliert. Wir werden mit groBter
Aufmerksamkeit verfolgen, wie sich der Volkerbund und wie sich vor allem die friiheren
Alliierten Hauptmachte als Signatare der Minderheitenschutzvertrage zu dem Problem stellen
und ihrer Verantwortlichkeit gerecht werden. Die in Genf von Simon und Barthou
abgegebenen Erklarungen klingen zwar sehr energisch, schlieBen aber doch nicht aus, daB es
sich hierbei nur urn einen Theaterdonner handelt, und daB der Volkerbund nach den
bekannten Genfer Gepflogenheiten sich schlieBlich doch in irgendeiner Form mit dem von
Polen geschaffenen/a/? accompli abfindet. Gegenliber solchen Moglichkeiten mlissen wir
fortdauernd versuchen, die Verantwortung des Volkerbundes und der Signatarmachte fiir die
Zukunft festzunageln.
AusschlieBlich zur personlichen Information bemerke ich noch:
Am 13. d. M. hat mir der Polnische Gesandte im Auftrage seines Ministers erklart, daB die
Beziehungen der Polnischen Regierung zu den deutschen Minderheiten durch den Genfer
Schritt in keiner Weise eine Anderung erfahren und daB die polnischen Gesetze bezuglich der
Minderheiten und deren Gleichberechtigung im polnischen Staat aufrechterhalten blieben. Ich
erwiderte, daB diese Erklarung uns nicht geniigen konne, da nach unseren praktischen
Erfahrungen in der Schutzfrage deutscher Minderheiten in Polen die polnischen Gesetze sich
in dieser Hinsicht als unzureichend erwiesen hatten.
Ich habe die Erklarungen des Gesandten unter ausdrucklichem Vorbehalt einer Stellungnahme
der Reichsregierung entgegengenommen, dabei aber schon in der oben angedeuteten Weise
auf den Zusammenhang des Minderheitenschutzes mit der Territorialfrage und auf die ernste
Bedeutung des polnischen Schrittes hingewiesen.
Btilow
Nr. 52
Der Reichsminister des Auswartigen an den Deutschen Botschafter
in Warschau
ErlaB
Berlin, den 14. November 1934
Der VorstoB der Polnischen Regierung in Genf, wonach sie bis zum Inkrafttreten des von ihr
beantragten allgemeinen internationalen Minderheitenschutz-Systems jede Zusammenarbeit
mit internationalen Organisationen ablehnt, lauft praktisch auf die AuBerkraftsetzung des
Minderheitenschutzvertrages hinaus. Es besteht deshalb die Gefahr, daB die Servitut, mit der
im Jahre 1919 die Abtretung deutscher Gebietsteile belastet worden ist, beseitigt wird, und
daB sich damit der ganze Stand der ostlichen Grenzfragen zu Ungunsten Deutschlands
wesentlich verschlechtert. Die einseitige Abanderung des bisher bestehenden Zustandes durch
Polen kann daher von uns nicht einfach stillschweigend hingenommen werden. Ein solches
Stillschweigen konnte nur als eine Anerkennung des durch den polnischen VorstoB
geschaffenen Zustands ausgelegt werden. Uberdies erfordert auch die bedrangte Lage der
deutschen Minderheit in Polen einen positiven Schritt der Reichsregierung gegenliber der
Polnischen Regierung.
I62i Unter Bezugnahme auf die mundliche Besprechung der Angelegenheit wahrend Ihres
letzten Besuches in Berlin bitte ich Sie daher, die Frage bei dem AuBenminister Herrn Beck
baldmoglichst im Sinne der nachstehenden Ausfuhrungen zur Sprache zu bringen.
1. Die Deutsche Regierung sei der Ansicht, daB es angebracht sei, mit der Polnischen
Regierung offen und vertrauensvoll eine Frage zu besprechen, die, wenn sie unerortert und im
Unklaren bliebe, leicht einmal zu MiBverstandnissen und zu einer Stoning der so
aussichtsreich begonnenen Neugestaltung der deutsch-polnischen Beziehungen fiihren konne.
Das sei die Lage, die in der Minderheitenfrage durch den VorstoB der Polnischen Regierung
in Genf geschaffen worden sei.
2. Die Polnische Regierung habe es ja dankenswerterweise auch ihrerseits flir richtig gehalten,
sich wegen dieses VorstoBes mit der Deutschen Regierung in Verbindung zu setzen, indem
sie alsbald nach der Genfer Tagung durch Herrn Lipski dem Staatssekretar von Biilow habe
mitteilen lassen, daB die deutsche Minderheit in Polen auch weiterhin grundsatzlich die
Gleichberechtigung genieBen werde. Durch diese Mitteilung werde aber die Situation noch
nicht ausreichend geklart. Herr von Biilow habe deshalb bei der Unterredung die
Stellungnahme der Deutschen Regierung vorbehalten.-
3. Sie seien beauftragt, vorweg festzustellen, daB es nicht etwa unsere Absicht sei, den von
Polen gegen die Mitwirkung des Volkerbundes in Minderheitenfragen gemachten VorstoB als
solchen zum Gegenstand der Erorterung zu machen und die Behandlung dieser Fragen wieder
auf das internationale Gleis zu schieben. Wir konnten uns an der Mitwirkung des
Volkerbundes desinteressieren, weil wir sie langst als wertlos erkannt hatten. AuBerdem sei es
ja aber einer der wichtigsten Zwecke der deutsch-polnischen Vereinbarung vom Januar d. J.,
deutsch-polnische Fragen nicht vor internationalen Instanzen, sondern im unmittelbaren
Gedankenaustausch zu erortern. Wir hatten auch Verstandnis dafiir, daB sich Polen durch ein
internationales Kontrollverfahren beeintrachtigt fiihle.
4. Das andere aber nichts an dem Faktum, daB in den vom Reich an Polen abgetretenen
Gebieten eine groBe Zahl von Menschen deutschen Stammes lebe, und daB die diesen
Menschen zugesicherten Minderheitsrechte ein integrierender Bestandteil der Gesamtregelung
von 1919 seien. An dem Schicksal dieser Bevolkerungsteile konne sich Deutschland
unmoglich desinteressieren. Ein solches Desinteressement wiirde im deutschen Volk keinerlei
Verstandnis finden. Die deutsche Presse habe zwar auf Wunsch der Reichsregierung im
Interesse der deutsch-polnischen Beziehungen in der letzten Zeit die Lage der deutschen
Minderheit in Polen nur wenig erortert; das diirfe aber nicht dariiber hinwegtauschen, daB uns
das Schicksal der deutschen Volksgenossen und ihre Behandlung durch Staat und Volk in
Polen nicht gleichgultig sein konne.
5. Dies prinzipiell zum Ausdruck zu bringen, sei der Zweck Ihres Schrittes. Um jeder
etwaigen MiBdeutung dieses Schrittes vorzubeugen, seien Sie ermachtigt zu erklaren, daB die
Deutsche Regierung nicht daran denke, ihr Eintreten flir die deutsche Minderheit in Polen in
der einen oder anderen Weise zum Hebel flir eine Aufrollung von Grenzfragen zu machen.
Wir hofften, daB die Polnische Regierung diese Erklarung gebuhrend wiirdige. Durch sie und
durch unser Desinteressement an der Frage einer Volkerbundskontrolle wiirden von uns
Voraussetzungen geschaffen, die es ermoglichten, daB Fragen der deutschen Minderheiten
zwischen Deutschland und Polen ebenso unbefangen m\ und sachlich erortert wiirden, wie das
z. B. zwischen Deutschland und Ungarn geschehe. Der Erorterung sei auf diese Weise von
vornherein jede denkbare Scharfe genommen. Andererseits aber werde so verhutet, daB das
zwischen den beiden Staaten nun einmal bestehende Problem sich eines Tages zu einem
Storungsfaktor in der Entwicklung ihrer Beziehungen auswachse.
6. Wenn es Ihnen auch bei der ersten Unterredung hauptsachlich auf die grundsatzliche Seite
der Sache ankomme, mochten Sie die Gelegenheit doch nicht voriibergehen lassen, ohne
darauf hinzuweisen, daB gerade in letzter Zeit sehr viele Beschwerden der deutschen
Minderheit in Polen bekanntgeworden seien, die doch bewiesen, daB die polnischen Gesetze
nicht ausreichten und daB die Praxis der polnischen Behorden den von der Polnischen
Regierung uns mitgeteilten Absichten nicht entspreche.
Sollte Herr Beck in der Weise auszuweichen suchen, daB er zwar, ahnlich wie Herr Lipski,
gute Behandlung der Minderheit zusichert, dabei aber betont, daB das ganze Problem
ausschlieBlich Sache der polnischen Autonomic sei, so bitte ich ihm zu sagen, daB es uns
nicht so sehr darauf ankomme, auf Grand welcher Art von Bestimmungen - d. h. ob auf
Grand internationaler Vertragsbestimmungen oder auf Grand autonomer polnischer
Gesetzesvorschriften - die Minderheit gut behandelt wiirde, sondern darauf, daB sie gut
behandelt wiirde.
Sollte Herr Beck im Laufe des Gesprachs die Rede auf das Problem der polnischen
Minderheit im Reich bringen, so bitte ich darauf hinzuweisen, daB diese Frage doch auf einer
anderen Ebene liege. Eine Vergleichsmoglichkeit sei schon deshalb nicht gegeben, weil die
Lage der polnischen Minderheit im Reich sich durch das freiwillige Entgegenkommen
deutscherseits auf einer ansteigenden Linie entwickelt habe, wahrend im Laufe der Jahre bei
der deutschen Minderheit in Polen leider eine zunehmende Verschlechterung habe festgestellt
werden mussen. Getreu der wiederholten Erklarung des Fuhrers und Reichskanzlers, wonach
beim deutschen Volk die Achtung vor fremdem Volkstum der Liebe zum eigenen Volk zur
Seite stehe, habe gerade der nationalsozialistische Staat diese seine Anschauung gegeniiber
den im Reich lebenden Angehorigen polnischen Volkstums in die Praxis umgesetzt.
Einem Bericht liber die Ausfuhrung dieses Erlasses und die Aufnahme Ihres Schrittes sehe ich
mit besonderem Interesse entgegen.
Frhr. von Neurath
Nr. 53
Der Deutsche Botschafter in Warschau an das Auswartige Amt
Bericht
Warschau, den 19. November 1934
Ich habe heute den VorstoB der Polnischen Regierung in der Frage der Minderheit
weisungsgemaB bei dem AuBenminister Herrn Beck zur Sprache gebracht. Dabei habe ich
unseren Wunsch nach einer Vertiefung der deutsch-polnischen Beziehungen unterstrichen und
hervorgehoben, daB auch die gegenwartige Demarche letzten Endes diesem Ziele diene. In
diesem Zusammenhang habe ich u. a. auch zu erkennen gegeben, daB der Fiihrer und
Reichskanzler flir die Frage ein besonderes Interesse bekundet hat. Als Petitum habe ich im
AnschluB an den Hinweis auf die ungunstige Lage der deutschen Minderheit die Bitte
ausgesprochen, durch nachdriickliche Weisung an die untergeord- iml neten Organe dafiir zu
sorgen, daB die praktische Behandlung der Minderheit mit dem Geiste in Einklang gebracht
wiirde, der unserer Verstandigungspolitik entspricht.
Herr Beck, der bei keinem Punkte meiner Darlegungen ein besonderes Erstaunen oder Unruhe
zu erkennen gab, erwiderte etwa folgendes:
Er lege Wert darauf, zunachst zum Ausdruck zu bringen, eine wie groBe Achtung man hier in
Polen dem Herrn Reichskanzler gegenliber empfinde und wie sehr man die mutige und loyale
Gesinnung wertschatze, mit der er dem deutsch-polnischen Problem gegeniibergetreten sei.
Die Hochachtung vor dem Herrn Reichskanzler sei hier eine allgemeine, und was er mir
hieriiber gesagt habe, entspreche nicht nur seiner eigenen Auffassung, sondern auch - wie er
erst dieser Tage wieder habe feststellen konnen - der des Marschall Pilsudski und des Herrn
Ministerprasidenten. Ich konne deshalb liberzeugt sein, daB jede Anregung, die von dem
Herrn Reichskanzler oder seiner Regierung ausgehe, hier von vornherein einer griindlichen,
vorurteilslosen und wohlwollenden Priifung sicher sei. Was nun die in Genf abgegebene
polnische Erklarung iiber die Minderheitenfrage anbelange, so lege er Wert darauf, auch
seinerseits noch einmal nachdrucklich festzustellen, daB dieser Schritt in keiner Weise gegen
die deutsche Minderheit gerichtet gewesen sei. Der Schritt sei vielmehr hervorgerufen worden
durch die unglaubliche Behandlung, die der Volkerbund in letzter Zeit gegenliber Polen fur
gut befunden habe. Im Volkerbund saBen Leute, die nichts konnten, als sich und anderen
Arger zu bereiten und die den Realitaten kein Verstandnis entgegenbrachten. Schon seit
einem Jahre habe er versucht, durch Worte and Handlungen dem Volkerbund zu verstehen zu
geben, daB Polen sich eine solche Behandlung nicht mehr gefallen lieBe und daB es so nicht
weitergehen konne. Da man in Genf keine Einsicht gehabt habe, sei Polen schlieBlich zu
seiner Erklarung gezwungen worden, und er freue sich, aus meinen Darlegungen zu
entnehmen, daB wir flir die polnische Auffassung Verstandnis hatten. Aber all das habe nichts
mit der deutschen Minderheit zu tun. Er konne versichern, daB die Minderheitenrechte auch
weiterhin auf Grand der polnischen Verfassung geschutzt werden wiirden. Diese Rechte, die
zweifellos aus der alten Verfassung demnachst auch in die neue ubernommen werden wiirden,
beruhten nicht auf irgendwelchen theoretischen Erwagungen, sondern entsprachen der
Auffassung, die Polen von dem Begriff des Staates und des Zusammenlebens der
Bevolkerangsschichten hatte. Er glaube auch nicht, daB diese Grundsatze nur ein toter
Buchstabe seien. GewiB herrsche zur Zeit eine schwere wirtschaftliche Krisis und hierdurch
wiirden vielleicht haufig gewisse Scharfen in die Beziehungen zwischen Staatsvolk und
Minderheit hineingetragen. Aber er sei liberzeugt, daB auch das sich allmahlich bessern
werde. Wenn bei den unteren Verwaltungsorganen noch nicht alles so sei, wie es sein muBte,
so sei er gern bereit, mit seinen Kollegen zu sprechen und ihnen nahezulegen, daB sie noch
einmal ihre Auffassungen, die im librigen den von ihm dargelegten Grandsatzen entsprachen,
den nachgeordneten Stellen mitteilen, und er hoffe, daB das eine gute Wirkung haben werde.
Viel lage natlirlich auch an der Presse und es sei nur zu natlirlich, daB eine Presse, in der das
jlidische Element in so starkem MaBe vertreten sei wie hier, Deutschland gegenliber gewisse
Ressentiments zeige. Aber er wlirde sich bemlihen, eine Besserung herbeizuflihren, und er
hoffe, daB es auch in der Minderheitenfrage gelingen werde, allmahlich zu einer vernlinftigen
Einstellung der offentlichen Meinung zu gelangen.
Der Minister schloB die Ausflihrungen liber seine "theoretische" Einstellung zu diesem
Problem mit der Frage, ob ich ihm hinsichtlich der praktischen [651 Behandlung der Minderheit
einige konkrete Angaben machen konne liber Dinge, die uns Grand zur Beanstandung zu
bieten schienen. Ich erwiderte, daB ich heute zunachst nur Weisung hatte, die theoretische
Seite des Problems mit ihm zu besprechen, und daB meine Instraktionen keine Angaben
darliber enthielten, welche Einzelfalle meine Regierung bei dem Hinweis auf die
unbefriedigenden gegenwartigen Zustande im Auge gehabt habe. Ich wolle gern hieriiber
weitere Instraktionen einholen, sei aber auch bereit, ihm zunachst von mir personlich auf
Grand der Informationen, die ich hier gelegentlich erhalten hatte, einiges zu diesem Problem
mitzuteilen. Ich habe dann zunachst die Schulfragen behandelt und hierbei auf die
Schwierigkeiten verwiesen, die den Schulorganisationen hinsichtlich der Fortfiihrung ihrer
Anstalten gemacht wiirden, ferner auf die unverstandliche Versetzung verdienter
Schuldirektoren in die ostlichen Provinzen und ihren Ersatz durch ungeeignete Krafte,
schlieBlich auch auf die Einschrankungen des deutschen Unterrichts, die, so verstandlich auch
das Verlangen grundlicher polnischer Sprachkenntnisse der Minderheitsangehorigen sei, mir
doch starke Ubertreibungen aufzuweisen schienen und die dazu fuhrten, daB die Schulen der
deutschen Minderheit kaum noch als deutsche Lehranstalten angesehen werden konnten. Ich
bin dann auf die Verhaltnisse in Oberschlesien naher eingegangen und habe insbesondere die
zahlreichen Entlassungen von Arbeitern und Angestellten erwahnt, die groBtenteils auf das
freimutige Bekenntnis der Betroffenen zur Minderheit zuriickzufuhren seien. Uberhaupt
mlisse man leider feststellen, daB derjenige, der sich zur Minderheit bekenne, haufig
schwersten Nachteilen ausgesetzt sei und von den unteren Organen als illoyaler Staatsburger
angesehen wlirde, eine Auffassung, die ich wohl kaum als dem Willen der Zentralinstanz
entsprechend ansehen konne. Insbesondere mlisse ich ferner auf die Tatigkeit des Bundes der
Aufstandischen hinweisen, der in den Resolutionen, die auf seinen periodischen
Versammlungen gefaBt wiirden, immer wieder die Forderung aufstelle, die
Minderheitenschulen zu beseitigen und alle diejenigen zu verfolgen, die noch wagten, ihre
Kinder in eine deutsche Schule zu schicken. Ich hatte nach allem den Eindruck, daB nicht nur
in zahlreichen Organen der unteren Verwaltung, sondern auch in gewissen Kreisen der
Bevolkerung von dem neuen Geist der Verstandigung noch nicht viel zu spiiren sei, und
konne nur meinen Dank aussprechen, wenn der Minister die Absicht habe, die doch
zweifellos ganz anders eingestellte Warschauer Auffassung zur Anerkennung zu bringen.
Ich schloB die Unterhaltung mit meinem Dank fur die verstandnisvolle Aufnahme meiner
Ausfuhrungen und gab unter erneuter Unterstreichung des Wertes einer offenen Aussprache
zu verstehen, daB ich mich auch bei weiteren, diese Frage betreifenden Anlassen
vertrauensvoll an ihn wenden wiirde, was er durch ein Kopfnicken quittierte.
Im ubrigen scheint mir auch diese Unterredung zu bestatigen, daB, wie ich bereits ausgefuhrt
habe, die Polen voiles Verstandnis dafiir haben, wenn wir unser Interesse an der Minderheit
bekunden, und daB die zur Zeit geiibte weitgehende Unterdruckung der die Minderheitssorgen
betreffenden Nachrichten in der reichsdeutschen Presse aus Griinden der Forderung der
deutsch-polnischen Beziehungen nicht notwendig ist, sondern eher MiBtrauen erweckt. Ich
habe auch in der heutigen Unterredung mit Herrn Beck bei dem weisungsgemaB erfolgten
Hinweis auf unsere Pressepolitik zum Ausdruck gebracht, daB es immer schwerer werde, die
bisherige Zuriickhaltung zu bewahren, da sie mit dem Volksempfinden zu wenig im Einklang
stiinde.
von Moltke
Amttttlumgeii:
29 Vgl. Nr. 4 . ...zuruck...
Die polnische Anklindigung, sich in Zukunft an der Durchfiihrung der
Minderheitenschutzkontrolle durch den Volkerbund nicht mehr zu beteiligen, wurde von den
Vertretern GroBbritanniens und Frankreichs in der Volkerbundversammlung mit formalen
Einwendungen beantwortet. Hierbei erklarte der Fiihrer der Britischen Delegation der
Staatssekretar fur Auswartige Angelegenheiten Sir John Simon in der funften Vollsitzung der
15 Volkerbundsversammlung am 14. September 1934:
"Das Land, das ich mit der Delegation des Vereinigten Konigreichs vertrete, ist
ebenso wie gewisse andere Machte Vertragspartei des polnischen
Minderheitenvertrages. Polen hat hinsichtlich der Minderheiten gewisse
Vertragsverpflichtungen ubernommen, welche die Volkerbundgarantie einschlossen.
Ich mochte in dieser Hinsicht hinzufiigen, daB man die Bestimmungen des Artikels 93
des Vertrages von Versailles , der in dem Teil dieses Vertrages enthalten ist, der sich
mit der Festsetzung der Grenzen Polens befaBt, nicht aus den Augen verlieren darf.
Polen hat weiter ein bestimmtes, in einer Reihe von EntschlieBungen des
Volkerbundsrats formuliertes Verfahren liber die Art und Weise angenommen, wie
diese Garantie durchgefiihrt werden soil. Dieses Verfahren hat klar und deutlich die
Mitarbeit Polens zur Voraussetzung."
Der Franzosische Delegationsfuhrer AuBenminister Barthou betonte in der gleichen
Sitzung der Volkerbundsversammlung:
"Der Polnische AuBenminister hat gestern eine Frage gestellt, die sich mit der
kunftigen Durchfiihrung des zwischen Polen und den Alliierten Hauptmachten am 28.
Juni 1919 abgeschlossenen Minderheitenvertrages befaBt. Da diese Frage zur
Diskussion gestellt worden ist, ist es nur natiirlich, daB die anderen Unterzeichner
dieses Vertrages ihre Stellung klarlegen. Dies hat der Vertreter des Vereinigten
Konigreichs soeben mit volliger Deutlichkeit getan. Frankreich ist ebenfalls
Unterzeichner des Vertrages vom 28. Juni 1919 und fiihrte den Vorsitz auf der
Friedenskonferenz, auf der dieser Vertrag aufgesetzt wurde; ich halte es also fur eine
Pflicht der Loyalitat, mich voll und ganz den SchluBfolgerungen Sir John Simons
anzuschlieBen." ...zuriick...
31 Vgl. Nr. 3 . ...zuriick...
32 Vgl. Nr. 50 . .. .zuriick...
Erstes Kapitel (Fo rts. )
Entwicklung der Deutsch-Polnischen Beziehungen
B. Deutschlands Bemuhen
um eine Verstandigung mit Polen, 1933 bis
1939
Anm. d. Scriptorium:
Eine noch mehr ins
Einzelne gehende
Dokumentation der
Lage der
Volksdeutschen in
Polen als die in den
folgenden Kapiteln
IV. Weitere Verschlechterung
in der Lage der Deutschen Volksgruppe
(November 1934 bis Oktober 1937)
gegebene finden Sie in
dem Buck Die
deutsche Volksgrupye
in Polen 1934-39.
Nr. 54
Der Deutsche Konsul in Krakau an das Auswartige Amt
Bericht
Krakau, den 3. November 1934
In der Zeit vom 31. Oktober bis zum 2. November 1934 hat hier eine pommerellenkundliche
Tagung stattgefunden, die vom Baltischen Institut in Thorn veranstaltet wurde. Die
Besucherzahl schwankte zwischen 150 und 170 Personen und uberstieg damit die
Erwartungen der Veranstalter. Insbesondere waren auf der Tagung vertreten: Delegierte des
AuBenministeriums, des Kultusministeriums, des Ministeriums flir Landwirtschaft und
Agrarreform, der Minderheitenabteilung des Innenministeriums, des Generalkommissariats
der Republik Polen in Danzig, der Woiwodschaftsamter Posen, Pommerellen, Schlesien und
Bialystok, der Pommereller Landstarosteien, der Stadte Thorn und Gdingen, aller polnischer
Universitaten, der Polnischen Akademie der Wissenschaften in Krakau, der Gesellschaft der
Freunde von Kunst und Wissenschaft in Danzig, mehrerer wissenschaftlicher Institute,
Archive und Bibliotheken aus Gdingen, Posen und Thorn sowie einiger Institute aus
Warschau. Besonders stark waren vertreten die Pommereller Landwirtschaftskammer, der
Revisionsverband der landwirtschaftlichen Genossenschaften in Pommerellen, die Industrie-
und Handelskammer Warschau und die staatliche Agrarbank. Weiterhin hatten die See- und
Kolonialliga, die Vereinigung der Lehrer der mittleren und hoheren Schulen und fast alle
groBeren Ortsgruppen des Westmarkenvereins Vertreter entsandt. AuBerdem nahmen 3
Obersten in Uniform an der Tagung teil.
Uber den Verlauf der Tagung ist mir von einem Tagungsteilnehmer der anliegende Bericht
zugegangen.
Schillinger
Anlage
Auszug
Zu Beginn des zweiten Tages bedauerte Prof. Pawlowski einleitend, daB man bisher noch
nicht auf das so wichtige Problem der Siedlung in Pommerellen nach politischen
Gesichtspunkten gekommen sei, denn der Zweck der Tagung sei, den Praktikern des Kampfes
um den polnischen Boden und den polnischen Charakter des Landes den Weg zu weisen.
In der Diskussion ergriff der Leiter der Landwirtschafts- und Agrarreformabteilung der
Woiwodschaft Pommerellen Ceceniowski das Wort und fiihrte aus, daB im Jahre 1933 3.500
ha und 1934 4.000 ha parzelliert worden seien, 1935 wlirden aber 9.000 ha parzelliert werden;
davon enstammten lediglich 3.000 ha polnischem Privat- und Staatsbesitz.
Mi Herr Smolenski, Krakau, wies darauf hin, daB in Pommerellen noch heute 7 /, des gesamten
GroBgrundbesitzes in deutschen Handen sei. Es gabe noch immer Gegenden, wo das
Hinzukommen einer ganz geringen Anzahl Deutscher ausreichen wurde, um die polnische
Mehrheit in eine Minderheit zu verwandeln. Mit Genugtuung hore er deshalb, daB man diese
entscheidenden Argumente erkannt habe und 1935 6.000 ha aus deutschem Besitz
parzellieren werde.
Pawlowski wies insbesondere auf das starke Ubergewicht deutschen Grundbesitzes in den
Kreisen Dirschau, Stargard, Graudenz, Culm, Zempelburg und im Seekreis hin. Der
augenblickliche Zustand sei keineswegs zufriedenstellend und es miisse so schnell wie
moglich eine Anderung der Lage durchgefuhrt werden. Das Deutschtum in diesen Gegenden
werde durch Ausnutzung des Danziger Marktes wirtschaftlich gestarkt. Hier sei nunmehr aber
durch das Kompensationsabkommen zwischen Danzig und Polen- ein Riegel vorgeschoben
worden, da die Verteilung der Kontingente in Zukunft von polnischen Stellen vorgenommen
wiirde.
In der Diskussion kam sodann die Sprache darauf, daB die Mittel zur Siedlung fehlten,
wahrend der deutsche Grundbesitz durch Kredite gestarkt werde. Hierauf ergriff ein Oberst in
Uniform das Wort und erklarte, das Geld diirfe keine Rolle spielen. Man solle sich doch durch
den Pakt mit Deutschland nicht falschen Hoffnungen hingeben. Im Gegenteil! Dieser Pakt
habe nur insoweit Geltung, als nach diesen 10 Jahren nichts mehr davon vorhanden sein
diirfe, was man heute als gefahrlich fur dieses Gebiet ansehe. Solche Verhaltnisse wie im
Dirschauer, Stargarder und Zempelburger Kreis seien unhaltbar. Hier diirfe es kein Pardon
oder Hemmungen irgendwelcher Art geben. Gerade die jetzige Stille miisse ausgenutzt
werden, um in den Grenzkreisen im starksten MaBe zu siedeln, damit hier ein lebendiger
Verteidigungswall polnischer Bauern entstehe.
Der Vorsitzende der Landwirtschaftskammer Thorn Dykier unterstrich diese Ausfuhrungen
und fiigte hinzu, man habe im Kampf gegen das im Lande ansassige Deutschtum zwei
Instrumente, namlich 1. die Parzellierung und 2. den Landaufkauf. Beide seien bisher noch
nicht voll ausgenutzt worden
Nr. 55
Der Deutsche Generalkonsul in Posen an das Auswartige Amt
Bericht
Posen, den 18. Februar 1935
Die Agrarreform ist wiederum in erster Linie gegen das Deutschtum zur Anwendung
gebracht. Von der fiir die Zwangsparzellierung fur 1935 vorgesehenen Flache von 11.250 ha
ist der deutsche Besitz mit 6.797 ha enteignet worden, also in einer fast 60prozentigen Hohe
des Gesamtareals, trotzdem der Anted des deutschen Landbesitzes an der gesamten Flache in
den abgetrennten Gebieten des Westgebietes kaum noch mehr als 30% betragt.
Ltitgens
Nr. 56
Unterredung des Reichsministers des Auswartigen
mit dem Polnischen Botschafter
Aufzeichnung
Berlin, den 21. Februar 1935
AnlaBlich eines Besuches, den der Polnische Botschafter mir heute aus anderem AnlaB
abstattete, habe ich die Polonisierungspolitik des oberschlesischen Woiwoden ihm gegeniiber
zur Sprache gebracht. Ich habe ihm dargelegt, welche Gefahr flir das deutsch-polnische
Verhaltnis die Fortsetzung dieser Politik bedeute, und ihn gebeten, seine Regierung in
eindringlicher Weise darauf hinzuweisen, daB eine Fortsetzung der Entlassungen groBen Stils,
wie sie zur Zeit speziell in den PleBschen und Henckel-Donnersmarckschen Betrieben
durchgefuhrt wiirden, naturgemaB Riickwirkungen auf das Verhalten der deutschen Behorden
gegeniiber polnischen Arbeitern und Angestellten in Deutschland haben miiBte. Ich habe dem
Botschafter dargestellt, daB die gluckliche Entwicklung der deutsch-polnischen Beziehungen,
wie sie sich nach dem Abkommen vom vorigen Jahre herausgebildet habe, durch eine
Beibehaltung der Polonisierungspolitik in Ostoberschlesien geradezu in Frage gestellt werde.
Der Botschafter versprach, umgehend Herrn Beck von meinen Mitteilungen Kenntnis zu
geben und ihn zu bitten, die Polnische Regierung auf den Ernst der Lage aufmerksam zu
machen. Er sei uberzeugt, daB Herr Beck alles aufbieten werde, um einer Triibung des
deutsch-polnischen Verhaltnisses, die durch den Ubereifer lokaler Behorden entstehen konnte,
vorzubeugen.
Frhr. von Neurath
Nr. 57
Unterredung des Reichsministers des Auswartigen
mit dem Polnischen Botschafter
Aufzeichnung
Berlin, den 12. Marz 1935
Der Polnische Botschafter hat mir heute morgen mit der Bitte um streng vertrauliche
Behandlung im Auftrage des Ministers Beck mitgeteilt, daB dieser auf Grand der von mir
erhobenen Beschwerde iiber die Polonisierangsbestrebungen in Ostoberschlesien, speziell
liber die Entlassung zahlreicher deutscher Angestellter und Arbeiter, energische Schritte bei
den inneren polnischen Behorden unternommen habe. Herr Beck hoffe, daB diese die
Einstellung dieser zahlreichen Entlassungen zur Folge haben werde.
Frhr. von Neurath
[691
Nr. 58
Der Deutsche Konsul in Thorn an das Auswartige Amt
Telegramm
Thorn, den 16. April 1935
Sonnabend 13. d. M. stattfand Neustadt polnische Versammlung, wobei Burgermeister zum
ZusammenschluB aufforderte. Versammlung ausartete in schwere Hetze gegen deutsche
Minderheiten, wobei verschiedene Redner provokatorisch auftraten.
Die durch Hetze aufgebrachte und nicht mehr zuriickhaltende Menge durchzog dann die Stadt
und einschlug 23 groBe Schaufenster und Unmenge sonstiger Fensterscheiben Deutscher.
Ahnliche Versammlungen auch an anderen Orten Seekreises. In Kleinkatz kam es am
Sonnabend bei einer solchen Demonstration zu schweren Schlagereien, in deren Verlauf
mehrere Deutschstammige gefahrlich verletzt wurden. Einer davon namens Groen starb
Montag Zoppoter Krankenhaus.
Kuchler
Nr. 59
Der Deutsche Konsul in Thorn an das Auswartige Amt
Bericht
Thorn, den 18. April 1935
Im AnschluB an den Drahtbericht vom 16. 4. 35 M beehre ich mich, erganzend folgendes zu
melden:
Die wiisten Ausschreitungen verhetzter polnischer Nationalisten im Seekreis haben in der
deutschen Minderheit mit Recht groBte Erregung und Verbitterung hervorgerufen. Die Polizei
hat bei den Unruhen vollig versagt und es hat den Anschein, als ob sie gar Weisung gehabt
hatte, nicht einzugreifen. Auch das Verhalten des Starosten in Neustadt muB sehr befremden.
Als der Vorsitzende der dortigen Ortsgruppe der Deutschen Vereinigung ihn am Tage nach
den Vorfallen aufsuchen wollte, weigerte er sich, den Vertreter der Deutschen Vereinigung zu
empfangen.
Die Ereignisse im Seekreis sind auf das tiefste zu bedauern und zu verurteilen. Die
Hauptschuld trifft die Behorden, unter deren Augen und Ohren unverantwortliche Hetzer die
niedrigsten Instinkte des Volkes aufwiegeln durften.
von Kuchler
Nr. 60
Der Deutsche Generalkonsul in Posen an das Auswartige Amt
Bericht
Posen, den 18. April 1935
Am Sonnabend, dem 13. d. M., wurde der deutsche Bauer Rudolf Rieck aus Neuhiitte, Kreis
Ostrowo, von unbekannten Tatern iiberfallen und so schwer verletzt, daB er kurz darauf starb.
Die polizeilichen Nachforschungen sind noch nicht abgeschlossen. Es kann aber schon jetzt
als feststehend angenommen werden, daB ausschlieBlich politische Motive der AnlaB zur Tat
gewesen sind. In der Minderheit herrscht liber den Vorfall begreifliche Erregung.
In Vertretung
von Tucher
rzm
Nr. 61
Aufzeichnung eines Beamten der Politischen Abteilung
des Auswartigen Amts
Berlin, den 11. Juli 1935
Ich habe den Botschaftsrat der Polnischen Botschaft Prinz Lubomirski zu mir gebeten und
ihm weisungsgemaB folgendes mitgeteilt:
Die Frage der Arbeiterentlassungen in Oberschlesien sei eine Frage, die seit mehreren Jahren
den Gegenstand eingehender Kontroversen zwischen der Deutschen und der Polnischen
Regierung bilde. In den letzten Jahren seien sowohl durch Herrn Botschafter von Moltke in
Warschau wie hier eine Reihe von Demarchen erfolgt, um den nach unserer Ansicht
vertragswidrigen und das deutsch-polnische Verhaltnis belastenden Entlassungen Einheit zu
gebieten. Im Februar d. J. habe der Herr Reichsminister den Polnischen Botschafter erneut zu
sich gebeten und ihn darauf hingewiesen, daB die vertragswidrigen Entlassungen in Polnisch-
Oberschlesien abgestellt werden miiBten.- Herr Botschafter Lipski habe einige Wochen spater
im Auftrage des Herrn Ministers Beck erklart, daB energische Schritte bei den inneren
polnischen Behorden zur Abstellung der Entlassungen unternommen worden seien.-
Nichtsdestoweniger seien die Entlassungen weitergegangen. Dem Polnischen Botschaftsrat
gegeniiber sei am 1 1. April d. J. erneut dariiber Beschwerde gefuhrt worden, und zwar unter
abermaligem Hinweis auf die Unvereinbarkeit der Entlassungen mit den Erklarungen, die
Herr Lipski im Auftrage von Herrn Beck gegeben habe. Prinz Lubomirski habe damals nach
Ruckfrage in Warschau erklart, daB die Erklarungen des Herrn Beck nur fur die Zukunft,
nicht aber fur die Vergangenheit Geltung haben sollten. Es sei ihm daraufhin mitgeteilt
worden, daB Herr von Neurath diesen Standpunkt nicht anerkennen konne und sich
vorbehalte, auf diese Sache zuruckzukommen. Die Entlassungen seien im ubrigen auch nach
dem 1. April weitergegangen; sogar nach dem 1. Juli seien eine Reihe von Entlassungen zum
30. September erfolgt.
Prinz Lubomirski nahm diese Mitteilungen entgegen und machte lediglich geltend, daB nach
seinen Informationen alle Entlassungen auf wirtschaftliche Motive zuriickzufuhren seien. Er
versprach im ubrigen, seiner Regierung iiber die hiesige Auffassung sofort zu berichten und
sich auch selbst liber den Umfang und die Griinde der Entlassungen in Oberschlesien
eingehend zu informieren.
von Lieres
Nr. 62
Der Deutsche Botschafter in Warschau an das Auswartige Amt
Bericht
Warschau, den 16. Oktober 1935
Mir scheint es mit Riicksicht auf die Verstandigungspolitik in Polen unbedenklich und
andererseits im Interesse der Minderheit notwendig zu sein, daB sich die deutsche
Offentlichkeit, mehr als das in letzter Zeit der Fall war, mit mi dem Schicksal der deutschen
Minderheit in Polen befaBt. Friiher ist von polnischer Seite oft betont worden, daB die
Behandlung der deutschen Minderheit sich dann grundlegend andern wiirde, wenn die
Minderheit keine irredentistischen Bestrebungen verfolgt und wenn Deutschland keine
Revisionspolitik mehr betreibt. Leider hat sich aber die polnische Haltung gegenuber der
Minderheit seit Anbahnung der Verstandigungspolitik nicht geandert. Der Kampf geht
vielmehr auf der ganzen Linie weiter, wenn auch in der Form gelegentlich ein versohnlicherer
Ton angeschlagen wird. Das Ziel, wie es kurzlich in einer Unterredung des Posener
Burgstarosten mit einem Vertrauensmann offen und vollig zutreffend charakterisiert wird,
namlich die vollige Polonisierung innerhalb von spatestens zwei Generationen, wird auch
heute noch mit aller Konsequenz verfolgt. Das Verstandigungsabkommen hat das Tempo
sogar vielleicht noch beschleunigt, weil man polnischerseits bis zum Ablauf der 10 Jahre ein
fait accompli schaffen will.
Trotzdem halte ich es nicht flir angezeigt, daB wir etwa unsere bisherige Politik gegenuber der
polnischen Minderheit in Deutschland andern. Ich glaube vielmehr, daB ein scharferes
Vorgehen gegen die Polen in Deutschland sich fiir die deutsche Minderheit in Polen nur
nachteilig auswirken wiirde, da fiir die polnische Minderheitenpolitik dann auch die letzten
Hemmungen wegfallen wiirden. Auch waren bei dem Interesse, das man hier neuerdings fiir
die polnische Minderheit in Deutschland hat, unerwunschte Ruckwirkungen auf die deutsch-
polnischen Beziehungen zu befurchten. Die Politik der Reichsregierung gegenuber der
polnischen Minderheit in Deutschland sollte daher nach wie vor groBziigig sein, allerdings
unter scharfster Abwehr aller irredentistischen Bestrebungen.
Um aber die mit dem Ziel der Vernichtung betriebene Bedriickung der deutschen Minderheit
in Polen aufzuhalten, wird es notwendig sein, die Grenze der Verstandigungsbereitschaft in
diesem Punkte Polen gegenuber abzustecken. Heute hat die deutsche Minderheit in Polen das
Gefiihl, vom Deutschen Reich im Stich gelassen zu werden; aber auch die Polen glauben, sich
in ihrem Vorgehen gegen die deutsche Minderheit kaum noch Beschrankungen mehr
auferlegen zu brauchen, da sie mangels jeglicher Reaktion in der deutschen Presse den
Eindruck erhalten mussen, daB alle Ubergriffe von der deutschen offentlichen Meinung
widerspruchslos hingenommen werden. Die Polen, die ihrerseits durch Schaffung eines
Weltpolenbundes gezeigt haben, welches ihre Auffassung iiber die Zusammengehorigkeit der
Volksgruppen ist, wiirden sich meines Erachtens ohne weiteres damit abfinden, daB, ebenso
wie ihnen, auch uns das Los der Volksgenossen im Auslande nicht gleichgiiltig sein kann. Es
ist durchaus nicht anzunehmen, daB die deutsch-polnische Verstandigungspolitik
beeintrachtigt wird, wenn die deutsche Presse in sachlicher und gemaBigter Form die
Ubergriffe gegen die deutsche Minderheit in Polen zur Sprache bringt. Nur dann, wenn man
hier fiihlt, daB die Grenzen dessen, was man in Deutschland hinzunehmen geneigt ist, erreicht
sind, besteht die Moglichkeit, daB man sich hier zu einer mit der Verstandigungspolitik in
Einklang stehenden Minderheitenpolitik entschlieBen wird. Unser Wunsch, zu einer
Verbesserung auch der politischen Beziehungen zu gelangen, wiirde hierdurch wesentlich
gefordert werden.
von Moltke
1221
Nr. 63
Der Deutsche Staatsvertreter
bei der Gemischten {Commission fur Oberschlesien
an das Auswartige Amt
Bericht
Beuthen, den 3. Januar 1936
Es ist eine weitere Stellungnahme des Prasidenten Calonder in Entlassungsfragen ergangen
(Beschwerdesache Joh. Groner 21 ).
Der President stellt in diesem Falle noch scharfer als in den friiheren Stellungnahmen fest, daB
von polnischer Seite bei den Arbeitsentlassungen willkurlich und unterschiedlich je nach der
Zugehorigkeit zur Mehrheit oder Minderheit verfahren worden ist. Er erklart ausdriicklich,
daB sich aus zahlreichen Beschwerdeverfahren ergibt, daB manche polnischen
Unternehmungen eine minderheitsfeindliche Entlassungspolitik betreiben und daB diese
allgemeinen Verhaltnisse auch dem polnischen Demobilmachungskommissar durchaus
bekannt sind (Seite 7). Durch eine genaue Ubersicht liber die Angestelltenbewegung bei der
Maxgrube fur die Zeit vom 1. Januar 1933 bis 31. Dezember 1934 wird einwandfrei
nachgewiesen, daB im vorliegenden Falle die Willkur und Diskriminierung auf eine gegen die
deutsche Minderheit gerichtete Einstellung des Unternehmens und des
Demobilmachungskommissars zuruckzufuhren sind (Seite 7 und 8). Der Prasident weist
ferner darauf hin, daB der Demobilmachungskommissar die Zustimmung zu weit mehr
Entlassungen gegeben hat, als dies die Wirtschaftslage erforderte und daher nach den
gesetzlichen Bestimmungen zulassig war. Als Beweis hierfur fiihrt er die unbestrittene
Tatsache an, daB ein groBer Teil der Entlassenen der Maxgrube durch neue Angestellte mit
dem Ergebnis ersetzt wurden, daB fast alle minderheitsangehorigen Angestellten, namlich 66
von 71, ausgeschaltet und zu einem hohen Prozentsatz durch Mehrheitsangehorige ersetzt
wurden (Seite 11 und 11a). Das systematische Bestreben des Unternehmens, die Angestellten,
die sich offen zur Minderheit bekannt haben, durch Mehrheitsangehorige zu ersetzen, liege
also auf der Hand. Der Demobilmachungskommissar sei dieser Tendenz nicht
entgegengetreten, vielmehr drange sich die Uberzeugung auf, daB er sich dieser Tendenz des
Unternehmens angeschlossen habe (Seite 12).
Noldeke
Nr. 64
Der Deutsche Generalkonsul in Thorn an das Auswartige Amt
Bericht
Thorn, den 18. Februar 1936
Gestern ist die offizielle Namensliste 1936 flir die Agrarreform erschienen.
Die jetzt zur Zwangsparzellierung aufgerufenen Gliter umfassen in Pommerellen 4.784 ha
deutscher Gliter und 2.900 ha aus polnischem Besitz. Allein hierin liegt wieder ein deutlicher
Beweis der ungleichen Heranziehung des deutschen Besitzes zum polnischen.
I73i Unter diesen Umstanden hat sich der deutschen Minderheit eine Stimmung tiefster
Niedergeschlagenheit bemachtigt, denn nur allzu deutlich erkennt sie, wie Polen die deutsch-
polnische Verstandigungsaktion auslegt und durchfuhrt. Es soil eben bis zum Ablauf des
lOjahrigen Verstandigungsabkommens so viel wie nur moglich deutscher Grundbesitz
zerschlagen werden. Das bedeutet dann aber, daB die so zerschlagenen Giiter nicht mehr in
der Lage sind, deutsche Volksgenossen zu beschaftigen, und daB diese wiederum, dem Elend
preisgegeben, abzuwandern versuchen. Die Aussichten flir die Erhaltung des Deutschtums
hier sind also die denkbar schlechtesten und es fragt sich, ob es nicht moglich ware, die
ungeheure Belastung, die das polnisch-deutsche Verhaltnis durch die fortgesetzten Schikanen
und MaBnahmen gegen das Deutschtum hier im abgetretenen Gebiet erfahrt, zustandigen Orts
zur Sprache zu bringen. Aus den letzten Veroffentlichungen, iiber die ich zu berichten
Gelegenheit hatte, geht mit aller Deutlichkeit hervor, daB der deutsche Grundbesitz vernichtet
werden soil. Diesem Zerstorungswillen mliBte Einhalt geboten werden, wenn das Deutschtum
hier nicht seiner volligen Auflosung in kurzer Zeit entgegengehen soil.
von Kuchler
Nr. 65
Der Deutsche Generalkonsul in Kattowitz an das Auswartige Amt
Bericht
Kattowitz, den 4. April 1936
Die zahlreichen deutschfeindlichen Kundgebungen, die hier in letzter Zeit von verschiedenen
polnischen Verbanden und Parteien, insbesondere vom Westverband veranstaltet worden sind,
haben den Prasidenten Calonder veranlaBt, das polnische Mitglied der Gemischten
Kommission Steblowski zu sich zu bitten und ihn sehr nachdriicklich auf die Moglichkeit
gefahrlicher Auswirkungen dieser Veranstaltungen hinzuweisen. President Calonder hat
darauf aufmerksam gemacht, daB die durch die zahlreichen Protestkundgebungen gesteigerte
Erregung der Bevolkerung erfahrungsgemaB leicht zu Gewaltakten unverantwortlicher
Elemente fiihrt. Er hat daher Herrn Steblowski ersucht, den Woiwoden Dr. Grazynski von
seinen Befurchtungen zu verstandigen und um entsprechende Einwirkung zu ersuchen.
In zwei Fallen hat die in der Bevolkerung hervorgerufene Erregung bereits zu Zwischenfallen
gefiihrt, bei denen auch Deutsche korperlich miBhandelt und verletzt worden sind. Am
Sonntag, dem 15. Marz, ist im Hotel Graf Reden in Konigshlitte eine Versammlung des
dortigen deutschen Bauvereins von einer mit Stocken und Knlippeln bewaffneten Menge
gesprengt worden, wobei auch einige vollig unbeteiligte, mit der Vorbereitung einer
Theatervorstellung beschaftigte deutsche Angestellte des oberschlesischen Landestheaters
angegriffen und miBhandelt worden sind. Am 29. Marz ist eine Gruppe von Deutschen in der
Nahe der Stadt Rybnik von uniformierten Jungaufstandischen uberfallen und mit
Gummiknuppeln und Stocken miBhandelt worden.
Noldeke
IM
Nr. 66
Der Deutsche Generalkonsul in Thorn an das Auswartige Amt
Bericht
Thorn, den 18. Mai 1936
Im Zuge der in der letzten Zeit behordlicherseits und seitens des Westverbandes unter
Duldung der Behorden betriebenen deutschfeindlichen Handlungen ist jetzt ein neuer Schlag
gegen das Deutschtum erfolgt. Es ist durch ein kurzes Dekret beschlossen worden, samtliche
Ortsgruppen der Deutschen Vereinigung im Seekreis, namlich Neustadt, Putzig, Hela, Krokau
und Smasin, nicht nur zu schlieBen und damit ihre Wirksamkeit zu unterbinden, sondern zu
liquidieren, also vollig aufzulosen.
Die Deutsche Vereinigung und ihre Ortsgruppen sind in der letzten Zeit - wie mehrfach
berichtet - ofters behordlichen Schikanen ausgesetzt gewesen. Sie haben daher, um die schon
immer bestehende, aber jetzt besonders kraB in Erscheinung tretende Spannung zwischen
Deutschtum und Polentum nicht noch weiter zu steigern, alles unterlassen, was irgendwie
AnstoB erregen konnte. Aber die Behorden erblicken schon in einem Ausflug, bei dem die
Mitglieder, wie jede Schule, geschlossen in Dreier- und Viererreihen durch die StraBen
ziehen, einen militarischen Aufmarsch, der gefahrlich ist.
Da nach Vorstehendem die polnischen Machthaber hier in meinem Amtsbezirk sich ganz
offensichtlich von der Linie der Versohnung und Verstandigung abgekehrt haben und
unverbliimt wieder die Feindschaft gegen die Deutschen und damit ihren Ruin und ihre
Vernichtung predigen, wahrend Deutschland noch immer mit Beharrlichkeit eine
Verstandigung mit Polen verfolgt, erscheint es meines Erachtens angesichts der hiesigen
Vorfalle dringend notwendig, auf eine Umkehr hier im Lande zu dringen.
von Kuchler
Nr. 67
Unterredung des Reichsministers des Auswartigen
mit dem Polnischen Botschafter
Aufzeichnung
Berlin, den 13. November 1936
Ich habe heute den Polnischen Botschafter bei seinem Besuche auf die unerfreulichen
Vorgange in Gdingen hingewiesen, wo durch militarische Vereine und Beamtenverbande
deutschfeindliche Kundgebungen groBten Stils organisiert worden sind. Herr Lipski sprach
sein lebhaftes Bedauern liber diese Vorkommnisse aus, insbesondere iiber die Versammlung
in Gdingen, auf die ich ihn besonders hingewiesen hatte. Ich sagte dem Botschafter ferner,
daB ich gezwungen sei, in Warschau entschiedene Beschwerde gegeniiber diesen
Ausschreitungen zu erheben. Bei der Versammlung in Gdingen falle besonders erschwerend
ins Gewicht, daB dabei Beamte und sogar Offiziere in Uniform beteiligt gewesen seien und
daB, abgesehen von den Angriffen gegen Deutschland und Danzig, auch die Person des
Fuhrers in der unerhortesten Weise beschimpft worden sei.
Frhr. von Neurath
mi
Nr. 68
Der Deutsche Botschafter in Warschau an das Auswartige Amt
Telegramm
Warschau, den 18. November 1936
In meiner heutigen Unterredung mit Minister Beck habe ich in ernster Form auf die
Verschlechterung der Atmosphare hingewiesen, die hier in den Beziehungen zu Deutschland
wahrend der letzten Monate klar in Erscheinung getreten ist. Ich habe hierbei u. a. die
hetzerische Polemik der polnischen Presse, die Verscharfung in der Behandlung der
Minderheit (Gymnasium in Graudenz und Bromberg) sowie den Gdinger Zwischenfall M zur
Sprache gebracht und habe aus diesem Zusammenhang heraus das Gesprach auf die Danziger
Frage gelenkt. Unter Hinweis auf die immer deutlicher zu Tage tretende Tendenz Polens, sich
in Danzig neue Rechte zu verschaffen,— habe ich entsprechend dem mir vom Fiihrer und
Reichskanzler erteilten Auftrag zum Ausdruck gebracht, daB bei einem solchen Vorgehen
scharfe Reaktionen und damit empfindliche Storungen deutsch-polnischer Beziehungen
unvermeidlich seien. Der Fiihrer und Reichskanzler sehe im deutsch-polnischen
Verstandigungsabkommen wichtiges Friedenswerk, dessen weitere Verlangerung er wiinsche.
Dieses Abkommen sei eine der Grundlagen deutscher AuBenpolitik. Herr Beck erwiderte, daB
er diese auBerst wertvolle Erklarung mit Dank begruBe.
Herr Beck erklarte des weiteren, daB auch er die Haltung, die die Presse in letzter Zeit
angenommen habe, fur schadlich halte und daB er seinerseits bereit sei, alles zu tun, um die
unbefriedigende Atmosphare wieder zu bessern. Er hoffe, daB auf deutscher Seite in gleicher
Richtung gewirkt werden wiirde. Was die bedauerlichen Vorfalle in Gdingen anbetreffe, so
sei er nicht in der Lage, ohne vorherige Priifung zu antworten, da ihm die von mir mitgeteilten
Einzelheiten nicht bekannt seien. Er wisse nur, daB der Woiwode sofort eingeschritten sei und
u. a. die Berichterstattung iiber diese Vorfalle in der Presse verhindert habe.
Moltke
Nr. 69
Der Deutsche Botschafter in Warschau an das Auswartige Amt
Telegramm
Warschau, den 26. November 1936
Marschall Rydz-Smigly empfing mich gestern im Beisein des AuBenministers.
Ich ubermittelte die GrliBe des Fuhrers und Reichskanzlers und machte anschlieBend die
gleichen Ausfiihrungen wie in der Unterredung mit Herrn Beck am 18. November.-
Der Marschall brachte zum Ausdruck, mit welchem Interesse er die Entwicklung
Deutschlands verfolge, das das Gliick habe, einen groBen Flihrer zu besitzen. Hinsichtlich der
deutsch-polnischen Beziehungen teile er die Auffassung des Fuhrers und Reichskanzlers liber
den groBen Wert, den das Ab- im kommen von 1934 fur die Verstandigung zwischen den
beiden Nachbarvolkern und dariiber hinaus fur den Frieden Europas habe. Auch er bedauere,
daB die gunstige Auswirkung, die die Verstandigungspolitik auf die Meinungsbildung in
beiden Landern gehabt habe, wahrend der letzten Monate einen gewissen Ruckschlag
erfahren hatte. Er sei aber uberzeugt, daB es sich nur um eine voriibergehende Erscheinung
handele. Die EinfluBnahme auf die Presse sei leider beschrankt. Man werde aber tun, was
moglich sei, und im ubrigen konne er versichern, daB die Regierung sich in keiner Weise
durch die oppositionelle Presse beeinflussen lassen werde. Hinsichtlich Danzigs wolle Polen
nichts anderes, als daB seine dortigen Interessen nicht beeintrachtigt werden. Bei dieser
Grundeinstellung wiirde es seines Erachtens nicht schwer sein, in den Einzelfragen zu einer
Danzig und Polen befriedigenden Regelung zu gelangen. AbschlieBend bat er mich, dem
Fiihrer und Reichskanzler die Versicherung zu ubermitteln, daB er an der von Marschall
Pilsudski festgelegten Linie festhalte und entschlossen sei, die Verstandigungspolitik auch
weiterhin fortzusetzen.
Moltke
Nr. 70
Der Deutsche Generalkonsul in Posen an das Auswartige Amt
Bericht
Posen, den 23. November 1936
In meinem Amtsbezirk macht sich uberall eine fieberhafte Tatigkeit zur Schurung des Hasses
gegen Deutschland bemerkbar. Uberall sieht man Trupps von Leuten, die zusammenstehen.
Die Versammlungen, die in ungezahlten Mengen stattfinden, sollen flir "Aufklarung" der
Bevolkerung sorgen. Es handelt sich um Agitationsversammlungen sogenannter patriotischer
Verbande, wie Westverband, Reservistenverband, Legionare, Eisenbahner- und
Schlitzenverbande. Alle sprechen wie auf ein Kommando in abfalligster Weise liber die
Deutschen und hetzen die Bevolkerung gegen das Deutschtum auf. Man fiihlt sich in jene
schon lang zurlickliegende Zeit versetzt, da die starke politische Spannung zwischen Polen
und seinem westlichen Nachbarn die Geister zu ziigellosen Schimpfereien und elenden
Verleumdungen antrieb, um unter anderem auch das machtlose und wehrlose Deutschtum den
gehassigsten Angriffen und Gewalttatigkeiten auszuliefern. Man hat hier zur Zeit vollig
vergessen, daB inzwischen Abmachungen zwischen Deutschland und Polen getroffen worden
sind, die ganz konkret darauf hinzielen wollten, eine verstandnisvolle gegenseitige
Beurteilung und dadurch eine Annaherung des deutschen und polnischen Volkes
herbeizufuhren. Leider ist das Gegenteil eingetreten. Das Ungeheuerlichste aber ist, daB die
neue starke Welle des Deutschenhasses und der aktiven Drohungen gegen Deutsche sich unter
den Augen der hochsten Behorden (Woiwodschaft, Armeekommando) breitmacht und nicht
nur von ihnen geduldet, sondern, worauf gewisse Anzeichen hindeuten, direkt unterstutzt
wird, ganz abgesehen davon, daB sich im Dienst befindliche Beamte und Militarpersonen
aktiv an den verschiedensten Demonstrationen beteiligt haben. Uber die Hetze in den
militarischen Verbanden, die hier groBen EinfluB haben, ist bereits berichtet worden. Der
Westverband, liber dessen Deutschenhetze ich ebenfalls wiederholt berichtet habe und der
auch jetzt wieder liberall auf dem Lande arbeitet, steht natlirlich nicht zurlick.
Reinebeck
1771
Nr. 71
Der Deutsche Generalkonsul in Kattowitz an das Auswartige Amt
Bericht
Kattowitz, den 22. Dezember 1936
Anliegend beehre ich mich im AnschluB an die Besprechung liber die Frage der Abwanderung
deutschstammiger polnischer Staatsangehoriger aus Polen nach dem Reich Abschrift einer
EntschlieBung der Mitglieder des Gesamtverbandes Deutscher Angestelltengewerkschaften in
Polnisch-Oberschlesien zur Frage der Arbeitsvermittlung zur gefalligen Kenntnisnahme zu
libersenden. Die EntschlieBung zeigt, daB nicht nur die Arbeiter, sondern auch die der
deutschen Minderheit angehorenden Angestellten sich in schwerer Notlage befinden.
Noldeke
Anlage
Die heute in Konigshlitte anwesenden Mitglieder des Gesamtverbandes Deutscher
Angestelltengewerkschaften in Polnisch-Oberschlesien fassen folgende EntschlieBung:
Die Not der deutschen Angestellten in Polnisch-Oberschlesien wachst mit jedem
Monat und hat in letzter Zeit katastrophale Formen angenommen. Die entdeutschte
Schwerindustrie sowie Handel und Gewerbe entziehen den deutschen Menschen
planmaBig jegliche Arbeitsmoglichkeit und werfen darliber hinaus durch Klindigungen
der Werkwohnungen in vielen Fallen die Familien auf die StraBe.
Not und Entbehrung der Familien der Entlassenen haben ein unertragliches AusmaB
erreicht. Die hoffnungslose Lage wird zur Verzweiflung gesteigert durch die Tatsache,
daB die entlassenen Deutschen erfahrungsgemaB niemals mehr eine
Verdienstmoglichkeit in Polen erhalten.
Ebenso schlimm ist es um die deutsche Jugend in unserem Gebiet bestellt, die
nirgends mehr eine Lehr- oder Arbeitsstelle finden oder erhalten kann. Die wenigen
Jugendlichen, die in der Vergangenheit eine Lehr- oder Arbeitsstelle finden konnten,
werden heute durch systematisch betriebene MaBnahmen der verschiedenen
polnischen Organisationen auf jedwede erdenkliche Weise aus ihren Lehr- und
Arbeitsstellen verdrangt.
Auf Grand der geschilderten Tatsachen beauftragen wir den Vorstand des
Gesamtverbandes Deutscher Angestelltengewerkschaften alle in Frage kommenden
Stellen liber unsere augenblickliche Lage zu unterrichten und sie zu bewegen, den
Deutschen in Oberschlesien zu einer neuen Existenz zu verhelfen.
Konigshutte (Polnisch-Oberschlesien), den 15. November 1936.
1281
Nr. 72
Der Deutsche Generalkonsul in Kattowitz an das Auswartige Amt
Bericht
Kattowitz, den 22. Dezember 1936
Auf der Jahresversammlung des polnischen Westverbandes, der bekanntlich im
riicksichtslosen Kampf gegen das Deutschtum mit an erster Stelle steht, hielt sein
Ehrenmitglied, der Woiwode Dr. Grazynski, eine Ansprache, in der er auf die erfolgreiche
Polonisierung der Schwerindustrie hinwies und verlangte, daB nunmehr auch Handel und
Gewerbe in Ostoberschlesien in gleicher Weise polonisiert werden muBten. Ferner miisse der
polnische Bauer als ausschlieBlicher Herr des Bodens in den polnischen Westgebieten
eingesetzt werden. Als Vertreter der Militarbehorde nahm Oberst Powierza an der
Versammlung teil, der dem Westverband im Namen des Divisionskommandeurs voile
militarische Unterstutzung bei der Verwirklichung seiner Aufgaben zusagte. Zum
Verbandsvorsitzenden fur die Kreisgruppe Teschen/Schlesien wurde ein Oberst der Bielitzer
Garnison gewahlt.
Im Verlaufe der Tagung wurde eine Anzahl hochst bedenklicher EntschlieBungen gefaBt. In
Kreisen des hiesigen Deutschtums haben diese EntschlieBungen, namentlich im Hinblick auf
die personliche Stellungnahme des Woiwoden, lebhafte Besorgnis hervorgerufen. Sie werden
mit Recht als Einleitung zu einem vom Woiwoden inszenierten neuen groBangelegten Angriff
gegen die Kreise des deutschen Grundbesitzes und des deutschen Mittelstandes aufgefaBt.
Bezeichnenderweise schloB die Tagung mit der Anerkennung der groBen Verdienste des
Woiwoden, dem vom Westverband flir das bewiesene Wohlwollen gedankt und der fur die
Zukunft um weitere Unterstutzung und Hilfe gebeten wurde.
Noldeke
Nr. 73
Unterredung des Reichsministers des Auswartigen
mit dem Polnischen AuBenminister Beck
Aufzeichnung
Berlin, den 20. Januar 1937
Der Polnische AuBenminister Herr Beck suchte mich heute vormittag bei seiner Durchreise
nach Genf auf. Bei dieser Gelegenheit besprachen wir u. a. die Haltung der polnischen Presse.
Ich machte Herrn Beck darauf aufmerksam, daB auch ein groBer Teil der polnischen Presse,
die der Regierung nahestehe, in den letzten Monaten eine sehr unfreundliche Sprache
gegeniiber Deutschland gefiihrt hat. Von unserer Seite sei der deutschen Presse auBerste
Zuriickhaltung diesem unfreundlichen Konzert gegeniiber auferlegt worden. Ich mochte ihn
aber bitten, darauf hinzuwirken, daB die Tonart der polnischen Regierungspresse eine andere
werde. Herrn Beck war diese Frage offensichtlich peinlich. Er versuchte, die geriigten
Verhaltnisse unter Hinweis auf die polnischen innerpolitischen Schwierigkeiten zu
entschuldigen.
Frhr. von Neurath
1221
Nr. 74
Der Deutsche Generalkonsul in Thorn an das Auswartige Amt
Bericht
Thorn, den 4. Marz 1937
Die polnischen Behorden gehen, wie bereits berichtet, erneut mit den verschiedensten Mitteln
gegen das Deutschtum vor. Der Wille zu einer Verstandigung zu gelangen, ist auf polnischer
Seite, wie die MaBnahmen klar erkennen lassen, nicht in entsprechender Weise wie auf der
deutschen Seite vorhanden. Die deutsche Minderheit bemerkt angesichts der sich immer mehr
verscharfenden Stimmung gegen das Deutschtum zu ihrem Bedauern, daB das
Verstandigungsabkommen fur sie keine Ergebnisse gezeitigt hat. Ich zahle folgende in letzter
Zeit besonders scharf hervortretende MaBnahmen gegen das Deutschtum auf:
1. Der starkste Schlag gegen das Deutschtum war, wie alljahrlich, die Agrarreform,
die aber in diesem Jahre weitaus scharfer und unverhullter sich gegen das Deutschtum
richtete. 75,5% der Gesamtflache, die enteignet wird, wird von dem deutschen
GroBgrundbesitz gestellt, trotzdem der gesamte deutsche Grundbesitz wohl hochstens
noch 30% betragt.
2. Auch dem deutschen Genossenschaftswesen wird der Kampf in verstarktem MaBe
angesagt. Dahinter diirfte wiederum der polnische Westverband stehen, der wiederholt
mit besonderem Nachdruck gegen die deutschen Genossenschaften agitiert hat. Hinzu
kommt, daB die Genossenschaften der Minderheit trotz aller Bedriickung im groBen
und ganzen noch verhaltnismaBig gut dastehen und dadurch aktiv zu arbeiten
vermogen, wahrend das polnische Genossenschaftswesen hier ganz im argen liegt. Es
ist klar, daB diese Tatsachen die Polen argern.
3. Neuen Schikanen ist auch die deutsche Elternschaft ausgesetzt. Aus der deutschen
Privatschule in Neustadt sind z. B. durch Verfiigung des Kreisschulinspektors 26
Kinder ausgeschult und der polnischen Schule iiberwiesen worden, obwohl die Eltern
dagegen protestierten. Auch aus anderen Gegenden meines Amtsbezirks kommen in
letzter Zeit haufige Klagen iiber ahnliche Vorkommnisse, die in den meisten Fallen
auf Schikane zuruckzufuhren sind, um die deutschen Eltern zu zermiirben.
Ich halte es fiir meine Pflicht, auf die durch die neuen deutschfeindlichen MaBnahmen der
Behorden geschaffene Lage mit allem Ernst hinzuweisen.
von Kuchler
Nr. 75
Aufzeichnung des Dirigenten der Politischen Abteilung
des Auswartigen Amts
Berlin, den 2. April 1937
Staatssekretar Pfundtner vom Reichsinnenministerium hat dem stellvertretenden Herrn
Staatssekretar telephonisch mitgeteilt, daB nach vorliegenden Nachrichten in absehbarer Zeit
ein Hungermarsch von Teilen der in Polnisch-Oberschlesien wohnenden deutschstammigen
Bevolkerung nach der deutschen Grenze zu geplant sei. Alle MaBnahmen seien getroffen, um
etwaigen Zwischenfallen an der Grenze vorzubeugen.
von Erdmannsdorff
1801
Nr. 76
Der Deutsche Generalkonsul in Thorn an das Auswartige Amt
Telegramm
Thorn, den 6. April 1937
In einigen in Graudenz abgehaltenen Versammlungen beruchtigten Westverbandes erhob
Redner Anspruch auf deutsches Land ostlich und westlich Pommerellens. Habe bei
Woiwodschaft Einspruch erhoben, erbitte aber auch dortseits Protest.
Kuchler
Nr. 77
Das Auswartige Amt an den Deutschen Botschafter in Warschau
Telegramm
Warschau, den 7. April 1937
Reichsminister bittet unverziiglich bei dortiger Regierung gegen bekannte Kundgebung
Westverbandes in Graudenz- im Rahmen Pommerellenwoche, soweit dabei in Reden und
Resolutionen sowie durch Verwendung von Transparenten und Landkarten polnische
Anspriiche auf deutsche Gebiete geltend gemacht worden sind, mit allem Nachdruck
Einspruch zu erheben. Bitte Einspruch nicht nur auf deutsch-polnisches Presseprotokoll- zu
stiitzen, sondern dariiber hinaus zu betonen, daB derartige Kundgebungen unter Teilnahme
hoher polnischer Beamter deutsch-polnische Beziehungen stark belasten muBten.
Reichsregierung miisse verlangen, daB Polnische Regierung alles tue, um Wiederholung
solcher Vorfalle zu verhindern.—
Gaus
Nr. 78
Aufzeichnung des Stellvertretenden Staatssekretars
des Auswartigen Amts
Berlin, den 9. April 1937
Der Polnische Botschafter, den ich zu mir gebeten hatte, wurde von mir iiber die von Herrn
von Moltke in Warschau gestern in unserem Auftrag unternommene Demarche wegen der
deutschfeindlichen Betatigung des polnischen Westverbandes unterrichtet. Ich sagte Herrn
Lipski, daB die MiBbilligung dieser Betatigung durch die Polnische Regierung und das
Abriicken der Regierung von der Aktion des Westverbandes, wie dies gegeniiber Herrn mi
von Moltke durch den Grafen Szembek zum Ausdruck gebracht und im Communique der
Polnischen Telegraphen-Agentur veroffentlicht worden sei, von uns gewurdigt werde, und
daB damit dieser Zwischenfall erledigt sei. Ich benutzte dann die Gelegenheit, um Herrn
Lipski in freundschaftlicher, aber ernster und nachdriicklicher Weise im einzelnen
auseinanderzusetzen, wie sehr in letzter Zeit die feindseligen Kundgebungen polnischer
Personlichkeiten und polnischer Zeitungen gegen Deutschland zugenommen hatten und wie
ernst die Belastung unserer Beziehungen durch derartige Kundgebungen sei.
Dieckhoff
Nr. 79
Der Deutsche Generalkonsul in Thorn an das Auswartige Amt
Bericht
Thorn, den 7. April 1937
Im Soldauer Kreis wird wiederum in verstarktem MaBe gegen das Deutschtum gehetzt. Dabei
wird zum Boykott der Deutschen und gleichermaBen der Juden aufgefordert. Ende vorigen
Monats sind in Soldau nachts Plakate angebracht worden, die folgenden Inhalt hatten:
"Kauf nicht beim Deutschen und Juden!
Wenn du unsere Aufforderung nicht befolgst,
wird dich diese Faust treffen!"
Auf den Plakaten ist eine Faust mit einem Dolch in der Hand abgebildet.
Ich habe die Woiwodschaft auf diesen Tatbestand hingewiesen.
von Kuchler
Nr. 80
Der Deutsche Generalkonsul in Thorn an das Auswartige Amt
Bericht
Thorn, den 14. Oktober 1937
Aus zahlreichen Berichten des Generalkonsulates geht zur Geniige hervor, wie die Freiheit
der hiesigen deutschen Minderheit aussieht. Nicht nur Enteignungen,
Konzessionsentziehungen, Verweigerung der Aufenthaltsgenehmigungen, SchlieBung von
Schulen und das bekannte Grenzzonengesetz, sondern auch andere MaBnahmen, wie rigorose
Steuereinziehungen usw. usw., lassen mit aller Deutlichkeit erkennen, daB der Pole alle Mittel
anwendet, um das Deutschtum hier zum Erliegen zu bringen bzw. die Deutschen zur
Abwanderung zu zwingen. Die Verhetzung der Massen wird hier in der letzten Zeit - da diese
hoheren Orts ganz offensichtlich gebilligt wird - planmaBig durchgefuhrt.
I82i Ganz besonders scharfe Resolutionen wurden bei den Veranstaltungen des
deutschfeindlichen Westverbandes gefaBt. Es wird dabei gegen die "unwiirdige teutonische
Arbeit" Protest erhoben und folgende Forderungen aufgestellt:
1. Die Ausweisung von etwa 6.000 hier lebender Optanten,
2. die Aufhebung der Volksschulen und die Beschrankung ihrer Zahl auf diejenige der
polnischen Volksschulen in Deutschland,
3. Verbot der Verwendung der deutschen Sprache bei den Gottesdiensten,
4. Boykott der deutschen Genossenschaften und Auflosung der deutschen Organisationen
aller Art,
5. Rucksichtslose Durchfuhrung der Agrarreform bei deutschen Giitern und die Ubergabe des
parzellierten Landes an die polnische Bevolkerung,
6. Entziehung der den Deutschen erteilten Konzessionen,
7. Beschlagnahme und SchlieBung samtlicher deutscher Zeitungen.
Aus dem Vorgesagten ergibt sich, wie sich die Verhaltnisse hier von Tag zu Tag zuspitzen.
Die deutsche Minderheit ist von dieser Entwicklung der Dinge stark beeindruckt, und
befiirchtet weitere Ausschreitungen, falls nicht seitens der Behorden diesem
unverantwortlichen Treiben ein Riegel vorgesetzt wird. Alles in allem ist das gegenseitige
Verhaltnis der Deutschen zu den Polen jetzt fast schlimmer, als es vor dem AbschluB des
Verstandigungsabkommens war.
von Kuchler
Attmctbun^^ii:
33 Vgl. Nr. 181 . ...zuruck...
34 Vgl. Nr. 58 . .. .zuruck...
35 Vgl. Nr. 56 . ... zuruck. ..
36 Vgl. Nr. 57 . .. .zuruck...
Veroffentlicht in der "Amtlichen Sammlung der Stellungnahmen des Prasidenten der
Gemischten Kommission fur Oberschlesien" (erschienen bei Walther de Gruyter & Co.,
Berlin und Leipzig 1937) Bd. II, S. 461 ff. ...zuruck...
38 Vgl. Nr. 67 . .. .zuruck...
39 Vgl. Nr. 188 und 189. ...zuruck...
40 Vgl. Nr. 68 . ...zuruck...
41 Vgl. Nr. 76 . ...zuriick...
Deutsch-polnisches Presseabkommen vom 24. Februar 1934, das zum Ziel hatte, die
Bildung der offentlichen Meinung dem deutsch-polnischen Verstandigungsabkommen
anzupassen. ...zuruck...
43 Die Demarche des Deutschen Botschafters erfolgte beim VizeauBenminister Graf Szembek
am 8. April. (Vgl. Nr. 78 .) .. .zuriick...
Erstes Kapitel (Fo rts. )
Entwicklung der Deutsch-Polnischen Beziehungen
B. Deutschlands Bemuhen
um eine Verstandigung mit Polen, 1933 bis 1939
V. Verhandlungen
iiber eine Deutsch-Polnische Minderheitenerklarung
(Januar bis November 1937)
Nr. 81
Unterredung des Reichsministers des Auswartigen
mit dem Polnischen AuBenminister Beck
Aufzeichnung
Berlin, den 20. Januar 1937
Ich machte Herrn Beck auf den Ablauf des Genfer Abkommens liber Oberschlesien-
aufmerksam und betonte dabei die Notwendigkeit, fur eine Reihe von wirtschaftlich-
technischen Fragen rechtzeitige Verabredungen zu treffen. Herr Beck erklarte, die Absicht,
baldmoglichst zu verhandeln, bestehe auch auf polnischer Seite und Herr Lipski sei bereits
beauftragt, zunachst iiber die Eisenbahnfragen hier zu sprechen. Auch iiber die anderen neu zu
regelnden Fragen sollen die Sachverstandigen baldmoglichst zusammentreten.
Die politische Frage des Minderheitenschutzes wurde nur kurz gestreift. Herr Beck war der
Auffassung, daB man zunachst einmal an die praktischen Fragen herangehen sollte. Ich habe
mich damit einverstanden erklart.
Frhr. von Neurath
1841
Nr. 82
Der Reichsminister des Auswartigen
an den Deutschen Botschafter in Warschau
ErlaB
Berlin, den 22. Februar 1937
Die Besprechungen mit der Polnischen Regierung iiber den bevorstehenden Ablauf des
Genfer Abkommens haben sich auf die wirtschaftlich-technischen Bestimmungen des Genfer
Abkommens beschrankt.
Nicht beruhrt wurde jedoch bisher der bekannte Hauptpunkt, namlich die Frage des
Minderheitenschutzes, die den Kern des Genfer Abkommens darstellt und der politisch
weittragende Bedeutung zukommt.
Sinn und Zweck des Genfer Abkommens war nach seiner Praambel neben der Sicherstellung
des Wirtschaftslebens zugleich der Schutz der Minderheiten in Oberschlesien und flir diesen
Schutz hat die Deutsche Regierung sich in jahrelangem Kampf mit starkstem Nachdruck
eingesetzt.
Diese Bestimmungen treten mit Ablauf des 14. Juli 1937 auBer Kraft und es ist nicht
ersichtlich, wie die deutsche Volksgruppe in Ostoberschlesien, deren schwierige Lage die
Deutsche Regierung nach wie vor mit Sorge erfullt, kunftig geschutzt werden kann. In der
polnischen Verfassung werden zwar alien Staatsblirgern gleiche Rechte ausdriicklich
zugesichert. Wenn dessen ungeachtet die Minderheit schon nach der bisherigen Praxis
namentlich des Woiwoden Grazynski in Kattowitz unterschiedlich behandelt worden ist, so
wird sie in Zukunft ohne besondere Schutzbestimmungen der Willkiir der polnischen
Behorden vollig preisgegeben sein.
Polen bleibt auch nach dem 14. Juli 1937 an die in Artikel 64 bis 72 des Genfer Abkommens
enthaltenen allgemeinen Minderheiten-Schutzbestinunungen, die dem Vertrage zwischen den
Alliierten und Assoziierten Hauptmachten und Polen vom 28. Juni 1919- entnommen sind,
gebunden, da der BeschluB der Botschafterkonferenz vom 20. Oktober 1921 und der Artikel
64 des Genfer Abkommens eine Befristung nur flir das Reich, nicht aber fur Polen vorsehen.
Wie ihnen bekannt ist, haben wir erwogen, der Polnischen Regierung den AbschluB eines
deutsch-polnischen Volksgruppenvertrags vorzuschlagen. Entwurf und Denkschrift eines
solchen Vertrags, die lediglich die anzustrebenden Verhandlungsziele aufzeigen und den
deutschen Unterhandlern gegebenenfalls als Richtlinien dienen sollen, sind jetzt fertiggestellt.
Ich bitte daher, bei nachster sich bietender Gelegenheit der Polnischen Regierung die Frage
vorzulegen, wie sie sich den Schutz der beiderseitigen Minderheiten in Oberschlesien nach
Ablauf des Genfer Abkommens vorstellt und ob sie gegebenenfalls bereit ware, mit der
Deutschen Regierung in Verhandlungen liber den AbschluB eines neuen Abkommens zum
Schutz dieser Minderheiten einzutreten.
Uber das Ergebnis bitte ich gefalligst unverzuglich berichten zu wollen.
Frhr. von Neurath
1851
Nr. 83
Der Deutsche Botschafter in Warschau an das Auswartige Amt
Bericht
Warschau, den 16. Marz 1937
Da AuBenminister Beck erst nach Ostern hierher zuriickkehren wird, habe ich in einer mehr
als einstundigen Unterredung, die ich heute mit Graf Szembek liber die verschiedenen Fragen
des Genfer Abkommens hatte, auch das Problem der Minderheiten angeschnitten und ihm
dabei die Frage vorgelegt, wie sich die Polnische Regierung den Schutz der beiderseitigen
Minderheiten in Oberschlesien nach Ablauf des Genfer Abkommens vorstelle und ob sie
gegebenenfalls bereit ware, mit der Deutschen Regierung in Verhandlungen liber den
AbschluB eines neuen Abkommens zum Schutz der Minderheiten einzutreten.
Graf Szembek erwiderte, daB, soweit er orientiert sei, die Polnische Regierung der Frage eines
zweiseitigen Minderheitenschutzvertrages ablehnend gegenliberstehe. Flir die deutsche
Minderheit in Polnisch-Oberschlesien sei eine vertragliche Sicherung der Minderheitenrechte
nicht notwendig, weil die polnische Verfassung bereits weitgehenden Schutz garantiere. Flir
die polnische Minderheit in Deutsch-Oberschlesien andererseits verspreche man sich hier von
einem Abkommen keine besonderen Vorteile, weil sie, ganz im Gegensatz zu der deutschen
Minderheit in Polen, viel zu schlecht organisiert sei, urn aus einem zweiseitigen
Minderheitenvertrage Nutzen ziehen zu konnen.
Ich habe Graf Szembek erklart, daB nach den bisherigen Erfahrungen der durch die
Verfassung gewahrte Schutz leider nicht als ausreichend angesehen werden konne, und habe
an Hand von Beispielen nachgewiesen, daB und weshalb die Skepsis in dieser Hinsicht
berechtigt sei. Ich habe ferner hervorgehoben, wie sehr gerade die Minderheitenfragen zu
einer Belastung der politischen Beziehungen fiihrten und mit daran schuld seien, wenn die
Stimmung in Deutschland gegeniiber Polen sich in letzter Zeit nicht unwesentlich
verschlechtert habe. Weit mehr als in der Presse ersichtlich sei, sei die offentliche Meinung in
Deutschland in wachsendem MaBe beunruhigt, da sie immer wieder feststellen miisse, daB
sich in den Unterdruckungsmethoden durch die deutsch-polnische Verstandigungspolitik
nicht das geringste geandert habe und daB die polnischen Behorden darauf ausgingen, das
Deutschtum in Polen rucksichtslos zu dezimieren. Wir seien unter diesen Umstanden der
Auffassung, daB der AbschluB eines neuen Minderheitenabkommens sowohl im Interesse der
Minderheit liege, als auch in politischer Beziehung gute Dienste leisten konne.
Graf Szembek gab gegeniiber den von mir vorgebrachten Unterlagen zu, daB hinsichtlich der
Behandlung der Minderheit in der Tat bei den Verwaltungsbehorden nicht alles in Ordnung
sei, und erklarte sich schlieBlich bereit, die Angelegenheit in einer ihrer Bedeutung
entsprechenden Form zum Gegenstand eines Vortrages im Ministerrat zu machen und dessen
Entscheidung herbeizufuhren.
Ich habe klargestellt, daB unser Vorschlag sich nur auf Oberschlesien bezieht, habe aber
gleichzeitig von mir aus gebeten, auch die Auffassung des Ministerrats zu dem Gedanken
eines allgemeinen Minderheitenabkommens festzustellen.
von Moltke
Nr. 84
Der Deutsche Botschafter in Warschau an das Auswartige Amt
Bericht
Warschau, den 19. April 1937
Ich habe heute eingehend mit AuBenminister Beck iiber die Frage des Ablaufs des Genfer
Abkommens gesprochen. Hierbei habe ich zunachst darauf hingewiesen, daB nach Auffassung
der Deutschen Regierung beide Staaten daran interessiert seien, gemeinsam zu priifen, ob
durch den Fristablauf nicht lebenswichtige Rechts- und Wirtschaftsformen in Zukunft
wegfielen, deren Erhaltung notwendig oder zweckmaBig erscheine. Nach Darlegung der bei
dieser Prufung zu behandelnden Fragen habe ich unter Bezugnahme auf die wiederholten
Unterredungen mit Graf Szembek zum Ausdruck gebracht, daB die Deutsche Regierung hoffe,
auch in der Frage des Minderheitenschutzes mit der Polnischen Regierung zu einer
Verstandigung zu gelangen, die dem Geiste des Nichtangriffspaktes entspreche und von dem
Wunsch der Aufrechterhaltung guter Beziehungen zwischen unseren beiden Landern getragen
sei.
Herr Beck erwiderte, daB sowohl nach seiner Auffassung als auch nach der Auffassung des
Kabinetts hinsichtlich der technischen und wirtschaftlichen Fragen gepriift werden miisse, ob
irgendwelche Materien des Genfer Abkommens einer Sonderregelung liber den Termin des
15. Juli hinaus bediirfen. Diese Priifung miisse beschleunigt durchgefiihrt werden, damit am
15. Juli nicht eine Liicke entstande, die zu MiBstimmung und Unzufriedenheit AnlaB geben
konnte. Was die Minderheitenfrage anbetreffe, so sei er aber leider nicht in der Lage, unseren
Wunsch zu erfullen. Das Kabinett stande auf dem Standpunkt, daB eine Bindung
internationalen Charakters in Minderheitenfragen eine Beeintrachtigung der Souveranitat sei
und nur allzu leicht zur Einmischung in innere Angelegenheiten fiihren konne. Man sei in
Polen auBerordentlich empfindlich in alien Fragen, die die souveranen Rechte des Staates
angingen. Gerade was die Minderheitenregelung anbetreffe, so habe Polen lange genug unter
der einseitigen Belastung sowie unter der politischen Ingerenz des Volkerbundes gelitten, um
irgend etwas akzeptieren zu konnen, was nach der Fortsetzung dieses Zustandes aussehen
wiirde. Die im September 1934 erfolgte Aufkundigung der Minderheitenverpflichtung— sei
ein ernster Schritt gewesen, den Polen griindlich vorher bedacht habe. Aber wenn es damals
zu Schwierigkeiten gekommen ware, ware Polen lieber aus dem Volkerbund ausgetreten, als
den bisherigen Zustand weiter hinzunehmen; so stark sei hier die Abneigung gegen
Beeintrachtigungen der Souveranitat und gegen Einmischung in innere Angelegenheiten. Er
glaube auch nicht, daB ein zweiseitiges Minderheitenabkommen die Beziehungen zwischen
den Staaten und die Stimmung der offentlichen Meinung gunstig beeinflussen konne. Die
offentliche Meinung wiirde bei jeder Gelegenheit eine Intervention verlangen und politisch
wiirde dadurch eher ein Schaden als ein Nutzen entstehen. Fur die Polnische Regierung sei
jedenfalls ein solches Abkommen untragbar.
Ich antwortete, daB wir ebenfalls sehr empfindlich in alien die Souveranitat angehenden
Fragen seien und daB wir in dieser Hinsicht auf unerfreuliche Erfahrungen zuriickblicken
konnten. Wir konnten aber in einer zweiseitigen Bindung liber Minderheitenfragen keine
untragbare Schmalerung unserer im Souveranitat erblicken. Gewisse Beeintrachtigungen der
Handlungsfreiheit brachten mehr oder weniger schlieBlich alle internationalen Vertrage mit
sich. Uberdies sei aber doch ein groBer Unterschied zwischen einer einseitigen Servitut mit
internationaler Kontrolle und der freien EntschlieBung zweier Regierungen, sich liber eine
Frage zu verstandigen, die die politischen Beziehungen store. DaB eine solche Belastung
vorliege, sei doch wohl kaum zu bestreiten. Die gegenwartige Lage sei nicht gut, habe sich in
den letzten Monaten standig verschlechtert und die Einstellung des schlesischen Woiwoden
lasse fur die Zukunft nichts Besseres erwarten. Die deutsche Offentlichkeit reagiere mit
Empfindlichkeit auf Nachrichten liber die Lage ihrer Minderheit, und daB das gleiche auch
auf polnischer Seite der Fall sei, bewiesen die fast taglich liber dieses Thema erscheinenden
Nachrichten und Artikel, die im librigen, wie ich immer wieder Gelegenheit hatte
festzustellen, in den meisten Fallen unrichtig oder libertrieben seien. Wenn in Zukunft
jegliche Bindung entfiele, wiirde das MiBtrauen beiderseits sich noch steigern und die die
Atmosphare vergiftende Pressehetze nur noch groBer werden. Es sei deshalb dringend
erwlinscht, flir die Zukunft gewisse Richtlinien liber die beiderseitige Behandlung der
Minderheit festzulegen. Der von Herrn Beck geflirchtete Druck auf die Regierung zwecks
Vornahme von Interventionen wiirde sowieso entstehen, ob Bindungen vorhanden seien oder
nicht. Eine Regelung des Minderheitenschutzes sei aber ein wertvoller Beitrag flir die
Verstandigung unserer beiden Volker.
Herr Beck gab zu, daB die gegenwartige Lage unbefriedigend sei, und erklarte, daB er das
Problem, das zu unseren Vorschlagen geflihrt hatte, in seiner Bedeutung durchaus wlirdige.
Auch er mache sich Sorge darliber, daB die Minderheitenfrage die deutsch-polnischen
Beziehungen beeintrachtigen konnte, und es sei richtig, daB sie von groBer Bedeutung flir die
offentliche Meinungsbildung und fur die Forderung guter Beziehungen zwischen unseren
beiden Volkern sei. Es handele sich aber urn eine sehr heikle Materie. Er habe keine
Befiirchtungen hinsichtlich der groBen Linie der deutsch-polnischen Beziehungen, aber die
kleineren Fragen seien in der Tat nicht ungefahrlich. Wenn er auch mit mir darin
ubereinstimme, daB man praktische Losungen suchen miisse, so halte er doch den von uns
vorgeschlagenen Weg nicht flir gut. Polen habe auf dem Gebiet der Minderheitenfragen groBe
Erfahrungen und so konne er darauf hinweisen, daB in der Tschechoslowakei trotz des
zweiseitigen Minderheitenvertrages die Situation der polnischen Minderheit ganz
auBerordentlich schlecht sei, wahrend auf der anderen Seite das Beispiel Lettlands zeige, daB,
wo kein Vertrag vorhanden sei, sondern die Minderheitenfragen auf Grund souveraner
Entscheidung gehandhabt wiirden, die Lage der Minderheit eine durchaus befriedigende sei.
Auch die unteren Verwaltungsbehorden wiirden in alien die Minderheit betreffenden
Entscheidungen freier sein, wenn das Gefiihl, unter dem Drucke eines internationalen
Abkommens zu stehen, beseitigt wiirde. Die ablehnende Haltung der Polnischen Regierung
gegeniiber einer Bindung in Fragen des Minderheitenschutzes schlieBe aber keineswegs aus,
daB die tatsachliche Lage - er wiederholte des ofteren mit Betonung: "situation defait" - einer
gemeinsamen Priifung unterzogen wiirde. Die ganze Materie sei allerdings zu delikater Natur,
um der Priifung durch eine Delegation von Sachverstandigen uberlassen zu werden. Es kame
vielmehr hierfur ausschlieBlich der diplomatische Weg in Frage. Entweder konnte Herr Lipski
in Berlin oder ich mit ihm iiber diese Angelegenheiten sprechen, vielleicht konnte er auch
gelegentlich einer Durchreise durch Berlin personlich mit Herrn von Neurath verhandeln. Als
ism ich darauf hinwies, daB die zur Erorterung stehenden Fragen meines Erachtens viel zu
komplex seien, um auf diesem Wege behandelt zu werden, meinte Herr Beck, es sei nicht
ausgeschlossen, daB man fur die eine oder andere Frage auch einmal einen Experten
hinzuziehen konne. Grundsatzlich durften nach Auffassung der Polnischen Regierung diese
heiklen Dinge aber nur im rein diplomatischen Verkehr behandelt werden. Auf diesem Wege
wiirde man nach Auffassung der Polnischen Regierung zu besseren Resultaten gelangen, als
eine irgendwie geartete Vereinbarung sie bieten konnte. Freundschaftliche Verstandigung in
Einzelfragen sei besser als eine Intervention auf Grund von Vertragen.
Ich habe unter Anfuhrung verschiedener Beispiele aus der Praxis mich noch weiter bemiiht
darzulegen, daB ohne Vereinbarung gemeinsamer Richtlinien nutzliche Arbeit nicht geleistet
werden konne. Herr Beck blieb aber auf seinem Standpunkt unter Berufung auf eine
Kabinettsentscheidung, mit der er sich personlich in vollem Umfange identifizierte.
Ich habe nicht den Eindruck, daB polnischerseits die Absicht besteht, die "Priifung der Lage"
sehr zu vertiefen, mochte vielmehr glauben, daB dieser Ausweg nur gewahlt worden ist, um
die Ablehnung unseres Vorschlages nicht zu schroff erscheinen zu lassen. Wenn ich mir daher
auch nicht allzuviel von einem Eingehen auf die Becksche Anregung versprechen kann, so
scheint es mir doch nicht ratsam zu sein, den Gedanken a limine abzulehnen.
von Moltke
Nr. 85
Aufzeichnung eines Beamten der Politischen Abteilung
des Auswartigen Amts
Berlin, den 14. Mai 1937
Die hiesigen Verhandlungen liber die mit dem Ablauf des Genfer Abkommens
zusammenhangenden Fragen— nehmen einen schleppenden Verlauf.
Soweit es sich urn Fragen handelte, die im Zusammenhang mit dem weiteren Schicksal der
Minderheit stehen, zeigte sich polnischerseits eine ablehnende Haltung. Dies bezieht sich in
erster Linie auf die Weitergeltung gewisser Schutzbestimmungen des Genfer Abkommens
und insbesondere auf den sogenannten Schutz erworbener Rechte (Artikel 4 des Genfer
Abkommens), auf den wir im Hinblick auf die Gefahren der polnischen Agrargesetzgebung
groBtes Gewicht legen.
Der polnische Verhandlungsfuhrer Herr Kunicki bezog sich in dieser Frage auf eine
ausdriickliche Weisung des Polnischen AuBenministers und erklarte, daB er sich zur Zeit
auBerstande sehe, eine Erorterung dieses Themas in Aussicht zu stellen.
von Lieres
Nr. 86
Die Deutsche Delegation in Warschau an das Auswartige Amt
Bericht
Warschau, den 28. Mai 1937
Samtliche zur Zeit in Warschau gefiihrten Verhandlungen liber die mit dem Ablauf des
Genfer Abkommens zusammenhangenden Fragen— lassen erkennen, daB die
Ressortministerien stark vom oberschlesischen Woiwoden unter Druck gesetzt sind und daB
deshalb politische Rlicksichten in erheblichem MaBe bei der Fassung sachlicher
Entscheidungen mitsprechen. Das lieB sich sowohl bei den Verhandlungen liber die
Eisenbahnfrage wie auch besonders bei der Besprechung mit Herrn Kunicki erkennen. Herr
Kunicki ist offenbar ein Sachbearbeiter, der die Regelung der oberschlesischen Fragen mit
Objektivitat und dem Wunsch, zu einer moglichst freundschaftlichen Regelung zu kommen,
behandelt. Er lieB mich jedoch unzweideutig erkennen, daB das AuBenministerium in
manchen der Fragen nicht so entscheiden konne, wie es seiner Meinung nach vielleicht
zweckmaBig sei. Besonders in seinem Verlangen auf Durchflihrung der Abwanderung der
Optanten entspricht wohl das AuBenministerium den Wlinschen der oberschlesischen
Aufstandischen,- die offenbar ein Opfer verlangen.
Mackeben
Nr. 87
Der Reichsminister des Auswartigen
an den Deutschen Botschafter in Warschau
ErlaB
Berlin, den 28. Mai 1937
Unter Bezugnahme auf die mundliche Besprechung der Minderheitenfrage wahrend Ihres
letzten Besuchs in Berlin bitte ich Sie, die Angelegenheit moglichst bald erneut bei Herrn
Beck zur Sprache zu bringen.
Sollte Herr Beck bei der Unterhaltung nicht nur vertragliche Abmachungen der einen oder
anderen Art wiederum a limine ablehnen, sondern auch die fortdauernde Gliltigkeit der
internationalen Verpflichtung Polens bestreiten, so bitte ich, ihm gegeniiber sofort
ausdriicklich festzustellen, daB dann in dieser wichtigen Frage ein offener Dissens zwischen
den beiden Regierungen bestehe. Sie konnten nur hoffen, daB sich das tatsachliche Schicksal
der deutschen Minderheit in Polen kunftig so gestalte, daB sich aus diesem grundsatzlichen
Dissens keine Beeintrachtigung der deutsch-polnischen Beziehungen ergebe. Im ubrigen
muBten Sie naturlich der Reichsregierung die weitere EntschlieBung vorbehalten.
Einem Bericht liber den Verlauf Ihrer Demarche sehe ich mit besonderem Interesse entgegen.
Frhr. von Neurath
mm
Nr. 88
Der Deutsche Botschafter in Warschau an das Auswartige Amt
Bericht
Warschau, den 1. Juni 1937
Ich habe heute bei Herrn Beck die mir aufgetragene Demarche ausgefuhrt unter Uberreichung
des anliegenden Memorandums, das ich eingehend mundlich erlauterte. Herr Beck horte sehr
aufmerksam zu, gab aber wahrend meiner Ausfuhrungen weder Zeichen der Zustimmung
noch der Ablehnung zu erkennen. Als ich abschlieBend darauf hinwies, daB der mir von Herrn
von Neurath erteilte Auftrag vom Flihrer und Reichskanzler angeordnet worden sei, zeigte
Herr Beck sich sichtlich beeindruckt und erwiderte, daB Wunsche des Fuhrers hier immer
einer besonders ernsten Beachtung sicher seien. Er werde selbstverstandlich die von mir
vorgetragene Angelegenheit unverzuglich dem Ministerprasidenten bzw. dem Kabinett
unterbreiten und behielte sich vor, demnachst die Stellungnahme der Polnischen Regierung
mitzuteilen.
Im ubrigen beschrankte sich Herr Beck auf einige kurze Bemerkungen, in denen er zunachst
zum Ausdruck brachte, daB in der Tat unsere verstandnisvolle Haltung gelegentlich des
VorstoBes der Polnischen Regierung in Genf vom Herbst 1934- hier seinerzeit groBe
Befriedigung ausgelost habe. Herr Beck fand dann einige Worte der Verteidigung gegeniiber
meinen Darlegungen beziiglich der tatsachlichen Lage der deutschen Minderheit in Polen,
ohne aber hierbei in das Detail zu gehen, und brachte zum Ausdruck, daB bei eigenmachtigem
Vorgehen der untergeordneten Behorden der Ministerprasident sicherlich bereit sein wiirde,
mit der ihm eigenen Energie einzuschreiten. Herr Beck versuchte, die Schwierigkeiten des
gesamten deutsch-polnischen Minderheitenproblems mit der Verschiedenheit der inneren
Konstruktion der beiden Staaten zu erklaren, wie denn uberhaupt nach seiner Ansicht das
ganze Minderheitenproblem auBerordentlich komplex sei. Herr Beck wiederholte nicht seine
friiheren Argumente gegen unseren Vorschlag, kam aber auch mit keinem Wort auf die heute
von mir weisungsgemaB vorgebrachten prinzipiellen Gesichtspunkte zu sprechen.
von Moltke
Anlage
Memorandum
Warschau, den 1. Juni 1937
1. Die Stellungnahme der Polnischen Regierung zu dem deutschen Vorschlag eines
zweiseitigen Vertrages iiber die Minderheiten- hat in Berlin bei den maBgebenden Stellen
sehr uberrascht und nicht nur Enttauschung, sondern auch ernste Besorgnisse hervorgerufen.
Die Reichsregierung hat, politisch gesehen, voiles Verstandnis flir die Abneigung der
Polnischen Regierung gegen einseitige Bindungen in der Frage der Minderheiten. Das hat sie
seinerzeit schon durch die Haltung bewiesen, die sie anlaBlich des polnischen VorstoBes im
Volkerbunde im September 1934 eingenommen hat. Der deutsche Stand- mi punkt zu dieser
Frage ist dem Polnischen Herrn AuBenminister am 19. November 1934 ausfiihrlich dargelegt
worden.- In dem gleichen Sinne hat die Reichsregierung jetzt geglaubt, mit ihrem Vorschlag
eines vollig paritatischen zweiseitigen Vertrages iiber die Minderheiten ein bedeutsames
Entgegenkommen zu beweisen und der Polnischen Regierung eine Moglichkeit zu eroffnen,
das Problem in einer Weise zu losen, die dem polnischen Widerstreben gegen einseitige
Bindungen Rechnung tragen und zugleich beide Teile der Notwendigkeit entheben wiirde,
sich iiber die aus der Vergangenheit herruhrenden prinzipiellen Fragen auseinanderzusetzen.
2. Wenn polnischerseits der Standpunkt vertreten wird, daB nach den bisher gemachten
Erfahrungen den Minderheiten mit einer vollig freien souveranen Behandlung ihrer
Angelegenheiten durch die Landesbehorden mehr gedient sei als mit internationalen
Abmachungen und daB eine freundschaftliche Verstandigung in Einzelfragen besser sei als
eine Intervention auf Grand von Vertragen, so ist das eine nach deutscher Ansicht nicht
zutreffende Beurteilung des Problems. Die deutscherseits gewunschte Klarung der
Rechtsgrundlagen bedeutet selbstverstandlich nicht, daB wir einer Politik der Interventionen
oder iiberhaupt einer Politik formaler Prozeduren zuneigen. Auch deutscherseits wird es flir
die einzig fruchtbare und uberdies der groBen Linie der deutsch-polnischen Beziehungen
entsprechende Methode gehalten, sich iiber die jeweils auftauchenden Einzelfragen
freundschaftlich zu verstandigen. Eine solche Verstandigung wird aber durch den AbschluB
einer nach den Grandsatzen voller Gegenseitigkeit aufgebauten Vereinbarung nicht nur nicht
erschwert, sondern im Gegenteil wesentlich erleichtert werden. Falls man, entsprechend dem
polnischen Vorschlage, iiber Minderheitenfragen zwischen Deutschland und Polen stets nur
als iiber eine Situation defait spricht, liegt die Gefahr, daB die Vorstellungen und Wunsche
der einen Seite von der anderen Seite als unberechtigte Einmischung in innere
Angelegenheiten empfunden werden wiirden, viel naher, als wenn es sich um die
freundschaftliche Aussprache iiber die Durchfiihrung vertraglicher Abmachungen handelt.
Daraber hinaus wiirde aber das Fehlen einer Klarung der Rechtsgrundlagen einen
Unsicherheitsfaktor in die ganzen deutsch-polnischen Beziehungen hineintragen, der sich auf
die Dauer als bedenkliche Stoning bemerkbar machen muBte.
3. Davon abgesehen, diirfte auch die Polnische Regierung Verstandnis dafiir haben, daB die
Deutsche Regierung nicht einfach stillschweigend die Position preisgeben kann, die sich flir
sie aus der bekannten Entstehung des deutsch-polnischen Minderheitenproblems ergibt. Die
Deutsche Regierung hat im Herbst 1934 davon absehen konnen, den polnischen VorstoB
gegen die Mitwirkung des Volkerbundes in Minderheitenfragen zu beanstanden, weil sie
diese Mitwirkung langst als wertlos erkannt und weil sie es als einen der wichtigsten Zwecke
der deutsch-polnischen Vereinbarung vom Januar 1934- angesehen hat, deutsch-polnische
Angelegenheiten nicht vor internationalen Instanzen, sondern im unmittelbaren
Gedankenaustausch zu erortern. Hierbei wurde aber selbstverstandlich davon ausgegangen -
wie es auch in der obenerwahnten Unterredung vom 19. November 1934 zum Ausdruck
gekommen ist -, daB sich die polnische Aktion lediglich gegen die Kontrolltatigkeit des
Volkerbundes richten, dagegen die materiellen Verpflichtungen Polens unberiihrt lassen
sollte. Auch der bevorstehende Ablauf der Genfer Konvention andert ja zweifellos nichts
daran, daB die allgemeinen Minderheitenver- im pflichtungen Polens in Kraft bleiben, und
zwar sowohl in Ostoberschlesien als auch in den ubrigen Teilen Polens. Da aber die speziellen
Schutzbestimmungen fur Ostoberschlesien jetzt in Fortfall kommen, ergibt sich von neuem
ein dringender AnlaB zur Erorterung der Frage, ob es nicht im beiderseitigen Interesse
geboten ware, liber die kunftige Handhabung jener allgemeinen Schutzbestimmungen zu einer
Verstandigung zu gelangen, und zwar wiederum nicht nur flir Ostoberschlesien, sondern flir
ganz Polen.
4. Die Deutsche Regierung, die sich an dem Schicksal der auf polnischem Gebiet lebenden
Menschen deutschen Stammes unmoglich desinteressieren kann, hat den Wunsch gehabt und
hat ihn noch, sich bei der Betatigung ihres Interesses flir diese Bevolkerungsteile nicht letzten
Endes auf das Faktum stutzen zu mussen, daB Polen als integrierenden Bestandteil der
Gesamtregelung von 1939 einseitige Minderheitenverpflichtungen ubernommen hat. Gerade
um jeder MiBdeutung deutscher politischer Absichten vorzubeugen und um kunftigen
Erorterungen liber die Minderheitenfragen von vornherein jede politische Scharfe zu nehmen,
sind deutscherseits zweiseitige Abmachungen vorgeschlagen worden, die Deutschland in
gleicher Weise wie Polen verpflichten. Wenn die Polnische Regierung diesen Vorschlag trotz
des darin liegenden deutschen Entgegenkommens wirklich endgliltig ablehnen sollte, so gibt
es flir eine grundsatzliche Verstandigung liber die Behandlung des Minderheitenproblems
wohl nur noch einen Weg: Man konnte daran denken, daB die beiden Regierungen, jede flir
sich, aber gleichzeitig und sachlich libereinstimmend, eine offentliche Erklarung liber den
Schutz der auf ihrem Gebiet lebenden deutschen bzw. polnischen Minderheiten abgeben.
Obwohl dieser Weg im Vergleich mit der Methode vertraglicher Vereinbarungen manchen
Nachteil hat, wlirde sich die Deutsche Regierung damit schlieBlich doch abfinden, weil
dadurch die Situation wenigstens einigermaBen geklart wlirde.
5. Neben den vorstehend angedeuteten prinzipiellen Gesichtspunkten und noch starker als
diese drangt aber die Entwicklung der tatsachlichen Lage der deutschen Minderheit in Polen
darauf hin, daB es zu einer Verstandigung zwischen den beiden Regierungen liber das ganze
Minderheitenproblem kommt. Zu ihrem eigenen Bedauern sieht die Deutsche Regierung
gerade in dieser tatsachlichen Lage der deutschen Minderheit ein unabweisbares Argument
gegen die polnische These, daB die Minderheit am besten flihre, wenn ihre Behandlung dem
ungebundenen Ermessen der Landesbehorden liberlassen bliebe. In der Tat lassen seit
langerer Zeit, insbesondere aber im letzten Jahre, die Beobachtungen leider keinen Zweifel,
daB mit Unterstlitzung amtlicher Stellen und behordlich geforderter privater Organisationen
planmaBig daran gearbeitet wird, das wirtschaftliche Fundament der deutschen Minderheit in
Polen zu erschlittern und alle diejenigen, die sich zum Deutschtum bekennen, zu einer
Anderung in ihrer Einstellung zum Deutschtum zu veranlassen.
6. Es ist nicht beabsichtigt, schon jetzt in die Erorterung von Einzelheiten einzutreten. Um
aber die deutsche Beschwerde nicht als vage und unsubstanziiert erscheinen zu lassen, sei
kurz auf folgende Punkte hingewiesen:
a) auf die ubermaBige Heranziehung des deutschen Grundbesitzes zur Bodenabgabe
auf Grand der Agrarreform, wie sie vor allem im letzten Jahr erfolgt ist;
b) auf die fortschreitende Polonisierang des seit Generationen in deutscher Hand
befindlichen Grundbesitzes durch Ausiibung des Wiederkaufs- und des
Vorkaufsrechtes;
IM c) auf die praktisch in erster Linie gleichfalls gegen das Deutschtum gerichtete
Auslegung der Grenzzonengesetzgebung;—
d) auf die Tatsache, daB seit einiger Zeit Angehorige der deutschen Minderheit nur
noch in Ausnahmefallen die behordliche Genehmigung zur Eroffnung von Laden,
Geschaften und wirtschaftlichen Betrieben erhalten und daB deutschstammigen
Arzten, Apothekern und Rechtsanwalten von den Behorden groBte Schwierigkeiten
bei der Eroffnung ihrer Praxis gemacht werden;
e) auf die ebenso offenkundige Tatsache, daB deutsche Angestellte und Arbeiter unter
dem Drack polnischer Organisationen entlassen werden und keine Anstellung finden,
solange sie noch deutschen Vereinigungen angehoren oder ihre Kinder in deutsche
Schulen schicken;
f) auf die traurige Situation der jungen Leute, die die vom polnischen Staat
zugelassenen deutschen Schulen absolviert haben, dann aber bei der Vorbereitung flir
einen Beruf so groBen Schwierigkeiten ausgesetzt sind, daB ein unverhaltnismaBig
hoher Prozentsatz der deutschstammigen Jugend bisher noch nicht in das Berufsleben
hat eingestellt werden konnen;
g) auf den neuerdings sogar offentlich verkiindeten Boykott aller deutschen Geschafte
in den abgetrennten Gebieten.
Selbstverstandlich ist in Deutschland die Tatsache, daB die Angehorigen der deutschen
Minderheit in immer groBerem Umfange ihre Existenzbasis verlieren, bei den vielen
personlichen und verwandtschaftlichen Beziehungen der Grenzbevolkerang nicht unbemerkt
geblieben. Mit wachsender Erregung wird an die Reichsregierang die Forderung gestellt,
Gleiches mit Gleichem zu vergelten und den Angehorigen der polnischen Minderheit in
Deutschland, die bislang vollig unbehindert ihren Beruf ausiiben, den Lebensraum
einzuengen. Die Reichsregierang hat selbstverstandlich den Wunsch, gegenliber Polen nicht
den Weg von Repressalien beschreiten zu miissen, kann aber andererseits nicht die Augen
davor verschlieBen, daB der auf dem Deutschtum in Polen lastende, standig zunehmende
Druck Befremden und Unwillen im Reich hervorruft und daB die Volkstumlichkeit einer
groBziigigen Verstandigungspolitik mit Polen unter diesen MaBnahmen nachgeordneter
polnischer Stellen schweren Schaden erleidet.
7. Die Reichsregierang bittet daher mit allem Nachdruck, die Minderheitenfrage unter
Berucksichtigung der vorstehenden Gesichtspunkte noch einmal zu prlifen. Sie hofft, daB die
Polnische Regierung sich doch noch zu Besprechungen liber die eine oder die andere Form
einer grundsatzlichen Regelung entschlieBt, und daB sie auBerdem moglichst bald
MaBnahmen ergreift, urn den in den polnischen Westprovinzen vorhandenen Chauvinismus
zu ziigeln, der die ernste Gefahr in sich schlieBt, die so glucklich eingeleitete Zusammenarbeit
zwischen der Deutschen und der Polnischen Regierung an einer fruchtbaren
Weiterentwicklung zu hindern.
Aimwrbuiicwi:
44 Mit dem 15. Juli 1937 liefen die wesentlichsten Teile des am 15. Mai 1922 in Genf
unterzeichneten deutsch-polnischen Abkommens iiber Oberschlesien ab. Der AbschluB dieses
Abkommens war beiden Staaten durch die Entscheidung der Botschafterkonferenz vom 20.
Oktober 1921 auferlegt worden, um, wie es in der Praambel des Abkommens heiBt, die
Aufrechterhaltung des Wirtschaftslebens in Oberschlesien sowie den Schutz der Minderheiten
sicherzustellen.
Da nach Auffassung der Deutschen Regierung beide Staaten daran interessiert waren,
gemeinsam zu priifen, ob durch den Fristablauf nicht lebenswichtige Rechte und
Wirtschaftsformen in Zukunft in Wegfall kamen, deren Erhaltung notwendig oder
zweckmaBig erschien, war die Deutsche Regierung bestrebt, mit Polen zu einer den
berechtigten Interessen der beiderseitigen Wirtschaft Rechnung tragenden Verstandigung zu
kommen. Die Verhandlungen hieriiber wurden unmittelbar nach der oben wiedergegebenen
Unterredung begonnen und durch besondere Delegationen, teils in Berlin, teils in Warschau,
gefuhrt. (Vgl. Nr. 82 . 85 . 86 und 92.) Das Ergebnis war indessen wegen der ablehnenden
Haltung der Polnischen Regierung nur ein verhaltnismaBig geringes. Wenn es auch gelang,
sich iiber einige technische und wirtschaftliche Fragen zu verstandigen, so blieben die das
Leben der Bevolkerung hauptsachlich beriihrenden Punkte des Wohnrechts der Optanten und
des Schutzes der vor dem Ubergang der Souveranitat von naturlichen und juristischen
Personen erworbenen Rechte ("wohlerworbene Rechte") ungeregelt. Die Polnische Regierung
war bestrebt, von den von ihr als lastig empfundenen Bindungen endgultig befreit zu werden.
Ohne Rucksicht auf menschliche und wirtschaftliche Zusammenhange wurde die Grenze, die
in der 15jahrigen Ubergangszeit durch die Einfiihrung besonderer Verkehrskarten in gewisser
Weise unsichtbar gemacht worden war, fast ganz geschlossen. Tausende von deutschen
Optanten wurden des Landes verwiesen und die Enteignung des deutschen Grundbesitzes
durch MaBnahmen der Agrarreform in die Wege geleitet (vgl. Nr. 167) . ...zuriick...
45 Vgl. Nr. 4 . ...zuriick...
46 Vgl. Nr. 49 . .. .zuriick.. .
47 Vgl. Nr. 81 , Anm. T441 . ...zuruck...
48 Vgl. Nr. 81 , Anm. T441 . ...zuruck...
49 Es handelt sich um die polnischen Aufstandischen des Jahres 1921, die sich spater zu einem
Verbande zusammenschlossen mit dem Ziel, die Entdeutschung Oberschlesiens mit alien
Mitteln zu betreiben. ...zuruck...
50 Vgl. Nr. 51 bis 53 . ...zuriick...
51 Vgl. Nr. 84 . .. .zuriick...
52 Vgl. Nr. 53 . ...zuriick...
53 Vgl. Nr. 37 . ...zuriick...
54 Durch die Grenzzonenverordnung vom 23. Dezember 1927 und die dazu erlassenen
Ausfiihrungsverordnungen wurden Beschrankungen des Aufenthaltes und des Erwerbs von
Grundbesitz innerhalb einer bestimmten Zone eingefiihrt. Zu dieser Zone gehorte ganz
Pommerellen, also das gesamte Korridorgebiet, fast die ganze Provinz Posen und ganz
Oberschlesien. Trotz dieser deutschen Vorstellungen wurde die Grenzzonenverordnung am 1.
Juli 1937 weiter verscharft. Vgl. auch Nr. 170 . ...zuriick...
Erstes Kapitel (Fo rts. )
Entwicklung der Deutsch-Polnischen Beziehungen
B. Deutschlands Bemuhen
um eine Verstandigung mit Polen, 1933 bis 1939
V. Verhandlungen
iiber eine Deutsch-Polnische Minderheitenerklarung
(Januar bis November 1937) (Forts.)
Nr. 89
Der Deutsche Botschafter in Warschau an das Auswartige Amt
Telegramm
Warschau, den 6. Juni 1937
AuBenminister Beck, der heute mit Staatsprasidenten nach Bukarest fahrt, bat mien gestern
abend zu sich und erklarte folgendes:
Er wolle Warschau nicht verlassen, ohne eine Antwort auf unsere Demarche in
Minderheitenfrage zu geben. Seine Regierung, der er eingehend iiber unsere Auffassung
berichtet habe, sei bereit, mit uns die Frage einer Erklarung iiber den Schutz der Minderheiten
zu priifen. Regierung habe sich hierzu entschlossen, weil sie Wert darauf lege, gegeniiber
einer vom Reichskanzler personlich angeordneten Demarche Entgegenkommen zu zeigen und
keinen Zweifel an der Aufrichtigkeit ihrer Politik aufkommen zu lassen. Sachlich seien die
seinerzeit dargelegten Bedenken auch heute noch vorhanden.
Er werde alsbald nach seiner Ruckkehr aus Bukarest auf die Angelegenheit zuriickkommen
und wiirde sich freuen, wenn es gelange, eine den beiderseitigen Interessen rechnungtragende
Formulierung zu finden. Fur heute habe ihm nur daran gelegen, uns unverziiglich iiber
grands atzliche Verhandlungsbereitschaft zu verstandigen.
Auf meine Frage erklarte Herr Beck, daB zweiseitiger Vertrag nach wie vor abgelehnt werde
und daB nur eine Erklarung gemaB unserem neuen Vorschlag in Frage komme. Aus seiner
erneuten, wenn auch weniger kategorischen Ablehnung von Sachverstandigenverhandlungen
schlieBe ich, daB zunachst nicht an eine Erklarung mit wesentlich materiellem Inhalt gedacht
ist. Es wird daher zweckmaBig sein, gleich in der ersten Besprechung eine unseren Wiinschen
entsprechende Formulierung vorzulegen.
Moltke
Nr. 90
Der Reichsminister des Auswartigen
an den Deutschen Botschafter in Warschau
Telegramm
Berlin, den 18. Juni 1937
Bitte Sie, Polnischem AuBenminister mit Bezugnahme auf Gesprach vom 5. 6. umgehend
Minderheitenerklarung des mit heutigem Luftkurier iibersandten Wortlauts als deutschen
Vorschlag zu iibergeben- und im Verlaufe Besprechungen liber Erklarung ausdriicklich
darauf hinzuweisen, daB kiinftig Anwendung Agrarreformgesetzes und
Grenzzonenverordnung- zu Entdeutschungszwecken nach Ansicht Deutscher Regierung mit
Erklarung nicht vereinbar sei.
Bitte ferner regelmaBig wiederkehrende Aussprachen zwischen Vertretern beider Staaten liber
Minderheitenfragen anzuregen.
Neurath
1951
Nr. 91
Der Deutsche Botschafter in Warschau an das Auswartige Amt
Telegramm
Warschau, den 24. Juni 1937
Da Herr Beck mehrere Tage verreist war, habe ich ihm unseren Wortlaut der
Minderheitenerklarung erst heute iibergeben konnen. Vorbehaltlich naherer Priifung auBerte
er sich zustimmend zu der Einleitung. Hinsichtlich des materiellen Inhalts verwies er auf die
Schwierigkeiten, die hier wegen judischer Minderheiten entstehen konnten, enthielt sich im
iibrigen aber jeder Stellungnahme. Er erklarte, daB er die zustandigen Ressorts zu
beschleunigter Priifung veranlassen und jede unnotige Verzogerung vermeiden wolle.
Moltke
Nr. 92
Aufzeichnung eines Beamten der Politischen Abteilung
des Auswartigen Amts
Berlin, den 24. Juni 1937
Der Herr Reichsminister hat heute den Polnischen Botschafter zu sich gebeten, urn mit ihm
liber den Stand der Regierungsverhandlungen wegen des Genfer Abkommens zu sprechen,
deren Verlauf uns nicht befriedigt.- Er hat Herrn Lipski vorgehalten, daB wir vor allem nicht
mit den engherzigen polnischen Vorschlagen liber die klinftige Regelung des Grenzverkehrs
einverstanden seien und daB wir insbesondere eine Befristung dieser Regelung lediglich bis
zum 31. Dezember 1937 als vollig unzureichend ablehnen mliBten. Wir muBten vielmehr
verlangen, daB die neue Regelung auf einen langeren Zeitraum erstreckt werde, und wir
konnten die von polnischer Seite hierflir angegebenen Hindernisgrlinde keineswegs
anerkennen.
Der Herr Reichsminister hat den Polnischen Botschafter auch darauf hingewiesen, daB wir
den rigorosen polnischen Standpunkt hinsichtlich der Ausweisung der Optanten nicht
akzeptieren konnten. Diese Aktion, durch die erneut Tausende von Deutschen aus ihrer
Heimat vertrieben wlirden, sei fur die deutsch-polnischen Beziehungen durchaus abtraglich.-
von Lieres
1961
Nr. 93
Der Deutsche Botschafter in Warschau an das Auswartige Amt
Bericht
Warschau, den 16. Juli 1937
Halbamtlich wird bekanntgegeben, daB folgende vier Gesetzentwlirfe der auBerordentlichen
Parlamentstagung zur BeschluBfassung vorgelegt werden sollen:
1. ein Gesetzentwurf liber die Erweiterung der Bestimmungen liber die Amtssprache
der Richter, Staatsanwalte und Notare auf das Gebiet des Bezirksgerichts Kattowitz,
2. ein Gesetzentwurf liber die Aufhebung der Fideikommisse des Fursten PleB, also
um ein Gesetz, das die UnverauBerbarkeit und Unteilbarkeit des flirstlichen
Stammgutes aufhebt,
3. ein Gesetzentwurf liber die Erweiterung der Vorschriften liber die Durchflihrung der
Agrarreform auf den oberschlesischen Teil der Woiwodschaft Schlesien,
4. ein Gesetzentwurf liber die Erweiterung der Verordnung des Staatsprasidenten liber
die Entgegennahme von Grundstlicken als Entgelt fur bestimmte geldliche
Verpflichtungen auf Ostoberschlesien.
Wie der der Regierung nahestehende Exprefi Poranny bemerkt, wird die Annahme der
Gesetze die Parzellierung des deutschen Grundbesitzes in Polnisch-Oberschlesien zur Folge
haben. DaB die Gesetze in erster Linie den Zweck verfolgen, den ausgedehnten Waldbesitz
des Fursten PleB zu enteignen, diirfte auBer Zweifel stehen. Das wird bedauerlicherweise
zur Folge haben, daB wiederum eine groBe Anzahl deutscher Volksangehoriger urn ihre
Existenz gebracht werden wird. Es eroffnet keine gunstigen Aussichten fur die Zukunft, wenn
einen Tag nach dem 15. Juli - dem Ablauf des Genfer Abkommens - und obwohl wir noch
mitten in Verhandlungen mit der Polnischen Regierung liber die Minderheitenerklarung sowie
uber die fur die Agrarreform wichtige Frage der "wohlerworbenen Rechte" stehen, derartige
gesetzliche MaBnahmen ergriffen werden, von denen die zu 2 bis 4 genannten die Interessen
der deutschen Minderheit aufs schwerste verletzen.
von Moltke
Nr. 94
Der Deutsche Botschafter in Warschau an das Auswartige Amt
Bericht
Warschau, den 30. Juli 1937
AuBenminister Beck bat mich heute zu sich, um die Besprechungen liber die
Minderheitenerklarung weiter fortzufuhren. Er drlickte zunachst sein Bedauern darliber aus,
daB die Angelegenheit sich so stark verzogert hatte. Der Besuch des Konigs von Rumanien
sowie die schwierigen Verhandlungen liber den Wawel-Konflikt hatten ihm keine Zeit
gelassen, sich mit der Frage der Minderheitenerklarung zu befassen. SchlieBlich hatten in den
letzten Tagen auch die Sejmsitzungen liber die mit dem Ablauf der Genfer Konvention zu- mi
sammenhangenden Gesetze seine Zeit voll in Anspruch genommen. Herr Beck unterlieB
nicht, bei dieser Gelegenheit darauf hinzuweisen, daB er groBe Mlihe gehabt habe, die in Rede
stehenden Gesetze, insbesondere das Gesetz liber die Agrarreform und die Gerichtssprache,
gegen den starken Widerstand von chauvinistischer Seite durchzubringen. Er freue sich, daB
es gelungen sei, die Zulassung der deutschen Sprache vor Gericht flir die Minderheit
durchzusetzen und die Agrarreform so zu gestalten, daB ihre Durchflihrung nicht in einem
schnelleren Tempo erfolgen werde als in den anderen Provinzen.
Herr Beck libergab mir darauf den von ihm abgeanderten Entwurf flir die
Minderheitenerklarung. Wir sind in eine nahere Prlifung des Textes nicht eingetreten, sondern
haben eine weitere Besprechung flir die nachste Woche verabredet.
Ich habe dann die Gelegenheit benutzt, um in Erwiderung auf die optimistischen
Ausflihrungen des Ministers liber die neuen polnischen Gesetze darzulegen, daB diese Gesetze
sowie liberhaupt alles, was sich hier im Zusammenhang mit dem 15. Juli- abgespielt hat, uns
keineswegs befriedigt, sondern vielmehr sehr enttauscht hatten. Insbesondere gelte das flir das
Gesetz liber die Agrarreform, dessen libereilte Einflihrung den Eindruck hervorrufen mlisse,
als sei beabsichtigt, in einer Frage, die zwischen uns noch offen sei und in der wir u. a. auch
bereits die Moglichkeit einer schiedsgerichtlichen Entscheidung in Anregung gebracht hatten,
ein fait accompli zu schaffen. Auch das Gesetz liber die Liquidierung der PleBangelegenheit
sei keine Losung in unserem Sinne, denn wenn es auch vielleicht jetzt einen Ausweg aus der
verfahrenen Situation biete, so sei doch aus der sehr langen Vorgeschichte, wie insbesondere
auch aus der seinerzeit von uns angestrebten und spater nur aus Riicksicht auf die
Verstandigungspolitik zuriickgezogenen Klage vor der Haager Cour bekannt, welches unsere
Auffassung liber diese Angelegenheit sei. Was das Sprachengesetz anbetreffe, so wolle ich
zwar die guten Absichten des Ministers nicht in Zweifel ziehen, mlisse aber darauf hinweisen,
daB die Zulassung der deutschen Sprache im Gerichtsverkehr doch nur einen sehr
bescheidenen Vorteil darstelle, nachdem im ganzen sonstigen Verkehr mit den Behorden die
deutsche Sprache ausdriicklich untersagt worden sei. Als ein besonders schwerer Schlag
gegen das Deutschtum in Ost-Oberschlesien werde aber das vom schlesischen Sejm
angenommene Gesetz iiber die Organisation der evangelischen Kirche- von uns empfunden,
zumal auch der ErlaB dieses Gesetzes ein fait accompli schaffe in einer Frage, die wir gemaB
Ziffer 4 unseres Erklarungsentwurfes zu einem Programmpunkte unserer Aussprache gemacht
hatten. Die uberschnelle Verabschiedung dieses Gesetzes unmittelbar nach Ablauf der Genfer
Konvention und ohne vorherige Fuhlungnahme mit den betroffenen kirchlichen Kreisen habe
uns um so mehr befremdet, als nach verschiedenen AuBerungen maBgebender
Personlichkeiten hatte angenommen werden konnen, daB der Ablauf der Konvention nicht
eine Intensivierung des Volkstumskampfes und eine tatsachliche Schlechterstellung der
deutschen Volksgruppe in Ost-Oberschlesien zur Folge haben werde. Er, Herr Beck, selbst
habe im im Laufe der letzten Verhandlungen mir gegeniiber darauf hingewiesen, daB die
verhaBte, als Beeintrachtigung der Souveranitat empfundene Genfer Konvention in erster
Linie schuld daran sei, wenn die untergeordneten Behorden in Oberschlesien sich nicht in die
von der Zentrale gewunschte Minderheitenpolitik hineinfinden konnten, und daB alles besser
werden wiirde, wenn erst die vollig autonome Handhabung dieser Fragen auf Grand der
polnischen Verfassung hergestellt sein werde. Wir hatten aber schon aus den anlaBlich des 15.
Juli erschienenen Artikeln der Regierungspresse, die unisono einen Triumphgesang liber die
trotz Genfer Konvention und trotz internationaler Behorden erzielten Erfolge der
Entdeutschungspolitik angestimmt hatten, sehr enttauschende Eindrlicke erhalten und das
Bukett minderheitenfeindlicher Gesetze, das uns unmittelbar nach dem 15. Juli serviert
worden sei, habe das Geflihl ernster Sorge hinsichtlich der weiteren Gestaltung der polnischen
Minderheitenpolitik nur noch verstarkt.
Ich habe im weiteren Verlauf der Unterredung ausflihrlich darauf hingewiesen, daB im
Gegensatz zu den Verhaltnissen in Deutschland die wirtschaftliche Lage der Minderheit sich
immer katastrophaler gestaltet habe dadurch, daB der Minderheit auf alien Gebieten, sei es in
der Landwirtschaft oder Industrie, sei es im Handwerk oder in den freien Berufen, planmaBig
jede Existenzbasis entzogen wiirde, woflir die erschreckende Statistik liber die
Arbeitslosigkeit innerhalb der Minderheit ein deutlicher Beweis sei. Ich habe Herrn Beck, der
diese Tatsachen zu bestreiten versuchte, dringend nahegelegt, sich einmal liber diese
Verhaltnisse orientieren zu lassen und daflir zu sorgen, daB der mit der Erklarung vom 26.
Januar 1934 nicht zu vereinbarende minderheitenfeindliche Geist, wie er aus dem Konitzer
ProzeB 61 und besonders deutlich auch aus den letzten Sejmdebatten zu erkennen sei, endlich
einmal beseitigt werde. Ich wolle nur hoffen, daB die den Gegenstand unserer Erorterungen
bildende Minderheitenerklarung eine Wendung der Politik herbeiflihren werde, und mlisse
weisungsgemaB darauf hinweisen, daB z. B. klinftig die Anwendung der Agrarreformgesetze
und der Grenzzonenverordnung zu Entdeutschungszwecken nach Ansicht der Deutschen
Regierung mit der Minderheitenerklarung nicht mehr vereinbar sei.
Herr Beck kam dann auf die verschiedenen, von uns als diskriminierend angesehenen
oberschlesischen Gesetze zu sprechen. Er bemerkte, diese Gesetze hatten frliher oder spater
doch erlassen werden mlissen, und er hatte es fur besser gehalten, ihre Verabschiedung nicht
hinauszuzogern, weil es nur so moglich gewesen sei, den sehr viel weitergehenden
Forderungen der Chauvinisten entgegenzutreten. Wenn jetzt erst einmal Ruhe eingetreten sein
werde, so wiirde es leichter sein, hinsichtlich einer verniinftigen Gestaltung der
Minderheitenpolitik einen Druck auszuiiben. Er hoffe im iibrigen auch seinerseits, daB die
beabsichtigte Minderheitenerklarung eine gute Wirkung ausliben wiirde. Er sehe in dieser
Erklarung einen bedeutsamen Akt, der eine gute Basis flir 1221 eine verniinftige
Minderheitenpolitik abgeben konne. Voraussetzung sei allerdings, daB beide Regierungen
sich bemiihten, den in den Erklarungen bekundeten guten Willen auch in die Tat umzusetzen.
Er werde seinerseits dafiir sorgen, daB das hier geschehe, und das gleiche gelte auch von dem
Ministerprasidenten und den iibrigen in Frage kommenden Ressortministern, mit denen er die
Erklarung eingehend besprochen habe.
von Moltke
Nr. 95
Der Deutsche Botschafter in Warschau an das Auswartige Amt
Telegramm
Warschau, den 26. August 1937
In heutiger Unterredung iiber Minderheitencommunique hat AuBenminister unsere
Formulierung angenommen.
Herr Beck unterstrich erneut die politische und praktische Bedeutung der Vereinbarung, von
der zu hoffen sei, daB sie eine Entspannung auf dem Gebiet der Minderheitenfrage
herbeifiihren werde. Die Polnische Regierung sei gewillt, "defaire un effort serieux". Er lege
deshalb auch groBen Wert darauf, daB die Veroffentlichung erst erfolge, wenn der
Ministerprasident, der gleichzeitig Innenminister ist, wieder im Lande sei, wodurch die
Kundgebung fur polnische Offentlichkeit ein groBeres Gewicht erhalten wiirde. Im iibrigen
habe er den Ministerprasidenten, der voraussichtlich ubermorgen zuriickkommen werde,
bereits orientiert und sein generelles Einverstandnis erhalten, so daB irgendwelche
Abanderungswunsche von seiner Seite nicht mehr zu erwarten seien.
Ich habe Herrn Beck gegeniiber zum Ausdruck gebracht, daB seine Auffassung iiber die
Bedeutung des Communiques von uns geteilt werde. Im Laufe der weiteren Unterhaltung
habe ich erneut darauf hingewiesen, daB kunftige Anwendung Grenzzonenverordnung oder
der Agrarreform zu Entdeutschungszwecken mit Communique nicht vereinbar sei.
Bezuglich des Zeitpunkts der Veroffentlichung ist einstweilen der Mittwoch nachster Woche
in Aussicht genommen.
Moltke
Nr. 96
Der Deutsche Generalkonsul in Kattowitz an das Auswartige Amt
Bericht
Kattowitz, den 28. August 1937
Am Montag, dem 30. August, wird der schlesische Sejm als Dringlichkeitsantrag den Entwurf
fur das neue Gesetz liber die Privatschulen und privaten Unterrichts- und Erziehungsanstalten
behandeln und sehr wahrscheinlich am gleichen Tage in dritter Lesung verabschieden. Dieser
neue Gesetzentwurf hat flir das Privatschulwesen der deutschen Volksgruppe in Ost-
Oberschlesien tiefgreifende Bedeutung.
£ioo] Es muB auBerordentlich befremden, daB der neue Gesetzentwurf, der dem schlesischen
Sejm vorliegt, Anderungen des Staatsgesetzes vom 11. Marz 1932 vorsieht, die in ihrer
Auswirkung zu schweren Beeintrachtigungen der kulturellen Interessen der deutschen
Bevolkerung Ost-Oberschlesiens fiihren konnen und - wie nach den bisherigen Erfahrungen
anzunehmen ist - auch fiihren werden. Die deutsche Bevolkerung wird durch diesen
Gesetzentwurf mit neuen, ernstesten Sorgen um ihr Schicksal erfiillt.
Noldeke
Nr. 97
Das Auswartige Amt an den Deutschen Botschafter in Warschau
Telegramm
Berlin, den 1. September 1937
Bitte AuBenminister Beck durch Kabinettschef mitteilen, daB zustandige deutsche Stellen zur
Zeit noch mit Priifung oberschlesischen Gesetzes iiber Privatschulwesen befaBt, das in eine
von Minderheitenerklarung behandelte wichtige Materie eingreife. Da Priifung noch nicht
abgeschlossen, miisse Mitteilung iiber Zeitpunkt Veroffentlichung der Minderheitenerklarung
vorbehalten bleiben.
Bismarck
Nr. 98
Der Deutsche Botschafter in Warschau an das Auswartige Amt
Telegramm
Warschau, den 7. September 1937
Ich habe heute eine eingehende Unterredung mit dem AuBenminister gehabt, in der ich
nachdriicklichst darauf hinwies, daB oberschlesisches Schulgesetz in volligem Widerspruch
zu Wortlaut und Sinn der von uns vorbereiteten Minderheitenerklarung steht. Unsere
Wunsche habe ich gemaB dortiger Weisung formuliert.
Er erklare, daB er nur in der Lage sei, die grands atzliche Einstellung der Polnischen
Regierang zu gesamtem, durch das Schulgesetz aufgeworfenem Problem darzulegen. Das
Gesetz solle selbstverstandlich nicht bisherige Situation der Minderheit verschlechtern; die
Tatsache, daB trotz des neuen Gesetzes das Schuljahr am 1. September begonnen habe, ohne
in der Praxis irgendeine Einschrankung zu bringen, konne als Beweis flir diese Tendenz
angesehen werden. Auf Grand alarmierender Meldungen der deutschen Presse habe er sofort
die Aufmerksamkeit des Ministerprasidenten auf die Angelegenheit gelenkt, und dieser habe
unverzuglich an die lokalen Behorden die Weisungen ergehen lassen, die notwendig waren,
um die Durchflihrang des Gesetzes mit dem Sinne der Minderheitenerklarung in Einklang zu
bringen. Auch der Ministerprasident wiinsche, ebenso wie er selbst, daB die unsere
Beziehungen belastende Minderheitenfrage endlich einmal bereinigt werde.
rion Bei dieser Sachlage habe ich es im Hinblick auf die morgen bevorstehende Abreise
AuBenministers nach Genf flir richtig gehalten, mit Rucksicht auf die flir die Zukunft doch
immerhin recht wertvollen Zusicherungen des Ministers der Veroffentlichung der
Minderheitenerklarung nunmehr zustimmen zu sollen. Da Beck Wert darauf legte, im
Zeitpunkt der Veroffentlichung in Warschau anwesend zu sein, muBte aber Festsetzung
genaueren Datums zunachst offenbleiben.
Moltke
Nr. 99
Der Deutsche Botschafter in Warschau an das Auswartige Amt
Bericht
Warschau, den 7. September 1937
Ich habe nach meiner heutigen Ruckkehr nach Warschau sofort eine langere Unterredung mit
Herrn Beck gehabt, liber deren Verlauf ich telegraphisch berichtet habe.- Ich habe den
Eindruck, daB Herr Beck liber das von dem Woiwoden vorbereitete Schulgesetz nicht vorher
orientiert war und daB im librigen durch das Eingreifen des Ministerprasidenten jetzt die
erforderlichen Kautelen geschaffen sind, um das Gesetz mit dem Sinn der vereinbarten
Minderheitenerklarung in Einklang zu bringen. Anscheinend handelt es sich um einen
Sabotageversuch des Woiwoden Grazynski, der - wie wir bereits aus verschiedenen
Anzeichen beobachten konnten und wie mir auch von sehr gut orientierter Seite bestatigt wird
- alle Hebel in Bewegung setzt, um das Zustandekommen irgendwelcher Vereinbarungen liber
Minderheitenschutz zu verhindern, weil er beflirchtet, in seiner radikalen
Entdeutschungspolitik gestort zu werden.
von Moltke
Nr. 100
Der Deutsche Botschafter in Warschau an das Auswartige Amt
Telegramm
Warschau, den 6. Oktober 1937
Herr Beck, der mich heute in Sachen der Minderheitserklarung empfing, betonte zunachst
erneut den ernsthaften Willen der Polnischen Regierung, das Communique zum
Ausgangspunkt einer Aktion zu machen, die nicht nur atmospharisch, sondern auch sachlich
eine Besserung der Lage herbeifiihrt. Diesem Zwecke solle auch ein Empfang der
Minderheitsfuhrer durch den Staatsprasidenten dienen, wobei erwartet werde, daB
entsprechende Geste auch in Berlin erfolge.
Moltke
[102]
Nr. 101
Ubereinstimmende Erklarung der Deutschen und der Polnischen Regierung tiber den
Schutz der beiderseitigen Minderheiten,
veroffentlicht am 5. November 1937
Die Deutsche Regierung und die Polnische Regierung haben AnlaB genommen, die Lage der
deutschen Minderheit in Polen und der polnischen Minderheit in Deutschland zum
Gegenstand einer freundschaftlichen Aussprache zu machen. Sie sind ubereinstimmend der
Uberzeugung, daB die Behandlung dieser Minderheiten flir die weitere Entwicklung der
freundnachbarlichen Beziehungen zwischen Deutschland und Polen von groBer Bedeutung ist
und daB in jedem der beiden Lander das Wohlergehen der Minderheit um so sicherer
gewahrleistet werden kann, wenn die GewiBheit besteht, daB in dem anderen Land nach den
gleichen Grundsatzen verfahren wird. Zu ihrer Genugtuung haben die beiden Regierungen
deshalb feststellen konnen, daB jeder der beiden Staaten im Rahmen seiner Souveranitat flir
die Behandlung der genannten Minderheiten nachstehende Grundsatze als maBgebend
ansieht:
1. Die gegenseitige Achtung deutschen und polnischen Volkstums verbietet von selbst
jeden Versuch, die Minderheit zwangsweise zu assimilieren, die Zugehorigkeit zur
Minderheit in Frage zu stellen oder das Bekenntnis der Zugehorigkeit zur Minderheit
zu behindern. Insbesondere wird auf die jugendlichen Angehorigen der Minderheit
keinerlei Druck ausgeiibt werden, um sie ihrer Zugehorigkeit zur Minderheit zu
entfremden.
2. Die Angehorigen der Minderheit haben das Recht auf freien Gebrauch ihrer Sprache
in Wort und Schrift sowohl in ihren personlichen und wirtschaftlichen Beziehungen
wie in der Presse und in offentlichen Versammlungen.
Den Angehorigen der Minderheit werden aus der Pflege ihrer Muttersprache und
der Brauche ihres Volkstums sowohl im offentlichen wie im privaten Leben keine
Nachteile erwachsen.
3. Das Recht der Angehorigen der Minderheit, sich zu Vereinigungen, auch zu solchen
kultureller und wirtschaftlicher Art, zusammenzuschlieBen, wird gewahrleistet.
4. Die Minderheit darf Schulen in ihrer Mutter spr ache erhalten und errichten.
Auf kirchlichem Gebiet wird den Angehorigen der Minderheit die Pflege ihres
religiosen Lebens in ihrer Muttersprache und die kirchliche Organisierung gewahrt. In
die bestehenden Beziehungen auf dem Gebiet des Bekenntnisses und der caritativen
Betatigung wird nicht eingegriffen werden.
5. Die Angehorigen der Minderheit diirfen wegen ihrer Zugehorigkeit zur Minderheit
in der Wahl oder bei der Ausiibung eines Berufes oder einer wirtschaftlichen Tatigkeit
nicht behindert oder benachteiligt werden. Sie genieBen auf wirtschaftlichem Gebiet
die gleichen Rechte wie die Angehorigen des Staatsvolkes, insbesondere hinsichtlich
des Besitzes oder Erwerbs von Grundstucken.
Die vorstehenden Grundsatze sollen in keiner Weise die Pflicht der Angehorigen der
Minderheit zur uneingeschrankten Loyalitat gegeniiber dem Staat,*** dem sie angehoren,
beriihren. Sie sind in dem Bestreben festgesetzt worden, der Minderheit gerechte
Daseinsverhaltnisse und ein harmonisches Zusammenleben mit dem Staatsvolk zu
gewahrleisten, was zur forts chreitenden Festigung des freundnachbarlichen Verhaltnisses
zwischen Deutschland und Polen beitragen wird.
[103]
Nr. 102
Erklarung des Ftihrers
beim Empfang der Polnischen Volksgruppenvertreter,
5. November 1937
Die ubereinstimmende deutsch-polnische Erklarung iiber den Schutz der beiderseitigen
fremden Volksgruppen, die heute von beiden Landern veroffentlicht wird, soil die
freundschaftlichen Beziehungen zwischen den beiden Volkern verbessern und festigen. Die
praktische Ausfuhrung der in dieser Erklarung enthaltenen Richtlinien kann wesentlich zur
Erreichung dieses Zieles beitragen.
Das Bestreben der Reichsregierung geht dahin, das Zusammenleben der polnischen
Volksgruppe mit dem deutschen Staatsvolke harmonisch und innerlich friedlich zu gestalten.
Ich stelle fest, daB der Wille der Reichsregierung, jedem Reichsburger Brot und Arbeit zu
verschaffen, auch gegeniiber den Angehorigen der polnischen Volksgruppe besteht und
durchgefuhrt ist. In der Zeit groBer Arbeitslosigkeit und groBer Entbehrungen, denen
Angehorige der deutschen Volksgruppen in Europa noch vielfach ausgesetzt sind, nimmt die
polnische Volksgruppe an dem wirtschaftlichen Aufstieg des Reiches in vollem Umfange teil.
Gleiche Fortschritte sind in der kulturellen Betatigung der polnischen Volksgruppe gemacht
worden, wie ihre vielseitigen organisatorischen Einrichtungen und neuerdings die Errichtung
einer weiteren hoheren polnischen Schule in Deutschland beweisen. Die Polen in Deutschland
mussen aber stets dessen eingedenk sein, daB der Gewahrung von Schutzrechten die loyale
Erfullung der dem Staate zu leistenden Pflichten und der Gehorsam gegen die Gesetze
gleichwertig gegenubertreten.
Der Schutz der deutschen Volksgruppe in Polen, vor allem in ihrem Recht auf Arbeit und
Verbleib auf ihrer angestammten Scholle, wird auch zur Sicherung der polnischen
Volksgruppe in Deutschland beitragen.
Das hone Ziel des Paktes, den ich seinerzeit mit dem groBen Polnischen Staatschef Marschall
Josef Pilsudski geschlossen habe, wird durch diese gemeinsame deutsch-polnische Erklarung
zur Minderheitenfrage seiner Verwirklichung nahergeriickt.-
1
Nr. 103
Erklarung des Polnischen Staatsprasidenten
beim Empfang der Deutschen Volksgruppenvertreter,
5. November 1937
(Ubersetzung)
Aus AnlaB der heute veroffentlichten Erklarung der Polnischen Regierung liber die
Behandlung der deutschen Minderheit in Polen empfing der Polnische Staatsprasident als
Vertreter der deutschen Minderheit die Senatoren Hasbach und Wiesner und Herrn Kohnert.
Q04] Der Staatsprasident hat seine Befriedigung iiber die in beiden Landern veroffentlichten
Erklarungen, die im Sinne der deutsch-polnischen Verstandigung vom 26. Januar 1934
abgefaBt sind, ausgedriickt und hat versichert, daB die deutsche Minderheit in Polen bei einer
loyalen Einstellung zum polnischen Staat und dessen Verfassung auch weiterhin auf eine
freundliche Betrachtung ihrer Interessen seitens der Polnischen Regierung rechnen konne.
Nr. 104
Unterredung des Reichsministers des Auswartigen
mit dem Polnischen Botschafter
Aufzeichnung
Berlin, den 5. November 1937
Ich habe heute dem Polnischen Botschafter ein Aide-Memoire iibergeben, in dem eine Reihe
von Erwartungen iiber die zukunftige Behandlung der deutschen Minderheiten in Polen
ausgesprochen sind, die wir bei den gegenseitigen Erklarungen besonders im Auge hatten.
Der Botschafter nahm diese Zusammenstellung an, ohne Bemerkungen dazu zu machen, und
wird sie seiner Regierung zustellen.
Frhr. von Neurath
Anlage
Aide-Memoire
Berlin, den 5. November 1937
Die Deutsche Regierung spricht anlaBlich der Veroffentlichung der deutsch-polnischen
Minderheitenerklarung die Erwartung aus, daB alsbald MaBnahmen getroffen werden, urn die
deutsche Volksgruppe in Polen vor jeder unterschiedlichen Behandlung gegeniiber dem
Staatsvolk zu sichern, insbesondere bei der Anwendung des Agrarreformgesetzes und der
Grenzzonenverordnung sowie auf wirtschaftlichem und beruflichem Gebiet, vor allem bei der
Einstellung und Entlassung deutschstammiger Arbeiter.
Im Hinblick auf die MaBnahmen, die in der Woiwodschaft Schlesien wahrend der
Verhandlungen liber die Minderheitenerklarung getroffen worden sind, legt die Deutsche
Regierung besonderen Wert darauf, daB die Lage der deutschen Minderheit auf dem Gebiete
des Schul- und Kirchenwesens keine Verschlechterung erfahrt.
Die Deutsche Regierung halt es weiterhin zur Erreichung der mit der Minderheitenerklarung
verfolgten Ziele flir unerlaBlich, daB auf die Faktoren der offentlichen Meinungsbildung,
insbesondere auf die Presse und den Westverband, entsprechend eingewirkt wird.
Ferner wird angeregt, regelmaBig wiederkehrende Aussprachen zwischen Vertretern beider
Staaten liber die in der Minderheitenerklarung behandelten Fragen stattfinden zu lassen.
Die Deutsche Regierung bittet schlieBlich zu erwagen, die in den letzten Jahren gegen
Angehorige der deutschen Volksgruppe in Polen durchgeflihrten Strafverfahren politischen
Charakters in groBzligiger Weise durch die Gewahrung von Begnadigungen oder
Strafaussetzungen zu liquidieren.
Anmerlumgeii:
55 Der Wortlaut stellt einen Vorentwurf der unter Nr. 101 abgedruckten Erklarung dar.
...zurtick...
56 Vgl. Nr. 88 , S.93 , Anm. [54] - -zuruck...
57 Vgl. Nr. 81 , Anm. T441 . ...zuruck...
CO
Es ist auch in den weiteren Verhandlungen nicht gelungen, die Ausweisung der Optanten
aus Ostoberschlesien zu verhindern. ...zuruck...
59 Das Datum des Ablaufs des Genfer Abkommens liber Oberschlesien. ...zuruck...
60 Das ohne Flihlungnahme mit der deutschen Kirchenleitung erlassene Gesetz anderte unter
AuBerachtlassung der bisherigen Grundlagen des kirchlichen Rechts und der Bestimmungen
der polnischen Staatsverfassung in scheinbar vorlaufiger, in Wahrheit aber endgliltiger Form
die Verfassung der unierten evangelischen Kirche in der Weise, daB der Woiwode als
Vertreter des polnischen Staates auf die Bildung und Besetzung der kirchlichen Organe
entscheidenden EinfluB erlangte. Das Pfarrwahlrecht wurde den Gemeinden genommen und
in die Hand des worn - iibrigens katholischen - Woiwoden kontrollierten "Vorlaufigen
Kirchenrats" gelegt. [Anm. d. Scriptorium: siehe auch Artikel "Die kirchliche Lage in Polen " von Hans
Schadewaldt] ...zuruck...
61 Der Konitzer ProzeB betraf folgenden Fall: Zwei altere Damen, denen das Gut Kensau,
Kreis Tuchel, gehorte, hatten etwa 20 zum Teil jugendliche Arbeitslose deutschen Volkstums
angeworben, um ihren Park abzuholzen und in einen Gemiisegarten umzuwandeln. Die
polnischen Behorden waren der Ansicht, daB es sich um ein getarntes Arbeitsdienstlager nach
deutschem Muster gehandelt habe und stellten die beiden Gutsbesitzerinnen sowie die
Arbeitslosen unter Anklage. Es wurden Gefangnis- und Haftstrafen von insgesamt 15 Jahren
1 1 Monaten verhangt.
Die Strafen wurden spater im Berufungsverfahren auf insgesamt 12 Jahre 5 Monate
herabgesetzt unter Bewilligung einer Bewahrungsfrist an die meisten Verurteilten. ...zuruck...
62 Vgl. Nr. 98 . ...zuruck...
63 Gelegentlich dieses Empfangs machte der Fiihrer davon Mitteilung, daB er die Freilassung
einer Anzahl in Haft befindlicher Angehoriger der polnischen Volksgruppe in Deutschland,
die in ihrer politischen Betatigung mit den deutschen Gesetzen in Widerspruch geraten waren,
angeordnet habe. ...zuriick...
Erstes Kapitel (Fo rts. )
Entwicklung der Deutsch-Polnischen Beziehungen
B. Deutschlands Bemuhen
um eine Verstandigung mit Polen, 1933 bis
1939
Anm. d. Scriptorium:
VI. Nichtbeachtung Eine noch mehr ins
der Deutsch-Polnischen Minderheitenerklarung durch Emzelne gehende
pi Dokumentation der
Lage der
Volksdeutschen in
Polen ah die in den
folgenden Kapiteln
gegebene finden Sie in
dem Buch Die
deutsche Volksgruppe
in Polen 1934-39.
(November 1937 bis November 1938)
Nr. 105
Der Deutsche Generalkonsul in Kattowitz an das Auswartige
Amt
Bericht
Kattowitz, den 22. November 1937
Entgegen den anlaBlich des Ablaufs der Genfer Konvention
abgegebenen Zusicherungen des Woiwoden Grazynski, daB keinerlei Absichten bestunden,
die kulturelle Entwicklung des deutschen Elements in Ostoberschlesien einzuschranken, setzt
sich die Bedriickungs- und Entlassungswelle gegen deutschstammige Angestellte und
Arbeiter der Industrie fort. Die Not der Deutschen wachst mit jedem Monat und verscharft
sich fortgesetzt durch neue Kundigungen und Entlassungen. Nach lOjahriger Amtstatigkeit
des Woiwoden Grazynski sind 75 v. H. der Deutschen in Ostoberschlesien mit ihren Familien
um die Existenz gebracht worden.
Ferner sind allein innerhalb der letzten drei Jahre (1934 bis 1937), d. h. also seit dem deutsch-
polnischen Verstandigungspakt, in der Schwerindustrie 840 deutsche hohere Angestellte
entlassen und groBtenteils durch polnische Krafte ersetzt worden.
Die Entlassungen werden selbst nach Veroffentlichung der deutsch-polnischen
Minderheitenerklarung vom 5. November- fortgesetzt, obwohl in Punkt 5 dieser Erklarung
der Schutz des Arbeitsplatzes des deutschen Arbeiters ausdrucklich gesichert wird und
obwohl die Auftragslage der Werke, wie es das Anblasen eines neuen Hochofens zeigt, als
durchaus giinstig anzusprechen ist.
Noldeke
Nr. 106
Der Deutsche Konsul in Krakau an das Auswartige Amt
Bericht
Krakau, den 22. November 1937
Die allpolnische Jugend in Krakau hielt am 19. d. M. 8 Uhr abends im Kollegium Majus der
hiesigen Universitat eine Versammlung ab, die durch eine Rede des deutschfeindlichen
Professors Dr. Folkierski eroffnet wurde. Nach SchluB der Versammlung begaben sich die
aufgehetzten Studenten und sonstigen Teilnehmer in der Anzahl von einigen hundert
Personen mit den Rufen: "Es lebe das polnische Danzig!" "Nieder mit den Deutschen!" zum
Deutschen Konsulat, um hier zu demonstrieren.
Schillinger
Nr. 107
Aufzeichnung des Dirigenten der Politischen Abteilung
des Auswartigen Amts
Berlin, den 25. November 1937
Ich habe heute den Polnischen Geschaftstrager Prinz Lubomirski empfangen und habe ihn
darauf hingewiesen, daB mit Bezug auf die deutsche Minderheit in Polen uns die
Arbeitslosigkeit in Oberschlesien im Augenblick die ernsteste Sorge bereite. Auch nach
Abgabe der Minderheitenerklarung hatten die Entlassungen deutscher Arbeiter in
Oberschlesien nicht aufgehort, wahrend wir im Gegenteil gehofft hatten, daB
Neueinstellungen vorgenommen wiirden. Wir hielten es daher flir erforderlich, daB, um einen
Beweis des guten Willens der Polnischen Regierung abzugeben, polnischerseits alles getan
wurde, um dem Zustand der fortgesetzten Entlassungen deutscher Arbeiter ein Ende zu
bereiten und statt dessen Neueinstellungen vorzunehmen. Prinz Lubomirski verwies darauf,
daB in Polen im Augenblick die Arbeitslosigkeit saisonmaBig im Industriegebiet
Ostoberschlesiens zugenommen habe, versprach aber, diese Frage seiner Regierung in dem
von mir ausgefiihrten Sinne vorschlagen zu wollen.
Ftirst von Bismarck
Nr. 108
Der Dirigent der Politischen Abteilung des Auswartigen Amts
an den Polnischen Geschaftstrager
Berlin, den 7. Dezember 1937
Sehr geehrter Prinz Lubomirski!
Unter Bezugnahme auf die kiirzlich zwischen uns stattgefundene Besprechung— erlaube ich
mir, Hinen in der Anlage zwei Meldungen der Kattowitzer Zeitung vom 27728. v. M. und 1. d.
M. zu ubersenden, aus denen hervorgeht, daB in letzter Zeit fortgesetzt deutsche Arbeiter in
groBerem Umfange aus den oberschlesischen Industriewerken entlassen worden sind.
Andererseits ist aus der erstgenannten Meldung zu entnehmen, daB die Belegschaftsziffer der
Bismarckhutte standig steigt. Ich darf erneut darauf hinweisen, daB die schwere
wirtschaftliche Lage der deutschen Arbeiter in Ostoberschlesien von der Deutschen
Regierung mit groBter Sorge verfolgt wird. Ich ware Ihnen dankbar, wenn Sie Ihre Regierung
entsprechend informieren und sie bitten wiirden, tunlichst bald MaBnahmen zu treffen, die
bewirken, daB nicht nur die gegenwartige Entwicklung zum Stillstand kommt, sondern
dariiber hinaus deutsche Arbeiter wieder eingestellt werden.
Ftirst von Bismarck
[107]
Nr. 109
Der Deutsche Botschafter in Warschau an das Auswartige Amt
Bericht
Warschau, den 11. Dezember 1937
Im AnschluB an eine Unterredung, die ich heute liber politische Fragen mit Herrn Beck hatte,
habe ich die Lage der Minderheiten entsprechend den Weisungen des Herrn Reichsministers
zur Sprache gebracht. Ich verwies eingangs auf die Bemuhungen des Auswartigen Amts, die
praktische Durchfuhrung des Minderheiten-Communiques durch Einwirkung auf die
Verwaltungsbehorden sicherzustellen, und erklarte, daB wir leider auf polnischer Seite eine
entsprechende Einstellung vermiBten, so daB schon das Gefiihl einer gewissen Enttauschung
vorhanden sei. Verschiedene Vorkommnisse der letzten Zeit schienen uns sogar in direktem
Widerspruch zu den Formulierungen des Minderheiten-Communiques zu stehen.
Ich beruhrte dann zunachst die Frage der von der Halbinsel Hela ausgewiesenen deutschen
Fischer.— Herr Beck unterbrach mich sofort und erklarte, es handele sich hier um eine rein
militarische Angelegenheit, die nichts mit dem Minderheitenproblem zu tun hatte. Ich
erwiderte, daB wir fur die militarischen Belange durchaus Verstandnis hatten, aber daB wir
doch die Frage aufwerfen miiBten, ob es wohl notwendig sei, die Ausweisungen mitten im
Winter vorzunehmen und obendrein in einer Weise, die erkennen lasse, daB flir die weitere
Unterbringung und flir irgendeine Flirsorge in keiner Weise gesorgt sei. Ich bat Herrn Beck,
sich dieses Falls personlich anzunehmen.
Des weiteren verwies ich auf die bis in die letzten Tage fortgesetzte Aktion des
Westmarkenverbandes, die gegen den deutschen Handel und deutsche Kaufleute gerichtet sei.
Herrn Beck schien diese Angelegenheit nicht bekannt zu sein. Er bemerkte, daB es naturlich
nicht moglich sei, die Anwendung der Richtlinien des Minderheiten-Communiques bei alien
in Frage kommenden Stellen sofort sicherzustellen; es bedurfe hierzu einer gewissen Zeit. Der
Ministerprasident sei aber entschlossen, in dieser Richtung zu wirken und die in Frage
kommenden Stellen mit entsprechenden Weisungen zu versehen. Wie er, Herr Beck, noch
gerade heute in einer Unterredung mit dem Ministerprasidenten festgestellt habe, befasse sich
dieser zur Zeit gerade mit diesem Problem. Auch die Frage, ob gegebenenfalls durch gewisse
Amnestierungen eine dem Geiste des Minderheitenabkommens entsprechende Geste gemacht
werden konne, werde gepriift - aber man mlisse noch ein wenig Geduld haben.—
[log] Mit besonderem Nachdruck wies ich darauf hin, daB sich in Oberschlesien nicht das
geringste geandert habe und daB hier Absetzungen und Ausweisungen von Pfarrern sowie
Entlassungen von Arbeitern in einer Weise fortgesetzt wiirden, die mit dem Geiste des
Minderheiten-Communiques schwer vereinbar sei. Herr Beck erwiderte, daB er hinsichtlich
der Arbeiterfrage eher optimistisch sei, obwohl der EinfluB des Staates auf diese
Angelegenheiten jetzt geringer sei als friiher, daB er aber hinsichtlich der kirchlichen Fragen
zur Zeit gar keine Moglichkeit einer befriedigenden Losung sahe. Die Lage sei leider durch
die widersetzliche Haltung der evangelischen Geistlichen auBerordentlich erschwert worden.
Er habe seinen Kabinettschef Grafen Lubienski nach Oberschlesien geschickt, um die Frage
an Ort und Stelle zu priifen und gegebenenfalls auf den Woiwoden einzuwirken. Bei
einigermaBen gutem Willen von seiten der evangelischen Geistlichkeit wiirde es wohl
moglich sein, zu einer friedlichen Regelung zu gelangen. Das Gesetz sei elastisch genug
gefaBt, um Moglichkeiten hierzu zu bieten. Aber es habe sich bei der von ihm angeordneten
Untersuchung herausgestellt, daB die unkluge Haltung der Geistlichen jede Intervention
unmoglich mache. Wenn die Geistlichen erklarten, daB sie ein rite zustande gekommenes
Gesetz nicht anerkennten, so konne der Staat sich eine solche Haltung nicht gefallen lassen.
Ich entgegnete Herrn Beck, daB dieses ungluckliche Gesetz die Geistlichen vor
Entscheidungen stelle, die sie vor ihrem Gewissen nicht verantworten konnten. Da dieses
Gesetz nur provisorischen Charakter habe und, wie er mir selbst friiher gesagt habe, ein
grundlegendes, allgemeines Gesetz in Vorbereitung sei, so sollte es doch wohl moglich sein,
die Durchflihrung des vorlaufigen Gesetzes, das schon infolge der Unterstellung unter einen
katholischen Kirchenoberen eine unmogliche Konstruktion sei, bis zum ErlaB des endgliltigen
Gesetzes zurlickzustellen und in der Zwischenzeit Verhandlungen mit der Kirche zu flihren.
Herr Beck erwiderte, daB eine solche Regelung nicht moglich sei, weil bis zum ErlaB des
endgliltigen Gesetzes, das durch den Sejm verabschiedet werden mlisse, noch zu lange Zeit
vergehen wiirde. Im librigen sei schon wiederholt vergeblich der Versuch gemacht worden,
mit den Geistlichen zu verhandeln, was ich in Abrede stellte. Herr Beck verwies ferner auch
heute wieder auf die Lage in Deutschland, wo die Widersetzlichkeit der evangelischen
Geistlichen sogar zu Verhaftungen flihre, wahrend man hier das an sich durchaus mogliche
Eingreifen des Staatsanwaltes bisher vermieden habe. Ich lehnte jeden Vergleich mit
deutschen Verhaltnissen als vollig abwegig ab. Es sei ein bedauerlicher Irrtum, die
oberschlesischen Geistlichen als Revolutionare und Staatsfeinde anzusehen. Sie wiinschten
nichts sehnlicher, als weiter in Ruhe ihres Amtes walten zu konnen und friedliche Seelsorger
der ihnen anvertrauten Gemeinde zu sein. Man dlirfe von ihnen nur nichts Unmogliches
verlangen.
Da ein sachliches Ergebnis im Rahmen dieser Unterhaltung nicht zu erreichen war, habe ich
mien darauf beschrankt, Herrn Beck abschlieBend zu erklaren, wir seien liberzeugt, daB er in
der Lage sei, eine befriedigende Losung herbeizufiihren, und wir hatten das feste Vertrauen,
daB er entsprechend handeln wiirde.
von Moltke
[109]
Nr. 110
Das Auswartige Amt an den Deutschen Botschafter in Warschau
ErlaB
Berlin, den 11. Januar 1938
In der Kattowitzer Zeitung vom 31. Dezember 1937 ist ein Aufsatz unter dem Titel "1.100
deutsche Arbeiter entlassen" erschienen, auf den ich ergebenst hinweise. Der Artikel enthalt
eine Ubersicht liber die im letzten Jahr erfolgten Arbeiter- und Angestelltenentlassungen in
der ostoberschlesischen Industrie. Ich bitte das darin enthaltene Material, iiber dessen
Zuverlassigkeit kein Zweifel besteht, dem Polnischen AuBenministerium gegeniiber zu
verwerten.
Im Auftrag
Schliep
Nr. 1 1 1
Aufzeichnung eines Beamten der Kulturabteilung des Auswartigen Amts
Berlin, den 25. Januar 1938
Ich habe heute Legationssekretar Malhomme von der Polnischen Botschaft zu mir gebeten,
um mit ihm liber verschiedene Fragen zu sprechen.
1. Zunachst brachte ich die Frage des Eichendorff-Gymnasiums in Konigshutte zur
Sprache, dem entgegen den ausdrucklichen Zusagen der polnischen Schulbehorde das
Offentlichkeitsrecht nicht zugebilligt worden ist.
2. Ich fiihrte ferner aus, daB bei den mundlichen Verhandlungen, die im vergangenen
Sommer zu einem gentlemen-agreement zwischen AuBenminister Beck und
Botschafter von Moltke iiber das Gymnasium in Marienwerder gefuhrt hatten, die
Verhandlungsbasis die gewesen sei, daB von deutscher Seite die Eroffnung des
Gymnasiums Marienwerder durchgefuhrt werden wiirde, wahrend die Polen folgende
Gegenleistungen machen sollten: Riickgabe der Offentlichkeitsrechte flir die
deutschen Gymnasien in Graudenz und Posen, Erlaubnis flir die Fertigstellung des
Neubaus flir das deutsche Gymnasium in Bromberg und Weiterfuhrung des
Bromberger Gymnasiums in den jetzigen Raumen bis zur Fertigstellung des Neubaus.
Die Polen hatten zugestimmt. Die deutsche Zusage, namlich die Eroffnung des
polnischen Gymnasiums in Marienwerder, sei bereits seit mehreren Monaten
durchgefuhrt, wahrend polnischerseits so gut wie iiberhaupt noch nichts geschehen sei.
Trotz wiederholter Vorstellungen bei der Polnischen Botschaft in Berlin und durch die
Deutsche Botschaft in Warschau sei bisher lediglich die Weiterfuhrung des
Gymnasiums in Bromberg in den alten Raumen genehmigt worden. Die
Offentlichkeitsrechte in Posen und Graudenz seien nicht wieder verliehen worden und
auch die Frage des Neubaus sei noch ungeklart. Es sei flir die innerdeutschen Stellen
unverstandlich, daB die Polnische Regierung ihre festen Zusagen nicht einhielte.
von Fries
Nr. 112
Aufzeichnung eines Beamten der Kulturabteilung des Auswartigen Amts
Berlin, den 8. Februar 1938
Der Legationssekretar der Polnischen Botschaft Malhomme rief mich an, um mir im Verfolg
seiner Unterhaltung mit Legationssekretar von Fries- folgendes mitzuteilen:
Es sei ein Irrtum unsererseits anzunehmen, daB das Offentlichkeitsrecht flir Konigshutte
aufgehoben sei. Das Offentlichkeitsrecht bestehe an sich. Aber infolge der Schulreform in
Polen sei es notig, eine Anzahl von Formalitaten zu erfiillen, damit das Offentlichkeitsrecht in
Wirksamkeit treten konne. Dies sei von deutscher Seite bisher verabsaumt worden. Ich habe
Herrn Malhomme erwidert, daB ich seine Ausfiihrungen nicht verstande. Aus welchem
Grunde das Offentlichkeitsrecht flir die Schule in Konigshutte auBer Kraft gesetzt sei, sei mir
ziemlich gleichgiiltig. Ich miisse jedenfalls konstatieren, daB es zur Zeit nicht ausgelibt
werden konne, und darum drehe sich unsere Beschwerde. Wenn er mir jetzt mitteile, daB
einige Formalitaten nachzuholen seien und daB dann das Offentlichkeitsrecht
wiederhergestellt wiirde, so nahme ich diese Mitteilung zur Kenntnis, um sie den zustandigen
Stellen zuzuleiten. Ich muBte ihm aber gleich erklaren, daB wir in letzter Zeit derartig viele
Enttauschungen mit Mitteilungen der hiesigen Polnischen Botschaft beziiglich
Entgegenkommen polnischer Behorden erlebt hatten, daB ich die Frage Konigshutte erst als
erledigt ansehen konnte, wenn die Mitteilung des Herrn Malhomme in die Wirklichkeit
umgesetzt sei.
Herr Malhomme versicherte darauf, daB er sein moglichstes tue, daB aber doch immer die
Mentalitat im Grenzkampf beriicksichtigt werden miisse. Ich habe ihm darauf erwidert, daB es
mir vor allem darauf ankomme, daB Zusagen, die gemacht wiirden, auch eingehalten werden.
von Twardowski
Nr. 113
Der Deutsche Botschafter in Warschau an das Auswartige Amt
Bericht
Warschau, den 11. Marz 1938
Senator Wiesner behandelte in der Senatssitzung vom letzten Dienstag die Frage der
Arbeitslosigkeit unter den Deutschen in Polen, wobei er darauf hinwies, daB wahrend der 15
Jahre, in denen Schlesien unter dem Schutz der Genfer Konvention gestanden hat, die
deutschen Arbeiter und Angestellten systematisch entlassen worden seien und daB dieser
Vorgang auch nach dem Ablauf der Konvention andauere. An diesem Zustande habe auch die
Minderheitenerklarung vom 5. November nichts geandert. Im allgemeinen sei der Stand der
beschaftigten Bergarbeiter in Oberschlesien im Jahre 1937 von 44.500 auf 53.600 und in der
Eisen- und Huttenindustrie von 23.400 auf 26.600 gestiegen, gleichzeitig seien aber Hunderte
von deutschen Arbeitern entlassen am worden. Senator Wiesner konnte an Beispielen
nachweisen, daB die Entlassungen auch nach der Minderheitenerklarung andauerten, obwohl
in dieser ausdriicklich festgelegt worden sei, daB jeder das Recht auf seinen Arbeitsplatz
besitze und niemandem aus seinem Bekenntnis zum Deutschtum ein Schaden erwachsen
diirfe.
Es seien nicht nur bewahrte Facharbeiter, sondern auch Familienvater, die bis zu 10 Kinder
hatten, entlassen worden. Einzelne von ihnen seien aufgefordert worden, ihre Kinder aus der
deutschen Schule zu nehmen, anderenfalls wiirden sie ihre Arbeit verlieren. Daraus gehe
hervor, daB einzig und allein das Bekenntnis der Arbeiter zum Deutschtum die Ursache fur
die Entlassungen gewesen sei.
Bei den deutschen Arbeitern sei eine Arbeitslosigkeit von 60 bis 80% festzustellen.
Bei den deutschen Angestellten sei die Lage ebenso ungiinstig. Nicht weniger als 1.248
Mitglieder der Gewerkschaft deutscher Angestellter seien in den Jahren 1934 bis 1937
entlassen worden.
SchlieBlich wies Senator Wiesner darauf hin, daB die Lage der schulentlassenen deutschen
Jugend ganz besonders trostlos sei, da sie keine Lehrstellen bekommen konne, und zwar nur
aus dem Grunde, weil sie deutsche Schulen besucht habe. Ungefahr 14.000 bis 16.000
deutsche Jungen und Madchen im Alter von 15 bis 18 Jahren hatten seit dem Austritt aus der
Schule keine systematische Arbeitsschulung erfahren.
Wir mussen leider wieder die Feststellung machen, daB die Minderheitenerklarung sich auch
auf dem wichtigen Gebiet des Arbeitsmarktes nicht in der Weise ausgewirkt hat, wie das den
Zusicherungen der Polnischen Regierung entsprochen hatte.
von Moltke
Nr. 114
Das Auswartige Amt an den Deutschen Botschafter in Warschau
ErlaB
Berlin, den 27. Mai 1938
Leider hat die Minderheitenerklarung worn 5. November v. J. auch auf dem Schulgebiet keine
Erleichterung gebracht.
1. Seit der Minderheitenerklarung haben die Polen 7 zum Teil sehr groBe deutsche
Schulen geschlossen, und zwar in Westpolen Karmin, Dominowo und Stralkowo und
in Wolhynien Luck, Jozefin, Cezaryn und Dabrowa.
2. Bei den Verhandlungen liber die Minderheitenerklarung waren wir auf Wunsch der
Polen auf ein Junctim fur die Eroffnung des Gymnasiums in Marienwerder
eingegangen. Die polnische Gegenleistung bestand praktisch nur in der Zuriickziehung
mehrerer von Polen ad hoc getroffener Beschrankungen, namlich:
a) Wiedererteilung des entzogenen Offentlichkeitsrechts fur die Gymnasien in
Graudenz und Posen.
b) Erlaubnis zum Weiterbau des Gymnasiums in Bromberg.
ni2i Obwohl die Polnische Botschaft bereits im Dezember v. J. die restlose
Durchfuhrung behauptete, ist dies bisher nicht erfolgt. Nach vielfachen Vorstellungen
in Warschau und Berlin ist das Offentlichkeitsrecht flir Graudenz gewahrt worden,
wahrend es flir Posen auch jetzt noch nicht voll erteilt ist. Fur den Neubau in
Bromberg wurde nicht einmal die Beendigung des Daches vor dem Winter genehmigt,
so daB Witterungsschaden entstanden. Nachdem seitens der Botschaft kurzlich die
Weiterbauerlaubnis durchgesetzt worden ist, haben sofort baupolizeiliche Schikanen
eingesetzt, so daB der Bau praktisch weiter stilliegt. Wir warten nunmehr schon fast
ein ganzes Jahr auf Erfullung der polnischen Zusage, wahrend wir unsererseits unsere
Zusage sofort erfullt haben.—
3. Aus fruherer Zeit besteht noch ein Junctim zwischen dem Neubau des
Kindergartens in Posenbruck und dem Neubau der deutschen Privatschule in
Neutomischel, das gleichfalls nur auf deutscher Seite erfullt worden ist. Der deutsche
Neubau steht seit 1930 unbenutzt. Trotz der Minderheitenerklarung nehmen die Polen
die im Schulstreik befindlichen deutschen Eltern in Neutomischel in schwere Strafen.
AbschlieBend kann gesagt werden, daB die endliche Erfullung der beiden genannten Junctim
(Ziffer 2 und 3) weitere Verhandlungen erleichtern wiirde. Die Einrichtung einer Gemischten
Kommission konnte auch auf diesem Gebiet gute Erfolge haben.
Im Auftrag
von Twardowski
Nr. 115
Der Deutsche Geschaftstrager in Warschau an das Auswartige Amt
Bericht
Warschau, den 30. Juli 1938
Ich habe heute weisungsgemaB den Kabinettschef des Polnischen AuBenministers Grafen
Lubienski aufgesucht und habe ihn urn eine Aufklarung wegen des kurzlich ergangenen
Verbots des Weiterbaues der deutschen Schule in Bromberg gebeten. Graf Lubienski erklarte
mir, daB AuBenminister Beck, mit dem er noch vor seiner gestern erfolgten Abreise iiber die
Angelegenheit gesprochen habe, ihn ermachtigt habe, mir mitzuteilen, daB man
polnischerseits an dem zwischen ihm und dem Botschafter von Moltke vereinbarten
gentlemen-agreement — festhalten wolle, obwohl sich der AuBenminister nicht recht
entsinnen konne, daB als Gegenleistung fur die Genehmigung des polnischen Gymnasiums in
Marienwerder auf polnischer Seite auBer der Erteilung der Offentlichkeitsrechte flir die
deutschen Gymnasien in Posen und Graudenz auch die Erlaubnis zum Weiterbau der Schule
in Bromberg urspriinglich versprochen worden sei. Er (Lubienski) habe sich inzwischen liber
die technische Seite der Angelegenheit informiert und er hoffe, das jetzt ausgesprochene
Verbot kurzerhand wieder riickgangig machen zu konnen. Nach der Ruckkehr von Oslo will
er mir weitere Nachricht iiber den Erfolg seiner Schritte zukommen lassen.
von Wuhlisch
[113]
Nr. 116
Der Deutsche Botschafter in Warschau an das Auswartige Amt
Bericht
Warschau, den 23. August 1938
Die vom Generalkonsulat Thorn gemeldeten deutschfeindlichen Kundgebungen des
Westverbandes sind zum Gegenstand einer eingehenden Besprechung mit Herrn Kunicki
gemacht worden. Hierbei wurde darauf hingewiesen, daB diese Kundgebungen einen
ausgesprochen deutschfeindlichen Charakter getragen hatten, was sich j a bei den
Demonstrationen vor dem deutschen Generalkonsulat klar gezeigt habe. Auch die Tatsache,
daB kurzlich im Konsulatsgebaude Fensterscheiben eingeschlagen wurden, ist in diesem
Zusammenhange zur Sprache gebracht worden, mit dem Ersuchen, dafiir zu sorgen, daB
derartige Vorkommnisse in Zukunft sich nicht wiederholen mogen.
Ferner ist weisungsgemaB darauf hingewiesen worden, daB wir den wirtschaftlichen Boykott
gegen das Deutschtum, der immer groBere AusmaBe annehme, als schwere Belastung flir das
deutsch-polnische Verhaltnis empfanden. Da alle diese Aktionen immer wieder von dem
polnischen Westverbande ausgingen, muBten wir dringend bitten, nunmehr unverzuglich
gegen diese Organisation vorzugehen. Die gegenwartige, hochst unbefriedigende Lage konne
weder in unserem noch im polnischen Interesse liegen und es sei zu hoffen, daB die Polnische
Regierung sich endlich zu durchgreifenden MaBnahmen entschlieBen werde.
von Moltke
Nr. 117
Der Deutsche Botschafter in Warschau an das Auswartige Amt
Bericht
Warschau, den 2. September 1938
Die Haltung der polnischen Presse und anderer Faktoren der polnischen Offentlichkeit
Deutschland gegeniiber ist in der letzten Zeit unverkennbar schlechter geworden. Sie war
niemals befriedigend und blieb stets hinter den Erwartungen zuriick, die deutscherseits
vielfach an das politische Abkommen-und an die Presseabrede von 1934— geknupft worden
waren. Die dem Polnischen AuBenministerium nahestehenden Zeitungen und sonstigen
meinungspolitischen Faktoren zeigten zwar meist ein korrektes Verhalten und in manchen,
besonders auBenpolitischen Fragen ofters auch eine positiv zu beurteilende Einstellung, aber
nicht einmal das sogenannte Lager der Nationalen Einigung, d. h. die zwecks Gewinnung der
"Massen" fur das herrschende System geschaffene regierungsparteiliche Organisation,
verzichtet darauf, im Wettbewerb mit den ubrigen politischen Gruppen antideutsche
Schlagworte auszuspielen, um dadurch an Popularitat zu gewinnen.
Die Polnische Regierung verhalt sich diesen Vorgangen gegeniiber reichlich reserviert;
jedenfalls sind Anzeichen fur eine energischere Gegenwirkung nicht vorhanden. Es mag
zugegeben werden, daB die polnischen Behorden in ihren EinfluBmoglichkeiten auf die Presse
beschrankt sind, aber eine so weitgehende Passivitat kann doch wohl nur dadurch erklart
werden, daB die Regierung sich scheut, ihre Machtmittel zum Schutz der unpopularen
deutschen Belange einzusetzen, wahrend sie fur ihre eigenen Interessen eine weit groBere
Energie aufbringt. Und daB man z. B. nicht in der Lage sein sollte, die wiederholten rnn
aufreizenden Demonstrationen in den Stadten der Westgebiete, die von dem der Regierung
nahestehenden Westmarkenverband in Szene gesetzt werden, zu verhindern, scheint wenig
glaubwiirdig.
Es kann der Regierung nicht verborgen sein, daB diese passive Haltung allmahlich eine
Atmosphare entstehen laBt, die mit der deutsch-polnischen Verstandigungspolitik immer
schwerer in Einklang zu bringen ist. Freilich hat man hier Deutschland gegeniiber niemals
sehr herzliche Tone angeschlagen und namentlich in kritischen Momenten wurde von jeher
Wert darauf gelegt, die Beziehungen nicht zu eng erscheinen zu lassen. Aber daB jetzt z. B.
vor einem deutschen Generalkonsulat ungehindert der HaBgesang des "Rota"-Liedes ertonen
konnte, ist doch immerhin ein Vorgang, der seit 1934 nicht mehr zu beobachten war. Es ist
offensichtlich, daB die Becksche Politik heute noch weniger popular ist als friiher und daB der
AuBenminister selbst sich Zuriickhaltung auferlegen muB. Wir haben ja in dem bekannten Fall
des deutschen Gymnasiums in Bromberg, wo ganz offenbar das mit Beck abgeschlossene
gentlemen-agreement von Seiten der inneren Verwaltung sabotiert worden ist, 22 ein deutliches
Anzeichen fur die inneren Spannungen gehabt, die hier vorhanden sind. Und in der Tat
scheint in der Regierung gerade hinsichtlich der Deutschlandpolitik Becks eine nicht ganz
einheitliche Beurteilung vorzuliegen. Jedenfalls ist mit Wahrscheinlichkeit anzunehmen, daB
sowohl der Kriegsminister wie Marschall Smigly-Rydz die Becksche Politik nicht mit ganzen
Herzen mitmachen. In diesem Zusammenhang ist auch interessant, daB selbst ein alter
Vorkampfer der Verstandigung mit Deutschland, wie der Chefredakteur des Wilnaer Slowo
Mackiewicz, unlangst in einem fast sensationell wirkenden Artikel Becks Politik angegriffen
hat, mit dem Vorwurf, daB er liber der Freundschaft mit Deutschland die Beziehungen zu
Frankreich und England vernachlassige und aus dem Zusammengehen mit Deutschland keine
entsprechenden Vorteile fiir Polen gewonnen habe.
Ich habe die ungiinstige Entwicklung der hiesigen offentlichen Meinung und die besonders
deutschfeindlichen Kundgebungen der letzten Zeit, nachdem ich bereits vor einigen Tagen
das gleiche Thema bei dem Stellvertretenden Vizeminister Arciszewski angeschnitten hatte,
gestern auch noch Herrn Beck gegeniiber in ernster Form zur Sprache gebracht. Herr Beck
bestritt nicht, daB die Lage unbefriedigend sei; er habe gleich nach seiner Ruckkehr vom
Urlaub von sich aus den Ministerprasidenten darauf aufmerksam gemacht und bei diesem
voiles Verstandnis gefunden. Auf meine Bemerkung, daB wir nicht verstehen konnten, warum
nicht wenigstens den wiederholten Demonstrationen des Westverbandes ein Riegel
vorgeschoben werde, erwiderte Herr Beck, es sei nicht zweckmaBig, lediglich mit Verboten
vorzugehen, sondern manchmal besser, ein Ventil zu offnen. Man hatte sich deshalb darauf
beschrankt, die sehr viel weitergehenden Absichten der Demonstranten auf ein geringes MaB
zuriickzuschrauben. Im ubrigen versuchte Herr Beck die gegen Deutschland gerichteten
Angriffe in ihrer Bedeutung abzuschwachen und versicherte, daB die Regierung sich in keiner
Weise durch die Nervositat der offentlichen Meinung beeinflussen lasse, sondern an der alten
politischen Linie festhalte.
Wenn Herr Beck diese AuBerung auch in sehr bestimmter Form machte, so wird man sich
doch nicht dariiber tauschen diirfen, daB hier bereits jetzt eine fur uns unfreundliche
Stimmung vorhanden ist, die die EntschluBfreiheit der Regierung in entscheidenden Fragen
immerhin beeinflussen konnte.
von Moltke
Anmechun$cn:
64 Vgl. Nr. 101 . ...zuruck...
65 Vgl. Nr. 107 . ...zuruck...
66 In den Jahren 1937/38 wurden etwa 160 alteingesessene deutsche Fischerfamilien -
insgesamt 600 Personen - aus der Halbinsel Hela ausgewiesen. Da die Polnische Regierung
sich trotz wiederholter und dringender Vorstellungen der Deutschen Botschaft nicht bereit
fand, fur eine anderweitige Unterbringung dieser Familien Sorge zu tragen, wurden sie
schlieBlich, um sie vor dem volligen Untergang zu bewahren, von der Deutschen Regierung
im Reichsgebiet angesiedelt, obwohl die meisten die polnische Staatsangehorigkeit besaBen.
Die Bemuhungen, wenigstens eine Entschadigung flir die enteigneten Hauser und
Grundstucke zu erhalten, blieben ebenfalls erfolglos. ...zuruck...
67 Deutscherseits war eine Amnestierung polnischer Minderheitsangehoriger bereits
gelegentlich der Veroffentlichung der Minderheitenerklarung vorgenommen worden. Vgl. Nr.
102 . Anm. T631 . ...zuriick...
68 Vgl. Nr. 111 . ...zuruck...
69 Vgl. Nr. 111 . ...zuruck...
69a Vgl. Nr. 111 . ...zuriick...
70 Vgl. Nr. 37 . .. .zuriick...
71 Vgl. Nr. 77, Anm. T421 . ...zuriick...
72 Vgl. Nr. Ill , 114 und 115. ...zuriick...
Erstes Kapitel (Forts.)
Entwicklung der Deutsch-Polnischen Beziehungen
B. Deutschlands Bemuhen
um eine Verstandigung mit Polen, 1933 bis 1939
VII. Der Deutsch-Polnische Notenaustausch
uber das Olsa-Gebiet und das Polnische Vorgehen
gegen die dortige Deutsche Volksgruppe
(Oktober 1938 bis Marz 1939)
Nr. 118
Das Auswartige Amt an den Deutschen Botschafter in Warschau
ErlaB
Berlin, den 15. Oktober 1938
Eine Zusammenstellung von Meldungen liber deutschfeindliche Vorgange im Olsa-Gebiet ist
heute dem Ersten Sekretar der Polnischen Botschaft Herrn Malhomme mit dem Bemerken
iibergeben worden, daB die betreffenden Nachrichten zwar noch nicht hatten nachgepriift
werden konnen, daB aber, wenn sie auch nur zum Teil der Wirklichkeit entsprachen, die Lage
in diesem Gebiet vom deutschen Standpunkt aus als hochst unerfreulich bezeichnet werden
mlisse. Herr Malhomme ist gleichzeitig auf die groBe Erregung hingewiesen worden, die
durch das gemeldete polnische Vorgehen in deutschen Kreisen weit liber das Grenzgebiet
hinaus hervorgerufen worden ist. Er wurde gebeten, seiner Regierung von der
Zusammenstellung zwecks Veranlassung des Erforderlichen Kenntnis zu geben und
versprach, noch mit dem heute abgehenden Kurier nach Warschau berichten zu wollen.
Ich bitte, auch dortseits tunlichst bald im Polnischen AuBenministerium ernste Vorstellungen
zu erheben und liber das VeranlaBte zu berichten.—
Im Auftrag
Fiirst von Bismarck
Nr. 119
Der Deutsche Botschafter in Warschau an das Auswartige Amt
Bericht
Warschau, den 25. Oktober 1938
Der Notenaustausch, betreffend die Behandlung der deutschen Minderheit in Teschen, ist am
18./20. d. M. vollzogen worden. In der Anlage beehre ich mien, die beiden Noten vorzulegen.
von Moltke
[116]
Anlagen
Der Deutsche Botschafter in Warschau
an den Polnischen Minister fur Auswartige Angelegenheiten
Warschau, den 18. Oktober 1938
Herr Minister!
Im Hinblick auf die Angliederung bisher tschechischen Gebietes an den Polnischen Staat
beehre ich mich auftragsgemaB, die Aufmerksamkeit Euerer Exzellenz auf einen Umstand zu
lenken, dem die Deutsche Regierung in Ubereinstimmung mit der offentlichen Meinung in
Deutschland besondere Wichtigkeit beimiBt.
In den genannten Gebieten ist eine erhebliche Anzahl von Angehorigen des deutschen
Volkstums ansassig, die besonders dort, wo sie in groBeren Gruppen zusammenwohnen,
eigene soziale und kulturelle Einrichtungen unterhalten. Die Deutsche Regierung geht davon
aus, daB sich die freundschaftlichen Beziehungen zwischen Deutschland und Polen, die sich
bei der Behandlung des tschechischen Problems erneut bewahrt haben, kiinftig auch bei der
Behandlung derjenigen Deutschen als wirksam erweisen, die nunmehr Angehorige des
Polnischen Staates werden. Die Deutsche Regierung erwartet deshalb, daB diese Deutschen
nach den Zeiten der Bedriickung, die sie durchlebt haben, seitens der polnischen Behorden
eine Behandlung erfahren, die den seinerzeit von beiden Seiten abgegebenen
Minderheitenerklarungen- entspricht, und daB sie demgemaB nicht nur ihren gegenwartigen
kulturellen Besitzstand aufrechterhalten konnen, sondern dariiber hinaus im Rahmen des
Polnischen Staates glucklichere Daseinsbedingungen finden werden, als sie ihnen bisher
zuteil geworden sind.
Ebenso halt die Deutsche Regierung es flir selbstverstandlich, daB den deutschen
Reichsangehorigen, die in den bezeichneten Gebieten wohnen, aus dem Wechsel der
Staatsgewalt keinerlei Nachteile erwachsen und daB sie insbesondere in der Durchfuhrung
ihrer bisherigen Berufstatigkeit nicht beeintrachtigt werden.
Ich bin beauftragt zu erklaren, daB die Deutsche Regierung ihrerseits ihr Verhalten nach den
gleichen Grundsatzen gegenliber polnischen Volks- oder Staatsangehorigen regeln wird, die
sich in dem Gebiet befinden, das jetzt aus tschechischer in deutsche Staatsgewalt uberfuhrt
wird.
Soweit polnische Volks- oder Staatsangehorige in den jetzt Deutschland zufallenden Gebieten
und soweit umgekehrt deutsche Volks- oder Staatsangehorige in den jetzt Polen zufallenden
Gebieten den Wunsch haben, das Staatsgebiet zu verlassen, schlagt die Deutsche Regierung
vor, die sich hieraus ergebenden Fragen alsbald durch eine besondere Vereinbarung zu regeln.
Genehmigen Sie, usw.
von Moltke
Der Polnische Minister fur Auswartige Angelegenheiten
an den Deutschen Botschafter in Warschau
(Ubersetzung)
Warschau, den 20. Oktober 1938
Herr Botschafter!
Ich beehre mich, den Empfang des Schreibens Euerer Exzellenz vom 18. Oktober 1938 zu
bestatigen, in welchem Euere Exzellenz auf gewisse Zentren von Personen deutschen
Volkstums aufmerksam machen, die sich in den letzthin Polen durch die Tschechoslowakei
zuriickgegebenen Gebieten befinden. Es handelt sich hierbei um Personen, die polnische
Staatsburger werden.
Ich mochte vor allem der Uberzeugung Ausdruck verleihen, daB die Anwendung der deutsch-
polnischen Minderheitenerklarung vom 5. November 1937- auf diese Minderheit wie auch
auf die polnische Minderheit, welche auf Grand der letzthin durchgefuhrten territorialen
Anderungen zum Deutschen Reich gekommen ist und die ebenfalls groBere geschlossene
Zentren aufweist, diesen Minderheiten nicht nur die Moglichkeit geben wird, ihren bisherigen
kulturellen Besitzstand zu behaupten, sondern ihnen auch glucklichere Daseinsbedingungen
verschaffen wird, als das bis jetzt der Fall war.
Auch beziiglich der Frage des Aufenthalts deutscher Staatsangehoriger in dem besagten
Gebiet wird die Polnische Regierung eine wohlwollende Haltung unter der Bedingung der
Gegenseitigkeit und unter der selbstverstandlichen Wahrung der im polnischen Staate
geltenden Gesetze einnehmen.
Ferner ist die Polnische Regierung auch beziiglich der Personen, welche die Gebiete, die sie
jetzt bewohnen, verlassen wollen, uberzeugt, daB sich dieses Problem fur den Fall, daB es
aktuell wird, gunstig und ohne Nachteil flir beide Staaten wird regeln lassen.
SchlieBlich beehre ich mich der Uberzeugung Ausdruck zu geben, daB die Atmosphare der
zwischen beiden Staaten herrschenden freundschaftlichen Beziehungen zu einer Regelung der
obigen Fragen beitragen wird.
Genehmigen Sie, usw.
Der Minister
In Vertretung
Szembek
Nr. 120
Der Reichsminister des Innern an das Auswartige Amt
Berlin, den 5. November 1938
Als Riickwirkung der EntdeutschungsmaBnahmen, die mit der Besetzung des Teschener
Gebiets durch polnische Truppen begonnen haben, ist ein auBerordentlich starker Zustrom
von Fliichtlingen festzustellen. Allein in den mir unterstehenden Fliichtlingslagern wurden bis
zum heutigen Tage liber 5.000 Personen gezahlt. Abgesehen hiervon sind noch viele
Fliichtlinge iiber die nisi Reichsgrenze gekommen, die sich in keinem Lager gemeldet haben.
Deren Zahl diirfte ebenfalls in die Tausende gehen. Ungefahr 30 bis 40% der deutschen
Bevolkerung des Teschener Landes diirfte bereits die Heimat verlassen haben.- Trotz der von
deutscher Seite angeordneten Grenzsperre kommen auch jetzt noch taglich ungefahr 120
Fliichtlinge iiber die Grenze, da sie im Olsagebiet dem Hunger preisgegeben sind.
Von den Fliichtlingen wird nur ein geringer Teil in die Heimat zuriickkehren konnen, da den
meisten polnischerseits der Grenzubertritt nur gegen den schriftlichen Verzicht auf die
Ruckkehr erlaubt worden ist.
Im Auftrag
Vollert
Nr. 121
Das Auswartige Amt an den Deutschen Geschaftstrager in Warschau
ErlaB
Berlin, den 26. November 1938
Nach den von den verschiedensten Stellen hier eingegangenen Informationen dauert die
Entdeutschung des Olsagebiets durch polnische MaBnahmen trotz des Notenwechsels mit der
Polnischen Regierung iiber den Schutz der Minderheiten unvermindert an. Diese MaBnahmen
liegen insbesondere auf folgenden Gebieten:
a. Verdrangung vom Arbeitsplatz
Den deutschen Arbeitnehmern wird in der Regel entweder von ihrem Arbeitgeber oder
behordlicherseits eroffnet, daB sie mit einer Weiterbeschaftigung nur rechnen konnten, wenn
sie nach drei Monaten den Nachweis der Beherrschung der polnischen Sprache erbracht
hatten. In einigen Betrieben, z. B. im Eisenwerk Trzyniec, wurde den Arbeitern der Zutritt nur
gegen Vorzeigung eines Ausweises einer polnischen Organisation gestattet, wenn sie auf
einer Unbedenklichkeitsliste verzeichnet waren. Durch solche Bedingungen werden die
Arbeitnehmer praktisch gezwungen, schon jetzt ihre Stellungen aufzugeben. In zahlreichen
Fallen sind deutsche Arbeiter sogar sofort nach der Besetzung des Landes durch die
polnischen Truppen entweder ohne Weiterzahlung der Lohne und Gehalter bis auf weiteres
beurlaubt oder auch entlassen worden, wahrend gleichzeitig polnischstammige Arbeiter neu
eingestellt wurden. In den Freistadter Industriewerken ist gerade in den letzten Tagen wieder
zahlreichen deutschstammigen Arbeitern zum nachstzulassigen Termin gekundigt worden.
Betroffen werden vornehmlich Familienvater, die ihre Kinder nicht zur polnischen Schule
angemeldet haben. In Oderberg erhielten in der vorigen Woche samtliche Arbeiter und
Angestellten der Olraffinerie "Odra", soweit sie dem deutschen Volkstum angehoren, die
Kiindigung zum 31. Dezember d. J., das Rohrenwalzwerk Hahn in Neu-Oderberg hat etwa 50
deutschstammigen Angestellten und liber 100 deutschen Arbeitern zum 31. Dezember 1930
gekiindigt.
Neben Arbeitern und kleinen Angestellten von privaten Betrieben sind in zahlreichen Fallen
auch leitende deutschstammige Beamte, wie Ingenieure und Direktoren, entlassen oder ohne
Weiterzahlung des Gehalts bis auf weiteres beurlaubt worden.
T1191
b. Einstellung der Zahlungen an Pensionare
Soweit fruhere Arbeiter, Angestellte und Beamte bisher von den tschechischen Arbeitgebern
oder ihren Verbanden oder vom Staat bzw. den Gemeinden Unterstutzungen oder Pensionen
erhielten, werden diese seit dem Souveranitatswechsel nicht mehr gezahlt. Die betroffenen
Familien sind nunmehr vollig mittellos. Die Folge ist, daB auch in diesen Kreisen des
Deutschtums eine trostlose wirtschaftliche Lage herrscht.
c. Behinderung der deutschen Betriebe durch Zwangsverwalter
Die bei der Besetzung in deutsche Betriebe eingesetzten polnischen Zwangsverwalter sind
bisher nicht zuruckgezogen worden. Durch diese Zwangsverwaltungen wird die Fiihrung der
Betriebe in unertraglicher Weise erschwert, der Betrieb letzten Endes sogar ruiniert.
d. Schwierigkeiten bei der Erteilung von Ruckreisesichtvermerken an Reichsdeutsche in
wirtschaftlichen Stellungen
Bei der Erteilung von Ruckreisesichtvermerken flir Reichsangehorige, die im Olsagebiet
wirtschaftlich tatig sind und aus beruflichen Griinden genotigt sind, haufig Reisen in das
Ausland zu unternehmen, werden seitens der zustandigen polnischen Stellen so groBe
Schwierigkeiten gemacht, daB diesen Personen ihre Berufsausiibung wesentlich erschwert,
teilweise sogar unterbunden wird.
e. Schadigungen des deutschen Schulwesens
Wahrend der Betrieb der polnischen Schulen seit Wochen in vollem Gange ist; werden der
Wiedereroffnung der deutschen Schulen alle nur erdenklichen Schwierigkeiten bereitet. So
sind z. B. zahlreichen deutschen Eltern schulpflichtiger Kinder schriftliche Aufforderungen
des Inhalts zugegangen, daB die Leitung der am Ort befindlichen polnischen Schule sie
letztmalig auffordere, ihre Kinder innerhalb von 24 Stunden nach der Zustellung dieser
Aufforderung bei der polnischen Schule einzuschreiben, andernfalls sie bestraft oder
ausgewiesen werden wlirden.
Wenn trotz dieser Drohungen die deutschen Eltern ihre Kinder zu einer deutschen Schule
anmelden, so werden wiederum bei dieser Anmeldung die groBten Schwierigkeiten in Form
von Prufungen gemacht, durch die die Zugehorigkeit zum Deutschtum in Zweifel gezogen
werden soil. So geht z. B der Kommissar flir das deutsche Schulwesen in Neu-Oderberg in der
Weise vor, daB er zunachst einmal die angemeldeten Schuler polnisch anspricht. Antworten
sie ihm polnisch, so lehnt er die Einschreibung entweder von vornherein ab oder fragt sie
noch nach bekannten Personlichkeiten der polnischen Geschichte. Zeigt sich das angemeldete
Kind dariiber einigermaBen unterrichtet, so wird es ohne weiteres an die polnische Schule
verwiesen. Kommen trotz aller dieser Versuche einige Einschreibungen zustande, so werden
die Verhandlungen mit den noch nicht abgefertigten Eltern plotzlich auf den nachsten Tag
verschoben, in der Erwartung, daB sich Kinder und Eltern doch noch flir die polnische Schule
entscheiden werden. Der polnische Direktor des deutschen Gymnasiums in Neu-Oderberg hat
zahlreiche Anmeldungen von einwandfreien Volksdeutschen lediglich mit der Begrlindung
zurlickgewiesen, daB die angemeldeten Kinder polnische Namen flihrten. Die
Einschreibungen deutscher Kinder in die deutsche Schule in Teschen wurde von dem
polnischen Lehrer Cachl aus Kattowitz dadurch sabotiert, daB er zu den Verhandlungen mit
den deutschen Eltern Polizeibeamte hinzuzog, die auf die Eltern mit Gummiknlippeln ein- rnoi
schlugen, wenn sie auf der Einschreibung fur die deutsche Schule bestanden. In zahlreichen
Fallen haben solche Eltern dem gewaltsamen Druck nachgegeben. Ein weiteres Mittel, das
deutsche Schulwesen zu schadigen, ist die Festsetzung wesentlich hoherer Schulgelder bei
deutschen Schulen im Vergleich zu den polnischen.
Der Erfolg aller dieser MaBnahmen ist ein katastrophaler Ruckgang des gesamten deutschen
Schulwesens. Wahrend vor der Besetzung Teschens durch die Polen dort 4 hochorganisierte
offentliche und 1 private Volksschule, 2 offentliche und 1 private Burgerschule, 1
Gymnasium, 1 Realschule, 1 Handelsschule, 1 staatliche Lehrerbildungsanstalt und eine
private Lehrerinnenbildungsanstalt vorhanden waren, existiert zur Zeit nur noch eine einzige,
noch dazu einklassige deutsche Volksschule. Von den friiheren 680 bis 700 Schlilern des
Gymnasiums in Neu-Oderberg sind lediglich 150 wieder eingeschrieben worden. Die
deutsche Burgerschule in Neu-Oderberg, die von mehr als 400 Schulern besucht wurde, ist
noch ganzlich geschlossen.
Insgesamt sollen bisher etwa nur ein Zehntel der deutschen Kinder, die bisher deutsche
Schulen besucht haben, wieder zu deutschen Schulen angemeldet worden sein.
NaturgemaB muB dieser starke Ruckgang der Schulerzahl zahlreiche Entlassungen deutscher
Lehrer zur Folge halben, die inzwischen auch zum groBten Teil abgewandert sind.
Ich bitte, die vorstehend gekennzeichnete unertragliche Lage des Deutschtums im Teschener
Gebiet im Polnischen AuBenministerium eingehend darzulegen und unter Berufung auf den
Notenwechsel vom 18./20. Oktober 1938 mit allem Nachdruck zu fordern, daB die Polnische
Regierung nunmehr dort endlich einen den gegebenen Zusicherungen entsprechenden Zustand
herstellt.
Im Auftrag
Woermann
Nr. 122
Der Deutsche Geschaftstrager in Warschau an das Auswartige Amt
Bericht
Warschau, den 6. Dezember 1938
Wegen der EntdeutschungsmaBnahmen im Olsa-Gebiet habe ich weisungsgemaB sehr ernste
und nachdriickliche Vorstellungen im Polnischen AuBenministerium erhoben,- wobei ich die
unertragliche Lage des Deutschtums mundlich eingehend dargelegt und auch ein Aide-
Memoire, in dem unsere Beschwerdepunkte vorgebracht werden, ubergeben habe.
Der Stellvertretende Leiter der Westabteilung Herr Kunicki, mit dem ich die Unterhaltung
fiihrte, erklarte, daB er liber die Einzelheiten der polnischen MaBnahmen im Olsa-Gebiet nicht
unterrichtet sei, daB er aber sofort Nachforschungen anstellen und sich der Angelegenheit mit
besonderem Interesse annehmen wolle. Er sagte zu, sobald als moglich eine Antwort zu
erteilen.
von Wuhlisch
[121]
Nr. 123
Der Deutsche Botschafter in Warschau an das Auswartige Amt
Bericht
Warschau, den 20. Dezember 1938
Auf die von der Botschaft erhobenen Vorstellungen wegen der EntdeutschungsmaBnahmen
im Olsa-Gebiet hat der Stellvertretende Leiter der Westabteilung Herr Kunicki heute eine
vorlaufige Antwort erteilt.
Bei dieser Gelegenheit ubergab er auch eine Notiz, die sich jedoch meritorisch mit unserer
Beschwerde nur befaBt, soweit sie sich auf die Lage der Reichsdeutschen bezieht. Da das
Polnische AuBenministerium auf dem grands atzlichen Standpunkt steht, daB Reklamationen
fur Minderheitsangehorige unter Vermeidung des diplomatischen Weges unmittelbar von den
Minderheitsorganen bei den polnischen Behorden vorgebracht werden sollen, hat es sich
wegen der verschiedenen von uns vorgebrachten Beschwerdepunkte bezuglich der
Minderheitsangehorigen auf eine mlindliche Antwort beschrankt.
Bezuglich der Verdrangung vom Arbeitsplatze fiihrte Herr Kunicki aus, daB den polnischen
Behorden keine genauen Zahlen liber die Arbeiterentlassungen vorlagen, daB wegen der
Umstellung der Wirtschaft auf die polnischen Verhaltnisse in der Tat Entlassungen hatten
stattfinden mlissen, daB diese aber gleichmaBig polnische und deutsche Arbeiter betrafen.
Die Frage der Auszahlung der Pensionen sei inzwischen zum Teil bereinigt worden. Mit einer
volligen Erledigung dieser Angelegenheit sei in kurzer Zeit zu rechnen.
Die in die deutschen Betriebe eingesetzten Zwangsverw alter seien zum Teil bereits
zuriickgezogen worden. Herr Kunicki bat, ihm konkrete Falle zu diesem Thema zu benennen.
Bezuglich der Schadigungen des deutschen Schulwesens erklarte Herr Kunicki, daB im Olsa-
Gebiet inzwischen liber 1 .000 Kinder zum Besuch der deutschen Schulen eingetragen worden
seien. Er entnehme diese Zahl einem Bericht, der aus den ersten Tagen des Dezembers
stamme. Auf Grand der erfolgten Eintragungen sollten nunmehr folgende deutsche Schulen
eroffnet werden:
in Oderberg ein Gymnasium, eine Burgerschule und eine Volksschule,
in Teschen eine Burgerschule, eine Volksschule und eine Madchenschule.
Ferner wiirden an der polnischen Schule in Pudlow deutsche Klassen eingerichtet werden. In
Karwin und Freistadt sei die Zahl der deutschen Kinder zu gering, so daB auf Grand der
bestehenden Vorschriften deutsche Schulen an diesen Orten nicht eroffnet werden konnten.
Herr Kunicki erklarte abschlieBend, daB die Zentralbehorden auf dem Standpunkt standen,
daB auch in dem Olsa-Gebiet die deutsch-polnische Minderheitenerklarang unbedingt
anzuwenden sei und daB die ortlichen Behorden entsprechende Weisungen erhalten hatten. Er
miisse zugeben, daB in der ersten Zeit nach der Machtiibernahme durch die Polen in diesem
Gebiet MaBnahmen getroffen worden seien, wie sie bei einem normalen Funktionieren des
Verwaltungsapparates nicht vorgekommen waren. Er gab der bestimmten Zuversicht
Ausdruck, daB in absehbarer Zeit auch im Olsa-Gebiet die Verhaltnisse in ein ruhigeres
Geleise kommen wiirden.
von Moltke
[122]
Nr. 124
Der Deutsche Konsul in Teschen an das Auswartige Amt
Bericht
Teschen, den 4. Januar 1939
Nach einer vertraulichen Mitteilung des Direktors Olszak liegt bereits eine nachdriickliche
Weisung des Woiwoden vor, alle nichtpolnischen Arbeiter und Angestellten ohne Rucksicht
auf irgendwelche fur die Werke nachteilige Folgen zu entlassen.
von der Damerau
Nr. 125
Das Auswartige Amt an den Deutschen Botschafter in Warschau
ErlaB
Berlin, den 1. Februar 1939
Entgegen den Erklarungen des Stellvertretenden Leiters der Westabteilung im Polnischen
AuBenministerium- haben bisher die EntdeutschungsmaBnahmen im Olsa-Gebiet nicht
aufgehort, vielmehr wird nach den hier vorliegenden Informationen weiter mit alien Mitteln
versucht, die dortige deutsche Volksgruppe zu verdrangen.
Im einzelnen ist in Erganzung des Erlasses vom 26. November 1938- folgendes zu bemerken:
a. Verdrangung vom Arbeitsplatz
Die Entlassung volksdeutscher und auch reichsdeutscher Arbeitskrafte wird in jiingster Zeit in
verscharftem MaBe betrieben. Wie aus den dort vorliegenden Berichten des Konsulats
Teschen hervorgeht, sind beim Trzyniecer Eisenwerk der Berg- und Huttengewerkschaft und
bei den unter polnischer Leitung stehenden Graf Larisch-Monnich'schen Betrieben in Karwin
und Petrowitz um die Jahreswende wieder zahlreiche Entlassungen von Deutschen erfolgt.
b. Einstellung der Zahlungen an Pensionare
AuBer der Frage der Weiterzahlung der bisher von tschechischer Seite (Staat, Gemeinde usw.)
gezahlten Pensionen an volksdeutsche Beamte, Angestellte, Lehrer, Witwen u. dgl. im Olsa-
Gebiet bedarf auch die Frage der weiteren Versorgung volksdeutscher Kriegsbeschadigter,
Kriegshinterbliebener und ehemaliger Berufsmilitarpersonen sowie ihrer Hinterbliebenen in
dem polnisch gewordenen tschechoslowakischen Gebiet einer grundsatzlichen Regelung. Die
Versorgung dieser Personengruppen der ehemaligen osterreichisch-ungarischen Wehrmacht
obliegt Polen als Nachfolgestaat zweifellos auch dann, wenn diese inzwischen durch
einseitige polnische Regelung staatenlos geworden sind.
c. Schadigungen des deutschen Schulwesens
Die von Herrn Kunicki insoweit angegebenen Zahlen sind der beste Beweis flir die
Berechtigung unserer Beschwerde. Nach seinen Ausfiihrungen sind gegenwartig in sechs
deutschen Schulen des Olsa-Gebietes 1.000 Schliler angemeldet, wahrend friiher dreizehn
Anstalten von liber 3.000 deutschen Kindern besucht wurden.
£123] Beziiglich der deutschen Schulen in Freistadt und Karwin, die nach Angabe des Herrn
Kunicki nicht wieder eroffnet worden sind, weil zu wenig deutsche Kinder vorhanden
gewesen seien, liegen hier Meldungen vor, nach denen zahlreiche Eltern ihre Kinder zum
Schulbesuch anmelden wollten, aber abgewiesen worden sind. Auch in Karwin und
Peterswald wurden Griindungsversammlungen der deutschen Schulvereine im letzten
Augenblick verboten.
Zu erwahnen ist in diesem Zusammenhang, daB auch die deutschen Biichereien im Olsa-
Gebiet bisher nicht wieder eroffnet werden durften.
d. Ausweisungen (Evakuierungen) aus der Grenzzone
Nachdem bereits in den Monaten Oktober, November und Dezember 1938 fortgesetzt
Volksdeutsche in betrachtlicher Zahl veranlaBt worden sind, das Olsa-Gebiet zu verlassen,
sind nach den Feststellungen der innerdeutschen Stellen Anfang Januar weitere 250
volksdeutsche Familien aus dem dortigen Gebiet ausgewiesen worden. Die Griinde fur diese
Ausweisungen sind bisher nicht bekanntgeworden.
Bei dieser Sachlage bitte ich, abermals im dortigen AuBenministerium gegen die
systematische Entdeutschung des Olsa-Gebietes nachdrucklichste Vorstellungen zu erheben.
Falls die Polnische Regierung unseren berechtigten Wiinschen in bezug auf die gleichartige
Behandlung der Deutschen im Olsa-Gebiet auch in Zukunft nicht Rechnung tragen sollte,
wurden wir genotigt sein, unsere Einstellung gegenuber den Angehorigen polnischen
Volkstums im Troppauer Schlesien grundsatzlich zu revidieren. Ich stelle anheim, dies der
Polnischen Regierung gegenuber schon jetzt anzudeuten.
Im Auftrag
Woermann
Nr. 126
Der Deutsche Konsul in Teschen an das Auswartige Amt
Bericht
Teschen, den 21. Marz 1939
Aus fast alien Platzen des Olsa-Gebietes treffen laufend Nachrichten immer neuer
Entlassungen von Volksdeutschen und ehemaligen Tschechen ein.
Am 19. Marz 1939 sprach der polnische Direktor Olszak beim Grafen Larisch-Monnich vor
und verlangte dessen Unterschrift unter die Aussperrungserklarang einer groBeren Zahl
Volksdeutscher und ehemaliger tschechischer Arbeitnehmer der Larisch-Betriebe. Graf
Larisch hat die Vollziehung der Unterschrift verweigert, worauf Direktor Olszak erklarte, er
werde eine entsprechende schriftliche Verfiigung des Woiwoden Graszynski beibringen, urn
den Grafen zur Unterschrift zu zwingen. Olszak hat sich heute nach Kattowitz begeben. Auch
aus Trzyniec werden neue Entlassungen gemeldet.
Es ergibt sich der Eindruck einer groB angelegten Massenaktion gegen die gesamte hier noch
ansassige deutsche und ehemalig tschechische Arbeiter- und Angestelltenschaft, vornehmlich
der GroBbetriebe.
von der Damerau
[124]
Nr. 127
Der Deutsche Konsul in Teschen an das Auswartige Amt
Bericht
Teschen, den 13. Mai 1939
Die polnischerseits aufgestellte Behauptung, daB bereits vor und wahrend der Okkupation die
meisten nichtpolnischen Arbeiter und Angestellten den Arbeitsplatz freiwillig verlassen
hatten, trifft nur bedingt zu. Zweifellos sind einige Arbeitnehmer wahrend der auBerordentlich
gespannten Wochen September-Oktober 1938 auf Grand damaligen tschechischen Terrors
nach Deutschland gefliichtet. Die Zahl dieser Fluchtlinge ist nachtraglich nicht zu ermitteln,
doch dlirfte sie nur einen geringen Prozentsatz der Abwanderung ausmachen. Wenn dann
auch noch einige Arbeiter nach der Besetzung durch die Polen nach Deutschland geflohen
sind, so nur deshalb, weil sie infolge des damals einsetzenden polnischen Terrors, der den
ehemals tschechischen erheblich in den Schatten stellte, ihres Arbeitsplatzes in keiner Weise
mehr sicher waren. Es ist jedoch erwiesen, daB der bei weitem groBte Teil der Beamten,
Angestellten und Arbeiter ohne jede Rucksicht auf Dienstjahre, Lebensalter, Verdienste und
weitere Verwendbarkeit sofort nach der Besetzung von den Polen grandlos aus Arbeit und
Brot verjagt worden ist.
von der Damerau
Anmetkimgen:
73
In Verfolg der daraufhin im Polnischen AuBenministerium eingeleiteten Besprechungen
wurde vereinbart, durch einen Notenwechsel die Anwendung der Minderheitenerklarung vom
5. November 1937 (vgl. Nr. 101) auf die deutsche Minderheit im Olsagebiet bzw. auf die
polnische Minderheit im Sudetengebiet auszudehnen (vgl. Nr. 119) . ...zuriick...
74 Vgl. Nr. 101 . ...zuruck...
75 Vgl. Nr. 101 . ...zuruck...
76 Dieser Hundertsatz hat sich, einer weiteren Mitteilung des Reichministers des Innern
zufolge, im Laufe der folgenden Wochen noch wesentlich erhoht. ...zuriick...
77
Auch dem Polnischen AuBenminister gegeniiber hat der Deutsche Botschafter diese Fragen
in ernster Form zur Sprache gebracht. (Vgl. Nr. 199 .) .. .zuriick...
78 Vgl. Nr. 123 . ...zuriick...
79 Vgl Nr. 121 . ...zuruck...
Erstes Kapitel (Fo rts. )
Entwicklung der Deutsch-Polnischen Beziehungen
B. Deutschlands Bemuhen
um eine Verstandigung mit Polen, 1933 bis
1939
VIII. Zunehmende Verscharfung des Polnischen
Vorgehens
gegen die Deutsche Volksgruppe
(Oktober 1938 bis Marz 1939)
Nr. 128
Der Deutsche Generalkonsul in Thorn an das Auswartige Amt
Bericht
Thorn, den 5. Oktober 1938
Anm. d. Scriptorium:
Eine noch mehr ins
Einzelne gehende
Dokumentation der
Lage der
Volksdeutschen in
Polen als die in den
folgenden Kapiteln
gegebene finden Sie in
dem Buch Die
deutsche Volksgruppe
in Polen 1934-39.
DaB die Polen, obwohl Deutschland ihnen durch sein Vorgehen die
Verwirklichung ihrer Forderungen gegen die Tschechei ermoglicht hat, hier weiter
deutschfeindlich sind, habe ich schon gemeldet. Durch die Eingliederung des Olsa-Gebiets in
Polen hat sich zweifellos vieler polnischer Gemiiter, die durchweg geneigt sind, auch kleinere
Erfolge in uberschwenglicher Weise zu ubertreiben, eine gewisse Uberheblichkeit bemachtigt.
Sie fiihlen sich hier als die Sieger einer groBen Entscheidungsschlacht, die sie ganz allein mit
eigenen Kraften und durch ihre eigene tatkraftige Haltung gewonnen hatten. Sie traumen
schon in ihrem GroBenwahn von einem ubermachtigen Polen, das nach Erfullung seines
Wunsches in der Tschechei danach streben miisse, auch andere weitergehende Wunsche
erfullt zu bekommen, oder wenn dies nicht gehe, mit eigener Kraft zu erfullen.
Aus alien Teilen meines Amtsbezirkes gehen mir Nachrichten zu, daB die Stimmung gegen
Deutschland, die in den Wochen vor der tschechischen Krise schon im hochsten MaB
unfreundlich war, jetzt infolge des Ganges der Ereignisse nicht einer vertraglicheren
Stimmung flir Deutschland Platz gemacht hat. Auch die Presse tut das Ihre dazu. Nirgends
findet man hier Stimmen, die Deutschland eine gerechte Anerkennung zollen. Uberall wird
betont, daB Polen ganz allein gehandelt und seinen Erfolg ohne die geringste fremde Hilfe
errungen habe.
Die scharfe Hetze gegen Deutschland wird von der Presse und vom Westmarkenverband
weiterbetrieben. Unter dem schweren Druck, dem die deutsche Minderheit in Polen ausgesetzt
ist, bleibt ihr schlieBlich nichts anderes iibrig, als ins Reich abzuwandern. Die Volksgruppe
stellt sich auf den Standpunkt, daB, auch wenn sie selbst noch hier aushalten konnte,
jedenfalls flir die Kinder keine Aussicht mehr bestehe, sich eine Existenz zu griinden. Die
dauernden BedriickungsmaBnahmen der polnischen Verwaltung, wie sie sich in den letzthin
vorgenommenen Ausweisungen aus der Grenzzone, in der SchlieBung von Schulen usw.
offenbarten, bewiesen zur Geniige, daB hier flir die Deutschen keine dauernde Bleibe mehr sei
und daB sie zur Erhaltung ihrer Existenz das Land verlassen muBten. Die Aussicht, allein und
ohne groBere und aktive Unterstutzung der Heimat den Kampf gegen die polnischen
Behorden mit Erfolg aufzunehmen, sei zu gering, da durch die ungeheure Abwanderung in
friiheren Zeiten und auch in den letzten 2 Jahren das Deutschtum hier stark geschwacht sei.
Die kleine, nach der neuen groBen Abwanderungswelle noch iibrigbleibende Volksgruppe
miisse sehen, wie sie fertig werde. Es bestehe aber wohl kein Zweifel dariiber, daB das, was
nicht der Polonisierung zum Opfer falle, allmahlich untergehen miisse.
Wie im ubrigen die regierenden Amts- und Verwaltungsstellen Deutschland gegeniiber
eingestellt sind und offenbar eingestellt bleiben, geht mit aller nur wunschenswerten Klarheit
aus den fortdauernden bis in die letzte Zeit vor- ri26i genommenen Ausweisungen
alteingesessener deutscher Volksgenossen aus dem Grenzzonengebiet hervor. Hieriiber ist
berichtet worden. Keine Einschrankung oder Milderung der EntdeutschungsmaBnahmen, wie
man eigentlich hatte erwarten konnen, ist eingetreten, sondern eher eine Verscharfung;
jedenfalls aber ist trotz des deutscherseits bekundeten Bestrebens auf Herstellung
freundschaftlicher Beziehungen der planmaBige Wille erkennbar, die geschaffene
Entspannung zu einer moglichst umfangreichen Polonisierung der Westgebiete auszunutzen.
Derselbe Wille, das Deutschtum zuriickzudrangen und zu entrechten, zeigt sich auch in der
Haltung der Regierungsstellen den Wiinschen der deutschen Volksgruppe gegeniiber, bei den
bevorstehenden Wahlen zum Sejm eigene Kandidaten aufzustellen. In dieser Angelegenheit
hat Senator Hasbach neulich eine Unterredung mit dem Ministerprasidenten gehabt. Aus ihr
geht hervor, daB der Minister "angesichts der im Lande herrschenden antideutschen
Stromung" die Eintragung von Deutschen in die Wahlvorschlagslisten nicht flir moglich und
flir die Regierung auch nicht flir tragbar halt.
Unter den geschilderten Umstanden ist es begreiflich, daB sich des gesamten deutschen
Volkstums hier, das nach den weltgeschichtlichen Ereignissen der letzten Wochen auf eine
Besserung des Verhaltnisses zwischen Deutschland und Polen rechnete und eine bessere
Zukunft erwarten zu diirfen glaubte, wieder eine gedriickte und niedergeschlagene Stimmung
bemachtigt hat.
von Kuchler
Nr. 129
Der Deutsche Generalkonsul in Posen an das Auswartige Amt
Bericht
Posen, den 10. Oktober 1938
Wie aus der laufenden Berichterstattung liber die Posener polnische Presse sich ergibt, ist die
polnische Bevolkerung dieses Bezirkes, soweit sie durch die nationaldemokratische Presse
und die hinter ihr stehenden Organisationen beeinfluBt wird, nach den Ereignissen der letzten
Wochen keineswegs deutschfreundlich eingestellt. Es findet sich kein Wort der Anerkennung,
daB Polen den Erwerb des Olsagebietes nur der durch das tatkraftige Eintreten des Fiihrers flir
die Sudetendeutschen bedingten Aufrollung der Frage verdankt, und es muBte besonders
befremden, daB gleichzeitig sogar Kompensationsanspruche gegen Deutschland in bezug auf
Danzig und die Weichselmundung erhoben wurden.
Auch die polnischen Behorden zeigen nach dem glucklichen Ausgang der Krise durch ihr
Verhalten nicht, welchen Anted sie hieran Deutschland verdanken, denn der Kampf gegen die
deutsche Volksgruppe geht unentwegt weiter. AuBer dem Vorgehen gegen das Deutschtum in
Teschen und gegen Pfarrer Kleindienst in Luck und andere Geistliche in Oberschlesien ist
bezeichnend, daB vier von den sechs deutschen Privatgymnasien, darunter auch dem Posener
Schiller-Gymnasium, die lange umkampften Offentlichkeitsrechte entzogen sind; es ist eine
mildere Handhabung weder des Agrarreformgesetzes noch der Grenzzonenverordnung zu
bemerken. Auch sonstige Anzeichen deuten eher auf eine Verscharfung des Kurses hin.
Walther
[127]
Nr. 130
Der Staatssekretar des Auswartigen Amts
an den Deutschen Botschafter in Warschau
Telegramm
Berlin, den 20. Oktober 1938
Bei Hauptversammlung Aufstandischenverbandes Kattowitz 16. d. M. stellte
Ehrenvorsitzender Grazynski in aller Offenheit fest, daB das Deutschtum in Ostoberschlesien
in Verwirklichung der Ziele Aufstandischenverbandes auf alien Gebieten zuriickgedrangt sei.
In EntschlieBung, die in Anwesenheit Grazynskis verlesen und angenommen wurde,
verlangen die Aufstandischen u. a. Einverleibung des Zipser Gebietes. Es heiBt dann weiter:
"Wir freuen uns liber die wiedergewonnene Freiheit unserer Brlider jenseits der Olsa und
stellen dabei fest, daB wir unsere Brlider im Oppelner Schlesien nicht vergessen haben. Wir
libermitteln ihnen unsere briiderlichen GrliBe und unsere brliderliche Aufmunterung, daB sie
wie bisher auch in alle Zukunft dem treu bleiben, was Polen heiBt, in der Erkenntnis, daB
hinter ihnen unsere nationale Kraft und Hilfe steht."
Bitte sofort gegen deutschfeindliche AuBerungen Grazynskis sowie gegen von ihm gebilligte
dreiste Einmischung Aufstandischenverbandes in innerdeutsche Angelegenheiten bei
maBgebender Stelle AuBenministeriums scharfsten Protest zu erheben.
Weizsacker
Nr. 131
Der Deutsche Generalkonsul in Kattowitz an das Auswartige Amt
Bericht
Kattowitz, den 8. November 1938
Vom 1. Marz bis Ende Juni sind weitere 61 Mitglieder der Gewerkschaft Deutscher Arbeiter,
vom 1. Juli bis 24. Oktober 35 Mitglieder der Gewerkschaft entlassen worden. Die
Entlassenen, die bis auf 3 verheiratet sind, waren vielfach 20 Jahre und langer auf den Gruben
und Hiitten beschaftigt. Als Grand der Kiindigungen wurde im allgemeinen "Reorganisation"
angegeben. Die Entlassungen auf der Friedenshutte erfolgten wegen "Nichteignung", obwohl
samtliche Arbeiter als Fachkrafte nicht unter 15, einige sogar iiber 30 Jahre bei der Hiitte
beschaftigt waren. AuBerdem sind von der Dubensko-Grube Anfang Juni weitere 40 deutsche
Arbeiter und Ende Juni erneut 15 deutsche Arbeiter wegen "Reorganisation" entlassen
worden, die anderen ebenfalls deutschen Organisationen angehoren. An Stelle der
Entlassenen, die zur Stammbelegschaft der Grube gehorten, wurden polnische Arbeiter
eingestellt.
Noldeke
T1281
Nr. 132
Der Deutsche Botschafter in Warschau an das Auswartige Amt
Bericht
Warschau, den 15. November 1938
Wegen der aufreizenden Auslassungen in der Rede des Woiwoden Grazynski auf der
Hauptversammlung des Aufstandischenverbandes am 16. v. M.— habe ich beim Vizeminister
Grafen Szembek scharfsten Protest erhoben. Hierbei habe ich gleichzeitig energische
Verwahrung eingelegt gegen den Wortlaut der EntschlieBung des Aufstandischenverbandes,
die eine unzulassige Einmischung in innerdeutsche Angelegenheiten bedeutet. Graf Szembek,
der fur den erneuten Beweis der deutschfeindlichen Haltung des Kattowitzer Woiwoden kein
Wort der Entschuldigung fand, erklarte, daB er die Angelegenheit dem Ministerprasidenten
vortragen und daB er hierbei darauf hinwirken werde, daB in Zukunft derartige AuBerungen
eines leitenden polnischen Beamten unterblieben.
von Moltke
Nr. 133
Der Deutsche Generalkonsul in Thorn an das Auswartige Amt
Bericht
Thorn, den 23. November 1938
Im Jahrgang 19, Nr. 1 und 2 der "Deutschen Schulzeitung" ist eine Liste von Werken
veroffentlicht, die flir den Gebrauch an deutschen Schulen nicht zugelassen sind.
Bemerkenswert ist, daB auBer klassischen deutschen Werken wie Goethes Kinderjahre aus
Goethes Dichtung und Wahrheit, Nibelungenlied und Edda auch weltbekannte auslandische
Jugendbucher wie D. de Foe's Robinson Crusoe und H. M. Stanley's Quer durch den dunklen
Kontinent nicht genehmigt wurden. Nichts kennzeichnet die Einstellung der polnischen
obersten Schulbehorde gegenuber den deutschen Schulen so treffend.
von Kuchler
Nr. 134
Der Deutsche Generalkonsul in Kattowitz an das Auswartige Amt
Bericht
Kattowitz, den 24. November 1938
Der Fortgang der Arbeiterentlassungen im Laufe des letzten Jahres zeigt deutlich, daB die
Politik der polnischen Behorden nach wie vor darauf ausgeht, das Deutschtum in
Oberschlesien planmaBig zu entwurzeln und seine Lebensgrundlagen zu vernichten. Wie
immer wieder aus vertraulichen AuBerungen aus polnischen Quellen bekannt wird, hat
insbesondere der Woiwode Grazynski offenbar den festen Willen, bis auf einen
verschwindend kleinen Bruchteil alles Deutsche aus Oberschlesien und aus dem neu
erworbenen Olsa-Gebiet zu entfernen.
[i2g] Diese Zielsetzung hat bedauerlicherweise auch nach der deutsch-polnischen
Minderheitenerklarung vom 5. November 1937- keine Anderung erfahren. Wie ich
wiederholt berichtet habe, sind auch nach diesem Zeitpunkt fortgesetzt weitere Entlassungen
von deutschen Arbeitern erfolgt. DaB die bei diesen Entlassungen angegebenen
Kundigungsgriinde, wie Reorganisation, Unfahigkeit usw., nur den politischen Grund
verschleiern sollen, steht auBer jedem Zweifel. Tatsachlich werden diese zumeist schon seit
vielen Jahren, haufig Jahrzehnten beschaftigten Arbeiter nur entlassen, weil sie sich zum
Deutschtum bekennen, deutschen Organisationen angehoren oder ihre Kinder in die deutsche
Schule schicken.
Was die ziffernmaBige Hohe der Arbeitslosigkeit in der deutschen Volksgruppe anbetrifft, so
hat Senator Wiesner am 8. Marz d. J. im Senat ausgefuhrt, daB die etwa 12.000 Mitglieder
zahlende Gewerkschaft Deutscher Arbeiter eine Arbeitslosenziffer von 62% aufweist, daB
aber in anderen deutschen Organisationen die Arbeitslosigkeit an 80% heranreicht. Diese
Zahlen gelten flir den Anfang dieses Jahres und haben sich seit dieser Zeit weiterhin
ungiinstig entwickelt. Berucksichtigt man, daB die Arbeitslosigkeit in Oberschlesien im
allgemeinen nur etwa 16% betragt, so zeigt sich deutlich, wie schlecht die Lage der deutschen
Arbeiter hier ist und wie wenig die Grundsatze der Minderheitenerklarung hier zur
praktischen Anwendung gebracht worden sind.
Noldeke
Nr. 135
Der Deutsche Geschaftstrager in Warschau an das Auswartige Amt
Bericht
Warschau, den 28. November 1938
Wegen der Verweigerung des Offentlichkeitsrechts an die Lyzeen in Posen und Graudenz
sind unter Berufung auf die im vergangenen Jahre getroffenen Abmachungen- energische
Vorstellungen im hiesigen AuBenministerium erfolgt. Der Kabinettschef des AuBenministers
Graf Lubienski versuchte nicht einmal, die polnische Verpflichtung in Zweifel zu ziehen. Er
erklarte vielmehr, daB er die Angelegenheit unverziiglich beim Unterrichtsministerium zur
Sprache bringen und darauf dringen werde, daB tatsachlich die polnische Zusicherung erfiillt
wiirde.
von Wuhlisch
Nr. 136
Das Auswartige Amt an den Deutschen Geschaftstrager in Warschau
ErlaB
Berlin, den 7. Dezember 1938
Ans den dort abschriftlich vorliegenden Berichten des Deutschen Generalkonsulats in
Kattowitz— geht hervor, daB von den auch im Laufe dieses Jahres seitens der
ostoberschlesischen Industrieunternehmungen durchgefuhrten Entlassungen von
Arbeitskraften vorwiegend volksdeutsche Arbeiter und An- rnoi gestellte betroffen wurden
und daB die bisherige polnische Politik der systematischen Verdrangung der Volksdeutschen
von ihren Arbeitsplatzen somit riicksichtslos weiter verfolgt wird.
Die von dem Herrn ReichsauBenminister anlaBlich der Veroffentlichung der
Minderheitenerklarung durch Ubergabe einer Aufzeichnung an Botschafter Lipski am 5.
November 1937 M ausdriicklich zum Ausdruck gebrachte Erwartung der Deutschen Regierung,
"daB alsbald MaBnahmen getroffen werden, um die deutsche Volksgruppe in Polen vor jeder
unterschiedlichen Behandlung gegenliber dem Staatsvolk zu sichern, vor allem bei der
Einstellung und Entlassung deutschstammiger Arbeiter" hat sich somit leider nicht erfiillt,
obwohl die Erwiderung des Polnischen AuBenministers Beck auf die dortigen mundlichen
Vorstellungen in der Angelegenheit (vgl. 4. Absatz des Berichts vom 11. Dezember 1937—)
eine giinstige Auswirkung erhoffen lassen durfte.
Nachdem nunmehr ein voiles Jahr verflossen ist, ohne daB eine Besserung eingetreten ware,
bitte ich, erneut bei der Polnischen Regierung wegen dieser mit der deutsch-polnischen
Minderheitenerklarung vom 5. November 1937 M in krassem Widerspruch stehenden
MaBnahmen nachdriickliche Vorstellungen zu erheben und liber das VeranlaBte zu berichten.
Im Auftrag
Woermann
Nr. 137
Der Deutsche Generalkonsul in Thorn an das Auswartige Amt
Bericht
Thorn, den 20. Dezember 1938
Die auBerordentlich schwierige Lage des Deutschtums und die schikanosen und die Existenz
vieler Minderheitsangehoriger vernichtenden MaBnahmen der polnischen Behorden haben
eine Anderung nicht erfahren. Es entspricht durchaus den Tatsachen, daB die vielen in der
letzten Zeit erfolgten Verhaftunger wegen angeblicher Spionage, die offenbar einer immer
mehr Platz greifenden Nervositat der polnischen Amtsstellen entspringt, die deutschen
Volksgenossen zur Verzweiflung treiben. Da jede Familie, die in irgendeiner Form noch
Verbindungen mit Deutschland oder mit deutschen Kreisen hier unterhalt, jeden Augenblick
gewartig sein muB, in irgendeine Affare verwickelt zu werden, ist es nur zu verstandlich, daB
eine allgemeine Verangstigung Platz greift, die eine Rettung aus der verzweifelten Lage nur
darin erblickt, moglichst schnell von hier abzuwandern.
Ich bin uberzeugt, daB dem Polenbund in Deutschland von den deutschen Behorden in keiner
Weise Beschrankungen auferlegt werden, wenn er in legaler und das deutsche Staatsinteresse
nicht gefahrdender Weise mit der Heimat und den heimatlichen Behorden in Deutschland
Beziehungen unterhalt. Es diirfte daher am Platze sein zu erwagen, ob nicht dieses groBe MiB-
ri3ii verhaltnis in der Behandlung der Minderheit hier und driiben geeignet ist, bei den
polnischen Stellen Schritte dahin zu unternehmen, daB die MaBnahmen der polnischen
Behorden hier, die man beinahe schon mit Verfolgungen des Deutschtums bezeichnen kann -
insbesondere, wenn man die Grenzzonenverweisungen, die Agrarreform, die
Schulschwierigkeiten, die Verweigerung der Ubernahme von ererbtem Besitz in der
Grenzzone u. a. mehr in Betracht zieht - abgestellt werden.
Ich flihle mich verpflichtet, mit allem Nachdruck auf den Ernst der Lage hier hinzuweisen.
Die von den Polen skrupellos durchgefuhrte Entdeutschung muB zu einer volligen Zerstorung
und Vernichtung des hiesigen Deutschtums flihren, wenn es nicht im letzten Moment gelingt,
durch Verhandlungen mit der Polnischen Regierung eine den Minderheitenabmachungen
entsprechende Handhabung der gesetzlichen und verfassungsmaBigen Bestimmungen
herbeizufiihren.
von Kuchler
Nr. 138
Der Deutsche Generalkonsul in Thorn an das Auswartige Amt
Bericht
Thorn, den 29. Dezember 1938
Durch Verfligung vom 20. Dezember hat der Burgstarost von Graudenz die Tatigkeit des
Herbergsvereins in Graudenz eingestellt. Ferner hat er die einstweilige Sicherstellung des
Vereinsvermogens verfiigt und den Stadtprasidenten von Graudenz Josef Wlodek zum
Kurator liber das Vermogen ernannt.
Der Stadtprasident hat das Eigentum des Herbergsvereins sofort iibernommen. Dieses setzt
sich aus folgenden Grundstucken zusammen:
a) Herberge zur Heimat, bisher Internat der Goetheschule,
b) Kasino, bisher Alumnat der Goetheschule,
c) Marienheim, bisher Biiro der Deutschen Vereinigung in Graudenz,
d) Hausgrundstuck, am Markt gelegen.
Die Grundstucke reprasentieren einen Wert von Va Millionen Zloty.
In der letzten Zeit habe ich Gelegenheit gehabt, wiederholt liber solche
VerfolgungsmaBnahmen der polnischen Behorden zu berichten und im Rahmen dieser
Verfolgungswelle ist auch das Vorgehen gegen den Herbergsverein zu verstehen.
Der Herbergsverein in Graudenz widmet sich ausschlieBlich der Wohltatigkeit. Durch die
Beschlagnahme der Hauser des Vereins wird aber auch die Goetheschule auf das harteste
getroffen, denn das eine Haus war Internat der Goetheschule und in ihm wohnten 80
minderbemittelte Schliler der Goetheschule.
Das Vorgehen der polnischen Behorden ist auch in diesem Falle so rigoros und voller Harte,
daB ich der Meinung bin, man sollte dies nicht so ruhig hinnehmen.
von Kuchler
[132]
Nr. 139
Der Deutsche Generalkonsul in Thorn an das Auswartige Amt
Bericht
Thorn, den 30. Dezember 1938
Am 20. d. M. veranstaltete die deutsche Privatschule in Neustadt eine Weihnachtsfeier. In
dem Programm war die Aufflihrung des Marchenspiels "Hans und Gretes Himmelsreise"
vorgesehen. Das Marchenspiel muBte jedoch von dem Programm abgesetzt werden, da die
zustandige polnische Behorde ihre Zustimmung zur Aufflihrung des Spiels verweigert hat.
von Kuchler
Nr. 140
Der Deutsche Generalkonsul in Thorn an das Auswartige Amt
Bericht
Thorn, den 2. Januar 1939
Neben den das Deutschtum hier allmahlich vernichtenden MaBnahmen der polnischen
Behorden (Verhaftungswelle wegen Spionage, Grenzzonenausweisungen, Agrarreform usw.
usw.) gehen Angriffe polnischer Verbande einher, die staatlicherseits nicht unterbunden,
sondern geduldet werden. Solche Angriffe werden seitens des beriichtigten Westverbandes in
aller Offentlichkeit gegen deutsche Geschafte und Handwerker gefiihrt mit dem Ziel, diese
Geschafte durch Boykottierung zu vernichten.
Schon in fruheren Berichten war darauf hingewiesen worden, daB der "Verband des jungen
Polen" beispielsweise iiberall vor den Geschaften deutscher Volksgenossen Posten aufgestellt
hatte, urn Kauflustige von dem Betreten dieser Geschafte zuriickzuhalten. Die aufgestellten
Manner - die weiB-rote Armbinden trugen - riefen dabei den Kunden zu "Hier ist eine
deutsche Firma" oder "Kauft nicht bei Deutschen". Eine Beschwerde bei dem hiesigen
Starosten fiihrte zu dem Ergebnis, daB der Starost sich nicht in der Lage sah einzugreifen, mit
anderen Worten, daB er die BoykottmaBnahmen des "Verbandes des jungen Polen" duldete.
Da die polnischen Behorden nirgends gegen dieses Vorgehen einschritten und nicht einmal,
auch nur scheinbar, versuchten, fur die Durchfuhrung des Minderheitenabkommens vom 5.
November 1937 einzutreten, ist es verstandlich, daB die Abwanderungsbewegung erneut eine
Steigerung erfahren hat.
von Kuchler
Nr. 141
Der Deutsche Geschaftstrager in Warschau an das Auswartige Amt
Bericht
Warschau, den 5. Januar 1939
Die anhaltenden Entlassungen volksdeutscher Angestellter und Arbeiter aus den
oberschlesischen Industrieunternehmungen sind bei dem Leiter der Westabteilung des
Polnischen AuBenministeriums Herrn Kunicki erneut zur Sprache gebracht worden.- Hierbei
ist unter Bezugnahme auf die seinerzeit von dem ia Herrn Reichsminister dem Botschafter
Lipski aus AnlaB der Veroffentlichung der Minderheitenerklarung ubergebene Aufzeichnung
festgestellt worden, daB die deutschen Erwartungen sich leider in keiner Weise erfullt hatten.
Man miisse vielmehr im Gegenteil feststellen, daB die Entlassungen gerade wahrend des
letzten Jahres noch zugenommen hatten, obwohl die Wirtschaftslage der ostoberschlesischen
Industrie eher eine Besserung erfahren habe. In den meisten Fallen habe es sich bei den
Entlassungen um Familienvater mit langer Dienstzeit gehandelt, also um einen Kreis von
Personen, die normalerweise auch im Rahmen von Betriebsreorganisationen nicht zur
Entlassung gelangen. Das riicksichtslose Vorgehen gegen diejenigen Angestellten und
Arbeiter, die sich bisher dem Druck der Behorden zum Trotz geweigert hatten, ihre Kinder
polnischen Schulen anzuvertrauen, habe in der deutschen Offentlichkeit eine verstandliche
Erregung ausgelost.
Herr Kunicki, der keinen Versuch machte, die ihm genannten Vorfalle irgendwie zu
beschonigen, behauptete, an der Verschlechterung der Atmosphare habe die angeblich
schwierige Lage der polnischen Minderheit in Deutschland die Schuld.
Demgegeniiber ist Herr Kunicki darauf hingewiesen worden, daB seine Behauptungen
unbedingt zuriickgewiesen werden miiBten und daB es sich bei der polnischen Minderheit in
Deutschland jedenfalls nie um die Sorge fur das tagliche Brot handeln konne. Hunger und
Arbeitslosigkeit seien Kampfmittel, deren sich nur der oberschlesische Woiwode gegen die
deutsche Minderheit bediene. Es sei daher kein Wunder, wenn groBe Erbitterung und eine
verzweifelte Stimmung in der Minderheit um sich greife. Es lage daher auch im Interesse der
deutsch-polnischen Beziehungen, wenn von Seiten des AuBenministeriums darauf hingewirkt
wiirde, daB endlich der Diskriminierung der deutschen Minderheit in Polnisch-Oberschlesien
ein Riegel vorgeschoben werde. Herr Kunicki sagte zu, die Angelegenheit weiter zu
verfolgen.
von Wuhlisch
Nr. 142
Der Deutsche Generalkonsul in Thorn an das Auswartige Amt
Bericht
Thorn, den 19. Januar 1939
In der letzten Zeit habe ich wiederholt dariiber berichten mussen, daB die polnischen
Behorden allenthalben in rigoroser Weise gegen das Deutschtum vorgehen. Diese einheitliche
Aktion laBt darauf schlieBen, daB von zentraler Stelle aus Weisungen in dieser Richtung
gegeben worden sind. Die wichtigsten Ereignisse der allerletzten Zeit sind das Vorgehen
gegen Einzelpersonen, Ausweisungen, Nichtverlangerung von Aufenthaltserlaubnissen, die
Beschlagnahme des Herbergsvereins in Graudenz sowie die Untersuchung im Hauptburo und
den Ortsgruppen der Deutschen Vereinigung.
Angesichts dieser Verfolgung des Deutschtums ist es nicht verwunderlich, daB sich der
deutschen Bevolkerung eine verzweifelte Stimmung bemachtigt hat und daB man die Lage
des Deutschtums hier nicht mit Unrecht als gefahrdeter denn je zuvor ansieht. Die Lage des
Deutschtums hier hat sich trotz des vielfach betonten Verstandigungswillens gegenuber friiher
wesentlich verschlechtert. Diese Stimmung innerhalb des Deutschtums bewirkt
selbstverstandlich auch eine erneute Zunahme der Abwanderungsantrage.
von Kuchler
[134]
Nr. 143
Der Deutsche Generalkonsul in Kattowitz an das Auswartige Amt
Bericht
Kattowitz, den 26. Januar 1939
Seit dem Ablauf des Genfer Abkommens gehen die hiesigen polnischen Behorden in
verstarktem MaBe gegen das deutsche Schulwesen vor. Dieses Vorgehen findet seinen
scharfsten Ausdruck in den einseitig von den Behorden durchgefiihrten Sprachpriifungen, die
zur Folge haben, daB zahlreiche Kinder vom Besuch der deutschen Schule ausgeschlossen
werden.
Nicht weniger als 240 Erziehungsberechtigte sind in Strafe genommen worden, weil sie auf
Grand der Entscheidung der Sprachprufungskommission ihre Kinder nicht den polnischen
Schulen zugefiihrt haben. In vielen Fallen muBten die Erziehungsberechtigten die Geldstrafen
absitzen oder abarbeiten. Der groBte Teil der Kinder befindet sich seit langer Zeit im
Schulstreik.
Noldeke
Nr. 144
Das Auswartige Amt an den Deutschen Botschafter in Warschau
ErlaB
Berlin, den 1. Februar 1939
Unter dem Vorsitz des schlesischen Sejmmarschalls fand am 29. Januar d. J. in Kattowitz eine
Tagung des schlesischen Bezirks des Westverbandes statt, in der Deutschland und die
deutsche Volksgruppe in Polen erneut scharfen Angriffen ausgesetzt war. Die von der Polska
Zachodnia (Nr. 30 v. 30. 1. 1939) veroffentlichte EntschlieBung der Tagesordnung beweist,
daB die Deutschenhetze des Westverbandes auch nach dem Warschauer Besuch des Herrn
ReichsauBenministers M in unverminderter Scharfe fortgesetzt wird und den offensichtlichen
Zweck verfolgt, die sich anbahnende Entspannung in der Minderheitenfrage zu storen.
Ich bitte, im Polnischen AuBenministerium das Befremden der Reichsregierung dariiber zum
Ausdruck zu bringen, daB gegen die unausgesetzte deutschfeindliche Kampagne des
Westverbandes und insbesondere gegen die obenerwahnte Veranstaltung keine Schritte
unternommen wurden, obwohl die Polnische Regierang rechtzeitig auf die Kundgebung
aufmerksam gemacht ist.
Im Auftrag
Woermann
[135]
Nr. 145
Der Deutsche Generalkonsul in Kattowitz an das Auswartige Amt
Bericht
Kattowitz, den 3. Februar 1939
Aus AnlaB der kiirzlich hier durchgefiihrten Tagung des polnischen Westverbandes sprach der
Direktor des Westverbandes Miecyslaw Zaleski aus Warschau liber "Die deutsch-polnischen
Beziehungen in Verbindung mit der gegenwartigen internationalen Lage". Zaleski
charakterisierte dabei die polnische Politik kurz und offen wie folgt:
Die Ubereinstimmung der Handlungsweise Deutschlands und Polens sei nicht eine Folge der
Ubereinstimmung der tatsachlichen politischen Ziele, sondern nur aus taktischen Griinden
diktiert. Das Problem der nationalen Minderheiten sei dagegen der beste Spiegel der
tatsachlichen politischen Tendenzen. Im Gegensatz zu den aus der gegenwartigen Lage heraus
diktierten politischen Abmachungen, die den Zweck hatten, konjunkturelle Vorteile zu
erzielen, sei die Politik gegeniiber den nationalen Minderheiten auf weitere Sicht berechnet
and bezwecke die Vorbereitung des Terrains fur einen kunftigen ZusammenstoB.
Noldeke
Nr. 146
Der Deutsche Botschafter in Warschau an das Auswartige Amt
Telegramm
Warschau, den 25. Februar 1939
Die aus heutiger DNB-Meldung bekannte deutsch-feindliche Demonstration vor
Botschaftsgebaude ist scharfste Kundgebung, die seit den letzten acht Jahren hier
stattgefunden hat. Abgesehen vom Einwurf eines Fensters wurde zum ersten Mai HaBgesang
der "Rota" vor der Botschaft gesungen und wahrend einer Viertelstunde wechselten Sprech-
Chore ab mit Rufen wie "Nieder mit Hitler", "Fort mit den deutschen Hunden", "Es lebe das
polnische Danzig", "Nieder mit der deutschfreundlichen Politik". Die beiden vor der
Botschaft stationierten Polizeibeamten beschrankten sich darauf, den Eingang des Gebaudes
zu schiitzen. Erst der herbeigerufenen Verstarkung durch berittene Polizei und drei
Panzerwagen gelang es, die StraBen zu saubern.
Herr Beck hat mir heute abend durch seinen Protokollchef Bedauern und Entschuldigung
Polnischer Regierung ubermitteln lassen; er habe besonders bedauert, daB diese
Demonstration wegen ihres spontanen Entstehens nicht schnell habe beseitigt werden konnen.
Es seien sowohl in politischer wie in polizeilicher Hinsicht die erforderlichen MaBnahmen
getroffen, um Wiederholung solcher Vorgange zu verhindern. Ministerprasident habe
personlich die Uberwachung der getroffenen Anordnungen ubernommen.
Moltke
[136]
Nr. 147
Der Deutsche Botschafter in Warschau an das Auswartige Amt
Telegramm
Warschau, den 25. Februar 1939
Heutige erneute Demonstration vor Botschaft spielte sich in ahnlichen Formen ab wie gestrige
mit dem Unterschied, daB dieses Mai schwere Steine gegen das Gebaude geworfen wurden,
durch die ein Fenster im Unter- und zwei Fenster im Oberstockwerk durchschlagen wurden.
Die Polizei, die seit gestern erheblich verstarkt worden war (es befanden sich in unmittelbarer
Nahe der Botschaft 40 Polizisten) verhielt sich wahrend der ganzen Dauer der 15 Minuten
anhaltenden Kundgebung vollig untatig. Der Abzug der 300k6pfigen Menge scheint im
Verhandlungsweg erreicht worden zu sein. Demonstranten setzten sich vorwiegend aus
rechtsradikalen Studenten zusammen.
Im Auftrag Ministerprasidenten und Ministers des AuBern uberbrachte hiesiger Woiwode,
dem gesamte Polizei Warschaus untersteht, Entschuldigung der Regierung. Nach seiner
Darstellung ist ein Polizeikordon durchbrochen worden, wodurch Demonstranten bis zur
Botschaft vordringen konnten. Der verantwortliche Offizier ist sofort vom Dienst suspendiert
worden. Von dem Versagen der Polizei vor Botschaftsgebaude schien Woiwoden bis zu
meiner Beschwerde noch nichts bekannt zu sein.
Moltke
Nr. 148
Der Deutsche Generalkonsul in Posen an das Auswartige Amt
Telegramm
Posen, den 25. Februar 1939
Gestern stattfanden hier antideutsche Ausschreitungen polnischer Studenten. Zug mehrerer
hundert Demonstranten kurz vor Generalkonsulat von Polizei aufgelost. Gestern und
besonders vergangene Nacht Fensterscheiben von mindestens 1 1 Volksdeutschen Gebauden
und Geschaften zertrummert. Einzelne Volksdeutsche miBhandelt.
Kassler
Nr. 149
Der Deutsche Konsul in Krakau an das Auswartige Amt
Bericht
Krakau, den 25. Februar 1939
Das Studentenheim der deutschen Hochschuler in Krakau war gestern abends um 9 Uhr der
Schauplatz einer wiisten, deutschfeindlichen Demonstration. Eine Anzahl von etwa 200 bis
300 Personen hatte sich vor dem erwahnten Hause zusammengefunden, und eine Gruppe von
etwa 15 polnischen Studenten drangen, mit Kniippeln und Totschlagern versehen, in das
deutsche Studentenheim ein. Sie uberfielen die dort anwesenden deutschen Hochschuler und
Hoch- [137] schiilerinnen, wobei ein Hochschuler derartig blutig geschlagen wurde, daB er
sofort in ein Krankenhaus gebracht werden muBte. Einer der Eindringlinge zerstorte die
Lichtleitung, so daB in den Raumen sofortige Finsternis eintrat, und nun begann ein
unerhortes Zertriimmern der Einrichtung. Stiihle, Tische und Klavier, Fensterscheiben und
Kleiderrechen wurden ein Opfer des sinnlosen vandalischen Wiitens der polnischen
Studenten. Erst langere Zeit, nachdem die Demonstranten sich entfernt hatten, kam die Polizei
und nahm ein Protokoll auf.
Schillinger
Nr. 150
Der Deutsche Generalkonsul in Posen an das Auswartige Amt
Telegramm
Posen, den 28. Februar 1939
Vorbereitet durch eine Hetzkampagne der polnischen Presse kam es ab Freitag, dem 24. d.
M., in Posen zu schweren deutschfeindlichen Kundgebungen polnischer Studenten, denen
sich auch StraBenpassanten und halbwiichsige Burschen anschlossen. Das Posener
Deutschtum wurde dadurch schwer betroffen. Die Studenten uberfielen deutsche Menschen
und fast samtliche bekannten deutschen Gebaude, die vielfach sogar mehreren Uberfallen
ausgesetzt waren. Die Unruhen dauern zur Zeit noch an.
Matuschka
Nr. 151
Der Deutsche Botschafter in Warschau an das Auswartige Amt
Bericht
Warschau, den 28. Februar 1939
Unter den deutschfeindlichen Kundgebungen, die im Zusammenhang mit dem Danziger
Studentenkonflikt— polnischerseits in Szene gesetzt wurden, ist besonders die Versammlung
der Akademischen Legion, die am vergangenen Sonntag in der Warschauer Universitat
stattfand, hervorzuheben. An der Versammlung, die zunachst verschoben werden sollte, aber
auf Intervention militarischer Stellen, vom Ministerprasidenten doch noch genehmigt worden
war, nahmen u. a. der Vizekriegsminister General Gluchowski, der Leiter des Amts flir
Wehrschulung und korperliche Ertiichtigung General Sawicki, ferner eine Reihe von
Offizieren und Hochschulprofessoren teil. Der vom Kriegsminister ernannte Leiter der
Akademischen Legion Oberst Tomaszewski hielt eine leidenschaftliche Ansprache an die
Studenten, in der er an ihren patriotischen Geist appellierte und Opferbereitschaft von ihnen
forderte; hierbei flocht er verschiedentlich politische Ausfalle ein, die teils ausdriicklich gegen
Deutschland gerichtet, teils auf Deutschland gemiinzt waren und in diesem Sinne von seinen
Zuhorern verstanden wurden. Polen, so erklarte er, habe keinerlei Territorien zuriickzugeben,
dagegen mehr als eines zuriickzufordern. (Zwischenrufe: Das polnische Danzig! Das
polnische OstpreuBen!) Danzig, so fuhr Tomaszewski fort, sei eine Eiterbeule am polnischen
Leibe, die man aufschneiden miisse.
[i3g] Nachdem die studentischen Redner zum Teil noch zugellosere Ausfalle gegen
Deutschland gerichtet hatten, wurde u. a. beschlossen, einen "Ohne Deutschen-Tag", d. h.
einen Boykott-Tag, der sich gegen alle Deutschen und alles Deutsche richten soil, zu
veranstalten.
Die Kundgebung der Akademischen Legion, einer vom Kriegsministerium betreuten
Organisation, die der militarischen Vorbereitung der Hochschuljugend dient, unterscheidet
sich dadurch von den sonstigen seitens der national-radikalen Studenten veriibten
deutschfeindlichen StraBentumulten und Ausschreitungen, daB es sich hier um eine unter dem
Schutz hoher militarischer Stellen und in Anwesenheit des Vizekriegsministers abgehaltene
Veranstaltung handelte. Die Sympathien mancher Militarkreise flir die deutschfeindliche
Gesinnung der Studentenschaft, die schon im Vorlauf der jungsten Vorfalle zu beobachten
war, fand bei diesem AnlaB eine neue Bestatigung. Ahnlich der Einstellung der Militarkreise
ist diejenige der Polizei, was ihr passives Verhalten bei den Demonstrationen vor der
Botschaft am Freitag und Sonnabend der vergangenen Woche zeigte.-
Wegen des unerhorten Versagens der Polizei habe ich mich beim AuBenministerium aufs
nachdriicklichste beschwert. Seit Sonnabend abend ist der Schutz der Botschaft nunmehr
effektiver geworden; ein heute erneut von studentischen Demonstranten unternommener
Versuch, vor das Botschaftsgebaude zu gelangen, wurde von der Polizei energisch verhindert.
Den Entschuldigungen, die am Freitag und Sonnabend durch den Chef des Protokolls und den
Warschauer Woiwoden erfolgt waren, hat sich Herr Beck personlich bei unserem
Zusammentreffen anlaBlich des Diners flir Graf Ciano auf der Italienischen Botschaft
angeschlossen. Verschiedene Veroffentlichungen in der heutigen Presse mahnen zur Ordnung
und Disziplin und suchen zu beruhigen. Man kann jedoch nicht sagen, daB die Elemente, die
die deutschfeindlichen Demonstrationen hervorgerufen und veranstaltet haben, tatsachlich
schon zur Ruhe gebracht waren.
von Moltke
Nr. 152
Unterredung des Reichsministers des Auswartigen
mit dem Polnischen Botschafter
Aufzeichnung
Berlin, den 28. Februar 1939
Ich empfing heute den Polnischen Botschafter und sagte ihm, daB ich mit immer steigendem
Unbehagen die Entwicklung in Polen auf Grand der lokalen Danziger
Studentenzwischenfalle— betrachte. Ich wies auf die zweimaligen Demonstrationen vor der
Botschaft hin, bei denen die Polizei anscheinend untatig zugesehen habe,— und ferner auf die
Hetze in einem groBen Teil der polnischen Presse. Die Demonstrationen hielten auch am
heutigen Tage liber ganz Polen noch an. Ich wies den Botschafter darauf hin, daB ich bisher
Q39] die ganzen Vorgange vollig aus der deutschen Presse herausgehalten habe. Wenn diese
Pressehetze und die Demonstrationen in Polen allerdings weitergingen, wiirde die deutsche
Presse antworten und er wisse ja wohl geniigend von der deutschen Presse, daB sie es dann
allerdings auch griindlich tun werde. Er, Lipski, kenne ja die Grundeinstellung des Fuhrers,
die einen groBen endgiiltigen Ausgleich mit Polen finden mochte, und diese Einstellung sei
immer unverandert. Durch solche bedauerlichen Vorkommnisse konne allerdings dieser
Ausgleich sehr erschwert oder zumindest sehr verzogert werden.
von Ribbentrop
Nr. 153
Der Deutsche Generalkonsul in Posen an das Auswartige Amt
Telegramm
Posen, den 1. Marz 1939
Heute morgen 6 Uhr wurde Scheibe an Eingangstur Generalkonsulats zerschlagen. Habe
Woiwoden benachrichtigt und ihn gebeten, notwendige MaBnahmen zu treffen. Diese Nacht
wiederum Scheiben in volksdeutschen Laden eingeschlagen. Da durch immer noch
provozierende Haltung Studenten Gefahr von ZusammenstoBen mit Reichs- und
Volksdeutschen besteht, bitte auch dort auf Abstellung unertraglicher Lage hinzuwirken.
Matuschka
Nr. 154
Der Deutsche Generalkonsul in Thorn an das Auswartige Amt
Bericht
Thorn, den 4. Marz 1939
Die vergangene Woche hat keinerlei Entspannung gebracht. Aus vielen Gegenden meines
Amtsbezirks werden mir weitere Demonstrationen oder MaBnahmen gegen das deutsche
Volkstum gemeldet.
In einzelnen Stadten wird jetzt der Boykott gegen die Deutschen auf solche polnischen
Geschafte ausgedehnt, in denen die Kundschaft in deutscher Sprache abgefertigt wird. Dabei
ist zu bemerken, daB der vom Westverband schon seit der Abtrennung des Gebiets betriebene
Boykott gegen deutsche Ladeninhaber dazu geflihrt hat, daB viele derartige Geschafte
eingegangen und ihre Besitzer abgewandert sind. Aber mit diesem Erfolg ist man noch nicht
zufrieden; es muB auch noch der polnische Geschaftsmann, der seine nun zu ihm kommenden
deutschen Kunden deutsch bedient, darauf aufmerksam gemacht werden, daB er Deutsche
uberhaupt nicht zu bedienen hat.
Erst vor wenigen Tagen ist im Offizierkorps in einer Offiziersbesprechung beschlossen
worden, diejenigen Geschafte zu meiden, in denen die Kunden noch in deutscher Sprache
bedient wiirden. Man will mit anderen Worten, entgegen alien Abmachungen, dem Deutschen
das Leben einfach unmoglich machen und ihn vertreiben.
Q4Q] Die Boykottaktion gegen deutsche Geschafte hat im ubrigen in der verflossenen Woche
zu einem groBeren Tumult in Bromberg gefuhrt. Dort wurden in der Nacht vom Dienstag,
dem 28. 2., auf Mittwoch, den 1. 3. 1939, in der ganzen Stadt an Hausern, Schaufenstern,
LitfaBsaulen und Zaunen Plakate angeklebt, worin zum Wirtschaftsboykott der Deutschen
aufgefordert wird.
von Kuchler
Nr. 155
Der Deutsche Botschafter in Warschau an das Auswartige Amt
Bericht
Warschau, den 9. Marz 1939
In einer Unterredung, die ich gestern mit Herrn Beck hatte, bin ich noch einmal auf die
Kundgebungen vor der Deutschen Botschaft zuruckgekommen, wobei ich besonders auf das
offensichtliche Sympathisieren der Polizei mit den Demonstranten verwiesen habe, sowie
darauf, daB ein hoherer polnischer Offizier einem Gewahrsmann gegeniiber diese
Demonstrationen als durchaus berechtigt bezeichnet habe. Ich erklarte Herrn Beck, daB diese
beiden Feststellungen sowie andere Beobachtungen solcher Art bedauerlicherweise gezeigt
hatten, wie schmal die Basis sei, auf der hier in Polen die Verstandigungspolitik betrieben
werde. AuBer ihm selbst und etwa einem halben Dutzend anderer Personlichkeiten gebe es
hier in Polen eigentlich niemand, der sich ernstlich flir diese Angelegenheit interessiere. Man
konne sich auch nicht wundern, wenn die Stimmung Deutschland gegeniiber sich hier dauernd
verschlechtere; denn die Presse hore nicht auf zu hetzen. Tagtaglich erschienen unfreundliche
Artikel, and zwar nicht nur in der Oppositionspresse, sondern auch in den provinziellen
Regierungsorganen und nur die beiden in Warschau erscheinenden offiziosen Zeitungen
verhielten sich einigermaBen korrekt. Noch schlimmer sei aber die Agitation des
Westverbandes, der in auBerordentlich sinnfalliger Weise durch verschiedene planmaBige
Aktionen die Bevolkerung gegen alles Deutsche aufhetze. Geradezu ungeheuerlich sei im
August v. J. die wahrend dreier Wochen durch das ganze Land gehende
Demonstrationswelle— gewesen, mit der gegen die angebliche Brutalitat der Deutschen
protestiert wurde, und zwar anlaBlich des bedauernswerten Unglucksfalles eines polnischen
Eisenbahners, der auf der Strecke Danzig-Gdingen aus dem Zuge gefallen war, wobei ihm
beide Beine abgefahren wurden. Die damalige Hetze sei von der Regierung geduldet worden,
obwohl ihr bekannt war, daB der den Deutschen zur Last gelegte Unfall lediglich durch
Verschulden des betreffenden polnischen Eisenbahnbeamten selbst herbeigefuhrt worden war,
ohne daB irgend ein Deutscher dabei beteiligt gewesen ware. Das sei der unglaublichste Fall
von Verhetzung gewesen, der mir je vorgekommen sei.
Herr Beck schien iiber diese Ausfuhrungen recht betroffen und erklarte nochmals, wie sehr er
die Vorfalle vor der Deutschen Botschaft bedauert hatte. Er gab zu, daB die Polizei versagt
habe und erklarte, daB der schuldige Polizeioffizier vor Gericht gestellt werden wiirde. Im
ubrigen meinte er, man diirfe die Dinge auch nicht zu pessimistisch ansehen. Die
Verstandigungspolitik sei jmh in der Tat nicht immer leicht durchzufuhren und er verhehle
sich keineswegs ihre Schwierigkeiten. Er habe namentlich im Jahre 1936 schwere Kampfe
bestehen mussen, um diese von Pilsudski inaugurierte Politik zur Anerkennung zu bringen;
seither begegne er aber in politischen Kreisen wachsendem Verstandnis dafiir. Die Griinde flir
die Verschlechterung der Stimmung wahrend der letzten Monate sehe er hauptsachlich in der
karpatho-ukrainischen Frage, da man Deutschland die Schuld zuschiebe, daB es nicht zu einer
gemeinsamen polnisch-ungarischen Grenze gekommen sei.
Ich verwies darauf, daB dieser Behauptung durch die sehr klaren Erklarungen von
Berchtesgaden— der Boden entzogen worden ware und daB es doch wirklich an der Zeit sei,
etwas gegen die Brunnenvergiftung zu unternehmen. Wir konnten es jedenfalls nicht
verstehen, wenn die Pressehetze von der Regierung geduldet werde und wenn man dem
Westverband fur seine deutsch-feindlichen Aktionen freie Hand gebe.
von Moltke
Aiimerfuutqen:
80
Vgl. Nr. 130 . ...zuriick...
81 Vgl. Nr. 101 . ...zuriick...
82 Vgl. Nr. Ill , 114 , 115 und 117. ...zuriick.
83 Vgl. Nr. 131 und 134. ...zuriick...
84 Vgl. Nr. 104 . ...zuriick...
85 Vgl. Nr. 109 . ...zuriick...
86 Vgl. Nr. 101 . ...zuruck.
87 Vgl. Nr. 136 . ...zuruck.
Vgl. Nr. 202 . ...zuruck.
89 Vgl. Nr. 195 und 196. ...zuruck...
90 Vgl. Nr. 146 und 147. ...zuruck...
91 Vgl. hierzu Nr. 195 und 196. ...zuruck...
92 Vgl. Nr. 146 und 147. ...zuruck...
93 Vgl. Nr. 193 . ...zuruck...
94 Vgl. Nr. 200 . ...zuruck...
Erstes Kapitel (Fo rts. )
Entwicklung der Deutsch-Polnischen Beziehungen
B. Deutschlands Bemuhen
um eine Verstandigung mit Polen, 1933 bis
1939
IX. Fortsetzung der Enteignung Deutschen
Grundbesitzes
in Nichtachtung der Minderheitenerklarung
(Februar 1938 bis Februar 1939)
Nr. 156
Der Deutsche Botschafter in Warschau an das Auswartige Amt
Telegramm
Anm. d. Scriptorium:
Eine noch mehr ins
Einzelne gehende
Dokumentation der
Lage der
Volksdeutschen in
Polen als die in dies en
Kapiteln gegebene
finden Sie in dem Buch
Die deutsche
Warschau, den 16. Februar 1938 Volksgruppe in Polen
1934-39.
I
Soweit aus bisher vorliegendem Material festzustellen, ergibt
Namensliste flir Agrarreform,- daB in diesem Jahr 22.800 ha aus deutscher Hand enteignet
werden gegenliber 21.100 ha im vorigen Jahr. Allerdings sind die Enteignungen aus
polnischer Hand in diesem Jahr mit 13.500 ha hoher als die vorjahrigen mit 6.100 ha, so daB
der Prozentsatz des deutschen Anteils sich von etwa 75 Prozent im vorigen Jahr auf etwa 64
Prozent in diesem Jahr verbessert hat; er liegt aber immer noch wesentlich iiber dem nur etwa
30 Prozent betragenden deutschen Anted an dem der Agrarreform unterliegenden
Gesamtareal. Mithin ist bedauerlicherweise festzustellen, daB auch die
Minderheitenerklarung, die hinsichtlich des Grundbesitzes Gleichstellung zusichert, sich auf
Durchfuhrung der Agrarreform nicht ausgewirkt hat, obwohl unsererseits seinerzeit
ausdrlicklich auf diese Zusammenhange hingewiesen wurde.—
Moltke
Nr. 157
Der Deutsche Generalkonsul in Posen an das Auswartige Amt
Bericht
Posen, den 22. Februar 1938
Nachdem bereits im vorigen Jahre der deutsche Besitz ubermaBig stark, im Gegensatz zum
polnischen Besitz, zur Agrarreform herangezogen worden war, hatten die maBgeblichen
deutschen Kreise die Hoffnung gehegt, daB ihr Besitz in diesem Jahr geschont werden wiirde.
Sie fuhlten sich zu dieser Hoffnung umsomehr berechtigt, als sie glaubten, daB die am 5. 11.
1937 abgegebene Minderheitenerklarung nun endlich Friichte tragen wiirde. Die jetzt
veroffentlichten Namenslisten haben aber alle ihre Hoffnungen zunichte gemacht. Nach einer
an den Polnischen Ministerprasidenten gerichteten Eingabe des Senators Hasbach entfallen
namlich von der gesamten Flache, die in den Woiwodschaften Posen und Pommerellen zur
Zwangsparzellierung herangezogen wird,
auf Deutsche 22,254 ha,
aufPolen 13,945 ha.
ri43i Seit Bestehen des Agrarreformgesetzes sind bisher insgesamt zur Zwangsparzellierung
angefordert worden:
von Deutschen 109,912 ha = 66%,
von Polen 55,714 ha = 34%.
Im Jahre 1925, d. h. zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Agrarreformgesetzes waren vom
gesamten der Agrarreform unterliegenden Besitz
in polnischen Handen 729,750 ha,
in deutschen Handen 513,770 ha.
Von dieser Gesamtflache entfallen auf Landvorrat"
in polnischen Handen 411,810ha,
in deutschen Handen 261,260 ha.
Diese Flachen verhalten sich also in Prozentzahlen gerechnet wie 62 : 38.
Bei einer gerechten Handhabung der Agrarreform hatten vom privaten Grundbesitz also auch
nur in diesem Prozentverhaltnis Deutsche und Polen zur Zwangsparzellierung herangezogen
werden diirfen. Von den Polen wurden jedoch nur 55,714 ha, von den Deutschen dagegen
109,912 ha auf den Namenslisten angefordert. Diese Ziffern verhalten sich aber gerade im
umgekehrten Verhaltnis zur Besitzflache. Es sind vom polnischen Besitz statt 62% nur 39%,
vom deutschen dagegen 61% statt 38% zur Zwangsparzellierung angefordert worden.
Daruber hinaus weist Senator Hasbach auf eine weitere schwerwiegende Sorge der deutschen
Minderheit hin. Obwohl der deutsche Grundbesitz ungerechtfertigt stark zur Agrarreform
herangezogen wurde und damit der Lebensraum der deutschen Minderheit eine ungeheure
Einschrankung erfuhr, ist auf den neugebildeten Bauernwirtschaften die deutsche Minderheit
fast gar nicht angesetzt worden. Nach vorliegendem Material ist noch nicht einmal 1 % der zur
Agrarreform herangezogenen Flache der deutschen Minderheit zugute gekommen, da die
Landkommissare in den Woiwodschaften Posen und Pommerellen die Ansetzung von
Angehorigen der deutschen Minderheit fast grundsatzlich ablehnen.
Die vom Senator Hasbach angefuhrten Tatsachen lassen es begreiflich erscheinen, daB sich
bei den Deutschen Bestiirzung und Hoffnungslosigkeit bemerkbar machen. Aus dem
Vorgehen der Polen gent ohne irgendeine Vertuschungsabsicht klar hervor, daB fiir sie die
Minderheitenabmachungen nicht gelten, sondern daB sie den unerbittlichen Grundsatz
verfolgen, das Deutschtum trotz aller Versprechungen und Beteuerungen zu vernichten.
Nimmt man zu dieser Agrarreform noch die Schikanen des Grenzzonengesetzes und die in der
letzten Zeit erfolgten Aufenthaltsverweigerungen hinzu, so kann man gut verstehen, daB die
Deutschen jede Hoffnung, ihre Lage hier ertraglich zu gestalten, aufgeben mussen.
Walther
IM41
Nr. 158
Der Staatssekretar des Auswartigen Amts
an den Deutschen Botschafter in Warschau
Telegramm
Berlin, den 22. Februar 1938
Namensliste vom 15. Februar hat hier groBtes Befremden hervorgerufen, da in
Woiwodschaften Posen und Pommerellen deutscher Besitz wiederum unverhaltnismaBig
starker als polnischer zur Zwangsparzellierung herangezogen wird.
Ich bitte deshalb, AuBenminister unser starkstes Befremden liber diese neuen MaBnahmen
auszusprechen, die mit deutsch-polnischer Minderheitenerklarung nicht in Einklang standen.
Deutsche Regierung sei iiber Verletzung Minderheitenerklarung besonders verwundert, weil
Sie im Verlaufe Ihrer Besprechungen mit Polnischem AuBenminister liber Formulierung und
Bedeutung dieser Erklarung wiederholt ausdriicklich und unwidersprochen darauf
hingewiesen hatten, daB kunftige Anwendung der Agrarreform zu Entdeutschungszwecken
mit Erklarung nicht vereinbar sei.—
Mackensen
Nr. 159
Der Deutsche Generalkonsul in Thorn an das Auswartige Amt
Bericht
Berlin, den 25. Februar 1938
Die letzte Veroffentlichung der Namensliste, nach der wiederum viele deutsche Giiter
enteignet wurden und in der auch wieder die starkere Heranziehung des deutschen Besitzes
gegeniiber dem polnischen klar zu Tage tritt, wird hier fiir ein schweres Ungluck angesehen.
Die Stimmung unter den Deutschen ist infolgedessen auch hoffnungslos und verzweifelt. Sie
wissen nicht ein und nicht aus, und nirgends sehen sie einen Hoffnungsschimmer. Die
Entschadigung, die bezahlt wird, ist nichts weiter wie eine Verschleierung der Wegnahme.
Outer, die guten und besseren Boden haben und die infolgedessen fiir einen Morgen Land
einen Durchschnittswert von 250 Zloty berechnen, erhalten durchschnittlich nur 60 Zloty pro
Morgen, also rund 25%, und auch diese Entschadigung wird nicht in bar, sondern zum
allergroBten Teil mit Staatsobligationen bezahlt, die an der Borse nur einen Wert von 50%
haben.
Unter diesen Umstanden ist es nur zu begreiflich, daB die deutschen Volksgenossen, die unter
der Herrschaft des Minderheitenabkommens eine bessere Zukunft erwarteten und nun wieder
so unverstandlich hart angefaBt werden, sich in dumpfer Verzweiflung nach Hilfe umschauen.
Sie sind enttauscht, daB die deutsche Presse keine Notiz von ihrem Leid nimmt und sich nicht
in ihre Lage versetzt. Nirgends lesen sie in den Zeitungen eine gerechte und ungeschminkte
Wurdigung des Geschehenen. Nur vollig unzureichend wird ihr Schicksal gestreift und das
Ungeheuerliche des Vertragsbruches ausgewertet. Die Deutschen sehen mit Grauen und mit
dem Geflihl absoluten Verlassenseins ihrem Untergang entgegen.
von Kuchler
[145]
Nr. 160
Der Deutsche Botschafter in Warschau an das Auswartige Amt
Bericht
Warschau, den 8. Marz 1938
Wie bereits gemeldet, habe ich die mit dortigem Telegramm angeordnete Demarche- in
Sachen der Agrarreform erst am 4. d. M. abends, also unmittelbar vor der Abreise des
AuBenministers Beck nach Rom, ausfuhren konnen. Ich habe hierbei das in dem Bericht des
Generalkonsulats Posen vom 22. Februar— enthaltene Zahlenmaterial weisungsgemaB
verwertet, das meines Erachtens unwiderlegbar die Schlechterstellung der deutschen
Minderheit beweist. Ich habe des weiteren ausgefuhrt, daB bei Neuansiedlungen sowohl wie
bei Anliegersiedlungen die deutschen Bauern planmaBig ausgeschlossen werden und daB die
Handhabung der Grenzzonenverordnung durch fast restlose Ablehnung der bei jedem
Eigentumswechsel erforderlichen Genehmigung - auch wenn es sich um Erbubergang von
Vater auf Sohn handelt - zu einer MaBnahme der Entdeutschung geworden ist. SchlieBlich
habe ich unter Fortfuhrung einer friiheren Unterhaltung Herrn Beck auch noch Material liber
die Arbeitslosigkeit in Oberschlesien mitgeteilt, um zu beweisen, daB das deutsche Element
wirtschaftlich uberall und in jeder Hinsicht zuriickgesetzt wird.
Herr Beck bestritt, daB auf irgendeinem Gebiet eine unfreundliche Tendenz gegeniiber der
deutschen Minderheit vorhanden sei und berief sich erneut auf Weisungen, die in dieser
Hinsicht von dem Ministerprasidenten gegeben worden seien. Zu dem von mir vorgelegten
Zahlenmaterial liber die Agrarreform flihrte Herr Beck folgendes aus: Zunachst einmal sei das
Ziel des Agrarreformgesetzes, den gesamten landwirtschaftlichen GroBgrundbesitz in Polen
auf die im Gesetze vorgesehene GroBe herunterzudrlicken. Dieses Ziel wlirde fortan in einem
schnelleren Tempo verfolgt werden als bisher, so daB es voraussichtlich schon in ganz
wenigen Jahren restlos erreicht sein werde. Die Frage der Reihenfolge spiele infolgedessen
keine sehr groBe Rolle mehr, da in sehr kurzer Zeit sowieso alle Grundbesitzer, ob Polen oder
Deutsche, von der Agrarreform erfaBt sein wiirden. Zweitens verwies Herr Beck auf die
freiwilligen Parzellierungen, die in verhaltnismaBig groBem Umfange seitens der polnischen
Eigentumer durchgefuhrt worden seien und fast gar nicht von deutscher Seite. SchlieBlich
machte Herr Beck geltend, daB der GroBgrundbesitz sich zu 30% in deutscher Hand befinde,
wahrend der deutsche Bevolkerungsanteil in den fraglichen Provinzen wesentlich geringer sei.
Als ich Herrn Beck darauf hinwies, daB er hiermit ein rein politisches Moment in die Frage
der Agrarreform einschalte, erklarte er, es handele sich nicht um ein politisches, sondern um
ein rein soziales Moment, insofern als das Agrarreformgesetz die Aufgabe stelle, zunachst
einmal den UbermaBig groBen Besitz zu zerschlagen und der bauerlichen Hand zuzufuhren.
Nun befanden sich aber gerade die groBten landwirtschaftlichen Betriebe in deutscher Hand,
und so sei die starkere Heranziehung des deutschen Grundbesitzes vollkommen im Einklang
mit den gesetzlichen Bestimmungen und den Grundsatzen sozialer Gerechtigkeit.
Die Beckschen Argumente sind, und ich habe das nachdriicklichst zum Ausdruck gebracht, in
keiner Weise stichhaltig. Was zunachst die Behauptung anbetrifft, daB die Agrarreform in
wenigen Jahren restlos durchgefuhrt sein ri46i werde, so wird, auch wenn den Wiinschen des
Landwirtschaftsministers Poniatowski entsprechend das Tempo der Durchfuhrung wesentlich
beschleunigt werden sollte, schon aus finanziellen Griinden noch eine recht erhebliche
Zeitspanne notwendig sein. Abgesehen hiervon aber ist noch keineswegs zu ubersehen, ob bei
der standig wachsenden Opposition gegen die Agrarreform die Parzellierung uberhaupt bis zu
Ende durchgefuhrt werden wird. Jedenfalls liegt aber nicht die geringste Berechtigung vor,
die deutschen Grundbesitzer in der Reihenfolge an die erste Stelle zu setzen. Was die
freiwilligen Parzellierungen anbetrifft, so sind dieselben nach den uns vorliegenden
Zahlenangaben nicht so erheblich, daB sie das fur die deutsche Minderheit ungunstige Bild
verandern konnten. Auch die Behauptung, daB gerade die groBten landwirtschaftlichen
Betriebe sich in deutscher Hand befanden, ist vollig unzutreffend. Vielmehr sind die groBen
deutschen Besitze langst enteignet und in alien GroBenklassen uberwiegt jetzt der polnische
Grundbesitz.
Herr Beck, der sein Zahlenmaterial nicht zur Hand hatte, machte schlieBlich den Vorschlag,
die Besprechung nach seiner Ruckkehr aus Rom noch einmal wieder aufzunehmen, da ihm
daran liege, daB keine MiBverstandnisse zuriickblieben. Ich habe mich damit einverstanden
erklart und darf nach der weiteren Besprechung erneut berichten. m
von Moltke
Nr. 161
Der Staatssekretar des Auswartigen Amts
an den Deutschen Botschafter in Warschau
ErlaB
Berlin, den 9. November 1938
Wie der Botschaft bekannt ist, sind die zustandigen polnischen Stellen seit einiger Zeit mit
den Vorarbeiten zu der im Februar nachsten Jahres erscheinenden Namens- und Jahresliste flir
die weitere Durchfuhrung der Agrarreform befaBt. Um nach Moglichkeit zu verhuten, daB
durch diese neuen Listen der Grundbesitz der deutschen Volksgruppe in Westpolen wie in den
Vorjahren in weitaus starkerem Umfange als nationalpolnischer Besitz zur Parzellierang
herangezogen wird, erscheint es dringend geboten, schon jetzt der Polnischen Regierung
gegeniiber unsere bestimmte Erwartung zum Ausdruck zu bringen, daB durch die neue Liste
Grundbesitz der deutschen Volksgruppe in den polnischen Westprovinzen, im Gegensatz zur
bisherigen Praxis, lediglich entsprechend dem Anted des in deutscher Hand befindlichen
Besitzes an dem der Agrarreform unterliegenden Gesamtgrundbesitz zur Landabgabe
herangezogen wird.
[HZ] Ich bitte, beim dortigen AuBenministerium tunlichst umgehend in diesem Sinne vorstellig
zu werden und sich dabei insbesondere auf Ziffer 5 der Minderheitenerklarung worn 5.
November 1937 zu berufen, die uns - wie der Polnischen Regierung gegeniiber im Verlauf der
Verhandlungen liber diese Erklarung wiederholt ausdriicklich und unwidersprochen zum
Ausdruck gebracht worden sei (z. B. vgl. Drahtbericht vom 26. 8. 1937)— - gerade gegen
unterschiedliche Behandlung der Volksdeutschen bei der Agrarreform schutzen sollte. Ich
bitte, dabei ferner auszufuhren, die Deutsche Regierung erwarte bestimmt, daB die Polnische
Regierung der Tatsache, daB der Besitz der deutschen Volksgruppe bisher wesentlich starker
von der Agrarreform erfaBt worden sei als der nationalpolnische, bei der Aufstellung der
Namensliste fur 1939 gebuhrend Rechnung tragen werde.
Fur einen Bericht iiber das VeranlaBte sowie das Ergebnis der dortigen Demarche ware ich
dankbar.
Weizsacker
Nr. 162
Der Deutsche Botschafter in Warschau an das Auswartige Amt
Bericht
Warschau, den 22. November 1938
Die mir aufgetragene Demarche wegen der weiteren Durchfuhrung der Agrarreform ist bei
Ministerialdirektor Graf Lubienski, dem Kabinettschef des AuBenministers, ausgefuhrt
worden. Bereits im Marz d. J. nach Veroffentlichung der letzten Namensliste war dieser
Fragenkomplex mit dem Grafen Lubienski besprochen worden, der sich bereit erklarte, die
Frage der Benachteiligung des deutschen Grundbesitzes beim Polnischen Agrarminister zur
Sprache zu bringen. Graf Lubienski hat nunmehr wieder erklart, daB mit der Durchfuhrung
der Bodenreform in keinem Fall eine Benachteiligung des deutschen Grundbesitzes
beabsichtigt sei. Die Listen wiirden ohne Ansehung der Nationalitat der Besitzer nach rein
sachlichen Gesichtspunkten aufgestellt.
Dem Grafen Lubienski ist erwidert worden, daB die Art und Weise, wie bisher die
Bodenreform in Polen gehandhabt worden sei, auf deutscher Seite den berechtigten Eindruck
erweckt habe, daB es sich in erster Linie um eine groBziigige Entdeutschungspolitik handele.
MaBgebend flir die Beurteilung miisse die Tatsache sein, daB der deutsche Besitz im
Verhaltnis mehr als doppelt so stark zur Bodenreform herangezogen worden sei als der
polnische. Die Veroffentlichung der Namensliste im Februar d. J. habe in der deutschen
Offentlichkeit eine urn so starkere Emporung ausgelost, als man unbedingt auf Grand der
Minderheitenerklarung eine gerechtere Handhabung hatte erwarten diirfen. Falls der
Agrarminister fur unsere Auffassung kein Verstandnis zeige und mit seiner
Entdeutschungspolitik fortfahren sollte, so ware mit einer sehr empfindlichen Riickwirkung
auf die deutsche offentliche Meinung zu rechnen.
von Moltke
1
[148]
Nr. 163
Aufzeichnung eines Beamten der Politischen Abteilung
des Auswartigen Amts
Berlin, den 15. Februar 1939
Nach telephonischer Meldung der Deutschen Botschaft in Warschau ist im polnischen
Gesetzblatt von heute die Liste (Namensliste) der Grandstucke, die im Jahre 1939 zur
Zwangsparzellierung im Wege der Agrarreform bestimmt worden sind, veroffentlicht worden.
Nach dieser Liste entfallen
in der Woiwodschaft: von insgesamt: auf deutschen Besitz:
Posen 20.275 ha 12.142 ha,
Pommerellen 17.437 ha 12.538 ha,
Oberschlesien 7.438 ha 6.813 ha.
Diese MaBnahmen stehen in krassem Widerspruch zur deutsch-polnischen
Minderheitenerklarung vom 5. November 1937 sowie zu den wiederholten Zusicherungen der
Polnischen Regierung, deutsche Volkstumsangehorige bei der Agrarreform nicht zu
diskriminieren. Der deutsche Landvorrat— betragt in Posen und Pommerellen nur etwa ein
Drittel des gesamten, der Agrarreform unterliegenden Besitzes.
Schliep
Nr. 164
Der Deutsche Generalkonsul in Thorn an das Auswartige Amt
Telegramm
Thorn, den 16. Februar 1939
Neue Namensliste Agrarreform hat in volksdeutschen Kreisen hier niederschmetternden
Eindruck gemacht, zumal nach Warschauer Besuch des Herrn Reichsministers des
Auswartigen allgemein weit gunstigeres Ergebnis erwartet wurde.
Enteignet werden in Pommerellen rand 12.600 ha deutscher Besitz gegen 8.600 ha voriges
Jahr. Deutscher Anted in diesem Jahr etwa 65%, also noch hoher als voriges Jahr. Dieses Jahr
besonders bemerkenswert starkere Heranziehung Mittelstandes sowie Umstand, daB
verschiedene Besitzer zu wiederholten Malen parzelliert werden.
Kuchler
[149]
Nr. 165
Der Staatssekretar des Auswartigen Amts
an den Deutschen Botschafter in Warschau
Telegramm
Berlin, den 16. Februar 1939
Bitte Sie, umgehend AuBenminister oder im Verhinderungsfalle seinem Vertreter Befremden
dariiber zum Ausdruck zu bringen, daB neueste Namensliste wiederum entgegen
Minderheitenerklarung und spateren Zusicherungen— Polnischer Regierung deutschen Besitz
in Posen und Pommerellen unerhort diskriminiert.
Drahtbericht.
Weizsacker
Nr. 166
Der Deutsche Botschafter in Warschau an das Auswartige Amt
Telegramm
Warschau, den 17. Februar 1939
Da Herr Beck erkrankt und Graf Szembek abwesend, habe ich angeordnete Demarche in
Sachen Agrarreform bei Unterstaatssekretar Arciszewski ausgefuhrt, der ubrigens von Herrn
Beck speziell mit Bearbeitung dieser Frage beauftragt ist.
Arciszewski erklarte, daB uns gunstiger Standpunkt AuBenministeriums auf groBen
Widerstand im Ministerrat gestoBen ware, der die Auffassung vertrete, daB die Frage der
gleichmaBigen Heranziehung deutschen und polnischen Grundbesitzes nicht im Rahmen
einzelner Provinzen, sondern gesamten Staatsgebiets zu beurteilen sei. Angesichts dieser
Schwierigkeiten habe AuBenministerium auf den Versuch einer Abanderung der fiir
Pommerellen aufgestellten Liste verzichtet, weil dort die Agrarreform bereits fast ganz
abgeschlossen sei, und habe sich darauf beschrankt, in der Woiwodschaft Posen - und zwar
auch fiir die Zukunft - den Grundsatz 50 zu 50 zu fordern. Hierin habe das AuBenministerium
Erfolg gehabt.
Ich habe erwidert, daB wir polnischen Standpunkt hinsichtlich Pommerellen als eine
unertragliche Diskriminierung ansehen muBten. Was Posen anbetreffe, so sei nach unseren
sehr genauen Unterlagen die Heranziehung deutschen Besitzes wesentlich groBer als 50%.
Aber abgesehen hiervon, konnten wir uns auch mit Grundsatz 50 zu 50 nicht einverstanden
erklaren, weil deutscher Besitz nur etwa 30% der Gesamtflache betrage und obendrein in den
Vorjahren bereits ubermaBig stark herangezogen sei.
Arciszewski bat um Mitteilung unseres Zahlenmaterials. Ich habe hierfiir genaue Unterlagen
bei Generalkonsulat Posen angefordert.—
Moltke
[150]
Nr. 167
Der Deutsche Generalkonsul in Kattowitz an das Auswartige Amt
Bericht
Kattowitz, den 21. Februar 1939
Nach der inzwischen getroffenen genaueren Feststellung des Vereins der deutschen
Grundbesitzer in Ostoberschlesien entfallen von der in der Namenliste angegebenen
Flachenmenge (7.438 ha) nur 100 ha auf polnischen Besitz. Der deutsche Grundbesitz ist also
mit 98,7% herangezogen worden, obwohl polnischer Grundbesitz in groBerem Umfange
vorhanden ist. Damit ist der deutsche "Landvorrat"— im hiesigen Amtsbezirk fast restlos
erfafit.
Noldeke
Nr. 168
Der Deutsche Generalkonsul in Thorn an das Auswartige Amt
Bericht
Thorn, den 21. Februar 1939
Die verflossene Woche stand vollstandig unter dem Zeichen der neuen Enteignungen
deutschen Besitzes. Die Veroffentlichung der Namensliste hat angesichts des vor wenigen
Wochen stattgehabten Besuches des Reichsministers des Auswartigen in Warschau, m von
dem sich die deutsche Volksgruppe allenthalben eine starke Verbesserung der polnisch-
deutschen Beziehungen versprach, wie eine Bombe eingeschlagen. Alle Hoffnungen, daB nun
endlich einmal die Schlechterstellung der deutschen Volksgruppe hier aufhoren wiirde, haben
sich als trugerisch erwiesen.
Uber die Auswirkungen der Enteignungen nach der neuen Namensliste folgt heute noch ein
besonderer Bericht, aus dem die katastrophale Lage mancher Betriebe ersichtlich ist.
Besonders der mittlere Besitz wird am starksten betroffen, da von ihm mehrere Betriebe, weil
sie in einer bestimmten Zone liegen, bis auf 60 ha enteignet werden und infolgedessen gar
nicht mehr lebensfahig sind.
Eine vergleichende Zusammenstellung des seit Inkrafttreten des Gesetzes liber die
Durchfiihrung der Agrarreform vom 28. Dezember 1925 bis einschlieBlich 1938 durch
Namenslisten enteigneten deutschen und polnischen Grundbesitzes in Pommerellen ergibt,
daB der deutsche Grundbesitz bisher 56.214,00 ha Bodenflache = 72% der gesamten durch
Namenslisten enteigneten Bodenflache verloren hat, wahrend der polnische Grundbesitz nur
mit 22.093,00 ha Bodenflache = 28 % der Gesamtflache auf die bisher erschienenen
Namenslisten gesetzt worden ist. Die Erwartung, daB die diesjahrige Namensliste die
unverhaltnismaBige und durch nichts gerechtfertigte Benachteiligung des deutschen
Grundbesitzes durch eine starkere Heranziehung des polnischen Besitzes zum Teil
ausgleichen wiirde, ist nicht erfullt worden. Die Benachteiligung des deutschen Grundbesitzes
hat vielmehr gegenliber den Vorjahren eine weitere Verscharfung erfahren.
am Es scheint den polnischen Behorden auf eine schnelle und vollige Vernichtung des
Deutschtums hier anzukommen, denn die bei ihnen in der letzten Zeit allgemein zu
beobachtende Einstellung dem Deutschtum gegenliber ist feindlicher denn je.
Es ist klar, daB sich unter diesen Umstanden der deutschen Bevolkerung hier eine
auBerordentliche Erregung bemachtigt hat, weil sie in alien ihren berechtigten Hoffnungen
und in all ihrer Loyalitat dem hiesigen Staat gegenliber auf das bitterste enttauscht worden ist.
Ein Geflihl der Unsicherheit, aber auch der Rechtlosigkeit macht sich hier breit, das nur
schwer zu bekampfen ist. DaB dabei auch wieder der Drang zur Abwanderung stark
hervortritt, mochte ich noch besonders betonen.
von Kuchler
Atimertumgeii:
Die Liste mit den Namen des zur Landabgabe herangezogenen Besitzes wurde in jedem
Jahre am 15. Februar veroffentlicht. Vgl. zur Liste von 1934 Nr. 42 , von 1935 Nr. 55 , von
1936 Nr. 64 , von 1937 Nr. 74 . ...zuruck...
% Vgl. Nr. 94 , 95 und 104- -zurtick...
Q7
D. h. die Gesamtheit der nach dem Agrarreformgesetz der Parzellierung unterworfenen
Flachen, also nach Abzug der nicht der Parzellierung unterworfenen Restgliter, Forsten und
Gewasser. .■■zurtick...
98 Vgl. Nr. 94 und 95. ...zuruck...
"Vgl. Nr. 158 . ...zuruck...
100 Vgl. Nr. 157 . ...zuruck...
101 Es haben im AnschluB hieran weitere Besprechungen liber diese Frage sowohl mit dem
Polnischen AuBenminister wie mit seinen Sachbearbeitern stattgefunden. Hierbei muBte
polnischerseits zugegeben werden, daB der deutsche Grundbesitz tatsachlich bisher starker zur
Landabgabe herangezogen worden ist als der polnische. Deutscherseits wurde mit allem
Nachdruck darauf hingewiesen, daB diese klare Diskriminierung der deutschen Minderheit
nicht mehr hingenommen werden konne und daB auf Grand der Minderheitenerklarung auch
in der Frage der Agrarreform die zugesagte voile Gleichberechtigung und gleiche Behandlung
der deutschen Minderheit erwartet werden miisse. In den Verhandlungen wurde in erster Linie
angestrebt, die Diskriminierung der Namensliste flir 1938 zu beseitigen. Die deutschen
Wunsche sind aber unberiicksichtigt geblieben. ...zurack...
1 QO
Vgl. Nr. 95 . Zu vergleichen auch Nr. 94 und 104 . ...zurack...
103 Vgl. Nr. 157 , Anm. T971 S. 143. ...zurack...
104 Vgl. Nr. 162 . ...zurack...
105 Vgl. auch Nr. 170 , 171 und 172. Auch die weiteren Besprechungen mit dem Polnischen
AuBenministerium blieben ohne Ergebnis. ...zurack...
106 Vgl. Nr. 157 , Anm. T971 S. 143. ...zurack...
107 Vgl. Nr. 202 . ...zurack...
Erstes Kapitel (Forts.)
Entwicklung der Deutsch-Polnischen Beziehungen
B. Deutschlands Bemuhen
um eine Verstandigung mit Polen, 1933 bis
1939
X. Weitere Deutsche Versuche
zur Verbesserung der Lage der Deutschen Volksgruppe
durch Deutsch-Polnische Besprechungen
(November 1937 bis Marz 1939)
Nr. 169
Aufzeichnung des Dirigenten der Politischen Abteilung
des Auswartigen Amts
Berlin, den 25. November 1937
Anm. d. Scriptorium:
Eine noch mehr ins
Einzelne gehende
Dokumentation der
Lage der
Volksdeutschen in
Polen als die in dies en
Kapiteln gegebene
finden Sie in dem Buch
Die deutsche
Volksgruppe in Polen
1934-39.
Der Polnische Geschaftstrager suchte mich heute aus anderem AnlaB
auf, und ich benutzte die Gelegenheit, ihn unter Hinweis auf die vom Herrn Reichsminister
dem Polnischen Botschafter Anfang November uberreichte Notiz m anlaBlich der Abgabe der
deutsch-polnischen Minderheitenerklarung daran zu erinnern, daB deutscherseits in dieser
Aufzeichnung angeregt worden sei, regelmaBig wiederkehrende Aussprachen zwischen
Vertretern beider Staaten liber die in der Minderheitenerklarung behandelten Fragen
stattfinden zu lassen. Auf diese deutsche Anregung sei eine Antwort noch nicht erfolgt. Diese
Aussprache sollte dem Zweck dienen, die betreffenden Fragen zu entpolitisieren und im
gemeinsamen Benehmen einer zufriedenstellenden Losung zuzufuhren. Unsere inneren
Behorden erwogen der polnischen Minderheit gegeniiber sehr positive MaBnahmen und
erblickten in den vorgesehenen Aussprachen ein Instrument zur Fortfiihrung der in der
Minderheitenerklarung aufgestellten Richtlinien. Es ware daher sehr erwiinscht, wenn wir
bald eine positive Antwort zu unserem Vorschlag erhalten wiirden, urn an die praktische
Arbeit herangehen zu konnen. Der Geschaftstrager bezeichnete dies auch seinerseits als
erwiinscht und versprach, demnachst eine Antwort erteilen zu wollen.—
Ftirst von Bismarck
Nr. 170
Der Deutsche Botschafter in Warschau an das Auswartige Amt
Bericht
Warschau, den 30. Mai 1938
Die Erwartung, daB die Lage der deutschen Minderheit in Polen durch die gemeinsame
Erklarung der Deutschen und der Polnischen Regierung liber die Behandlung der
beiderseitigen Minderheiten vom 5. November wesentliche Besserung erfahren wiirde, hat
sich leider nicht erfullt.
mil In starkerem MaBe als friiher ist der deutschen Volksgruppe in Polen im Verlauf des
letzten halben Jahres die wesentlichste Grundlage ihrer Existenz, namlich Grand und Boden,
durch verscharfte Heranziehung zur Agrarreform sowie durch die Anwendung des seit dem 1 .
Juli 1937 verscharften Grenzzonengesetzes m entzogen worden. In der Praxis wirken sich die
Bestimmungen dieses Gesetzes dahin aus, daB in ganz Polnisch-Oberschlesien, im groBten
Teile Pommerellens und in einem erheblichen Teil der fruheren Provinz Posen jeder Erwerb
von Grundbesitz - auch im Erbgang - unterbunden wird. Nicht einmal Pacht- oder sonstige
Nutzungsvertrage werden genehmigt, wenn der Pachter oder Nutzungsberechtigte
Volksdeutscher ist. Das bedeutet, daB der noch in deutscher Hand befindliche Grundbesitz,
soweit er nicht schon von der Agrarreform erfaBt wird, spatestens beim Tode des jetzigen
Eigentumers dem Deutschtum verlorengehen muB.
Abgesehen von der Verdrangung der Angehorigen der deutschen Volksgruppe von ihrem
Grundbesitz werden deutsche Kaufleute und Unternehmer durch wirtschaftlichen Boykott
brotlos gemacht, der durch den von der Polnischen Regierung geforderten Westverband
organisiert wird.
Die deutsche Arbeiterschaft wird, insbesondere in Oberschlesien, mehr und mehr von ihren
Arbeitsplatzen verdrangt, wahrend gleichzeitig auf Grand der guten Beschaftigungslage der
Werke nationalpolnische Arbeiter in verstarktem MaBe eingestellt werden. In
Ostoberschlesien waren bereits im vergangenen Jahre 70% der deutschen Arbeiter brotlos, die
deutsche Jugend ist dort fast 100%ig ohne Lehrstelle.
Auf kulturellem Gebiet zeigt sich die Entdeutschungspolitik der Polnischen Regierung in der
SchlieBung von Schulen und in wirtschaftlichem Druck auf die Eltern, die ihre Kinder in die
deutsche Schule schicken.
Ich habe in alien vorerwahnten Fragen standig bei der Polnischen Regierung nachdriickliche
Vorstellungen erhoben, die weiter fortgesetzt werden, da die Polnische Regierung bisher
unseren Wlinschen kaum entsprochen hat. Hierbei habe ich immer wieder darauf
hingewiesen, daB uns das Schicksal der deutschen Volksgruppe in Polen mit Sorge erfulle und
daB die standig unterschiedliche Behandlung der deutschen Minderheit in Polen naturgemaB
eine Belastung unserer gutnachbarlichen Beziehungen zur Folge haben miisse. Ferner habe
ich weisungsgemaB geltend gemacht, daB die polnische Minderheit im Reich liberall in Arbeit
und Brot steht, wahrend die Deutschen in Polen trotz des auch dort erkennbaren
wirtschaftlichen Aufschwungs lediglich wegen ihres Deutschtums ihrer wirtschaftlichen
Grundlage beraubt werden. Im ubrigen sei der beste Beweis unseres guten Willens, auf dem
Minderheitengebiet Beschwerden auszuraumen, unser wiederholter Vorschlag an die
Polnische Regierung, von Zeit zu Zeit eine Aussprache von deutschen und polnischen
Sachverstandigen stattfinden zu lassen, eine Anregung, auf die die Polnische Regierung leider
bisher nicht eingegangen sei.
Ich werde die Anregung einer Aussprache liber die Minderheitenfrage weisungsgemaB weiter
betreiben, wiirde aber dankbar sein, wenn auch seitens des Auswartigen Amtes in gleichem
Sinne auf die dortige Polnische Botschaft eingewirkt werden konnte.
von Moltke
[154]
Nr. 171
Der Reichsminister des Auswartigen
an den Deutschen Botschafter in Warschau
Telegramm
Berlin, den 29. Juni 1938
Es wird hier ebenfalls flir angezeigt gehalten, die Eingabe Polenbundes vom 2. Juni sowie
dadurch verscharfte Spannung auf Minderheitengebiet zum AnlaB zu nehmen, um Polnische
Regierung erneut Verhandlungen liber Beschwerden beiderseitiger Minderheiten
vorzuschlagen. Bitte daher tunlichst bald entsprechende Demarche bei AuBenminister Beck
unternehmen und hierbei folgende Gesichtspunkte verwerten:
Eingabe Polenbundes sei von Reichsregierung eingehend geprlift worden, die bereit sei,
berechtigte Wlinsche polnischer Minderheit zu erflillen. Entgegenkommende Haltung
Reichsregierung sei bereits in Abstellung einzelner Beschwerden sowie in Empfang
polnischer Minderheitenvertreter durch Reichsinnenminister zum Ausdruck gekommen. Es
konne uns aber nicht zugemutet werden, bei der weiteren Behandlung dieser Fragen Lage
deutscher Minderheiten in Polen auBer Betracht zu lassen, die nach unserer Auffassung weit
groBeren AnlaB zu Beschwerden biete. Vertreter polnischer Minderheit hatten
Reichsinnenminister gegenliber zugegeben, daB sie auf wirtschaftlichem Gebiet keinerlei
AnlaB zu Klagen hatten. Demgegenliber miisse festgestellt werden, daB Deutsche in Polen
trotz des auch dort erkennbaren wirtschaftlichen Aufschwungs lediglich wegen ihres
Deutschtums ihrer wirtschaftlichen Grundlage beraubt wlirden.
Insbesondere habe negatives Ergebnis Verhandlungen Botschaft liber AgrarmaBnahmen
gegen deutsche Minderheit enttauscht, 111 in denen Polnische Regierung sich
diskriminatorischen Standpunkt Westverbandes zu eigen gemacht habe, daB deutscher Anted
an Grundbesitz Prozentsatz deutscher Bevolkerung angeglichen werden mlisse.
Auch Frage Handhabung Grenzzonenverordnung konne unmoglich auf sich beruhen bleiben,
da in Klirze bereits Exmissionen deutscher Besitzer zu erwarten seien, denen Genehmigung
zur Ubernahme ererbter Grundstiicke vor Jahresfrist versagt worden sei. Es sei zu befiirchten,
daB bevorstehende Vertreibung solcher Volksdeutscher von Haus und Hof ohnehin gereizte
Stimmung deutscher Grenzbevolkerung auf das ungunstigste beeinflussen und wiederum zu
ernsten Ruckwirkungen flir polnische Minderheit in Deutschland fiihren wiirde, wenn nicht
rechtzeitig Abhilfe geschaffen werde.
Eine Quelle standiger Beunruhigung deutscher Offentlichkeit bildeten ferner fortgesetzte
Entlassungen deutscher Arbeitnehmer in Ostoberschlesien sowie vom Westverband
organisierter Wirtschaftsboykott. Anheimstelle auch, auf Nichterfullung polnischer
Gegenleistung flir Genehmigung polnischen Gymnasiums in Marienwerder m und auf
rigoroses Vorgehen Schulbehorden gegen deutsche Schulen in Wolhynien hinzuweisen, wo
von 7.500 schulpflichtigen deutschen Kindern 5.800 gar keinen oder nur mangelhaften
Deutschunterricht genieBen.
[155] Bitte Herrn Beck gegeniiber ferner zum Ausdruck bringen, daB gespannte Lage in
polnischen Westprovinzen durch Polenbund-Beschwerde und ihre Behandlung in polnischer
Presse weiter verscharft worden ist. Deutsche Regierung verfolge diese Entwicklung, die
unsere sonst gutnachbarlichen Beziehungen zu storen geeignet sei, mit Besorgnis und halte es
flir dringend geboten, ihr durch eine offene Aussprache entgegenzuwirken, um die durch
Minderheitenerklarung eingeleitete Verstandigung auf Minderheitengebiet fortzufuhren. Sie
rege daher an, die Beschwerden der Volksgruppen durch beiderseitige Sachverstandige
umgehend zu priifen und nach Moglichkeit zu bereinigen.
Bitte Drahtnachricht liber Aufnahme Ihrer Demarche.
Ribbentrop
Nr. 172
Der Deutsche Botschafter in Warschau an das Auswartige Amt
Bericht
Warschau, den 9. Juli 1938
Ich habe heute die Minderheitenfrage entsprechend der Weisung vom 29. v. M~ bei Herrn
Beck zur Sprache gebracht. Dabei wies ich besonders darauf hin, daB die Nichterfullung der
polnischen Gegenleistungen in dem Spezialabkommen iiber Marienwerder 114 die Auswirkung
der Minderheitenvereinbarung vom 5. November 111 stark beeintrachtigt hatte. Die Tatsache,
daB bis heute - also nach 10 Monaten - die Erlaubnis zum Weiterbau in Bromberg noch nicht
erteilt worden sei, hatte naturgemaB in Deutschland den Eindruck entstehen lassen, daB auf
polnischer Seite keinerlei Neigung vorhanden sei, die Grundsatze des 5. November in die
Praxis umzusetzen. Ich habe ferner festgestellt, daB die Verhandlungen iiber die
Agrarreform— das einwandfreie Ergebnis einer differentiellen Behandlung der deutschen
Minderheit gehabt hat, und ich habe schlieBlich mit besonderem Nachdruck dargelegt, daB die
Beschwerde der polnischen Minderheit in Deutschland und die Art und Weise, in der sie von
der polnischen Presse behandelt worden sei, in verschiedener Hinsicht auBerordentlichen
Schaden angerichtet habe. Gerade das, was wir mit der Vereinbarung vom 5. November
hatten vermeiden wollen, ware eingetreten: daB namlich die Minderheitenfrage zum
Gegenstand politischer Auseinandersetzungen geworden sei und daB sich hierdurch die
Atmosphare in Polen und besonders in den Minderheitengebieten auBerordentlich
verschlechtert habe.
Ich habe anschlieBend hieran festgestellt, daB wir bei der Weiterbehandlung der polnischen
Minderheitenbeschwerde die Lage der deutschen Minderheit in Polen nicht auBer Betracht
lassen konnten und daB es uns zweckmaBig erscheine, statt uns gegenseitig in der
Offentlichkeit anzugreifen, eine freimutige um Aussprache liber das Problem herbeizufuhren.
Unser Vorschlag ginge daher dahin, daB die zustandigen Referenten der beiden
Innenministerien unter Assistenz von je einem Beamten der beiden AuBenministerien zu
periodischen Besprechungen zusammentreten mochten, um in offener Aussprache, ohne
Stoning durch die Presse, die verschiedenen Minderheitenprobleme zu priifen. Wir standen
auf dem Standpunkt, daB - ebenso wie die periodischen Besprechungen in Wirtschaftsfragen
und in Presseangelegenheiten ein gunstiges Ergebnis gehabt hatten - auch das Problem der
Minderheiten durch ein gleiches Verfahren gefordert werden konnte. Wir baten daher die
Polnische Regierung, diesen Vorschlag zu priifen, der, wie wir hofften, dazu beitragen konnte,
die durch die Minderheitenerklarung eingeleitete Verstandigung weiter fortzufiihren und
hierdurch zugleich auch die politischen Beziehungen an einem wichtigen Punkte zu entlasten.
Herr Beck erklarte zunachst, daB er es auBerordentlich bedauere, wenn die liber Marienwerder
getroffene Vereinbarung polnischerseits immer noch nicht restlos durchgeflihrt worden sei. Er
habe das nicht gewuBt und werde sofort das Notwendige veranlassen, damit diese Frage
endlich bereinigt wlirde.— Im librigen sei auch er der Auffassung, daB die Behandlung der
Minderheitenfragen durch die Presse eher schadlich als nlitzlich sei. Er habe seinerzeit, als die
Berliner Minderheitenbeschwerde hier zu einer gewissen Pressehetze geflihrt habe, sofort
eingegriffen, aber er gebe zu, daB es zu spat gewesen sei, um eine durchgreifende Wirkung zu
erzielen. Auch er sei ein Freund offener Aussprachen und er glaube, daB das immer noch der
beste Weg ware, um in schwierigen Fragen vorwarts zu kommen. Er stehe deshalb unserem
Vorschlage durchaus sympathisch gegenliber. NaturgemaB sei er nicht in der Lage, mir sofort
eine definitive Antwort zu geben, da die Angelegenheit die Grenzen seines Ressorts
liberschreite. Er werde aber sobald als moglich - in der nachsten Woche ginge es wegen seiner
Reise nach Riga leider noch nicht - dem Ministerprasidenten, der ja gleichzeitig Minister des
Innern sei, darliber Vortrag halten, und er konne mir schon heute zusagen, daB er unseren
Vorschlag beflirworten werde. Er behalte sich vor, zu gegebener Zeit darauf
zurlickzukommen.
Wenn die bisher ablehnende Haltung gegenliber dem Gedanken einer
Minderheitenkommission sich anscheinend zu wandeln beginnt, so liegt das wohl daran, daB
wir unsere Aktion diesmal in einem besonders glinstigen Zeitpunkt eingeleitet haben. Das
polnische Versagen in der Frage des gentlemen-agreement m schien Herrn Beck doch recht
unangenehm zu sein. Ebenso hatte er wohl auch selbst das Empfinden, daB die im
Zusammenhang mit der polnischen Minderheitenbeschwerde eingeleitete Presseaktion nicht
im Einklang mit den Absichten stand, die zu der Abmachung vom 5. November geflihrt
haben. Auch die Tatsache, daB in der Frage der Agrarreform der polnische VerstoB gegen die
Minderheitenerklarung einwandfrei feststeht, dlirfte mit dazu beigetragen haben, Herrn Beck
zu der Uberzeugung zu bringen, daB in der Frage der Minderheiten jetzt eine freundliche
Geste uns gegeniiber notwendig sei. Im ubrigen wird es sich aber empfehlen, die Erwartungen
hinsichtlich einer grundsatzlichen Anderung der polnischen Minderheitenpolitik nicht zu hoch
zu spannen.
von Moltke
£157]
Nr. 173
Der Deutsche Geschaftstrager in Warschau an das Auswartige Amt
Bericht
Warschau, den 19. Juli 1938
Der Kabinettschef des Polnischen AuBenministeriums Graf Lubienski bat mich gestern zu
sich und teilte mir mit, daB Herr Beck, der flir eine Woche auf Urlaub gegangen sei, ihn
beauftragt habe, mir die Antwort auf den Vorschlag des Botschafters von Moltke betreffend
den Zusammentritt einer Minderheitenkommission zu ubermitteln. Die Antwort, die Graf
Lubienski mir aus seinen Notizen vorlas, hat folgenden Wortlaut: "Die Polnische Regierung
lehnt im Prinzip den Vorschlag des Kontaktes der Vertreter der inneren Verwaltungen der
beiden Lander im Rahmen des Vorschlages von Herrn von Moltke nicht ab".
Wie schon aus der Fassung der Antwort hervorgeht, legt das Polnische AuBenministerium
Wert darauf, kein zu groBes Empressement in dieser Angelegenheit zu zeigen. Auf meine
Frage, wie er sich die weitere Entwicklung vorstelle, meinte Graf Lubienski, daB man wohl an
Besprechungen im Laufe des Herbstes denke, nahere Mitteilungen konne er mir aber im
jetzigen Stadium noch nicht machen. m
von Wuhlisch
Nr. 174
Der Deutsche Botschafter in Warschau an das Auswartige Amt
Telegramm
Warschau, den 11. Februar 1939
Entsprechend Weisung dortigen Telegramms vom 6. Februar war Polen mitgeteilt worden,
daB fur Minderheitenverhandlungen mit Einhaltung des von ihnen selbst vorgeschlagenen
Termins vom 13. Februar gerechnet wird und daB wir erwarteten, Verhandlungsbasis nicht
durch vollendete Tatsachen, insbesondere hinsichtlich Namensliste zur Agrarreform gestort
zu sehen. Schon die Aufnahme dieser Mitteilung lieB erkennen, daB entgegen den bisher
gegebenen Zusicherungen die Namensliste m unseren der Polnischen Regierung mitgeteilten
Wiinschen voraussichtlich nur wenig Rechnung tragen wird. Heute ist nunmehr vom hiesigen
AuBenministerium mitgeteilt worden, daB die polnischen Vertreter erst am 16. oder 17.
Februar in Berlin sein konnten, womit offenbar der Zweck verfolgt wird, die
Minderheitenverhandlungen erst nach dem gesetzlichen Termin flir Aufstellung der
Namensliste (15. Februar) beginnen zu lassen. Es ist darauf erneut dem Polnischen
AuBenministerium mitgeteilt worden, daB wir bitten mliBten, uns in Frage Agrarreform nicht
vor vollendete Tatsachen zu stellen, worauf Sachbearbeiter ausweichend antwortete, nssi daB
ihm Termin Veroffentlichung Namensliste nicht bekannt sei, daB er aber nach wie vor bemliht
bleibe, unseren Wunschen Geltung zu verschaffen. m
Die Behandlung dieser Frage sowie auch sonstige Anzeichen lassen leider erkennen, daB die
polnischen Ressorts nur mit innerem Widerstreben an die Minderheitenverhandlungen
herangehen.
Moltke
Nr. 175
Aufzeichnung eines Beamten der Politischen Abteilung
des Auswartigen Amts
Berlin, den 28. Februar 1939
In den gestern nachmittag aufgenommenen deutsch-polnischen Minderheitenverhandlungen
wurde zunachst der polnischen Seite ein Arbeitsprogramm vorgeschlagen und von dieser
angenommen. Heute wurde sodann in die Besprechung der Punkte I (Grenzzonenfragen— )
und II (Agrarreformfragen— ) eingetreten.
Die Polnische Delegation zeigte auBerst wenig Bereitwilligkeit, in der Grenzzonenfrage zu
konkreten Abreden zu gelangen.
Eine Besprechung der Agrarreform in dem MinderheitenausschuB bezeichnete die Polnische
Delegation als nicht angebracht, da entsprechende Erorterungen bereits zwischen der
Deutschen Botschaft in Warschau und dem Polnischen AuBenministerium schwebten.—
Die Verhandlungen werden morgen vormittag fortgesetzt werden. Polnischerseits wurde die
Absicht geauBert, schon morgen (1.3. 39) abends nach Warschau zuriickzukehren. Es wird
versucht werden, die polnischen Herren zu weiterem Bleiben zu veranlassen, da eine
grundsatzliche Erorterung des gesamten Programms in dieser kurzen Zeit unmoglich ist.
Bergmann
Nr. 176
Der Staatssekretar des Auswartigen Amts
an den Deutschen Botschafter in Warschau
Telegramm
Berlin, den 4. Marz 1939
Deutscherseits wurde polnischen Vertretern gestern Abend folgendes SchluBcommunique
vorgeschlagen:
"In der Zeit vom 27. Februar bis zum 3. Marz fand in Berlin die erste Aussprache zwischen
Vertretern der Deutschen und der Polnischen Regierung liber Fragen der deutschen
Volksgruppe in Polen und der polnischen Volks- ri59i gruppe im Reich statt. Die
Besprechungen boten den Vertretern der deutschen und polnischen inneren Verwaltungen
Gelegenheit zu einer unmittelbaren Fuhlungnahme. Hierbei wurden die grundsatzlichen
Fragen und einzelne Wiinsche auf alien die Volksgruppen betreffenden Gebieten eingehend
erortert. Es bestand Einvernehmen dariiber, daB diese Fragen und Wiinsche durch die
zustandigen Regierungen entsprechend dem beiderseitigen guten Willen gepriift werden
sollen, um den berechtigten Interessen der Volksgruppen Rechnung zu tragen.
Die Besprechungen werden alsbald fortgesetzt werden."
Polnische Vertreter haben sich mit Wortlaut einverstanden erklart mit Ausnahme letzten
Satzes, flir den sie folgende Fassung vorschlagen:
"Die Besprechungen werden wieder aufgenommen werden."
Botschafter Lipski hat heute Stellungnahme polnischer Vertreter gebilligt mit der
Begriindung, daB deutsche Formulierung SchluBsatzes Beunruhigung Volksgruppen
hervorrufen konne.
Da auf Grand polnischer Haltung in hiesigen Besprechungen bestimmter Eindruck besteht,
daB Polen sich weiterer Aussprache iiber Minderheitenfragen im AusschuB entziehen wollen,
bitte im Auftrage ReichsauBenministers, Herrn Beck um Einverstandnis mit deutschem Text
ersuchen. Bitte hierbei ausfuhren, daB Begriindung Lipskis Befremden ReichsauBenministers
hervorgerufen habe, da bei Vereinbarung Besprechungen in Warschau ausdrucklich
alsbaldige Fortsetzung der AusschuB-Besprechungen verabredet worden sei, um positive und
konkrete Ergebnisse zu erzielen.
Bitte Drahtbericht.
Weizsacker
Nr. 177
Der Deutsche Botschafter in Warschau an das Auswartige Amt
Telegramm
Warschau, den 10. Marz 1939
Wegen SchluBsatzes Communique zu Minderheitenbesprechungen habe ich weisungsgemaB
bei Herrn Beck interveniert. Herr Beck, der Inhalt Gesprachs mit Reichsminister bestatigte,
war iiber Einzelheiten Communiques nicht orientiert und stellte baldige Antwort in Aussicht.
Im Auftrage des Ministers hat heute Kabinettschef Lubienski folgenden Vorschlag
unterbreitet:
1. Communique wird mit von polnischen Vertretern vorgeschlagenem SchluBsatz
veroffentlicht.
2. Kabinettschef gibt im Namen AuBenministers Erklarung ab, daB Besprechungen
unmittelbar nach Bekanntgabe Ergebnisses deutscher Volkszahlung (also wohl
Anfang Juni) wieder aufgenommen werden.
3. Sollte dieser Vorschlag in Berlin nicht befriedigen, so ware AuBenminister Beck
auch bereit, Angelegenheit noch einmal mit Polnischem Ministerprasidenten zu
besprechen. Personlich bemerkte Graf Lubienski hierzu, um daB Widerstande im
Innenministerium gegen unsere Fassung SchluBsatzes groB seien, da man sich iiber
ZweckmaBigkeit Minderheitenbesprechungen noch kein endgiiltiges Urteil gebildet
habe.
Ich mochte annehmen, daB, wenn wir auf erneute Befassung Ministerprasidenten bestehen, es
gelingen wiirde - allerdings nicht ohne Zeitverlust - eine unseren Wiinschen mehr
entsprechende Fassung SchluBsatzes durchzusetzen. An polnischer Einstellung hinsichtlich
Zeitpunktes nachster Besprechung wiirde hierdurch aber nichts geandert werden.—
Moltke
Nr. 178
Der Reichsminister des Innern an das Auswartige Amt
Berlin, den 4. Marz 1939
Die Verhandlungen iiber Minderheitenfragen, die am 27. Februar unter meiner Leitung mit
den Vertretern der Polnischen Regierung begonnen wurden, sind gestern zum AbschluB
gelangt. Ein ausfuhrliches Protokoll iiber den Verlauf der Besprechungen werde ich
demnachst ubersenden.
Die Verhandlungen haben leider ein durchaus unbefriedigendes Ergebnis gehabt. Die Polen
denken nicht daran, ihre Politik gegenuber der deutschen Volksgruppe irgendwie zu andern.
Sie mogen auf weniger wichtigen Gebieten zu kleinen Zugestandnissen bereit sein, in den das
Leben der deutschen Volksgruppe beriihrenden Fragen sind sie jedoch bestrebt, ihre bisherige
Entdeutschungspolitik mit allem Nachdruck fortzusetzen.
Im Auftrag
Vollert
AmnectaMgen:
08 Vgl. Nr. 104 , Anlage . ...zuriick...
09 Am 12. Januar 1938 teilte der Polnische Geschaftstrager mit, daB die deutscherseits
angeregten periodischen Aussprachen von beiderseitigen Regierungsvertretern liber
Minderheitenfragen polnischerseits als verfriiht angesehen wiirden. ...zuriick...
10 Vgl. Nr. 88 , Anlage , S. 93 , Anm. T541 . ...zuriick...
n Vgl. Nr. 160 , Anm. T991 . ...zuriick...
12 Vgl. Nr. Ill , 114 , 115 , 117 und 135. ...zuriick...
13 Vgl. Nr. 171 . ...zuriick...
14 Vgl. Nr. Ill , 114 , 115 , 117 und 135. ...zuriick...
15 Vgl. Nr. 101 . ...zuriick...
16
17.
Vgl. Nr. 160 , Anm. [101] S. 146, Nr. 162 und Nr. 166 , S. 149 Anm. [105] , ...zuriick...
Zu einer endgliltigen Regelung der Angelegenheit ist es nicht gekommen. ...zuriick...
18 Vgl. Nr. Ill , 114 , 115 , 117 und 135. ...zuriick...
19 Im Laufe der nachsten Monate ist die Botschaft noch wiederholt, aber immer vergeblich,
auf die Angelegenheit zuriickgekommen. Gelegentlich der Anwesenheit des Reichsministers
des Auswartigen in Warschau im Januar 1939 hat dieser die Frage der
Minderheitenkommission erneut zur Sprache gebracht, worauf dann endlich eine Zusage
erfolgte. Vgl. Nr. 202 . ...zuriick...
120 Vgl. Nr. 162 . ...zuriick...
171
Tatsachlich erschien am 15. Februar eine Namensliste, die wiederum in volligem
Widerspruch zu den Zusagen der Minderheitenerklarung stand. Vgl. Nr. 163 ff. ...zuriick...
122
1 23
Vgl. Nr. 88 , Anlage S. 93, Anm. [54] . ...zuriick...
Vgl. Nr. 156 ff. ...zuriick...
124
125
Vgl. Nr. 166 . ...zuriick...
Von der Veroffentlichung eines Communiques muBte abgesehen werden, da eine Einigung
liber die Fortsetzung der Verhandlungen nicht zu erzielen war. ...zuriick...
Erstes Kapitel (Fo rts. )
Entwicklung der Deutsch-Polnischen Beziehungen
B. Deutschlands Bemuhen
um eine Verstandigung mit Polen, 1933 bis 1939
XI. Zur Lage in Danzig
(1933 bis 1939)
Nr. 179
Ubereinkommen zwischen dem Senat der Freien Stadt Danzig
und der Polnischen Regierung, 5. August 1933—
Der Senat der Freien Stadt Danzig und die Polnische Regierung sind, von dem Wunsch
beseelt, die strittigen Fragen im Einvernehmen zwischen den beiden Regierungen zu regeln,
unter den Auspizien des Hohen Kommissars des Volkerbundes iiber folgendes
ubereingekommen :
1. Der Senat der Freien Stadt Danzig und die Polnische Regierung sind sich dariiber
einig, daB das vor den Instanzen des Volkerbundes in der Frage der Ausnutzung des
Danziger Hafens schwebende Verfahren fur die Dauer dieses Ubereinkommens
eingestellt werden soil.
2. Die Polnische Regierung wird unverzliglich alle notwendigen MaBnahmen
ergreifen, um den Ruckgang des seewartigen Verkehrs (Einfuhr, Ausfuhr und
Durchfuhr), der gegenwartig iiber den Hafen von Danzig geht, unter Beriicksichtigun|
der Quantitat und der Qualitat der Waren zu verhindern.
Die Polnische Regierung wird in Zukunft dem Hafen von Danzig, soweit dies in
ihrer Macht liegt, eine gleiche Beteiligung an dem seewartigen Verkehr (Einfuhr,
Ausfuhr und Durchfuhr) unter Beriicksichtigung der Quantitat und der Qualitat der
Ware sichern. Die Parteien verpflichten sich, zu diesem Zweck durch
Zusammenkunfte in regelmaBigen Zeitabstanden standig in Fiihlung zu bleiben.
3. Der Senat der Freien Stadt Danzig wird im Rahmen der finanziellen und
wirtschaftlichen Moglichkeiten der Freien Stadt mit der Polnischen Regierung an der
Forderung des direkten seewartigen Verkehrs zusammenarbeiten.
4. Jede der Parteien behalt sich das Recht vor, mit dreimonatiger Frist den Hohen
Kommissar zu bitten, das vor ihm schwebende Verfahren wieder aufzunehmen.
Nr. 180
Der Deutsche Generalkonsul in Danzig an das Auswartige Amt
Bericht
Danzig, den 9. Mai 1934
In seiner Sitzung vom 20. v. M. hat der "Verband der Polen in der Freien Stadt Danzig" ein
Programm angenommen, das am 1. d. M. in seiner Verbandszeitung Straz Gdanska
veroffentlicht wurde und zielbewuBt auf die Polonisierung der Danziger Wirtschaft und
Beschrankung der Rechte der deutschfuhlenden Bevolkerung Danzigs hinarbeitet.
Insbesondere ist auf folgende Bestimmungen hinzuweisen:
Im § 3 des Programms heiBt es, der Verband der Polen erstrebe die Erziehung von
nationalbewuBten polnischen Staatsangehorigen, die zu jeder Opfertat flir die nationale Sache
und das Wohl der polnischen Gemeinde fahig seien, und entwickele zu diesem Zweck eine
systematische Propaganda und Organisationsaktion.
Im § 7 wird festgestellt, der Verband der Polen betrachte die Freie Stadt als "unerlaBlichen
und nicht abtrennbaren Teil des Wirtschaftsorganismus Polens" und strebe "die weitgehendste
Vereinigung Danzigs mit Polen sowie die engste polnisch-Danziger Zusammenarbeit auf
alien Gebieten des Wirtschaftslebens" an.
Im § 9 wird eine Vereinigung der Danziger Wirtschafts- und Berufsorganisationen mit den
Organisationen in Polen sowie eine Anpassung der Danziger Wirtschafts- und
Finanzgesetzgebung an die polnische Gesetzgebung verlangt.
SchlieBlich heiBt es im § 11, die Innenpolitik der Freien Stadt mlisse mit der Politik der
Polnischen Regierung harmonieren. Der Verband der Polen betrachte die Zusammenarbeit
und die Verstandigung mit den polnischen Behorden als Grundlage seiner Tatigkeit.
von Radowitz
Nr. 181
Der Deutsche Generalkonsul in Danzig an das Auswartige Amt
Bericht
Danzig, den 8. August 1934
Die am 6. August in Danzig unterzeichneten Abkommen zwischen Danzig und Polen liber
Wirtschaftsfragen bilden ein einheitliches Ganzes. Das Ziel der Danziger Regierung war, in
den Wirtschaftsverhandlungen zu einer vertraglichen Regelung zu kommen, die die
bisherigen Erschwernisse im Warenaustausch zwischen Danzig und Polen beseitigt, die bisher
von polnischer Seite geiibte Wirtschaftskontrolle in Wegfall bringt und damit Streitfragen aus
der Welt schafft, die seit Jahren das Danzig-polnische Verhaltnis wirtschaftlich und politisch
aufs schwerste belastet haben. Dieses Ziel, das die Danziger Regierung sich gesteckt hat,
diirfte im wesentlichen erreicht sein, vorausgesetzt, daB die abgeschlossenen Abkommen von
der Gegenseite loyal eingehalten werden.
Q63] Was die einzelnen abgeschlossenen Vertrage angeht, so ist folgendes hervorzuheben:
1. Das Abkommen liber die Beteiligung Danzigs an den polnischen Einfuhrkontingenten
beseitig den jahrelangen Streit um die Danziger Eigenbedarfskontingente und um die
Wirtschaftskontrolle.
Flir die Dauer des Abkommens laBt Danzig seine Rechte auf Eigenbedarfskontingente
ruhen, dafiir garantiert Polen Danzig Anteile an den polnischen Einfuhrkontingenten flir
Einfuhr verbotener Waren. Die Danziger Anteile werden prozentmaBig flir die einzelnen
Waren errechnet. Bei Unterzeichnung dieses Abkommens hat der diplomatische Vertreter
Polens die Erklarung abgegeben, daB in Verfolg der neuen Regelung die
Wirtschaftskontrollen in Wegfall kommen. Die gleiche Feststellung ist in einer bei der
Unterzeichnung vereinbarten amtlichen Pressenotiz enthalten.
2. Das Abkommen liber den Verkehr mit Lebensmitteln und Bedarfsgegenstanden hat
ebenfalls zum Ziele, die bisherige Wirtschaftsgrenze zwischen Danzig und Polen zu
beseitigen. Es setzt fest, daB der Verkehr zwischen Danzig und Polen mit diesen Waren frei
ist, desgleichen der Verkehr eines dieser Lander mit dem Auslande liber das andere Land, in
gleicher Weise der Transit. In Zukunft werden also Sperren, wie sie Polen in den letzten
Monaten fur Margarine, 6le, Fette, Kase, Fische erlassen hatte, nicht mehr moglich sein. Die
Gegenleistung Danzigs bei diesem Abkommen besteht darin, daB es sich zur Annahme der
einschlagigen polnischen Gesetze und Verordnungen bereitgefunden hat.
3. Das Veterinarabkommen und das Pflanzenschutzabkommen enthalten Vereinbarungen
mehr technischer Art. Die innere Selbstandigkeit beider Staatswesen auf diesem Gebiete ist
gewahrt.
4. Das Abkommen liber den Verkehr mit Erzeugnissen der Landwirtschaft und der Fischerei
regelt den Absatz der genannten Erzeugnisse polnischer Herkunft im Danziger Gebiet, um zu
verhindern, daB die Danziger Landwirtschaft durch ungehemmtes Hereinstromen polnischer
landwirtschaftlicher Erzeugnisse in das Danziger Gebiet ruiniert wird. Die polnische Einfuhr
ist kontingentiert worden, wobei die Polen zugebilligten Kontingente im allgemeinen dem
entsprechen, was Polen in den letzten Jahren nach Danzig tatsachlich bereits abgesetzt hat.
Die Gegenleistung Danzigs fur das polnische Zugestandnis besteht darin, daB den polnischen
Erzeugnissen mit gewissen Einschrankungen die Danziger Preise zugebilligt werden.
5. Das Abkommen liber die Regelung verschiedener Zollfragen hat die groBten
Schwierigkeiten bei den Verhandlungen gemacht, so daB mehrmals die Gefahr des Scheiterns
der Verhandlungen bestand. Polen hat die Zollfrage mit den Wirtschaftsfragen verstrickt, um
in den Zollangelegenheiten auf Danzig einen Druck ausliben zu konnen. Das machtpolitische
Ziel Polens in dieser Frage war, das Danziger Recht zur Organisation des Zolldienstes zu
beseitigen, den polnischen Zollinspektoren in Danzig eine den ganzen Zolldienst
beherrschende Mitwirkung zu verschaffen, die Danziger Zollbeamten praktisch in die Gewalt
Polens zu bringen und Danzig zu zwingen, alle Anordnungen des Polnischen Finanzministers
ohne Rlicksicht auf ihre RechtmaBigkeit so lange auszuflihren, bis Danzig eine rechtskraftige
Entscheidung der Volkerbundsinstanzen erwirkt hatte. Diese polnischen Ziele sind nicht
verwirklicht worden. Danzig hat aber, um in den Wirtschaftsfragen zu einer Einigung zu
kommen, nicht unerhebliche Zugestandnisse machen mlissen. In der Frage der Organisation
sind diese Zugestandnisse unbedeutend. Namentlich ist das Recht ri64i Danzigs, den Zolldienst
auf dem Danziger Gebiet zu organisieren, nicht angetastet worden. Auch in der Frage der
Uberwachung durch die polnischen Zollinspektoren ist die Rechtslage kaum zuungunsten
Danzigs verandert worden. Sehr ernst war der Kampf um die Danziger Zollbeamten.
Praktisch erstrebte Polen eine Losung, die der bei der Eisenbahn im Danziger Gebiet
gleichgekommen ware und dieselben verwlistenden Wirkungen gehabt hatte. Nach
monatelangem Verhandeln hat man sich schlieBlich darauf geeinigt, daB bei Besetzung des
Postens des Leiters des Landeszollamts und einiger weiterer wichtiger Stellen des
Zolldienstes Polen unter gewissen Voraussetzungen ein Einspruchsrecht hat und die
Abberufung dieser Beamten fordern kann. Was ferner die Forderung Polens angeht, daB
Danzig sich verpflichten sollte, alle Anordnungen des Finanzministers durchzuflihren,
vorbehaltlich spaterer Entscheidung der Volkerbundsinstanzen, so ist die getroffene Regelung
flir Danzig noch leidlich ertraglich. Der Art. 12 stellt in dieser Hinsicht im wesentlichen fest,
daB die MaBnahmen des Polnischen Finanzministers flir Danzig verbindlich sind, daB dies
jedoch nicht gilt im Bereich der Danziger Sonderrechte, wie sie in der Anlage II Zoll zum
Warschauer Abkommen enthalten sind. SchlieBlich hat sich Danzig der polnischen
Forderung, daB die Danziger Zollbeamten auf das Interesse des gemeinsamen Zollgebietes
vereidigt werden sollten, mit Erfolg widersetzt.
Die einzelnen Abkommen werden am 1 . September in Kraft treten, mit Ausnahme des
landwirtschaftlichen Abkommens, das bereits am 10. August in Kraft tritt. Samtliche
Abkommen gelten flir die Dauer von zwei Jahren mit Verlangerungsmoglichkeit.
von Radowitz
Nr. 182
Der Deutsche Generalkonsul in Danzig an das Auswartige Amt
Bericht
Danzig, den 9. Januar 1935
Anfang August 1934 wurde in Danzig ein polnischer SportausschuB (Rada Sportowa)
gegriindet, dessen Sitz die Militarabteilung bei der Diplomatischen Vertretung der Republik
Polen in Danzig, Neugarten 27, unter der Leitung des Chefs der Militarabteilung,
Oberstleutnant Antoni Rosner, ist. Der SportausschuB ist die Spitzenorganisation aller in
Danzig bestehenden polnischen Vereine militarischen Einschlags, die in Polen im "Strzelec"
(Schutzenverband) aufgehen. In Danzig bildet der SportausschuB nur eine Tarnung flir den
Schutzen verb and und setzt sich zum Ziel, alle vorerwahnten Vereine zusammenzufassen und
die Mitglieder einer einheitlichen militarischen Ausbildung zu unterziehen.
Der SportausschuB umfaBt zur Zeit nachstehende polnische Vereinigungen:
1. Reserve-Offiziersverein,
2. Reserve-Unteroffiziersverein,
3. Vereinigung ehemaliger Freiwilliger der polnischen Armee Danziger Staatsangehorigkeit,
4. Legionar-Verein,
5. Verein ehemaliger Krieger,
6. Sokol-Falkenverein,
[lea 7. Pfadfinder,
8. Jugendvereinigung,
9. Ordnungswache vom Verbande der Polen,
10. Sportabteilung der militarischen Eisenbahner-Vorbereitung,
11. Militarische Vorbereitung der Postbeamten und Angestellten,
12. Akademischer Aeroklub,
13. Akademischer Sportklub,
14. Sportklub Gedania,
15. Ruderklub,
16. Yacht- oder Seeklub,
17. Luft- und Gasschutzliga.
Die aufgefiihrten Vereinigungen sind vom SportausschuB ermachtigt, die militarische
Schulung ihrer Mitglieder selbstandig - allerdings unter Leitung von aktiven Offizieren und
unter deren standiger Uberwachung - durchzufiihren. Die Tatigkeit hat in der Hauptsache den
Zweck, die noch nicht militarisch ausgebildete Jugend und die entlassenen gedienten Soldaten
militartuchtig zu machen und zu erhalten. PlanmaBige militarische Ubungen, wie Exerzieren,
Felddienst und SchieBen, finden fur die Danziger Mitglieder des Sportausschusses in
Gdingen, Dirschau und Umgegend statt. Theoretischer Unterricht wird im hiesigen polnischen
Eisenbahndirektionsgebaude und im Hause der hiesigen Diplomatischen Vertretung der
Republik Polen in Danzig erteilt.
Die militarische Schulung der Mitglieder erfolgt insbesondere durch die Hauptleute der
Militarabteilung Szagon, Steranski, Krukierek, die Oberleutnants Kucharski, Kubalski, den
Kommandeur Eibel, die Zollkommissare Tarnowiecki, Lipinski, Manczyk, Peszkowski und
den Hauptmann Wit-Wlosek vom Danziger Biiro. Der SportausschuB wird von der
Diplomatischen Vertretung der Republik Polen in Danzig weitgehend unterstutzt und
gefordert. Er ist daher in der Lage, im Gebiete der Freien Stadt Danzig eine starke Tatigkeit
zu entfalten.
von Radowitz
Nr. 183
Der Deutsche Generalkonsul in Danzig an das Auswartige Amt
Bericht
Danzig, den 7. Februar 1935
Wie ich bereits unter dem 7. Dezember 1934 berichtet habe, war den Vertretern der
deutschstammigen Danziger Eisenbahner in der Besprechung der durch die
Massenkundigungen vom Dezember v. J. entstandenen Sachlage vom Senat freigestellt
worden, offentliche Versammlungen einzuberufen, um in diesen zu dem polnischen Vorgehen
Stellung zu nehmen. Eine solche Protestversammlung hat nunmehr am letzten Sonntag, dem
3. Februar 1935, vormittags 10 Uhr, in der hiesigen Messehalle unter starker Beteiligung aller
Kreise der Danziger Bevolkerung stattgefunden.
Nach Eroffnung der Kundgebung durch den Volkstagsabgeordneten Bezirksleiter Kendzia
ergriff der Vorsitzende der Gewerkschaft der Eisenbahn-Hafenbeamten und -anwarter im
Gebiet der Freien Stadt Danzig, Volkstagsabge- ri66i ordneter Nicklas, das Wort zu
eingehenden Ausfuhrungen iiber die Behandlung der deutschstammigen Danziger
Eisenbahner durch die polnische Eisenbahnverwaltung seit dem Ubergang der Verwaltung der
Danziger Eisenbahnen auf Polen. Die Rede des Abgeordneten Nicklas zeigt unter Anfuhrung
genauesten Zahlenmaterials, wie die polnische Eisenbahndirektion in den vergangenen 13
Jahren systematisch das deutsche Element aus dem Danziger Eisenbahnbetrieb entgegen alien
volkerrechtlichen Bindungen und Verpflichtungen zugunsten Polnischstammiger verdrangt
hat. Die von Nicklas in seinen Ausfuhrungen aufgezeigten polnischen Methoden bei der
Bekampfung dieses Teiles des Danziger Deutschtums machen die stellenweise auBerst
scharfen Worte des Redners durchaus begreiflich.
Wie unangenehm der polnischen Eisenbahnverwaltung diese Protestkundgebung war, erhellt
aus der Tatsache, daB die hiesige Polnische Diplomatische Vertretung unmittelbar nach der
Anbringung der Einberufungsplakate an den Danziger Anschlagssaulen vom Danziger Senat
unter Uberreichung eines Aide-Memoires ein sofortiges Verbot der Versammlung mit der
Begrundung verlangte, daB die Kundgebung die polnisch-Danziger Beziehungen ernstlich
belasten mlisse. Die Polnische Regierung habe seinerzeit durch Wiedereinstellung einer
gewissen Zahl entlassener Eisenbahner den Wunschen der Danziger Regierung in vollem
Umfang Rechnung getragen. Im Hinblick darauf, daB das polnische Vorgehen gegen die
Eisenbahner jeder Begrundung entbehrt und deren Emporung durchaus begreiflich ist, hat der
Senat der Polnischen Diplomatischen Vertretung geantwortet, daB er keine Veranlassung
habe, die geplante Versammlung zu verbieten, zumal die Danziger Verfassung die
Versammlungsfreiheit Danziger Staatsangehoriger garantiere, falls die offentliche Ruhe,
Sicherheit und Ordnung nicht gefahrdet sei. Der Senat sei der Uberzeugung, daB die
Versammlungsteilnehmer trotz ihrer durchaus begreiflichen Erregung die offentliche Ruhe,
Sicherheit und Ordnung nicht gefahrden wiirden. Im ubrigen sei diese auch durch
ausreichende Polizeikrafte gesichert.
Anscheinend wird die Polnische Vertretung nunmehr auf die Angelegenheit nicht mehr
zuruckkommen. Hingegen nimmt die offiziose Gazeta Polska die Protestkundgebung zum
AnlaB, um in einem Artikel in Nr. 36 vom 5. Februar d. J. unter der Uberschrift "Eine Aktion,
welche die Zusammenarbeit nicht erleichtert" die Ausfuhrungen des Abgeordneten Nicklas
als demagogisch abzutun, ohne allerdings dessen Behauptungen im einzelnen entkraften zu
konnen.
Ich mochte die Gelegenheit nicht voriibergehen lassen, ohne mit groBem Nachdruck auf die
Riicksichtslosigkeit der polnischen Methode in dieser Angelegenheit hinzuweisen, die eine
recht miBtonende Begleitmusik zu der deutsch-polnischen Verstandigung darstellt.
von Radowitz
Nr. 184
Der Deutsche Generalkonsul in Danzig an das Auswartige Amt
Bericht
Danzig, den 15. April 1935
Das hiesige Biiro der polnischen Eisenbahndirektion Thorn hat in den letzten Tagen
wiederum 20 bis 25 deutschstammigen Eisenbahnern zum nachstzulassigen Termin
gekiindigt. Die Mehrzahl der Gekundigten befindet sich langer als 12 Jahre im Dienst, einige
von ihnen bereits 16, 19 und 22 Jahre. um Die meisten haben eine groBere Familie, so daB die
plotzliche Auflosung des Dienstverhaltnisses flir sie eine besondere wirtschaftliche Harte
bedeutet. Irgendwelche Griinde sind bei dem Aussprechen der Kiindigung polnischerseits
nicht angegeben worden.
Der Senat hat gegen die Kiindigungen unverzuglich bei der hiesigen Polnischen
Diplomatischen Vertretung Protest erhoben und gebeten, die Angelegenheit griindlich zu
uberpriifen sowie die Weiterbeschaftigung der Gekundigten zu veranlassen.
von Radowitz
Nr. 185
Der Deutsche Generalkonsul in Danzig an das Auswartige Amt
Bericht
Danzig, den 24. Juli 1935
Die Polnische Regierung hat, wie dort bereits bekannt, durch eine Verordnung vom 18. d. M.,
die am 21. Juli d. J. in Kraft getreten ist, bestimmt, daB Zollamter auf dem Gebiet der
Zolldirektion Danzig zur endgiiltigen Zollabfertigung nur diejenigen Auslandswaren
annehmen dlirfen, die fur den Konsum der Freien Stadt Danzig bestimmt sind. Die
Interessenten mussen bei der Abfertigung bei Zollamtern im Gebiet der Freien Stadt Danzig
darlegen, daB dieser Anordnung entsprechend die Waren fur den inneren Konsum bzw. fur
den Gebrauch im Freistaatgebiet bestimmt sind. Die Bedeutung dieser polnischen Anordnung
flir das Danziger Wirtschaftsleben ergibt sich aus folgenden Erwagungen:
Der Einfuhrhandel, der bisher iiber Danzig ging, wird durch diese Regelung planmaBig von
Danzig fortgetrieben, weil es flir ihn praktisch nicht moglich ist, die Zollabfertigung (und die
damit verbundenen Formalitaten iiber Einfuhrbewilligungen, Erteilung von
Ursprungszeugnissen usw.) auBerhalb des Eingangshafens zu erledigen. Tatsachlich hat
bereits auch die Industrie- und Handelskammer Warschau eine Veroffentlichung
herausgegeben, in der vor dem Einfuhren von Ware iiber Danzig gewarnt wird. Wird so aber
der Einfuhrhandel absichtlich von Danzig fortgehalten, so trifft dies mittelbar auch den
gesamten Ausfuhrhandel, der bisher iiber Danzig ging, weil bei dem inneren Zusammenhang
zwischen Einfuhr und Ausfuhr - schon im Hinblick auf die Inanspruchnahme der
Schiffstonnage flir beide Zwecke - die ausschlieBliche Benutzung des Danziger Hafens flir die
Ausfuhr aus Polen nicht denkbar ware.
Die Verordnung beriihrt daher die wirtschaftlichen Lebensgrundlagen des Danziger Hafens
und damit der Freien Stadt selbst.
Unter diesen Umstanden hat Senatsprasident Greiser den Polnischen Diplomatischen
Vertreter zu sich gebeten und ihm die in der Anlage beigefugte Protestnote des Senats der
Freien Stadt ubergeben. Mundlich hat der Senatsprasident, wie mir mitgeteilt wird, Herrn
Papee gegeniiber nachdriicklich auf die schwerwiegenden Folgen der polnischen Verordnung
hingewiesen und betont, daB dieselbe mit den Danzig-polnischen Vertragen vollig
unvereinbar sei. Im einzelnen hat der Senatsprasident folgendes ausgefuhrt:
Die Durchfuhrung der Verordnung muBte zur Folge haben, daB Danzigs Handel und Industrie
bei der Versorgung des polnischen Marktes mit Auslandswaren ausgeschaltet werde, daB der
Danziger Hafen, dessen naturliches Hinter- uml land Polen ist und der in seinen AusmaBen
und seiner Einrichtung auf dieses Hinterland eingestellt ist, vollkommen verode. Die
Ruckwirkungen im Zusammenhang hiermit auf die ubrigen Zweige der Danziger Wirtschaft
muBten verheerend sein.
Danzig sei in die Zollgrenze Polens einbezogen worden, damit die fur Polen bestimmten
Waren auch in Danzig endgultig verzollt und ungehindert nach Polen weitergesandt werden
konnten. Diese Regelung sei nicht nur im Interesse Polens, sondern auch im Interesse Danzigs
erfolgt, wie es zum Beispiel aus dem Warschauer Abkommen hervorgehe, nach welchem die
Regierung Polens verpflichtet sei, in ihren Zollgesetzen die Interessen der Freien Stadt Danzig
zu schiitzen Wenn in Danzig nur die fur Danzig selbst bestimmten Waren verzollt werden, so
ware nicht einzusehen, warum diese Waren nach der polnischen Gesetzgebung und dem
polnischen Zolltarif verzollt werden, warum ihre Verzollung von polnischen Zollinspektoren
uberwacht werden soil, warum Polen einen Anteil an den fur diese Waren gezahlten Zollen
erhalten soil, warum polnische Einfuhrbewilligungen fur diese Waren erforderlich sein sollen
usw. Die Verordnung stehe hiernach in einem unvereinbaren Widerspruch zu den Danzig-
polnischen Vertragen. In Erwagung dieser feststehenden Rechtslage und in Anbetracht der
Tatsache, daB bei der Durchflihrung dieser Verordnung bleibende Schaden entstehen wiirden,
die auf keine Weise wiedergutgemacht werden konnten, habe sich der President des Senats im
Einvernehmen mit dem gesamten Senat entschlossen, die Danziger Zollverwaltung
anzuweisen, diese Verordnung nicht zur Anwendung zu bringen.
Trotz der Nichtdurchfuhrung dieser Verordnung sei der Senat sich jedoch dariiber im klaren,
daB diese Tatsache der Nichtdurchfuhrung allein nicht geniigen konne, um eine schwere
Schadigung von der Danziger Wirtschaft abzuwenden. Schon auf die Nachricht von dem
ErlaB dieser Verordnung hin seien sofort in groBem Umfange Waren und Schiffe von Danzig
nach Gdingen umgeleitet worden. Solange die Verordnung nicht aufgehoben sei, wiirden
nicht nur polnische, sondern auch sehr schwer ins Gewicht fallende internationale
Wirtschaftskreise sich nicht entschlieBen konnen, sich bei der Einfuhr von Waren aus dem
Zollausland des Danziger Hafens und des Danziger Handelsapparats zu bedienen. Die hieraus
dem Danziger Handel und der gesamten Danziger Bevolkerung erwachsenden Schaden
muBten so groBe werden, daB sie von Danzig nicht getragen werden konnten. Aus diesem
Grande miisse sich die Danziger Regierung im Namen der gesamten Danziger Bevolkerung
die Anmeldung von Schadenersatzforderungen, flir die Polen allein verantwortlich gemacht
werden miisse, vorbehalten. Um die bereits eingetretenen wirtschaftlichen Schaden und um
die zweifellos noch eintretenden Komplikationen zu verhindern, miisse der Senat an den
Diplomatischen Vertreter Polens die Bitte richten, bei seiner Regierung wegen sofortiger
Aufhebung der Verordnung vorstellig zu werden.
Papee hat von diesen Erklarungen des Danziger Senats Kenntnis genommen und mitgeteilt, er
wiirde zur Besprechung der Frage nach Warschau reisen.—
von Radowitz
Anlage
Der Prasident des Senats der Freien Stadt Danzig
an den Diplomatischen Vertreter der Republik Polen in Danzig
Danzig, den 23. Juli 1935
Herr Minister,
Aus dem Gesetzblatt der Republik Polen hat der Senat Kenntnis erhalten von einer am 18. Juli
erlassenen Verordnung, mit der die Tatigkeit der Danziger Zollamter auf Abfertigung
derjenigen Auslandswaren beschrankt wird, die flir die Bedurfnisse des ortlichen Verbrauchs
und Gebrauchs im Gebiet der Freien Stadt Danzig bestimmt sind.
Diese Verordnung stellt einen Einbruch von auBerordentlicher Tragweite in das zwischen der
Freien Stadt Danzig und der Republik Polen bestehende Rechtsverhaltnis dar. Ich habe aus
diesem Grande das Landeszollamt der Freien Stadt Danzig angewiesen, diese Verordnung
nicht auszuflihren.
Indem ich Ihnen, Herr Minister, den Protest des Senats der Freien Stadt Danzig gegen den
ErlaB dieser Verordnung ubermittle, erwarte ich, daB diese Verordnung sofort zuriickgezogen
wird.
AuBerdem behalt sich der Senat der Freien Stadt Danzig weiterhin vor, alle MaBnahmen zu
treffen, die ihm zum Schutz der Danziger Interessen notwendig erscheinen. Er behalt sich
insbesondere vor, Ersatz fur alle Schaden zu verlangen, die der Freien Stadt Danzig durch die
Verordnung erwachsen sollten.
Greiser
Nr. 186
Der Deutsche Generalkonsul in Danzig an das Auswartige Amt
Bericht
Danzig, den 8. November 1935
Aus durchaus zuverlassiger Quelle wird mir mitgeteilt, daB die polnische
Eisenbahnverwaltung Vorbereitungen getroffen hat, die darauf schlieBen lassen, daB sie die
Absicht hat, in Kiirze samtliche iibernommenen deutschstammigen Eisenbahnbeamten aus
dem Dienst zu entlassen. Vor einiger Zeit sind samtliche Vorsteher der Eisenbahndienststellen
und da, wo noch deutsche Vorsteher sind, deren polnischstammige Vertreter auf das
Eisenbahnbetriebsamt bestellt worden. Man hat ihnen aufgegeben, sofort Vorsorge zu treffen,
daB an einem noch zu bestimmenden Tage mit einem Schlage samtliche Dienstposten des
Betriebs- und Verkehrsdienstes, bis herab zu den Weichenstellern mit polnischstammigen
Bediensteten besetzt werden konnen. Wo solche polnischstammigen Bediensteten nicht zur
Verfugung stehen, sollen sie sofort in die Ausbildung genommen werden. Den vorgeladenen
Beamten wurde strengste Verschwiegenheit zur Pflicht gemacht.
Diese Nachrichten werden von den hiesigen Stellen sehr ernst genommen. Man vermutet, daB
moglicherweise hinter der geplanten polnischen Aktion, sich samtlicher deutschstammigen
Eisenbahnbeamten zu entledigen, noch rnoi weitergehende Absichten stehen. Es wird dabei an
Falle gedacht, bei denen Polen entscheidend daran gelegen sein muB, sich bei der auf
Danziger Gebiet befindlichen polnischen Eisenbahn bis zum letzten Streckenwarter und
Weichensteller unbedingt sicher zu wissen.
In Vertretung
Koester
Nr. 187
Der Deutsche Botschafter in Warschau an das Auswartige Amt
Bericht
Warschau, den 17. Juli 1936
Am 17. d. M. veranstaltete eine groBe Zahl von Verbanden und Organisationen, darunter der
Legionarsverband, die Frontkampferverbande, der Schiitzenverband, Gewerkschaften,
Angestelltenverbande, Pfadfinder usw., unter Fiihrung der See- und Kolonialliga eine
offentliche Demonstration auf dem Marktplatz der Warschauer Altstadt.
In den Maueranschlagen, die die Bevolkerung zur Teilnahme an der Kundgebung
aufforderten und auf die die gesamte Presse hinwies, heiBt es, jede Revision des Danziger
Statutes diirfe nur in der Richtung einer Erweiterung der polnischen Rechte in Danzig gehen.
Polen allein konne der gesamten Danziger Bevolkerung die Bedingungen freier kultureller,
politischer und wirtschaftlicher Entwicklung sichern und der polnischen Bevolkerung als
"Mit-Hausherren" des Gebiets eine "gleichrangige" Entwicklung garantieren.
An der Kundgebung auf dem Warschauer Marktplatze beteiligten sich etwa 10.000 Personen.
Neben kleinen Ortsgruppen der See- und Kolonialliga waren einzelne Organisationen des
Legionarsverbandes und des Schutzenverbandes sowie die Gewerkschaften der
Postangestellten und der Eisenbahner vertreten. Das Gros der Teilnehmer bildeten die
sozialistischen Gewerkschaften und die sogenannten Moraczewski-Gewerkschaften, die
regierungsfreundlich sind. Die sozialistischen Gewerkschaften kamen unter Absingen der
"Internationale" und mit Transparenten, wie "Alle Macht den Arbeitern und Bauern",
anmarschiert.
Auf dem Versammlungsplatz sprach ein Vertreter der See- und Kolonialliga, ein Vertreter der
Sozialistischen Partei, ein Vertreter der Moraczewski-Gewerkschaften und der Vorsitzende
der "Gesellschaft der Vaterlandsverteidiger". Am SchluB der Reden wurde die bereits durch
die Maueranschlage bekannte Resolution verlesen, die dem General-Inspekteur Rydz-Smigly
und dem Ministerprasidenten Skladkowski ubersandt werden soil. Die Kundgebung endete
mit dem Spiel der Nationalhymne und dem Marsch zum Belvedere-SchloB, bei dem
unterwegs wiederholt die "Internationale" gesungen wurde.
Der Redner der See- und Kolonialliga forderte im Falle einer Revision des Danziger Statutes
einen weitgehenden Ausbau der polnischen Rechte in Danzig. Den starksten Beifall erntete
der sozialistische Redner, der von der Mundung des Weichselstromes sprach, an der sich eine
Hitlerregierung niedergelassen habe, die ihre Befehle aus dem Dritten Reich erhalte. Die
deutschfeindliche Rede des Sozialisten wurde von Niederrufen gegen den rnn Prasidenten
Greiser, gegen den Faschismus und gegen den Hitlerismus begleitet. Der Redner der
"Gesellschaft der Vaterlandsverteidiger" stellte sich auf einen kriegerischen Ton ein und
schloB mit den Worten: Wenn der General-Inspekteur befehle, wiirde ganz Polen
marschieren!
Die Transparente, die bei dem Umzug getragen wurden, hieBen etwa: "Danzig war polnisch
und wird polnisch sein", " Danzig verdankt Polen seinen Wohlstand", "Die Weichselmundung
gehort Polen", "Danzig gehort zur Weichsel" und ahnliches. Einige wenige Transparente
lauteten in dem Sinne: "Deutschland, Hande weg von Danzig!".
Wie die einzelnen Redner ankundigten und wie auch durch die Presse bekanntgegeben
worden ist, sollen am 19. d. M. ahnliche Kundgebungen wie die heutige Warschauer
Demonstration im ganzen Lande stattfinden, wobei allenthalben die See- und Kolonialliga die
Veranstalterin ist.
von Moltke
Nr. 188
Der Deutsche Generalkonsul in Danzig an das Auswartige Amt
Bericht
Danzig, den 4. August 1936
Unter dem 27. Marz d. J. hat der Senat der Freien Stadt Danzig an den Polnischen
Diplomatischen Vertreter ein Protestschreiben gerichtet, in welchem Danzig dagegen
Verwahrung einlegt, daB Polen in mehreren Fallen internationale Vertrage oder Abkommen
abgeschlossen hat, bei denen die Diplomatische Vertretung der Republik Polen unterlassen
hat, den Senat von den Vertragen vorher gemaB Artikel 6 des Pariser Vertrages vom 9.
November 1920 in Kenntnis zu setzen, oder die dem Senat so spat vorgelegt worden sind, daB
eine ordnungsmaBige Stellungnahme Danzigs nicht mehr moglich war. Polen hat das
Danziger Protestschreiben nicht beantwortet.
In Vertretung
Eckner
Nr. 189
Der Deutsche Generalkonsul in Danzig an das Auswartige Amt
Bericht
Danzig, den 4. November 1936
Der Senat teilt mit, daB seit einiger Zeit an der Danziger Grenze bei Einlage (10 km vor
Elbing) 7 polnische Zollbeamte in Uniform Dienst tun, und zwar angeblich nicht in
Zollbeamtenuniform, sondern in der Uniform von Grenzwachtbeamten. Die dort lebende
deutschstammige Bevolkerung faBt diese MaBnahme der Polen als Herausforderung auf und
ist begreiflicherweise sehr erregt hieriiber. Seitens des Senats ist die hiesige Polnische
Diplomatische Vertretung ersucht worden, dafiir zu sorgen, daB diese Beamten
zuriickgezogen werden. Die Polnische Diplomatische Vertretung hat das Danziger Ersuchen
abgelehnt.
von Radowitz
11721
Nr. 190
Der Deutsche Generalkonsul in Danzig an das Auswartige Amt
Bericht
Danzig, den 11. November 1936
Wie bereits durch Funkbericht von der hiesigen Vertretung des Deutschen Nachrichten-Bliros
gemeldet, haben sich einige Teilnehmer einer aus AnlaB des 18jahrigen Bestehens Polens am
10. d. M. in Danzig veranstalteten Feier der hiesigen polnischen Kolonie schwere
Beleidigungen gegeniiber den Symbolen und Hoheitszeichen des Reiches und der
Nationalsozialistischen Bewegung zuschulden kommen lassen.
Der Wirt der Sporthalle, in der die Feier stattfand, hatte fur Polizeibeamte, die aus
Sicherheitsgrunden die Veranstaltung unauffallig iiberwachen sollten, ein kleines Zimmer
reserviert. In dieses Zimmer waren vier Polen eingedrungen und hatten aus einem Schrank
Symbole und Hoheitszeichen des Reiches und der Nationalsozialistischen Bewegung
entwendet und mehrere davon unter lautem Gelachter zerrissen.
von Radowitz
Nr. 191
Der Senat der Freien Stadt Danzig
an die Diplomatische Vertretung der Republik Polen in Danzig
Aide-Memoire
Danzig, den 5. April 1937
Unter dem heutigen Tage hat das polnische Finanzamt in Dirschau Margarineprodukte der
Danziger Firma Amada beim Ubergang nach Polen angehalten und die Zahlung einer Akzise
verlangt. Die Margarine war unter der Kontrolle der Danziger Zollorgane nur aus
einheimischen Rohstoffen hergestellt. Die Erhebung einer Akzise war daher nicht
gerechtfertigt. Diese rechtswidrige MaBnahme ist von einschneidender Bedeutung flir die
wirtschaftlich auBerordentlich wichtige Danziger Margarineindustrie. Sie droht, diese
Industrie lahmzulegen und damit eine betrachtliche Anzahl von Arbeitern brotlos zu machen.
Die MaBnahme ist weiterhin geeignet, die Fettversorgung Danzigs zu desorganisieren, so daB
der Senat sich gegebenenfalls in die Lage versetzt sehen wird, unverzuglich MaBnahmen zu
treffen, um hier Ordnung zu schaffen.
Der Senat ersucht, unverzuglich Fursorge zu treffen, daB die der Errichtung einer
unzulassigen Wirtschaftsmauer zwischen Danzig und Polen gleichkommende MaBnahme
aufgehoben wird.
Nr. 192
Der Deutsche Generalkonsul in Danzig an das Auswartige Amt
Bericht
Danzig, den 15. November 1937
AnlaBlich des Jahrestages der polnischen Unabhangigkeitserklarung am 1 1 . November fanden
am letzten Sonntag in den von polnischen Minderheiten bewohnten Dorfern des Freistaates
Danzig Feiern statt. Diese wurden von zahlreichen Vertretern des Polentums aus Danzig
besucht.
Bemerkenswert an der Feier im Dorfe GroB-Trampken sind Ausfiihrungen in der Rede des
Diplomatischen Vertreters der Republik Polen in Danzig, Minister Chodacki. Er hat hierbei u.
a. erklart: "Ich kann mich noch genau an die Zeit erinnern, wie ich in den Krieg zog mit der
Hoffnung auf das Auferstehen Polens. Ebenso sollen die Polen hier in Danzig in der Hoffnung
sein und warten, daB sie in kurzester Zeit auf polnischem Boden wohnen werden."
von Luckwald
Nr. 193
Der President des Senats der Freien Stadt Danzig
an den Diplomatischen Vertreter der Republik Polen in Danzig
Danzig, den 24. August 1938
Herr Minister!
In Pommerellen, insbesondere in Gdingen, Graudenz, Thorn und Dirschau, haben am
vergangenen Sonnabend und Sonntag durch den Westmarkenverband veranstaltete
Versammlungen stattgefunden, deren Verlauf mich mit tiefer Besorgnis erfullt. Die Tendenz
dieser Versammlungen war auf einen derartig aufhetzenden Ton gegen Danzig gestimmt, daB
es mir schwer fallt, Herr Minister, Ihren Worten weiterhin Glauben zu schenken, daB man in
Polen gegeniiber Danzig freundlich gesinnt ist und daB Ihre Regierung stets bemiiht ist, den
Belangen Danzigs gerecht zu werden und jeden Zwischenfall zu vermeiden.
Selbst wenn ich mich nur an die Berichte polnischer Zeitungen halte und nicht auf die
Tatsachen, die mir sonst berichtet sind, eingehe, ist in den Reden der
Versammlungsteilnehmer ein so tiefer HaB gegen die Danziger zum Ausdruck gekommen und
eine so absichtlich entstellende Darstellung der Danziger Verhaltnisse, daB die Absicht des
Hetzens und des Unruhestiftens in erschreckender Weise zum Durchbruch kommt. Alle meine
und meiner Regierung Bemuhungen, den Wunschen der Polnischen Republik in jeder Weise
entgegenzukommen und alles zu vermeiden, was auch nur wie ein Schein von
Benachteiligung der Polen in Danzig aussieht, mussen allmahlich zwecklos werden, wenn von
polnischer Seite nur allzu oft Ubelwollen, HaB und Verleumdung zu spliren sind.
Es handelt sich dabei nicht um zufallige AuBerungen unverantwortlicher polnischer Kreise,
sondern um wohlvorbereitete Volksversammlungen eines Verbandes, der durch die Polnische
Regierung durchaus gestiitzt wird. Es rmi ware ein leichtes fur die Polnische Regierung
gewesen, diese Veranstaltungen, deren Tendenz ihr bekannt sein muBte, vorher zu verbieten.
Ich kann es mir nicht versagen, Ihnen einige Zitate aus den Reden bei diesen
Zusammenkunften in Pommerellen anzufiihren:
"Es ist hochste Zeit, mit dem strafbaren Raubertum der Danziger Kampftruppen SchluB zu
machen. Danzig muB polnisch werden." "Der unaufhorlich geiibte Terror durch bewaffnete
Danziger Kampftruppen gegeniiber Polen und polnischen Kindern sowie polnischen
Eisenbahnern." Von "hitlerischen Gewalttatigkeiten", von "Bewerfen polnischer Madchen mit
Steinen" und von "einer bestialischen Tat gegen einen polnischen Eisenbahner" ist die Rede;
von der "verruchten Hitlerbande" wurde gesprochen und von der Absicht, diese Hitlerbande
zu vernichten und von "wiitendem Terror" und "Verfolgungen".
In alien diesen Versammlungen wurde die Stimmung so aufgepeitscht, daB chauvinistische
Zwischenrufe in groBer Zahl ertonten, wie: "Totet die Hitlerbande", "Gebt uns Karabiner",
"Wir wollen nach Danzig", "Raus mit den Deutschen aus Danzig" usw.
In dieser Stimmung wurden EntschlieBungen angenommen, die von Beleidigungen gegen die
Freie Stadt Danzig geradezu strotzten und in denen - um einiges zu erwahnen - von
"barbarischen Verhaltnissen in Danzig" und davon gesprochen wird, daB Polen den brutalen
Eigenwillen and das straflose Banditentum in Danzig gegeniiber Polen bandigen soil.
Alles dieses hat sich scheinbar ohne jeden AnlaB von Danziger Seite abgespielt. Denn ich
kann nicht ernstlich glauben, daB die Tatsache, daB 2 Danziger junge Menschen, die sich zum
Polentum bekennen, ein paar Schlage bekommen haben, wirklich der Grand flir diesen HaB
sein konnte. Ich komme dabei auf Ihr Schreiben vom 16. d. Mts., Herr Minister, zu sprechen,
in dem Sie sich flir die Gebrader Mach einsetzen. Es handelt sich hier um einen von den
Geschadigten auBerordentlich aufgebauschten Vorfall. Diese jungen Leute, die deutsch
sprachen und die in grober Weise die Hakenkreuzfahne provozierten, sind von einem
entrusteten Publikum gepriigelt worden, ein Vorfall, der bedauerlich, trotzdem aber
verstandlich ist, wenn die Offentlichkeit immer wieder sehen muB, wie sich Danziger Burger
polnischer Einstellung provozierend und hohnend gegen Wahrzeichen verhalten, die der
groBen Mehrheit der Danziger lieb und wert sind.
Darf ich Ihre Aufmerksamkeit darauf lenken, daB in Polen sehr, sehr haufig Kinder Danziger
Staatsangehoriger gepriigelt werden, ohne daB gleich die Danziger Regierung eine
Beschwerde einreicht. Ich mochte auch darauf hinweisen, daB ruhige Danziger
Staatsangehorige, die seit vielen Jahren in Graudenz und Thorn ihrem Berafe nachgehen,
Zettel folgenden Inhalts erhalten haben:
"Die Hand der Justiz.
Im Namen der groBen und gerechten Sache Polens befehle ich Ihnen als Danziger
Staatsangehorigen, die Stadt Graudenz wie auch die Grenzen der Republik Polen mit
Ihrer ganzen Familie sofort zu verlassen.
Zur Erledigung Ihrer personlichen Angelegenheiten geben wir Ihnen 3 Tage Zeit.
Wir bemerken, daB nach Ablauf dieser Frist, falls Sie sich nicht freiwillig aus Polen
entfernen, wir gegen Sie wie auch gegen Ihre Familie alle MaBnahmen anwenden und
sogar so weit gehen werden, daB wir Sie radikal aus Polen hinauswerfen werden.
Die Hand der Justiz."
[175] und daB die Kinder dieser Danziger sich jeden Morgen fiirchten, in die Schule zu gehen,
weil sie besorgt sein miissen, durch polnische Staatsangehorige gepriigelt zu werden.
Ich fiihre dieses an, urn zu zeigen, daB trotz der geringen Anzahl von Danzigern, die in Polen
leben, flir den Danziger Senat gewiB nicht weniger AnlaB vorliegt, sich iiber Taten
unverantwortlicher Menschen in Polen zu beklagen.
Ich bin aber zu meinem groBten Bedauern gezwungen festzustellen, daB jedes Vorkommnis,
das irgendwie mit Danzig zusammenhangt, von einem Verbande wie dem
Westmarkenverband oder auch von Zeitungen, wie dem Kurjer Baltycki, die der Regierung
nahestehen, derart maBlos entstellt wird, daB nur noch die Absicht der Verhetzung klar zu
erkennen ist. Wenn man den bedauerlichen Unfall eines polnischen Eisenbahners, der mit
Danzig auch nicht das geringste zu tun hat, zu einem "Mord, begangen durch 6 hitlerische
Danziger" umfalscht,— so sind das Zustande, deren Duldung durch die Polnische Regierung
nicht mehr verstandlich ist, zumal die entstellende Darstellung in die Auslandspresse lanciert
wurde und dort ein entsprechendes Echo gefunden hat.
Ich spreche die Erwartung aus, daB Sie, Herr Minister, unverzuglich Ihre Regierung davon in
Kenntnis setzen, welche Wirkungen die Versammlungen des Westmarkenverbandes und die
verleumderische Darstellung des Kurjer Baltycki in Danzig ausgelost haben, und daB alles
geschieht, um diesem unverantwortlichen und den Frieden gefahrdenden Treiben Einhalt zu
gebieten.
Genehmigen Sie, usw.
Greiser
Nr. 194
Der Deutsche Generalkonsul in Danzig an das Auswartige Amt
Bericht
Danzig, den 14. November 1938
AnlaBlich des 11. Novembers, des 20. Jahrestages der Wiedererlangung der Unabhangigkeit
Polens, haben, wie auch schon regelmaBig in den friiheren Jahren, in Danzig eine Reihe von
Veranstaltungen stattgefunden.
Deren Hohepunkt bildete am Abend des 12. November eine Akademie in den Raumen der
Sporthalle, an welcher Minister Chodacki personlich teilnahm. Die Festrede hielt der
polnische Sejmabgeordnete Walewski aus Warschau, der im Laufe seiner Ausfuhrungen
bezeichnende Anspielungen auf Danzig machte. Unter Hinweis auf die befreiten polnischen
Briider im Olsa-Gebiet erklarte er, daB auch die Polen in Danzig hier dasselbe erleben wiirden
und daB Polen seine Grenze so erweitern wolle, wie sie dereinst zu Zeiten des Konigs
Boleslaw Chobry waren. Auch auf einem Unabhangigkeitsfest der polnischen Minderheit in
Zoppot am 13. v. M., auf dem ebenfalls ein Mitglied der hiesigen Polnischen Diplomatischen
Vertretung anwesend war, beruhrte der Festredner, der Vizemarschall der Vereinigung
"Gmina Polska - Zwiazek um Polakow e. V.", Major a. D. Professor Dr. Pilecki, die Danziger
Frage. Er wies auf die angeblichen Schikanen hin, unter denen die polnische Minderheit in
Danzig zu leben habe, auBerte sich abfallig iiber den Geist der SA und $i, in die nach seiner
Behauptung zahlreiche Polen aus Not hatten eintreten miissen, und stellte als Parole auf, den
Tag zu erwarten, an dem sich alle Polen wieder vereinigen wiirden; auch die Polen in Danzig
mliBten die Standarte des Vaterlandes hochhalten, um dasselbe Los zu erringen, das den Olsa-
Briidern beschieden sei.
von Janson
Nr. 195
Der Deutsche Generalkonsul in Danzig an das Auswartige Amt
Bericht
Danzig, den 23. Februar 1939
Eine Anzahl polnischer Zeitungen hat vor kurzem emporte Berichte iiber Zwischenfalle
veroffentlicht, die sich in dem auch von polnischen Studenten haufig besuchten Cafe
Langfuhr in Danzig-Langfuhr abgespielt haben.
Nach den mir auch von Danziger Seite gemachten Angaben war es bereits am 29. Januar d. J.
im Cafe Langfuhr zwischen deutschen und polnischen Studierenden der hiesigen Technischen
Hochschule zu tatlichen Auseinandersetzungen gekommen. Da weitere Zwischenfalle zu
befurchten waren, hat der Inhaber des Cafes am 10. d. M. an die polnische
Studentenvereinigung "Bratnia Pomoc" ein Schreiben gerichtet, in dem er darum bat, daB
kunftig polnische Studenten sein Lokal nicht mehr besuchten. Dieses Schreiben wurde von
polnischer Seite nicht beachtet. Als einige Tage spater polnische Studenten wiederum das
Cafe Langfuhr aufsuchten, entdeckten sie angeblich einen im Innern des Cafes angebrachten
Zettel mit der handschriftlichen Inschrift: "Hunden und Polen Zutritt verboten". Nach
polnischer Darstellung soil dieser Zettel von deutschen Studenten angebracht worden sein.
DaB letzteres der Fall ist, haben die eingeleiteten polizeilichen Ermittlungen in keiner Weise
ergeben. Vielmehr besteht der dringende Verdacht, daB ein polnischer Student den Zettel
selbst im Lokal befestigt hat.
Die polnische Studentenvereinigung "Bratnia Pomoc" hat diese Vorfalle zum AnlaB
genommen, um am 16. d. M. die an der Technischen Hochschule studierenden Polen zu einer
Protestversammlung zu vereinigen. Auf dieser Versammlung wurde eine EntschlieBung
angenommen, die zunachst feststellt, die "Bratnia Pomoc" erblicke die naturliche Rolle des
Danziger Gebiets nur in dem Dienst und der engen Verbindung mit dem Mutterlande, der
Republik Polen. Nur die polnische Nation habe das Recht, iiber die Weichselmundung zu
bestimmen. Weiter wird in scharfer Form sofortige Genugtuung verlangt und die Polnische
Regierung aufgefordert, unter Verwendung des Grundsatzes "Zahn um Zahn" wirksame
GegenmaBnahmen zu ergreifen.
Wie mir vertraulich erganzend mitgeteilt wird, haben die polizeilichen Untersuchungen die
bezeichnende Tatsache ergeben, daB an der erwahnten Versammlung der polnische
Hauptmann Krukierek teilgenommen hat, der der um Militarabteilung der hiesigen
Polnischen Diplomatischen Vertretung angehort und als solcher diplomatische Vorrechte
genieBt.
Der Verdacht, daB die hiesige Polnische Diplomatische Vertretung mit dem provokatorischen
Verhalten der polnischen Studenten in einem nahen Zusammenhang steht, laBt sich danach
nicht von der Hand weisen.—
von Janson
Nr. 196
Der Deutsche Generalkonsul in Danzig an das Auswartige Amt
Bericht
Danzig, den 16. Marz 1939
Nach zahlreichen Besprechungen und Verhandlungen, die in der Zwischenzeit stattgefunden
haben, steht die endgultige Beilegung des Konfliktes zwischen den deutschen und den
polnischen Studenten der hiesigen Technischen Hochschule nunmehr binnen kurzem zu
erwarten. Das Ergebnis der Verhandlungen ist in dem Entwurf eines Protokolls niedergelegt
worden, der gestern abend paraphiert worden ist. Die endgultige Unterzeichnung des
Protokolls ist noch nicht erfolgt.
Nicht ohne Interesse sind gewisse AuBerungen, die die an den Kommissionssitzungen
beteiligten polnischen Legationsrate im Laufe eines Beisammenseins nach Paraphierung des
beigefugten Protokolls am gestrigen Abend gegeniiber Regierungsrat Siegmund gemacht
haben. Die beiden polnischen Herren erklarten zu dem Studentenkonflikt, Warschau habe die
Angelegenheit auBerordentlich ernst angesehen; es habe nach Auffassung der maBgebenden
polnischen Kreise nur noch ein Funkchen gefehlt, um eine militarische Aktion gegen Danzig
und damit eine Auseinandersetzung zwischen Deutschland und Polen herbeizufuhren. Diese
Behauptung steht zu den kurzlichen beruhigenden Erklarungen des Polnischen
AuBenministers Beck im bemerkenswerten Gegensatz und ist, wie mir scheint, von der
reichlich nervosen Haltung Ministers Chodacki nicht unbeeinfluBt geblieben, der im Laufe
seiner Besprechungen mit Senatsprasident Greiser wieder einmal, wie schon friiher bei
anderen Anlassen, erklart hat, er uberlege sich, ob er nicht von seinem Amt zurucktreten
miisse.
von Janson
Anmcriuingcn:
126 Am 5. Augustl933 wurde neben dem oben wiedergegebenen, durch ein SchluBprotokoll
erganzten Ubereinkommen liber die Ausnutzung des Danziger Hafens ein Ubereinkommen
"betreffend die Behandlung polnischer Staatsangehoriger und anderer Personen polnischer
Herkunft oder Sprache auf dem Gebiete der Freien Stadt Danzig" paraphiert und durch einen
Schriftwechsel erlautert. Ein weiterer Danzig-polnischer Schriftwechsel vom gleichen Tage
betraf die Regelung der Streitfragen iiber Ratifikationsurkunden, Passe und die Exequatur-
Erteilung an Konsuln in Danzig.
Die Initiative zu den Abmachungen vom 5. August 1933 geht auf den Besuch des
Danziger Senats in Warschau vom 3. Juli 1933 zuruck, in dessen Verlauf von Danziger wie
von polnischer Seite zum Ausdruck gebracht worden war, daB direkte Verhandlungen
zwischen den Parteien iiber die zahlreichen Danzig-polnischen Streitfalle aufgenommen
werden sollten. ...zuruck...
1 77
Der durch die polnische Zollverordnung heraufbeschworene Konflikt zwang den Danziger
Senat zu gewissen GegenmaBnahmen. (Anordnung der zollfreien Einfuhr einiger
Warengattungen in Danzig.) Der Konflikt wurde schlieBlich durch ein Abkommen zwischen
Danzig und Polen vom 8. August 1935 beigelegt, in dem Polen sich zur Aufhebung der
Zollverordnung vom 18. Juli 1935 verpflichtete. ...zuruck...
1 7R
In der Nacht vom 17. auf den 18. August verungluckte der polnische Eisenbahner Winnicki
auf der Eisenbahnstrecke Danzig-Gdingen. Wegen dieses Ungliicksfalles wurden von
polnischer Seite gegen Danziger Eisenbahner haltlose Verdachtigungen vorgebracht, die den
Mittelpunkt einer gegen Danzig gerichteten Propaganda-Aktion bildeten. Vgl. Nr. 155 .
...zuruck...
1 7Q
Vgl. hierzu auch Nr. 152 . ...zuruck...
Erstes Kapitel (Fo rts. )
Entwicklung der Deutsch-Polnischen Beziehungen
B. Deutschlands Bemuhen
um eine Verstandigung mit Polen, 1933 bis 1939
XII. Deutsche Bemiihungen
um eine giitliche Losung der Danzig- und Korridorfrage
(Oktober 1938 bis Mai 1939)
Nr. 197
Unterredung des Reichsministers des Auswartigen
mit dem Polnischen Botschafter,
Berchtesgaden, 24. Oktober 1938
Aufzeichnung des Vortragenden Legationsrats Hewel
Zu Beginn der Aussprache entwickelt der Herr ReichsauBenminister dem Polnischen
Botschafter ein Bild der augenblicklichen Lage.
Herr Lipski erlautert sodann den AnlaB seines Besuches: Polen sei interessiert an der
Stabilisierung des Donauraumes. Die Karpatho-Ukraine mit ihrer Unordnung, ihren 80
Prozent Analphabeten, sei ein Herd flir alle nur denkbaren politischen Stromungen, ein
wahres Kommunistenzentrum. Sie habe zusammen 650.000 Einwohner, davon etwa 250.000
Ungarn und Juden und 400.000 Ruthenen. Wegen dieses Unruheherdes habe Polen schon
manchen scharfen Notenwechsel mit Prag gehabt. Beck habe ihm gesagt, er wolle, daB aus
dieser Krise etwas Vernlinftiges herauskomme. Eine Angliederang an Ungarn sei der Wunsch
Polens.
Im librigen sei eine gemeinsame polnisch-ungarische Grenze von groBem Wert als
Abriegelung gegen den Osten. Die Geruchte von der Blockbildung gegen Deutschland seien
Unsinn, sie waren durch die Haltung Polens gegenliber SowjetruBland wahrend der Krise
mehr als widerlegt worden. Die polnische Politik sei gewesen, die Ungarische Regierung in
der slowakischen Frage zur MaBigung und in der karpatho-ukrainischen Frage zum Angriff zu
bewegen. Er, Lipski, hoffe, daB eine Losung in dem erwahnten Sinne den deutschen
Interessen nicht entgegenlaufe.
Der Herr ReichsauBenminister erklart dem Botschafter, ihm seien diese Ideen etwas neu und
er wolle sie sich einmal in Ruhe uberlegen. Er habe wohl Verstandnis flir die polnischen
Wlinsche, aber er sehe auch gewisse Schwierigkeiten, die wir zu beriicksichtigen hatten.
Der Herr ReichsauBenminister kommt nun auf das groBe allgemeine Problem, weswegen er
Herrn Lipski nach Berchtesgaden gebeten habe und das er einmal ganz vertraulich, nur fur
Lipski, Beck und ihn bestimmt, anschneiden wolle. Er bittet den Botschafter, mundlich Herrn
Beck liber das Besprochene zu berichten, da sonst die Gefahr des Heraussickerns, besonders
an die Presse, zu groB sei. Der Botschafter sagt dies zu. Mit der Einleitung verbindet der Herr
ReichsauBenminister auch eine Einladung an Herrn Beck, der ihn doch einmal im Laufe des
nachsten Monats besuchen moge. Die polnischen Freunde hatten hiermit eine Dauereinladung
nach Deutschland. Der Botschafter nimmt dieses mit Freude an und will Herrn Beck
benachrichtigen.
Der Herr ReichsauBenminister fiihrt nun aus, daB er glaube, es sei an der Zeit, zwischen
Deutschland und Polen zu einer Generalbereinigung aller bestehenden
Reibungsmoglichkeiten zu kommen. Dies ware eine Kronung des vom Marschall Pilsudski
und dem Fiihrer eingeleiteten Werkes. Er zieht unser Verhaltnis zu Italien zum Vergleich
heran, wo der Fiihrer auch um einer Generalbereinigung willen und aus tiefer Erkenntnis
heraus den Verzicht auf Sudtirol geleistet habe. Eine solche Ubereinkunft sei auch mit Polen
und auch jtm flir Polen erstrebenswert und lage in der Richtung der Politik des Fiihrers, zu
alien Nachbarn in ein klares Verhaltnis zu kommen. Nicht ausgeschlossen sei, daB auch
einmal mit Frankreich noch klarere Abmachungen, liber die Erklarung des Fiihrers bezliglich
der Grenze hinaus, getroffen wlirden. Mit Polen sei hier zunachst liber Danzig zu sprechen,
als Teillosung einer groBen Regelung zwischen den beiden Nationen. Danzig sei deutsch - sei
immer deutsch gewesen und werde auch immer deutsch bleiben. Er, der ReichsauBenminister,
denke sich eine Losung im groBen wie folgt:
1. Der Freistaat Danzig kehrt zum Deutschen Reich zurlick.
2. Durch den Korridor wlirde eine exterritoriale, Deutschland gehorige
Reichsautobahn und eine ebenso exterritoriale mehrgleisige Eisenbahn gelegt.
3. Polen erhalt im Danziger Gebiet ebenfalls eine exterritoriale StraBe oder Autobahn
und Eisenbahn und einen Freihafen.
4. Polen erhalt eine Absatzgarantie flir seine Waren im Danziger Gebiet.
5. Die beiden Nationen anerkennen ihre gemeinsamen Grenzen (Garantie) oder die
beiderseitigen Territorien.
6. Der deutsch-polnische Vertrag wird urn 10 bis 25 Jahre verlangert.
7. Die beiden Lander fiigen ihrem Vertrag eine Konsultationsklausel bei.
Der Polnische Botschafter nimmt diese Anregung zur Kenntnis. Obwohl er natiirlich erst mit
Herrn Beck sprechen miisse, mochte er doch bereits jetzt sagen, daB es falsch sei, Danzig als
ein Produkt von Versailles, etwa wie das Saargebiet, zu betrachten. Man miisse die historische
und geographische Entstehungsgeschichte Danzigs verfolgen, um die richtige Einstellung zu
dem Problem zu bekommen.
Der Herr ReichsauBenminister erklart, er wolle jetzt keine Antwort horen. Der Botschafter
solle sich dies alles einmal durchdenken und so bald wie moglich mit Herrn Beck dariiber
sprechen. SchlieBlich diirfe man eine gewisse Reziprozitat bei diesen Betrachtungen nicht
ausschalten. Fur den Fiihrer sei eine endgiiltige Anerkennung des Korridors innerpolitisch
sicherlich auch nicht leicht. Dazu miisse man sakular denken - und Danzig sei nun einmal
deutsch und wiirde es immer bleiben.
Herr Lipski verspricht, dies alles genauestens mit Herrn Beck zu besprechen. Er werde
Donnerstag etwa nach Warschau fahren und konne etwa Anfang der nachsten Woche zuriick
sein. Seine Hauptbitte sei der Gedankenaustausch iiber die Ungarnfrage. Herr Beck lasse
sagen, Polen sei bereit, falls der Wunsch Ungarns nach einem Schiedsspruch der drei Lander
Deutschland, Italien und Polen seitens der ersten beiden Lander angenommen werde, sich zu
beteiligen.
Der Herr ReichsauBenminister weist demgegenuber auf das mit einem Schiedsspruch
verkniipfte Risiko hin.
Bei einer zweiten kurzen Aussprache erwahnt der Herr ReichsauBenminister die Karpatho-
Ukraine. Der Botschafter betont, daB Polen kein Interesse an einem Gebietszuwachs dort
unten habe, sondern daB es ausschlieBlich der Wunsch Polens sei, mit Ungarn eine
gemeinsame Grenze zu erhalten.
Der Herr ReichsauBenminister verspricht, diesen Komplex noch einmal durchzudenken, und
meint hierzu, daB, wenn man zwischen Deutschland und Polen zu einer Globallosung komme,
auch sicher flir dieses Problem ein gunstiges Arrangement gefunden werden konne.
Die Unterredung verlief in sehr freundschaftlichem Tone.
Hewel
1801
Nr. 198
Unterredung des Reichsministers des Auswartigen
mit dem Polnischen Botschafter, 19. November 1938
Aufzeichnung
Ich empfing heute urn 1 Uhr den Polnischen Botschafter Lipski.
Herr Lipski erklarte mir, er habe AuBenminister Beck iiber den Inhalt unseres Gesprachs in
Berchtesgaden vom 24. Oktober informiert und er sei nunmehr in der Lage, mir die
Stellungnahme Becks hierzu mitzuteilen. Herr Lipski las alsdann von einem Zettel Teile
seiner Instruktionen vor.
1. AuBenminister Beck sei der Auffassung, daB das deutsch-polnische Verhaltnis im
allgemeinen seine Probe bestanden habe. Wahrend der tschechischen Krise habe sich gezeigt,
daB das deutsch-polnische Abkommen auf einer dauerhaften Grundlage aufgebaut sei.
AuBenminister Beck glaube, daB die geradlinige polnische Politik fur Deutschland bei der
Gewinnung des Sudetengebietes von Nutzen gewesen sei und wesentlich dazu beigetragen
habe, diese Frage einer glatten Losung im deutschen Sinne zuzuflihren. Die Polnische
Regierung habe wahrend dieser kritischen Tage alle Sirenenklange, die von gewisser Seite
ertont seien, unbeachtet gelassen.
Ich erwiderte Herrn Lipski, daB sich auch meiner Auffassung nach das deutsch-polnische
Abkommen als hieb- und stichfest erwiesen habe. Durch die Aktion des Fuhrers gegen die
Tschechoslowakei habe Polen die Moglichkeit gehabt, das Olsagebiet zu gewinnen und eine
Anzahl sonstiger Grenzwiinsche zu befriedigen. Im iibrigen stimme ich mit ihm uberein, daB
auch die polnische Haltung flir Deutschland die Dinge erleichtert habe.
2. Herr Lipski machte alsdann weitschweifige Ausfuhrungen, um die Wichtigkeit und
Bedeutung Danzigs als freie Stadt flir Polen zu beweisen.
Auch aus innerpolitischen Grunden sei es flir AuBenminister Beck schwer, einer
Eingliederung Danzigs in das Reich zuzustimmen. AuBenminister Beck habe sich nun
uberlegt, wie man ein flir allemal alle Reibungspunkte, die iiber Danzig zwischen
Deutschland und Polen moglicherweise entstehen wiirden, beseitigen konnte. Er habe sich
gedacht, daB man das Danziger Voikerbundsstatut durch einen deutsch-polnischen Vertrag, in
dem alle Danziger Fragen behandelt wiirden, ersetzen konne. Als Basis flir diesen Vertrag
denke sich Beck, daB man einmal Danzig als rein deutsche Stadt anerkenne mit alien Rechten,
die hieraus resultierten, andererseits aber Polen und der polnischen Minderheit alle
wirtschaftlichen Rechte gleichfalls sicherstelle, wobei der Charakter Danzigs als Freistaat und
die Zollunion mit Polen erhalten bleibe.
Ich erwiderte Herrn Lipski, daB ich den Standpunkt von AuBenminister Beck bedauere. Die
Anregung flir eine sakulare Losung des deutsch-polnischen Problems, bei der Danzig zu
Deutschland kommen solle, moge wohl eine innerpolitische Belastung flir Herrn Beck mit
sich bringen, andererseits sei aber nicht zu verkennen, daB auch der Flihrer es nicht leicht
haben werde, eine Garantie des polnischen Korridors vor dem deutschen Volke zu vertreten.
Meiner Anregung habe die Absicht zugrunde gelegen, das deutsch-polnische Verhaltnis auf
eine eherne Dauerbasis zu stellen und alle nur denkbaren Reibungspunkte zu beseitigen. Ich
hatte nicht die Absicht gehabt, ein kleines diplomatisches Gesprach zu flihren. Wie er, Lipski,
aus den Reden des Fuhrers ersehen konne, behandele dieser die deutsch-polnische Frage stets
von einer jwl hohen Warte. Vor der internationalen Presse hatte ich noch kurzlich in seinem
Beisein ausgefuhrt, daB ein gutes deutsch-polnisches Verhaltnis mit zum Fundament der
deutschen AuBenpolitik gehore.
Botschafter Lipski bedankte sich flir diese Ausfuhrungen und kam dann wieder auf den
Vorschlag eines zweiseitigen Vertrages liber Danzig zurlick.
Ich erklarte ihm, daB ich nicht abschlieBend hierzu Stellung nehmen wolle, daB mir der
Vorschlag nicht leicht realisierbar erscheine.
3. Ich frag alsdann Herrn Lipski, wie sich Herr Beck zu der Frage einer exterritorialen
Autobahn und einer ebenso exterritorialen doppelgleisigen Eisenbahn durch den polnischen
Korridor stelle.
Herr Lipski erwiderte mir, daB er zu dieser Frage nicht eingehend und nicht offiziell Stellung
nehmen konne. Rein personlich konne er sagen, daB ein solcher deutscher Wunsch vielleicht
in Polen nicht auf unfrachtbaren Boden zu fallen brauche und daB sich vielleicht in dieser
Richtung Losungsmoglichkeiten boten.
4. Ich sprach Herrn Lipski dann noch auf die gerade herausgegebenen polnischen Freimarken
an, die fiir den Danziger Verkehr bestimmt seien und Danzig gewissermaBen als polnische
Stadt darstellten. Er konne verstehen, daB dies wiederum die Geflihle der deutschen
Bevolkerung Danzigs verletze.
Herr Lipski erklarte mir, iiber die Angelegenheit nicht Bescheid zu wissen, er wolle aber
gleich Erkundigungen einziehen.
AbschlieBend erklarte ich Herrn Lipski, daB es der Miihe lohne, die deutschen Vorschlage zu
dem Gesamtkomplex der deutsch-polnischen Beziehungen ernsthaft zu uberlegen. Man wolle
hier ja etwas Dauerhaftes schaffen und eine wirkliche Stabilitat herbeifuhren. Das konne
naturlich von heute auf morgen nicht geschehen. Wenn sich Herr Beck in Ruhe unsere
Anregungen uberlege, so wiirde er vielleicht doch zu einer positiven Einstellung gelangen.
von Ribbentrop
Nr. 199
Aufzeichnung des Deutschen Botschafters in Warschau
Berlin, den 15. Dezember 1938
AuBenminister Beck bat mich gestern abend zu sich, nachdem ich ihm hatte mitteilen lassen,
daB ich heute in Berlin sein wiirde. Herr Beck erging sich zunachst in langeren Erorterangen
iiber die groBe Bedeutung der Vereinbarang vom Januar 1934 und erklarte, daB er nach wie
vor willens sei, die von Pilsudski inaugurierte Politik fortzusetzen. Das Abkommen von 1934
habe in der auBerordentlich kritischen Zeit, die wir soeben durchlebt hatten, eine besonders
groBe Rolle gespielt und man miisse erneut feststellen, daB es sich bewahrt habe. Es sei
deshalb eine Absurditat, wenn jetzt in den deutsch-polnischen Beziehungen eine gewisse
Spannung entstanden sei. Das lage wohl daran, daB sich in den letzten Wochen zuviel auf
einmal geandert hatte. Es habe nicht nur die Tschechoslowakei ein anderes Gesicht
bekommen, sondern eine Reihe von anderen Systemen und Kombinationen, die friiher eine
Rolle gespielt hatten, seien zusammengebrochen. Er halte es deshalb fiir zweckmaBig, die
neue Lage ri82i gemeinsam zu uberpriifen, und er habe Herrn Lipski beauftragt, die Anregung
zu einer personlichen Aussprache zwischen den beiden AuBenministern zu ubermitteln.
Von Herrn Lipski, der gestern in Warschau war und dem ich im Zuge begegnete, erfuhr ich,
daB diese Aussprache in Warschau geplant sei und daB man hoffe, Herr Reichsminister von
Ribbentrop werde moglichst bald den vor 3 Jahren in Berlin durchgefiihrten Besuch des
AuBenministers Beck erwidern.
Herr Beck kam dann auf die einzelnen Probleme zu sprechen, die einer naheren Erorterung
bedurften. Er erwahnte zunachst Danzig, wo in letzter Zeit wieder einige Schwierigkeiten
entstanden seien und wo immer die Gefahr unliebsamer Uberraschungen bestande. Er hoffe
dringend, daB unerwunschte/a/fa accomplis vermieden wiirden. Es habe ja kiirzlich schon
eine erste Aussprache iiber das Danziger Problem stattgefunden - womit offensichtlich auf die
Berchtesgadener Besprechung angespielt wurde m - und iiber kurz oder lang muBte diese
Erorterung ja zweifellos wiederaufgenommen werden.
Herr Beck erwahnte ferner die karpatho-ukrainische Frage, die eine gewisse Aufregung in der
offentlichen Meinung hervorgerufen habe. In der polnischen Offentlichkeit habe man die
Befurchtung, daB Deutschland die Absicht habe, von der Karpatho-Ukraine aus eine gegen
Polen gerichtete Politik zu treiben, und in Deutschland argwohne man, daB Polen Deutschland
den Weg nach dem Donauraum versperren wolle. Letzteres sei grundfalsch und er hoffe, daB
auch das erstere nicht richtig sei. Jedenfalls wiirde es aber gut sein, sich einmal iiber diese
Dinge auszusprechen. Er glaube doch, daB es moglich sein wiirde, einen Weg zu finden, der
die Interessen beider Staaten beriicksichtige.
Wir kamen dann auf Memel zu sprechen und ich wies bei dieser Gelegenheit auf die
polnischen Pressestimmen hin, die im AnschluB au die Wahl wichtige politische
Veranderungen im Memelgebiet zu erwarten schienen. Herr Beck begnugte sich mit dem
Hinweis darauf, daB Polen im Memelgebiet wirtschaftliche und Schiffahrtsinteressen hatte
und daB wohl in jedem Fall eine Beriicksichtigung dieser Interessen erwartet werden konne.
Ich wies dann darauf hin, daB ich nicht nur in Polen eine Verschlechterung der Stimmung
gegenuber Deutschland festgestellt hatte, sondern daB auch in Deutschland zur Zeit keine
freundliche Einstellung gegenuber Polen bestande. Als wichtigste Ursache hierfur verwies ich
auf die Behandlung der Minderheiten, namentlich im Olsagebiet, wo massenhafte
Arbeiterentlassungen stattgefunden hatten und wo die Bevolkerung allmahlich zu der
Auffassung gelangt sei, daB die 20 Jahre tschechischer Herrschaft ein Paradies gegenuber dem
jetzigen Zustande gewesen waren. m Herr Beck erklarte, daB die Polnische Regierung den
Wunsch habe, der deutschen Minderheit gute Daseinsbedingungen zu bereiten, daB der
Ministerprasident bereits die scharfsten Weisungen an die Verwaltungsbehorden gegeben
hatte und daB er, Beck, personlich jederzeit bereit ware, zu intervenieren, wenn ihm konkrete
Falle mitgeteilt werden konnten.
von Moltke
1831
Nr. 200
Unterredung des Fuhrers mit dem Polnischen AuBenminister Beck
im Beisein des Reichsministers des Auswartigen,
des Deutschen Botschafters in Warschau
und des Polnischen Botschafters in Berlin
Berchtesgaden, 5. Januar 1939
Aufzeichnung des Gesandten Schmidt
Oberst Beck unterstrich einleitend die Tatsache, daB die deutsch-polnischen Beziehungen in
der Septemberkrise ihre Probe voll und ganz bestanden hatten. Wenn sich in den letzten
Monaten vielleicht ein gewisses Absinken von dem hohen Niveau der Septembertage
bemerkbar gemacht hatte, so solle man sich nach Ansicht der Polnischen Regierung auf
beiden Seiten bemlihen, die Ursachen einiger Schwierigkeiten aus dem Wege zu raumen, die
sich in der letzten Zeit ergeben hatten. Als eine dieser Schwierigkeiten erwahnte Herr Beck
die Danziger Frage und betonte dabei, daB hier nicht nur die Deutsche und die Polnische
Regierung, sondern auch dritte Parteien, wie unter anderem auch der Volkerbund, in Frage
kamen. Was hatte z. B. zu geschehen, falls sich der Volkerbund aus seiner Danziger Rolle
einmal zuriickzoge? Auch sonst gabe es noch einige weitere Fragen, in denen bestehende
MiBverstandnisse beseitigt werden sollten, u. a. die Garantierung der tschechoslowakischen
Grenze, und zwar ob sie sofort erfolgen solle oder, wenn iiberhaupt, zu welchem Zeitpunkt sie
in Aussicht genommen ware. Besonders sei Polen in diesem Zusammenhang an der Karpatho-
Ukrainischen Frage interessiert. Er erinnere an ein Wort Pilsudskis "von der Balkanisierung
Mitteleuropas". Polen erkenne in den Agitatoren, die sich auf dem jetzigen karpatho-
ukrainischen Territorium betatigten, alte Feinde wieder und furchte, daB die Karpatho-
Ukraine sich moglicherweise einmal zu einem Herd derartiger Beunruhigung fur Polen
entwickeln konne, daB sich die Polnische Regierung zu einem Einschreiten veranlaBt sehen
wiirde, aus dem sich weitere Komplikationen ergeben konnten. Dies sei der hauptsachlichste
Grand flir das Streben Polens nach einer gemeinsamen Grenze mit Ungarn gewesen.
Der Flihrer erwiderte, daB zur Bereinigung aller bestehenden Schwierigkeiten zunachst einmal
auf die Grundtendenz des deutsch-polnischen Verhaltnisses zuriickgegriffen werden mliBte.
Von deutscher Seite konne er betonen, daB sich in dem Verhaltnis Deutschlands zu Polen, wie
es sich auf Grand der Nichtangriffserklarung vom Jahre 1934 darstelle, nicht das geringste
geandert habe. Was insbesondere die Frage der Karpatho-Ukraine angehe, so konne er im
Hinblick auf die Deutschland in der Weltpresse unterschobenen Absichten erklaren, daB
Polen in dieser Hinsicht nicht das geringste zu befurchten hatte. Deutschland hatte jenseits der
Karpathen keine Interessen und es sei ihm gleichgultig, was die an diesen Gebieten
interessierten Lander dort taten. Die im Zusammenhang mit dem Wiener Schiedssprach von
Deutschland in der ukrainischen Frage eingenommene Haltung, die in Polen vielleicht zu
gewissen MiBverstandnissen gefuhrt habe, erklare sich aus der historischen Entwicklung
dieser Angelegenheit. Dieser Schiedssprach sei nach Anhorang beider Parteien auf der
Grundlage der ungarischen Forderangen durchgeflihrt worden. Sein (des Fuhrers) Wunsch,
auf keinen Fall einen internationalen Konflikt zuzulassen, sei letzten Endes der
ausschlaggebende Grand flir seine Haltung in der ukrainischen Frage gewesen.
Was das deutsch-polnische Verhaltnis im einzelnen angehe, so wolle er noch einmal
wiederholen, daB sich an der deutschen Einstellung gegeniiber Polen um seit 1934 nichts
geandert habe. Um zu einer endgultigen Bereinigung der zwischen beiden Landern noch
schwebenden Fragen zu gelangen, diirfe man sich nicht auf die mehr negative Abmachung
vom Jahre 1934 beschranken, sondern miisse die einzelnen Probleme einer endgultigen
vertraglichen Regelung zuzufuhren suchen. Von deutscher Seite gabe es auBer der
Memelfrage, die ihre Regelung in deutschem Sinne finden wiirde (es habe den Anschein, daB
die Litauer an einer vernunftgemaBen Losung mitwirken wollten), im direkten deutsch-
polnischen Verhaltnis das flir Deutschland gefiihlsmaBig sehr schwierige Problem des
Korridors und Danzig zu losen. Man miisse seiner Ansicht nach von alten Schablonen
abweichend hier Losungen auf ganz neuen Wegen suchen. So konne man sich im Falle
Danzig z. B. eine Regelung denken, nach der diese Stadt politisch wieder, dem Willen ihrer
Bevolkerung entsprechend, der deutschen Gemeinschaft zugeflihrt wiirde, wobei
selbstverstandlich die polnischen Interessen, besonders auf wirtschaftlichem Gebiet, voll und
ganz gewahrt werden muBten. Dies sei ja auch Danzigs Interesse, denn Danzig konne
wirtschaftlich ohne Hinterland nicht leben, und so dachte er, der Flihrer, an eine Formel, nach
der Danzig politisch zur deutschen Gemeinschaft gelange, wirtschaftlich aber bei Polen
bliebe.
Danzig sei deutsch, werde stets deutsch bleiben und friiher oder spater zu Deutschland
kommen.
Bezuglich des Korridors , der, wie erwahnt, fur Deutschland ein schweres psychologisches
Problem darstelle, wies der Flihrer darauf hin, daB fur das Reich die Verbindung mit
OstpreuBen, ebenso wie flir Polen die Verbindung mit dem Meer, lebenswichtig sei. Auch
hier konne man vielleicht beiden Interessen durch Verwendung vollig neuer
Losungsmethoden gerecht werden.
Wenn es gelange, auf dieser vernunftigen Grundlage eine endgultige Bereinigung der
Einzelfragen herbeizufuhren, wobei selbstverstandlich jeder der beiden Partner zu seinem
Recht kommen miisse, dann ware der Zeitpunkt gekommen, auch Polen gegeniiber die mehr
negative Erklarung von 1934 in einem positiven Sinne ahnlich den Abmachungen mit
Frankreich dadurch zu erganzen, daB nunmehr von deutscher Seite eine klare, vertraglich
festgelegte Grenzgarantie an Polen gegeben wiirde. Polen wiirde dann den groBen Vorteil
erhalten, seine Grenze mit Deutschland einschlieBlich des Korridors - der Flihrer unterstrich
noch einmal die psychologische Schwierigkeit dieses Problems und die Tatsache, daB nur er
es einer solchen Losung zufuhren konne - vertraglich gesichert zu bekommen. Es sei flir ihn
(den Flihrer) nicht ganz einfach, eine derartige Garantie des Korridors zu geben, und er wiirde
deshalb sicherlich, besonders von der blirgerlichen Seite, ziemlich kritisiert werden. Aber als
Realpolitiker glaube er doch, daB eine derartige Losung die beste ware. Genau so wenig wie
man heute von Sudtirol oder von ElsaB-Lothringen spreche, wiirde man dann vom polnischen
Korridor horen, wenn Deutschland einmal seine Garantie gegeben hatte.
Der Polnische AuBenminister Beck dankte dem Flihrer flir die Darlegung des deutschen
Standpunktes und erklarte, daB auch Polen absolut an seiner bisherigen Einstellung
Deutschland gegeniiber festhalte.
Polen wiirde die Linie der unabhangigen Politik weiter verfolgen, die es bereits in frliheren
Jahren gelibt hatte, als man Polen dazu veranlassen wollte, sich auf dem Wege liber einen
Ostpakt naher mit RuBland zu verbinden. Polen sei zwar in bezug auf die Erhohung seiner
Sicherheit nicht so nervos wie Frankreich und halte nichts von den sogenannten
"Sicherheitssystemen", die nach der Septemberkrise endgliltig abgewirtschaftet hatten, was
einen Wendepunkt der Geschichte bedeute. Es wisse aber die in der vom Flihrer soeben rissi
abgegebenen Erklarung erneut zum Ausdruck gebrachte deutsche Einstellung sehr wohl zu
wiirdigen. Es halte auch seinerseits an der alten Linie Deutschland gegeniiber fest.
Was das deutsch-polnische Verhaltnis angehe, so nehme er von den vom Flihrer
ausgesprochenen Wlinschen Kenntnis. Die Danziger Frage erscheine ihm jedoch
auBerordentlich schwierig. In diesem Zusammenhang miisse man besonders die offentliche
Meinung in Polen in Rechnung stellen. Dabei sehe er ganz von der Haltung der
"Kaffeehausopposition" ab. Wahrend seiner siebenjahrigen Amtszeit habe er sich nicht im
geringsten um die Kaffeehausmeinung gekummert und sei immer noch im Amt. Er miisse
jedoch auf die wirkliche Meinung des Volkes Riicksicht nehmen und sehe hier allerdings
Schwierigkeiten flir eine Losung der Danziger Frage. Er wolle jedoch das Problem gern
einmal in Rune iiberlegen.
Auf die iibrigen vom Fiihrer aufgeworfenen deutsch-polnischen Fragen ging Oberst Beck
nicht naher ein, sondern beschloB seine Ausfuhrungen mit der erneuten Bekraftigung, daB in
der allgemeinen Einstellung Polen nach wie vor der seit 1934 befolgten Linie treu bleiben
wiirde.
Schmidt
Nr. 201
Unterredung des Reichsministers des Auswartigen
mit dem Polnischen AuBenminister Beck, Munchen, 6. Januar 1939
Aufzeichnung
Berlin, den 9. Januar 1939
In etwa anderthalbstundiger Aussprache mit Herrn Beck kam dieser sofort wieder auf das
Danziger Problem zu sprechen. Er sagte, daB auch Polen bestrebt sei, in freundschaftlich-
nachbarlichem Verhaltnis mit Deutschland zu leben und dieses zu vertiefen. Das einzige
Problem, das hierbei sich demnachst storend auswirken konnte, sei die Danziger Frage. Zwei
Moglichkeiten konnten sich ergeben, daB wir zu dem Problem Stellung nehmen muBten:
1. daB der Volkerbund sich vielleicht an der Danziger Frage desinteressieren und das
Kommissariat aufgeben wiirde, dann muBten Deutschland und Polen sich selbst mit der Frage
auseinandersetzen;
2. daB die Polen durch neue Entwicklungen in Danzig gezwungen wiirden, Stellung zu
nehmen.
Das Problem lage tatsachlich sehr schwierig und er habe sich schon den Kopf zerbrochen, wie
man eine Losung finden konne, aber bisher ohne Resultat.
Beck wies zum SchluB nochmals darauf hin, daB Danzig in der Mentalitat des ganzen
polnischen Volkes einen Prufstein flir die deutsch-polnischen Beziehungen darstelle und daB
es sehr schwer sein wiirde, dies irgendwie zu andern.
Ich habe daraufhin Herrn Beck folgendes auseinandergesetzt:
1. Wie der Fiihrer schon gesagt habe, stande liber allem der absolute Wunsch auf deutscher
Seite nach einer endgiiltigen und umfassenden, groBziigigen Konsolidierung des
gegenseitigen Verhaltnisses.
ri86i 2. Zwei Probleme schienen hierfur von Bedeutung:
a) die unmittelbaren deutsch-polnischen Beziehungen. Hier dachte ich mir folgende
Losung:
Riickgliederang Danzigs an Deutschland. Dagegen Sicherstellung aller
wirtschaftlichen Interessen Polens in dieser Gegend, und zwar in groBziigigster Weise.
Verbindung Deutschlands zu seiner Provinz OstpreuBen durch eine exterritoriale
Auto- und Eisenbahn. Hierfiir als Gegenleistung seitens Deutschlands Garantierung
des Korridors und des gesamten polnischen Besitzstandes, also endgultige und
dauernde Anerkennung der gegenseitigen Grenzen.
b) die tschechisch-karpatho-ukrainische Frage.
Hier habe ich wiederholt, daB in Munchen ethnographische Grenzen festgesetzt
seien. Sollte hier von irgendeiner Seite das Prinzip der politischen Grenze
aufgeworfen werden, konne Deutschland sich natiirlich nicht desinteressieren. Wenn
an sich auch das deutsche politische Interesse nicht liber die Karpathen hinausginge,
so konne Deutschland ein Desinteressement an einer Grenzverschiebung auch dariiber
hinaus an der Tschechoslowakei und der Karpatho-Ukraine nicht aussprechen, denn es
konne durch solche Ereignisse leicht in einen Konflikt hineingezogen werden. Der
Wiener Schiedsspruch miisse eingehalten werden und unsere Grundauffassung sei es,
daB, wenn andere Wunsche irgendwie hier aufkamen, solche mit den deutschen
Interessen in Ubereinstimmung gebracht werden miiBten.
Am SchluB der Unterhaltung habe ich dann Herrn Beck gegeniiber noch die Behandlung
unserer deutschen Minoritaten beanstandet, vor allem im Olsagebiet. und in diesem
Zusammenhang auf Grazynskis dauernde antideutschen Machenschaften eindriicklichst
hingewiesen. Herr Beck sagte mir, daB er dieser Frage bereits ernste Aufmerksamkeit
geschenkt habe und daB er seinerseits alles tun werde, um diese Dinge in eine ruhigere Bahn
zu bringen.
Ich habe dann Herrn Beck noch flir seine Einladung nach Warschau gedankt und diese
prinzipiell angenommen. Datum wurde noch nicht festgesetzt. Es wurde vereinbart, daB Herr
Beck und ich uns den Komplex eines moglichen Vertragswerkes zwischen Polen und uns
noch einmal eingehend durch den Kopf gehen lassen wollten. Durch Lipski und Moltke sollte
dann in den nachsten Wochen weiter verhandelt werden und der Besuch sollte auf alle Falle
noch in diesem Winter stattfinden.
von Ribbentrop
Nr. 202
Unterredung des Reichsministers des Auswartigen
mit dem Polnischen AuBenminister Beck, Warschau, 26. Januar 1939
Aufzeichnung
Berlin, den 1. Februar 1939
1. Ich bin Herrn Beck gegeniiber in Ankniipfung an die mit ihm am 6. Januar in Munchen
gefuhrte Besprechung m auf den bekannten Vorschlag (Riickgliederang Danzigs unter
Sicherstellung der dortigen Wirtschaftsinter- m essen Polens und Schaffung einer
exterritorialen Auto- und Eisenbahnverbindung zwischen dem Reich und seiner Provinz
OstpreuBen, dafiir als deutsche Gegenleistung Garantie der deutsch-polnischen Grenze)
zuruckgekommen, wobei ich erneut darlegte, daB es der Wunsch des Fiihrers sei, durch ein
entsprechendes Vertragswerk zu einer umfassenden Befriedung der deutsch-polnischen
Beziehungen zu gelangen. Herr Beck miisse verstehen, daB die deutschen Wunsche
auBerordentlich maBvoll seien, denn die Abtrennung wertvollster deutscher Landesteile durch
den Versailler Vertrag zugunsten Polens werde noch heute von jedem Deutschen als ein
groBes Unrecht empfunden, das nur in einer Zeit tiefster deutscher Ohnmacht moglich
gewesen sei. Wenn man 100 Englander oder Franzosen fragen wiirde, so wiirden 99 ohne
weiteres zugeben, daB die Ruckgliederung Danzigs und zum mindesten auch des Korridors
eine selbstverstandliche deutsche Forderung sei.
Herr Beck zeigte sich von meinen Darlegungen beeindruckt, berief sich aber erneut darauf,
daB innerpolitische Widerstande zu erwarten seien; immerhin wolle er sich unsere Anregung
weiterhin reiflich uberlegen.
Ich habe mit Herrn Beck verabredet, daB, wenn sich der Volkerbund von Danzig
zuriickziehen sollte, bevor zwischen uns und Polen ein Vertragswerk, das auch Danzig
einschlieBt, zustande gekommen ware, wir uns mit ihm in Verbindung setzen wiirden, um
eine Losung zur Uberbriickung dieses Zustandes zu finden.
2. Ich habe Herrn Beck gegenuber erneut die Behandlung unserer deutschen Minderheit
beanstandet und mit ihm vereinbart, daB die seit langem geplanten Besprechungen zwischen
leitenden Beamten der beiden Innenministerien sofort aufgenommen werden.
von Ribbentrop
Nr. 203
Unterredung des Reichsministers des Auswartigen
mit dem Polnischen Botschafter, 21. Marz 1939
Aufzeichnung
Ich bat heute auf 12 Uhr den Polnischen Botschafter Lipski zu mir. Ich schilderte Herrn
Lipski zunachst die Entwicklung der tschecho-slowakischen Frage und erklarte ihm, daB es
mir angesichts der sich ubersturzenden Ereignisse nicht moglich gewesen sei, die fremden
Vertreter hier so zu unterrichten, wie ich es gewiinscht hatte. Ich habe aber Botschafter von
Moltke, der sich gerade in Berlin aufhielt, eingehend informiert und ihn beauftragt, seinerseits
AuBenminister Beck ins Bild zu setzen. Ich schilderte sodann die Vorgange im einzelnen, die
den Fiihrer zu seinem Eingreifen veranlaBt hatten.
Es sei uns aufgefallen, daB sich in der Rest-Tschecho-Slowakei der Benesch-Geist wieder
geregt habe. Alle Warnungen des Fiihrers an Herrn Chvalkovsky seien ungehort verhallt. In
der letzten Zeit habe die Prager Regierung versucht, diktatorisch in der Karpatho-Ukraine und
in der Slowakei vorzugehen. Auch die Drangsalierung der Deutschen in den Sprachinseln
habe wieder begonnen.
Ich nehme an, daB die Regelung, die die karpatho-ukrainische Frage inzwischen gefunden
habe, groBte Zufriedenheit in Polen ausgelost habe. Die Er- jwi richtung des Protektorats
Bohmen und Mahren bedeute eine endgultige Befriedung dieses Raumes, die historischen
Grundsatzen entsprache und schlieBlich alien zugute komme.
Botschafter Lipski auBerte sich alsdann besorgt wegen der Ubernahme des Schutzes der
Slowakei durch Deutschland. Diese Mitteilung habe in Polen stark eingeschlagen, denn der
Mann auf der StraBe konne einen solchen Schritt nur als in erster Linie gegen Polen gerichtet
betrachten. Die Slowaken seien ein sprachverwandtes Volk. Die polnischen Interessen in
diesem Gebiet seien auch historisch bedingt, und rein realpolitisch miisse man zugeben, daB
die Erklarung des Schutzverhaltnisses nur als Schlag gegen Polen empfunden werden konne.
Ich wies Botschafter Lipski auf die Tatsache hin, daB die unabhangige Slowakische
Regierung Deutschland um seinen Schutz angerufen habe. Sicherlich sei die Erklarung des
Schutzverhaltnisses nicht gegen Polen gerichtet. Hierbei gab ich deutlich zu verstehen, daB
man die Frage gemeinsam einmal beraten konne, falls das allgemeine deutsch-polnische
Verhaltnis eine befriedigende Entwicklung nehme; man konne hierbei an eine Teilnahme
Polens an der Garantierung des slowakischen Staates denken. Leider habe ich jedoch
feststellen mussen, daB sich in dem deutsch-polnischen Verhaltnis eine allmahliche
Versteifung bemerkbar mache. Diese Entwicklung habe bereits seit einigen Monaten
begonnen. Es sei hier aufgefallen, welch merkwurdige Haltung Polen in der
Minoritatenkommission eingenommen habe. 111 Die durch polnische Studenten provozierten
Danziger Zwischenfalle m hatten ebenfalls zu denken gegeben. Botschafter Lipski bestritt auf
das energischste, daB derartige Zwischenfalle durch polnische Studenten hervorgerufen
worden seien. Auch meine Bemerkung, daB nach Auffassung des Fuhrers die Schilder, die zu
den Zwischenfallen gefuhrt hatten, von polnischen Studenten angebracht worden seien,
bestritt Herr Lipski auf das lebhafteste und behauptete, daB hieran polnische Studenten in
keiner Weise beteiligt gewesen seien.
Weiterhin machte ich den Polnischen Botschafter auf die dauernden Presseangriffe
aufmerksam, auf die deutschfeindlichen Demonstrationen anlaBlich des Ciano-Besuchs— und
auf die heute bestehende offene Pressefehde. Diese Pressefehde scheine mir in jeder Richtung
unberechtigt zu sein. Der Flihrer habe immer auf einen Ausgleich und auf eine Befriedung mit
Polen hingearbeitet. Auch jetzt verfolge der Flihrer noch dieses Ziel. In zunehmendem MaBe
sei aber der Flihrer liber die polnische Haltung verwundert. Bisher habe ich die deutsche
Presse gegenliber Polen zurlickgehalten, wie der Polnische Botschafter sich selber durch einen
Blick in die deutsche Presse vergewissern konne. Es wlirde mir aber nicht moglich sein, auf
die Dauer derartige Angriffe unbeantwortet zu lassen. Aus einer derartigen beiderseitigen
Pressefehde konne dann bald ein Zustand entstehen, bei dem unsere Beziehungen auf dem
Nullpunkt ankamen. Es erschiene mir erforderlich, daB man einen neuen Versuch
unternehme, die deutsch-polnische Politik in das richtige Geleise zu bringen, und es erschiene
mir richtig und zweckmaBig, wenn bald einmal eine personliche Aussprache zwischen
deutschen und polnischen Staatsmannern stattfande.
Ich wlirde mich freuen, wenn AuBenminister Beck demnachst einen Besuch in Berlin
abstatten wlirde. Wie mir der Flihrer gesagt habe, wlirde auch er eine solche Aussprache
warm begrliBen. Auf den moglichen Inhalt einer solchen jwi Aussprache eingehend, erklarte
ich Herrn Lipski zunachst, er miisse zugeben, daB Deutschland an der Schaffung und der
heutigen Existenz Polens nicht unbeteiligt sei und daB Polen seine heutige territoriale
Ausdehnung dem schwersten Ungllick Deutschlands verdanke, namlich der Tatsache, daB
Deutschland den Weltkrieg verloren habe.
Allgemein werde die Korridor-Regelung als die schwerste Belastung des Versailler Vertrags
flir Deutschland empfunden. Keine friihere Regierung sei in der Lage gewesen, auf die
deutschen Revisionsanspriiche zu verzichten, ohne daB sie nicht innerhalb von 48 Stunden
vom Reichstag fortgefegt ware. Der Fiihrer denke anders iiber das Korridor-Problem. Er
erkenne die Berechtigung des polnischen Anspruchs auf einen freien Zugang zum Meer an. Er
sei der einzige deutsche Staatsmann, der einen endgultigen Verzicht auf den Korridor
aussprechen konne. Voraussetzung hierfur sei aber die Ruckkehr des rein deutschen Danzig
zum Reich sowie die Schaffung einer exterritorialen Bahn- und Autoverbindung zwischen
dem Reich und OstpreuBen. Nur hierdurch wiirde fur das deutsche Volk der Stachel beseitigt,
der in der Existenz des Korridors liege. Wenn die polnischen Staatsmanner in Ruhe den realen
Tatsachen Rechnung triigen, dann konne man auf folgender Basis eine Losung finden:
Ruckkehr Danzigs zum Reich, exterritoriale Eisenbahn- und Autoverbindung zwischen
OstpreuBen und dem Reich und hierfur Garantie des Korridors. Ich konnte mir vorstellen, daB
man in einem solchen Falle die slowakische Frage im erwahnten Sinne zu behandeln in der
Lage ware.
Botschafter Lipski versprach, AuBenminister Beck zu informieren und alsdann Nachricht zu
geben.
Ich schlug vor, daB Botschafter Lipski zur mundlichen Berichterstattung nach Warschau
fiihre. Ich wiederholte noch einmal, wie nutzlich mir ein endgultiger Ausgleich zwischen
Deutschland und Polen gerade im jetzigen Stadium erschiene. Dies sei auch wichtig, weil der
Fiihrer bisher iiber die merkwurdige Haltung Polens in einer Reihe von Fragen nur
verwundert sei; es kame darauf an, daB er nicht den Eindruck erhalte, daB Polen einfach nicht
wolle.
von Ribbentrop
Nr. 204
Der Deutsche Botschafter in Warschau an das Auswartige Amt
Telegramm
Warschau, den 24. Marz 1939
Kurzfristige Reservisteneinziehung, drei bis vier Jahrgange, und zwar 1911 bis 1914, ferner
1906 und 1907, ortlich verschieden, sicher bestatigt. Reserveoffiziere technischer Truppen
eingezogen.
Moltke
1901
Nr. 205
Der Deutsche Konsul in Gdingen an das Auswartige Amt
Bericht
Gdingen, den 24. Marz 1939
Seit gestern sind in Gdingen drei Jahrgange eingezogen worden. Das erfolgte bereits gestern
am Vormittag und Nachmittag. Die Polen wurden direkt vom Arbeitsplatz abberufen.
Darunter waren eine ganze Reihe von Menschen, die vor 14 Tagen erst von einer Ubung
zurlickgekommen sind. Man sagt, daB der Jahrgang 1910-1912 eingezogen sei, nach anderer
Lesart die Jahrgange 1912-1914. Dariiber konnte ich keine klare Information bekommen.
Die polnische Kriegsflotte ist bis auf ein Fahrzeug seit gestern ausgelaufen. Vorgestern haben
SchieBubungen der Kriegsschiffe bei Rewa stattgefunden.
Weiter erfahre ich, daB vier Kompanien aus Gdingen in Putziger-Heisternest (Jastarnia) auf
der Halbinsel Hela bei der Bevolkerung einquartiert sind und unter dauernder
Alarmbereitschaft stehen sollen. Diese Truppen sollen sich seit Sonnabend nacht dort
befinden. FeldmarschmaBig sind die Soldaten von Gdingen in einem Zug abtransportiert
worden, ohne daB man ihnen das Ziel der Fahrt mitgeteilt hatte.
Hofmann
Nr. 206
Der Deutsche Botschafter in Warschau an das Auswartige Amt
Telegramm
Warschau, den 24. Marz 1939
Bereits gemeldete Reservisteneinziehungen— deuten darauf hin, daB militarische Kreise auf
Leitung polnischer AuBenpolitik wachsenden EinfluB gewinnen. Zwar scheint einstweilen
Position des AuBenministers noch stark zu sein, wie auch aus Verhaftung des prominenten
Redakteurs Mackiewicz hervorgeht, der, obwohl Pilsudskist, sich zu scharfem Gegner Becks
entwickelt hat; doch steht zu besorgen, daB Beck scharferen Kurs mitmachen wird, wenn er
durch bedrohende nationalistische Welle dazu gezwungen wiirde.
Uber englische Anregungen,— deretwegen in letzten Tagen wiederholte Besuche des
Englischen Botschafters in hiesigem AuBenministerium stattgefunden haben, ist etwas
Bestimmtes bisher nicht zu erfahren gewesen. Es laBt sich deshalb noch nicht beurteilen, ob
etwa die polnischen MobilmachungsmaBnahmen durch diese englische Aktion beeinfluBt
worden sind. In diesem Zusammenhang scheint mir eine AuBerung berichtenswert, die
Unterstaatssekretar Arciszewski hier einigen Diplomaten gegenliber getan hat. Unter
abfalligen Bemerkungen liber England und Frankreich, die immer wieder, ohne eigenes
Risiko einzugehen, Polen fiir fremde Zwecke miBbrauchen wollen, erklarte er, daB Polen sich
niemals lediglich fiir Interessen anderer Machte schlagen werde. Auch sonst kann man nach
den Richtlinien der Beckschen Politik wohl annehmen, daB Polen sich nur ungern dazu bereit
finden wiirde, in irgendeine generelle Kombination einzutreten oder sich in Aktionen ver- ri9ii
wickeln zu lassen, die es zwingen wurden, seine Position vorzeitig und sichtbar festzulegen.
Das bedeutet naturlich nicht, daB Polen nicht zugreifen wiirde, wenn sich gelegentlich dieser
Verhandlungen die Moglichkeit bieten sollte, feste Zusagen von englischer Seite zu erhalten,
die seine Sicherheit erhohen wurden.
Moltke
Nr. 207
Aufzeichnung des Dirigenten der Politischen Abteilung
des Auswartigen Amts
Berlin, den 25. Miirz 1939
Das Oberkommando des Heeres rief mien heute 1 1 Uhr an und teilte mir iiber die polnischen
MobilisierungsmaBnahmen folgendes mit:
1. Bei Gdingen seien etwa 4 000 Mann polnische Truppen zusammengezogen.
2. Die Truppe einer Garnison, die bisher im siidlichen Korridor stationiert gewesen
sei, sei in die unmittelbare Nahe der Danziger Grenze verlegt worden.
3. Polen habe drei Jahrgange mobil gemacht.
Alle diese MaBnahmen bezogen sich nur auf den nordlichen Teil Polens, in den anderen
Gebieten des Landes sei der Umfang der militarischen MaBnahmen noch nicht klar erkennbar.
Ftirst von Bismarck
Anmetfeuingeti:
30
Vgl. Nr. 197 . ...zuriick...
31 Vgl. Abschnitt VII . ...zuruck...
32 Vgl. Nr. 201 . ...zuruck...
33 Vgl. Nr. 178 . ...zuruck...
34 Vgl. Nr. 195 . ...zuruck...
35 Vgl. Nr. 146 und 147. ...zuruck.
36 Vgl. Nr. 204 . ...zuruck...
37 Vgl. Nr. 271 ff. ...zuruck...
Erstes Kapitel (Fo rts. )
Entwicklung der Deutsch-Polnischen Beziehungen
B. Deutschlands Bemuhen
um eine Verstandigung mit Polen, 1933 bis 1939
XII. Deutsche Bemiihungen
um eine giitliche Losung der Danzig- und Korridorfrage
(Oktober 1938 bis Mai 1939) (Forts.)
Nr. 208
Unterredung des Reichsministers des Auswartigen
mit dem Polnischen Botschafter, 26. Marz 1939
Aufzeichnung
Ich empfing den Polnischen Botschafter Lipski heute um 12 Uhr 30.
Botschafter Lipski ubergab mir das in der Anlage beigefugte Memorandum der Polnischen
Regierung, das ich in seiner Gegenwart durchlas.
Nachdem ich von dem Inhalt Kenntnis genommen hatte, erwiderte ich Botschafter Lipski, daB
nach meiner personlichen Auffassung die polnische Stellungnahme keine Basis fur eine
deutsch-polnische Losung darstellen konne. Die einzig mogliche Losung des Problems miisse
in der Wiedervereinigung Danzigs mit dem Deutschen Reich und der Schaffung einer
exterritorialen Auto- und Eisenbahnverbindung zwischen dem Reich und OstpreuBen
bestehen. Herr Lipski entgegnete, er habe die unangenehme Pflicht darauf hinzuweisen, daB
jegliche weitere Verfolgung dieser deutschen Plane, insbesondere soweit sie eine Riickkehr
Danzigs zum Reich betrafen, den Krieg mit Polen bedeute.
[192] Ich wies darauf Botschafter Lipski auf die vorliegenden Meldungen iiber polnische
Truppenzusammenziehungen hin und warnte ihn vor moglichen Konsequenzen. Die polnische
Haltung schiene mir eine merkwurdige Antwort auf mein kurzliches Angebot einer
endgliltigen Befriedung des deutsch-polnischen Verhaltnisses darzustellen. Wenn die Dinge
in dieser Richtung weiterliefen, so konne in Klirze eine ernste Situation entstehen. Ich konne
Botschafter Lipski mitteilen, daB z. B. eine Verletzung des Danziger Hoheitsgebietes durch
polnische Truppen von Deutschland in der gleichen Weise wie eine Verletzung der
Reichsgrenzen betrachtet werden wiirde.
Botschafter Lipski bestritt energisch jede militarische Absicht Polens in bezug auf Danzig.
Die von Polen vorgenommenen Dislokationen von Truppen-Verbanden stellten lediglich
VorsichtsmaBnahmen dar.
Ich legte Botschafter Lipski alsdann die Frage vor, ob nicht die Polnische Regierung, sobald
sich die Situation etwas beruhigt habe, den deutschen Vorschlag erneut erwagen wolle, damit
man auf der von uns vorgeschlagenen Basis der Wiedervereinigung Danzigs und der
exterritorialen Eisen- und Autobahnverbindung zu einer Losung kommen konne. Botschafter
Lipski antwortete hierauf ausweichend, indem er sich erneut auf das von ihm iibergebene
Memorandum bezog.
Ich erwiderte Botschafter Lipski, daB ich dem Fiihrer zunachst Bericht erstatten wiirde. Mir
komme es dabei vor allem darauf an, zu vermeiden, daB beim Fiihrer der Eindruck entstehe,
Polen wolle einfach nicht.
Botschafter Lipski bat mich, doch auch von deutscher Seite die Fragen erneut nach jeder
Richtung hin studieren zu lassen, und er frage sich, ob nicht Aussicht bestehen konne,
vielleicht zu einer Losung auf Grand der polnischen Gedankengange zu gelangen. Er fiigte
hinzu, daB AuBenminister Beck unserer Anregung entsprechend gerne in Berlin einen Besuch
abstatten werde, es scheine ihm aber zweckmaBig, daB vorher die Fragen diplomatisch
entsprechend vorbereitet worden seien.
Ich lieB Botschafter Lipski zum SchluB unserer Unterredung keinen Zweifel daraber, daB die
polnischen Vorschlage meiner Auffassung nach vom Fiihrer nicht als befriedigend angesehen
werden konnten. Nur eine klare Ruckgliederung Danzigs, eine exterritoriale Verbindung mit
OstpreuBen und ein 25jahriger Nichtangriffsvertrag mit Grenzgarantien und eine
Zusammenarbeit in der slowakischen Frage in Form eines von den Anrainern zu
ubernehmenden gemeinsamen Schutzes des Gebietes konnten nach deutscher Auffassung zu
einer endgiiltigen Bereinigung fiihren.
von Ribbentrop
[193]
Anlage
Memorandum
I.
Die Polnische Regierung miBt ebenso wie in der Vergangenheit so auch heute voile
Bedeutung der Aufrechterhaltung gutnachbarlicher Beziehungen mit dem Deutschen Reiche
auf weiteste Sicht bei.
Die Polnische Regierung hat einen klaren Beweis dieser ihrer Einstellung dadurch geliefert,
daB sie schon im Jahre 1933 als eine der ersten auslandischen Regierungen ein
freundschaftliches Verhaltnis zum Dritten Reich angebahnt hat und in Verhandlungen
eingetreten ist, welche zum AbschluB der polnisch-deutschen Erklarung vom 26. Januar 1934
gefuhrt haben.
Es sei auch hier die seitens Polens dem nationalsozialistischen Senat in Danzig gegenuber
eingenommene positive Einstellung zu erwahnen.
In den darauffolgenden fiinf Jahren hat die Polnische Regierung in ihrer internationalen
politischen Tatigkeit es stets vermieden, an den gegen das Deutsche Reich gerichteten
Aktionen teilzunehmen.
SchlieBlich ist es wohl bekannt, daB im Herbst 1938 Polens entschlossene Haltung in
bedeutendem MaBe zur Verhinderung einer kriegerischen Auseinandersetzung im
Zusammenhang mit der Durchfiihrung der deutschen Forderungen beigetragen hat.
II.
In der Frage des Transitverkehrs zwischen dem Deutschen Reich und OstpreuBen sowie in der
Frage der Freien Stadt Danzig, in denen bisher stets ein Einvernehmen zwischen den beiden
Regierungen erzielt wurde und beziiglich derer die Deutsche Regierung jetzt neue
Anregungen vorgebracht hat, steht die Polnische Regierung auf folgendem Standpunkt:
a) Die Polnische Regierung hat kein Interesse an irgendeiner Erschwerung des
Verkehrs zwischen OstpreuBen und dem iibrigen Reich. Deshalb hat auch die
Polnische Regierung trotz vieler Veranderungen, die in den letzten Jahren im
Vergleich zu friiher in dieser Hinsicht eingetreten sind (z. B. in der Frage des
Zahlungstransfers), nicht nur keine Schwierigkeiten in dem bevorzugten
Eisenbahntransitverkehr verursacht, sondern die Verrechnung flir diesen Transit unter
Beriicksichtigung der deutschen Interessen vorgenommen.
Von diesen Voraussetzungen ausgehend, ist die Polnische Regierung bereit,
gemeinsam mit der Deutschen Regierung eine weitere Vereinfachung und
Erleichterung des Eisenbahn- und Kraftwagenverkehrs zwischen OstpreuBen und dem
librigen Reich zu uberpriifen, um dem deutschen Reisenden Behinderungen bei der
Benutzung dieser Verkehrswege zu ersparen. Technische Sachverstandige konnten an
die Ausarbeitung von Vorschlagen herantreten, um obiges Ziel zu verwirklichen.
Alle polnischerseits gewahrten Zugestandnisse konnen jedoch nur im Rahmen der
polnischen Souveranitat stattfinden - eine Exterritorialitat der Verkehrswege kann
daher nicht in Frage kommen. Unter diesem Vorbehalt hat die Polnische Regierung
die Absicht, den deutschen Wiinschen weitgehend entgegenzukommen.
UM! b) Was die Freie Stadt Danzig anbelangt, so darf daran erinnert werden, daB die
Polnische Regierung seit langerer Zeit schon, in der Erkenntnis der Notwendigkeit
einer Vereinbarung in dieser Frage auf dem Wege einer Verstandigung zwischen
Warschau und Berlin, entsprechende Anregungen getan hat. Dies erschien ihr
besonders zweckmaBig mit Riicksicht auf die Lage des Volkerbundes, der die auf sich
genommenen Verpflichtungen in der Freien Stadt Danzig nicht mehr vollends zu
erfullen imstande ist.
Wie aus den bisherigen polnisch-deutschen Unterredungen hervorging, bestand
keine Meinungsverschiedenheit beziiglich der grundsatzlichen Auffassung, daB die
Polnische Regierung keine Behinderung des freien Innenlebens der deutschen
Bevolkerung der Freien Stadt anstrebt, daB andererseits die Deutsche Regierung die
polnischen Rechte sowie die wirtschaftlichen, maritimen und verkehrstechnischen
Interessen und die Rechte der polnischen Bevolkerung in der Freien Stadt respektiert.
Da diese beiden Fragen grands atzlicher Natur sind, glaubt die Polnische Regierung,
daB eine Losung zu finden ware, die auf einer gemeinsamen polnisch-deutschen
Garantie flir die Freie Stadt Danzig berahen wiirde. Diese Garantie wiirde einerseits
die freie Entwicklung des deutschen Volkstums und seines politischen Innenlebens
befriedigen, andererseits die polnischen Rechte und Interessen sicherstellen. Die
polnischen Interessen stimmen ubrigens mit den wirtschaftlichen Interessen der
Bevolkerung der Freien Stadt uberein, da der Wohlstand derselben seit Jahrhunderten
von dem polnischen Uberseehandel abhangig ist.
Im Gegensatz zum vorhergenannten Problem der Verkehrserleichterungen,
welches nach Ansicht der Polnischen Regierung einen iiberwiegend technischen
Charakter tragt und Sache von Experten ware, muBten in der Frage der Freien Stadt
zunachst die politischen Grandsatze zwischen der Polnischen und Deutschen
Regierung besprochen werden, und zwar nach der Richtung hin, daB in diesem
Korper, gemaB den Ausfuhrungen des Herrn Reichskanzlers vom Februar 1938, von
Polen die nationalen Verhaltnisse in der Freien Stadt respektiert wiirden und von der
Freien Stadt und Deutschland die Rechte und Interessen Polens.
Die Polnische Regierung wlirde es zwecks einer Stabilisierung der Verhaltnisse in
dieser Region Europas flir erwiinscht halten, daB man zu einem Gedankenaustausch
iiber die beiden obenerwahnten Probleme, die gemeinsam zu behandeln waren,
moglichst bald herantrete, um dadurch eine Grundlage zur zukiinftigen Festigung der
gutnachbarlichen gegenseitigen Beziehungen zu finden.
Nr. 209
Unterredung des Reichsministers des Auswartigen
mit dem Polnischen Botschafter, 27. Marz 1939
Aufzeichnung des Gesandten Schmidt
Der Herr Reichsminister das Auswartigen stellte den Polnischen Botschafter wegen der
Ausschreitungen in Bromberg— zur Rede und bemerkte, daB diese neuen Ausfalle in
Deutschland einen katastrophalen Eindruck gemacht hatten, nasi da man hier den Eindruck
hatte, daB sie mit einer gewissen Duldung der polnischen Behorden vor sich gingen. Wieder
sei es der Westverband gewesen, gegen den Deutschland bei Polen schon so oft Beschwerde
gefuhrt habe. Man sei deutscherseits der Ansicht, daB die Polnische Regierung, wenn sie
guten Willens ware, wohl in der Lage sein miisse, derartige Zwischenfalle zu verhindern. Der
Herr ReichsauBenminister bedauerte eine derartige Entwicklung des deutsch-polnischen
Verhaltnisses auf das lebhafteste und betonte, die Deutsche Regierung miisse die Polnische
Regierung flir derartige Vorkommnisse voll verantwortlich halten.
Der Polnische Botschafter erklarte, von den erwahnten Vorgangen keine Kenntnis zu haben,
versprach aber, sich sofort zu informieren. Auch er bedauerte die Ausschreitungen, erklarte
sie jedoch mit der zur Zeit in Polen herrschenden Nervositat. Im iibrigen versprach er, von
sich aus alles tun zu wollen, um die Wiederholung derartiger Vorkommnisse abzustellen.
Als der Polnische Botschafter die Behauptung aufstellte, daB auch bei deutschen
Vereinsveranstaltungen ahnliche, gegen Polen gerichtete Zwischenfalle vorkamen, erwiderte
ihm der Herr ReichsauBenminister sofort, daB die Provokationen bisher immer nur von
polnischer Seite ausgegangen seien.
Auf die Frage des Polnischen Botschafters, ob man nicht ein paar "Worte der Beruhigung fur
die beiden Volker" finden konne, erwiderte der Herr ReichsauBenminister, daB etwas
derartiges in keiner Weise der Lage entsprache, da, wie gesagt, die Provokationen und
Presseangriffe bisher lediglich von polnischer Seite ausgegangen seien. Wenn - was wohl bald
nicht mehr aufzuhalten sein wiirde - die deutsche Presse auf die polnischen Angriffe nunmehr
antworte, so wiirde sie es griindlich tun.
AbschlieBend bemerkte der Herr ReichsauBenminister, er konne die Polnische Regierung
nicht mehr verstehen. Auf den groBziigigen Vorschlag, den Deutschland an Polen gemacht
habe, sei eine ablehnende Antwort erfolgt. Jedenfalls konne der gestern vom Polnischen
Botschafter uberbrachte Vorschlag vom Herrn ReichsauBenminister als keine Basis fur eine
Regelung der Fragen angesehen werden. Die Beziehungen beider Lander entwickelten sich
daher stark abschussig.
Bei der Verabschiedung sagte der Polnische Botschafter seinerseits zu, alles in seinen Kraften
Stehende tun zu wollen, um der Schwierigkeiten Herr zu werden.
Schmidt
Nr. 210
Der Deutsche Botschafter in Warschau an das Auswartige Amt
Bericht
Warschau, den 28. Marz 1939
Die erregte Stimmung, die in Polen seit einiger Zeit herrscht, hat noch erheblich
zugenommen. In der Bevolkerung sind die wildesten Geriichte verbreitet, so z. B., daB in
Oderberg Kampfe zwischen deutschen und polnischen Truppen stattgefunden hatten, daB
Minister Beck verhaftet worden sei und ahnliche phantastische Nachrichten. Von ernsterer
Bedeutung ist das Entstehen einer Kriegs stimmung, die durch die Presse, durch antideutsche
offentliche ri96i Kundgebungen - besonders in der Provinz - die bereits vielfach zu
Zwischenfallen gefuhrt haben, und zum Teil auch durch eine sabelrasselnde offiziose
Propaganda gefordert wird. In weiten Kreisen glaubt man heute, daB der Krieg unvermeidlich
geworden sei und unmittelbar bevorstehe.
Die praktischen MaBnahmen der Regierung tragen dazu bei, die vorhandene Kriegspsychose
zu steigern. Im Laufe der letzten Woche haben Einberufungen von Reservisten der drei
Jahrgange 1912, 1913 und 1914 stattgefunden, zum Teil - flir Spezialformationen - auch
Einberufungen aus anderen Jahrgangen, auBerdem sind Requisitionen von Pferden und
Lastkraftwagen erfolgt. Ferner hat die Regierung die gegenwartige Situation als AnlaB
benutzt, um eine innere Staatsanleihe zwecks Ausbaus der Luftwaffe und der Luftabwehr-
Artillerie auszuschreiben.
Fur die Art der offiziellen Wehrpropaganda ist besonders ein vielfach nachgedruckter Artikel
des Militarblatts Polska Zbrojna: "Wir sind bereit" charakteristisch. Darin wird u. a.
ausgefuhrt, daB die Polen, zum Unterschiede von den Tschechen, kein Gefiihl der
Unterlegenheit gegenuber den machtigen Volkern dieser Erde empfanden. Die Zahl der
fremden Divisionen schrecke die Polen nicht, denn seine eigene Armee, deren Ausriistung,
und der kriegerische Geist des polnischen Volkes reichten dazu aus, um Polen den Sieg zu
sichern. Zahlreiche andere Veroffentlichungen, die seither taglich in der Presse erscheinen,
sind im gleichen Geist und in der gleichen Tonart gehalten.
In dieser Selbstsicherheit und Uberschatzung der eigenen militarischen Starke, wie sie in der
Presse zum Ausdruck kommt, liegt im Hinblick auf den polnischen Nationalcharakter eine
Gefahr. DaB es sich hierbei nicht nur um Pressepropaganda handelt, zeigt eine verbiirgte
AuBerung, die der Vizekriegsminister Gluchowski in einer seriosen Unterhaltung getan hat,
wobei er ausfuhrte, die deutsche Wehrmacht sei ein groBer Bluff, denn Deutschland fehlten
die ausgebildeten Reserven, um seine Einheiten aufzufullen. Auf die Frage, ob er glaube, daB
Polen im Ernst Deutschland militarisch uberlegen sei, antwortete Gluchowski: "Aber
selbstverstandlich".
Kennzeichnend fur die Stimmung in politischen Kreisen war auch eine in der letzten
Vollsitzung des Senats veranstaltete antideutsche Demonstration. Die erste Lesung des
polnisch-litauischen Handelsvertrags, der der Litauische Gesandte Saulys in der
Diplomatenloge beiwohnte, gab dem Senator Katelbach Veranlassung, Litauen im Namen des
Senats zu versichern, daB Polen die schweren Erlebnisse, die Litauen soeben habe
durchmachen mlissen, aufs starkste mitempfunden habe. An dem "langdauernden
stiirmischen" Beifall, den diese Erklarung hervorrief, beteiligten sich auch die beiden zu der
Sitzung erschienenen Minister und VizeauBenminister Graf Szembek.
von Moltke
Nr. 211
Der Deutsche Botschafter in Warschau an das Auswartige Amt
Telegramm
Warschau, den 29. Marz 1939
AuBenminister Back bat mich gestern abend zu sich, um mir folgendes mitzuteilen: Der Herr
ReichsauBenminister habe in der Unterredung vom 26. Marz dem Botschafter Lipski erklart,
daB ein polnischer Gewaltakt gegen Danzig den casus belli bedeuten wiirde. Diese Mitteilung
zwinge ihn, seinerseits die ri97i Erklarung abzugeben, daB, falls deutscherseits ein Versuch
unternommen werden sollte, das Statut der Freien Stadt einseitig abzuandern, Polen hierin den
casus belli sehen wiirde. Das gleiche gelte auch, wenn etwa der Danziger Senat einen solchen
Versuch unternehmen wiirde. Herr Beck fiigte hinzu, daB die Polnische Regierung die
eingetretene Verscharfung bedauere.
Ich erwiderte Beck, daB die Verscharfung nicht durch uns, sondern lediglich durch die
polnischen MobilmachungsmaBnahmen hervorgerufen worden sei, die jeder Berechtigung
entbehrten und iiberdies einen in seiner Auswirkung hochst bedenklichen Schritt darstellten.
Schon jetzt sei infolge der hierdurch eingetretenen Kriegsstimmung, die durch Presse und
Propaganda in unverantwortlicher Weise gesteigert wiirde, eine Lage entstanden, die ernste
Gefahren in sich schlieBe. Die schweren Zwischenfalle in Pommerellen seien ein deutlicher
Beweis dafiir. Ich verwies insbesondere auf die unerhorten Ausschreitungen in Bromberg und
Liniewo— und behielt mir vor, nach Eingang genauerer Informationen noch auf diese
Angelegenheit zuruckzukommen.
Beck versuchte die MobilmachungsmaBnahmen damit zu rechtfertigen, daB die gerade im
gegenwartigen Zeitpunkt hinsichtlich Danzigs erhobene Forderung nach den Vorgangen in
der Tschechoslowakei und in Memel polnischerseits als Alarmsignal aufgefaBt worden sei.
Die Sorge, daB durch die getroffenen MaBnahmen Schwierigkeiten entstehen konnten, sei
unbegriindet. Von den Vorfallen in Liniewo wisse er noch nichts. Der Vorfall von
Bromberg,— bei dem die Polizei ubrigens energisch durchgegriffen habe, sei zum Gegenstand
einer Ministerbesprechung gemacht worden. Der Ministerprasident habe darauf strengste
Weisung an alle Verwaltungsbehorden gehen lassen, alles zu vermeiden, was zu
Zwischenfallen AnlaB geben konnte, insbesondere Versammlungen und Umziige zu
verbieten.
Beck hinzufligte, er wolle mir nicht verhehlen, daB er immer mehr den Eindruck gewinne, als
standen wir an einem Wendepunkt der deutsch-polnischen Beziehungen. - Ich erinnerte
demgegeniiber an die Besprechung von Berchtesgaden,— in der der Flihrer die
Aufrechterhaltung der Verstandigungspolitik in den Vordergrund gestellt hatte, und legte dar,
daB die jetzigen Vorschlage gerade das Ziel verfolgten, die deutsch-polnischen Beziehungen
auf eine gesunde und dauerhafte Grundlage zu stellen, wobei wir allerdings mehr Einsicht von
polnischer Seite erwarten miiBten.
Moltke
Nr. 212
Aufzeichnung des Staatssekretars des Auswartigen Amts
Berlin, den 6. April 1939
Der Polnische Botschafter leitete heute bei einem Gesprach, zu welchem ich ihn hierher
gebeten hatte, von sich aus tiber auf die Beckschen Unterhaltungen in London.— Lipski
behauptete, im Detail nicht unterrichtet zu sein, jedoch gewisse Grundsatze mir gegeniiber
feststellen zu konnen.
1. Polen wunsche an dem Abkommen von 1934 festzuhalten.
[i9g] 2. Bei den polnisch-englischen Abreden handelt es sich um einen bilateralen und
rein defensiven Akt; von dem Beitritt Polens zu einem Block sei nicht die Rede.
Ich habe diese AuBerungen von Lipski mit einigem Lacheln entgegengenommen und ihm
dann etwa folgendes erwidert: Mir sei die Entwicklung der polnischen Politik in der jlingsten
Zeit nicht mehr begreiflich. Lipski wisse so gut wie ich, unter welcher Belastung unser
Verhaltnis vor der Machtergreifung gestanden hatte. Niemand in Deutschland als der Flihrer
hatte die groBen Konzeptionen des Jahres 1934 haben und mit Polen zur Durchfuhrung
bringen konnen. Unsere Beziehungen hatten von da an einen erfreulichen standigen
Aufschwung genommen. Im Sinne dieser guten Nachbarschaft habe der Flihrer dann
bekanntlich Gesprache mit Polen eingeleitet und nicht nur die letzten Differenzpunkte
zwischen uns ausraumen, sondern in groBzligiger Weise die Korridorgrenze flir Polen sichern
wollen. Polen habe dieses Angebot offenbar nicht verstanden. Statt mit Freuden zuzugreifen
und das Werk von 1934 zu vollenden, hatten wir plotzlich in Polen ein merkwlirdiges
Sabelrasseln vernommen. Das habe uns zwar nicht aufgeregt, stehe aber in seltsamem
Kontrast zu der Antwort, die wir von Warschau erwarten durften. AuftragsgemaB sagte ich,
das Angebot des Flihrers an Polen sei ein einmaliges gewesen. Eine Art von Antwort auf das
Angebot, welche die Polnische Regierung uns habe erteilen wollen, sei ihm - Lipski - durch
den Herrn ReichsauBenminister am 27. Marz bekanntlich bereits dahin charakterisiert worden,
daB sie keine Grundlage zur Regelung der aufgeworfenen Frage darstelle.— (Spater im Laufe
des Gespraches wiederholte ich, daB die polnische Antwort flir uns keine
Diskussionsgrundlage sei.) Ob Polen mit dieser Haltung gut beraten gewesen sei, werde ja die
Zukunft lehren. Ich fuhr fort, daB ich die flir heute nachmittag angeklindigte Mitteilung
Chamberlains im Unterhaus noch nicht gelesen hatte. Treffe aber das zu, was man schon jetzt
in der Presse liber die Beckschen Gesprache finde, so wisse ich nicht, wie das polnische
Verhalten mit dem Sinn des Abkommens von 1934 noch vereinigt werden konnte.
Zu dem letzteren Punkte wollte Lipski erwidern, daB auch das polnisch-franzosische
Vertragsverhaltnis sich mit dem Abkommen von 1934 habe vereinigen lassen. Die polnischen
Truppenkonzentrationen in der Gegend von Danzig wollte Lipski als eine begreifliche
Parallelerscheinung mit Truppenbewegungen anderer Lander - wie Ungarn, Rumanien, ja
selbst Norwegen - hinstellen. Vor allem aber erklarte Lipski, in den Tagen urn den deutschen
Einmarsch in die Tschecho-Slowakei ganz ohne Kontakt mit uns gelassen worden zu sein,
woraus im Gegensatz zum September v. J. sich eine begreifliche polnische Nervositat
entwickelt habe. Das von Deutschland an Litauen gerichtete Ultimatum habe die polnischen
Sorgen noch entsprechend vermehrt.
Ich schnitt Lipski das Wort ab, als er von einem "Ultimatum" an Litauen sprach, machte seine
Ausfiihrungen iiber Truppenbewegungen anderer - die niemals gegen Polen gerichtet waren -
lacherlich und erklarte ihm, es ware mir verstandlich gewesen, wenn er sich bei uns jetzt dafiir
bedankt hatte, daB wir dem heiBen Wunsche Warschaus nach einer gemeinsamen ungarisch-
polnischen Grenze kein Hindernis bereitet haben. Kurzum, ich wies Lipskis Redensarten mit
den naheliegenden Argumenten gelassen zuriick, worauf wir uns trennten.
Weizsacker
[199]
Nr. 213
Durch den Deutschen Geschaftstrager in Warschau
im Polnischen AuBenministerium tibergebenes Memorandum
der Deutschen Regierung vom 28. April 1939
Die Deutsche Regierung hat durch die von polnischer und britischer Seite offentlich
bekanntgegebenen Erklarungen Kenntnis von dem bisherigen Ergebnis und dem Endziel der
neuerdings zwischen Polen und GroBbritannien gefuhrten Verhandlungen erhalten. Danach
haben die Polnische und die Britische Regierung eine vorlaufige, demnachst durch ein
Dauerabkommen zu ersetzende Vereinbarung— getroffen, die Polen und GroBbritannien den
gegenseitigen Beistand flir den Fall gewahrleisten soil, daB die Unabhangigkeit eines der
beiden Staaten direkt oder indirekt bedroht wird.
Die Deutsche Regierung sieht sich gezwungen, der Polnischen Regierung hierzu folgendes
mitzuteilen:
Als sich die Nationalsozialistische Regierung im Jahre 1933 der Aufgabe einer Neugestaltun^
der deutschen AuBenpolitik zuwandte, war es nach dem Austritt Deutschlands aus dem
Volkerbund ihr erstes Ziel, die Beziehungen zwischen Deutschland und Polen auf eine neue
Grundlage zu stellen.
Der Fiihrer des Deutschen Reiches und der verewigte Marschall Pilsudski begegneten sich
damals in dem EntschluB, mit den politischen Methoden der Vergangenheit, zu brechen und
flir die Behandlung aller die Beziehungen der beiden Lander betreffenden Fragen den Weg
einer unmittelbaren freundschaftlichen Verstandigung von Staat zu Staat zu eroffnen.
Durch den unbedingten Verzicht auf jede Anwendung von Gewalt gegeneinander sollte eine
Friedensgarantie geschaffen werden, um den beiden Regierungen die groBe Aufgabe zu
erleichtern, fur alle Probleme politischer, wirtschaftlicher und kultureller Art Losungen zu
finden, die auf einem gerechten und billigen Ausgleich der beiderseitigen Interessen beruhten.
Diese Grundsatze, die in der deutsch-polnischen Friedenserklarung vom 26. Januar 1934— in
vertraglich bindender Form festgelegt wurden, waren dazu bestimmt und haben in der Tat den
Erfolg gehabt, in der Entwicklung der deutsch-polnischen Beziehungen eine vollig neue
Phase einzuleiten.
DaB sie sich zum Nutzen beider Volker in der Praxis bewahrt haben, beweist die politische
Geschichte der letzten fiinf Jahre und ist noch am 26. Januar d. J., dem funften Jahrestag der
Unterzeichnung der Erklarung, von beiden Seiten offentlich ausgesprochen worden, unter
Betonung des liber einstimmenden Willens, den im Jahre 1934 festgelegten Grundsatzen auch
in Zukunft treu zu bleiben. 1 ^
Mit diesen vor wenigen Monaten abgegebenen feierlichen Erklarungen steht die jetzt von der
Polnischen Regierung mit der Britischen Regierung abgeschlossene Vereinbarung in einem so
offenbaren Widerspruch, daB die Deutsche Regierung von einer so plotzlichen und radikalen
Schwenkung der polnischen Politik nur mit Erstaunen und Befremden Kenntnis nehmen kann.
Die neue polnisch-britische Vereinbarung ist, wie ihre endgultige Formulierung auch gestaltet
werden mag, von beiden Partnern als regelrechter Blindnispakt gedacht, und zwar als ein
Blindnispakt, der sich nach seiner allgemein bekannten Vorgeschichte und nach der ganzen
Lage der politischen Verhaltnisse ausschlieBlich gegen Deutschland richtet.
12001 Aus der von der Polnischen Regierung jetzt ubernommenen Verpflichtung ergibt sich, daB
Polen in einen etwaigen deutsch-englischen Konflikt durch einen gegen Deutschland
gerichteten Angriff gegebenenfalls auch dann einzugreifen beabsichtigt, wenn dieser Konflikt
Polen und seine Interessen uberhaupt nicht beriihrt. Das ist ein direkter und flagranter VerstoB
gegen den in der Erklarung von 1934 vereinbarten Verzicht auf jede Anwendung von Gewalt.
Der Gegensatz zwischen der deutsch-polnischen Erklarung und der polnisch-britischen
Vereinbarung greift aber in seiner Tragweite noch wesentlich iiber diesen Punkt hinaus. Die
Erklarung von 1934 sollte das Fundament dafiir sein, unter dem Schutz der vereinbarten
Friedensgarantie alle zwischen den beiden Landern auftauchenden Fragen frei von
internationalen Verflechtungen und Kombinationen in direkter, von auBen nicht beeinfluBter
Auseinandersetzung zwischen Berlin und Warschau zu regeln. Ein solches Fundament setzt
selbstverstandlich das voile gegenseitige Vertrauen der beiden Partner sowie auch die
Loyalitat der politischen Absichten jedes Partners gegeniiber dem anderen Partner voraus.
Dagegen hat die Polnische Regierung durch den jetzt von ihr gefaBten BeschluB, in ein gegen
Deutschland gerichtetes Bundnisverhaltnis einzutreten, zu erkennen gegeben, daB sie der ihr
von der Deutschen Regierung unmittelbar zugesicherten Friedensgarantie das
Beistandsversprechen einer dritten Macht vorzieht.
Zugleich muB die Deutsche Regierung daraus entnehmen, daB die Polnische Regierung zur
Zeit keinen Wert mehr darauf legt, fur deutsch-polnische Fragen die Losung in direkter
freundschaftlicher Auseinandersetzung mit der Deutschen Regierung zu suchen. Damit hat die
Polnische Regierung den Weg verlassen, der im Jahre 1934 flir die Gestaltung der deutsch-
polnischen Beziehungen vereinbart worden ist.
Die Polnische Regierung kann sich nicht darauf berufen, daB die Erklarung von 1934 die von
Polen oder Deutschland schon vorher nach anderer Seite hin ubernommenen Verpflichtungen
unberiihrt lassen sollte und daB mithin neben ihr auch die Bundnisvereinbarungen zwischen
Polen und Frankreich in Geltung geblieben sind. Das polnisch-franzosische Biindnis war im
Jahre 1934, als Polen und Deutschland an die Neugestaltung ihrer Beziehungen herantraten,
eine gegebene Tatsache. Die Deutsche Regierung konnte sich mit dieser Tatsache abfinden,
weil sie erwarten durfte, daB die etwaigen Gefahren des aus einer Zeit scharfsten deutsch-
polnischen Gegensatzes stammenden polnisch-franzosischen Bundnisses durch die
Anbahnung freundschaftlicher Beziehungen zwischen Deutschland und Polen von selbst
immer mehr an Bedeutung verlieren wiirden.
Der Eintritt Polens in ein Bundnisverhaltnis mit GroBbritannien, der jetzt fiinf Jahre nach
Vereinbarung der Erklarung von 1934 erfolgt ist, kann deshalb politisch mit dem
Inkraftbleiben des polnisch-franzosischen Bundnisses in keiner Weise verglichen werden. Mit
diesem neuen Blindnis hat sich die Polnische Regierung einer von anderer Seite inaugurierten
Politik dienstbar gemacht, die das Ziel der Einkreisung Deutschlands verfolgt.
Die Deutsche Regierung hat ihrerseits zu einer derartigen Anderung der polnischen Politik
nicht den geringsten AnlaB gegeben. Sie hat der Polnischen Regierung bei jeder sich
bietenden Gelegenheit sowohl offentlich als auch in vertraulichen Besprechungen die
bundigsten Versicherungen dafiir gegeben, daB die freundschaftliche Entwicklung des
deutsch-polnischen Verhaltnisses reon ein wesentliches Ziel ihrer AuBenpolitik sei und daB sie
in ihren politischen Entschlussen jederzeit auf die Achtung berechtigter polnischer Interessen
Bedacht nehmen werde.
So hat auch die Durchflihrung der von Deutschland im Marz d. J. zur Befriedung
Mitteleuropas eingeleiteten Aktion die polnischen Interessen nach Ansicht der Deutschen
Regierung in keiner Weise beeintrachtigt. Im Zusammenhang mit dieser Aktion ist es zur
Herstellung einer polnisch-ungarischen Grenze gekommen, die von polnischer Seite stets als
ein wichtiges politisches Ziel bezeichnet worden ist.
Uberdies hat die Deutsche Regierung aber unmiBverstandlich zum Ausdruck gebracht, daB sie
bereit sei, sich mit der Polnischen Regierung freundschaftlich auseinanderzusetzen, falls diese
etwa ihrerseits der Ansicht sein sollte, daB sich flir sie aus der Neugestaltung der Verhaltnisse
in Mitteleuropa neue Probleme ergeben hatten.
Im gleichen freundschaftlichen Geiste hat die Deutsche Regierung versucht, eine Regelung
der einzigen noch zwischen Deutschland und Polen stehenden Frage, der Danziger Frage, in
Gang zu bringen. DaB diese Frage einer Neuregelung bedarf, ist von deutscher Seite Polen
gegeniiber seit Jahr und Tag betont und von polnischer Seite auch nicht bestritten worden.
Seit langerer Zeit hat die Deutsche Regierung immer wieder versucht, die Polnische
Regierung davon zu uberzeugen, daB durchaus die Moglichkeit einer den Interessen beider
Teile gerecht werdenden Losung gegeben sei und daB mit der Beseitigung dieses letzten
Hemmnisses der Weg flir eine aussichtsreiche politische Zusammenarbeit Deutschlands und
Polens freigemacht werden wiirde.
Die Deutsche Regierung hat sich hierbei nicht auf allgemeine Andeutungen beschrankt,
sondern der Polnischen Regierung, und zwar zuletzt Ende Marz d. J., in freundschaftlichster
Form eine Regelung auf folgender Grundlage vorgeschlagen:
Ruckkehr Danzigs zum Reich,
exterritoriale Eisenbahn- und Autoverbindung zwischen OstpreuBen und dem Reich,
dafiir Anerkennung des ganzen polnischen Korridors und der gesamten polnischen
Westgrenze,
AbschluB eines Nichtangriffspaktes auf 25 Jahre,
Sicherstellung der wirtschaftlichen Interessen Polens in Danzig sowie groBziigige
Regelung der iibrigen sich aus der Wiedervereinigung Danzigs mit dem Reich flir
Polen ergebenden wirtschaftlichen und verkehrstechnischen Fragen.
Gleichzeitig hat die Deutsche Regierung sich bereit erklart, bei der Sicherstellung der
Unabhangigkeit der Slowakei auch den polnischen Interessen Rechnung zu tragen.
Niemand, der die Verhaltnisse in Danzig und im Korridor sowie die damit
zusammenhangenden Probleme kennt, kann bei unvoreingenommener Beurteilung bestreiten,
daB dieser Vorschlag das Minimum dessen enthielt, was vom Standpunkt unverzichtbarer
deutscher Interessen gefordert werden muB, und daB er alien flir Polen irgendwie
wesentlichen Interessen Rechnung trug. Die Polnische Regierung hat hierauf jedoch eine
Antwort gegeben, die zwar in die Form von Gegenvorschlagen gekleidet war, die aber der
Sache nach jedes 12021 Verstandnis flir den deutschen Standpunkt vermissen lieB und auf eine
Ablehnung des deutschen Angebots hinauslief.
DaB die Polnische Regierung selbst ihre Antwort nicht als geeignet ansah, eine
freundschaftliche Verstandigung anzubahnen, hat sie in ebenso iiberraschender wie
drastischer Weise dadurch bewiesen, daB sie gleichzeitig mit der Antwort zu einer
umfangreichen Teilmobilisierung ihrer Armee schritt. Mit dieser durch nichts gerechtfertigten
MaBnahme hat sie zugleich im voraus Sinn und Ziel der Verhandlungen gekennzeichnet, in
die sie unmittelbar darauf mit der Britischen Regierung eingetreten ist.
Die Deutsche Regierung hat es nicht flir notwendig gehalten, auf die polnische
Teilmobilisierung mit militarischen GegenmaBnahmen zu antworten. Dagegen kann sie iiber
die anderen von der Polnischen Regierung in der letzten Zeit gefaBten Entschlusse nicht
einfach stillschweigend hinweggehen. Sie sieht sich vielmehr zu ihrem Bedauern genotigt,
hiermit folgendes festzustellen:
1. Die Polnische Regierung hat die ihr von der Deutschen Regierung gebotene Gelegenheit zu
einer gerechten Regelung der Danziger Frage, zu einer endgultigen Sicherung ihrer Grenze
gegeniiber dem Deutschen Reich und damit zu einer dauernden Festigung eines
freundnachbarlichen Verhaltnisses beider Lander nicht ergriffen. Sie hat vielmehr die dahin
zielenden deutschen Vorschlage verworfen.
2. Gleichzeitig hat sich die Polnische Regierung gegeniiber einem anderen Staate auf
politische Verpflichtungen eingelassen, die sowohl mit dem Sinn als auch dem Wortlaut der
deutsch-polnischen Erklarung vom 26. Januar 1931 unvereinbar sind. Die Polnische
Regierung hat damit diese Erklarung willkiirlich und einseitig auBer Kraft gesetzt.
Trotz dieser notwendig gewordenen Feststellung beabsichtigt die Deutsche Regierung nicht,
ihre grands atzliche Einstellung zu der Frage der kunftigen Gestaltung der deutsch-polnischen
Beziehungen zu andern. Sollte die Polnische Regierung Wert darauf legen, daB es zu einer
neuen vertraglichen Regelung dieser Beziehungen kommt, so ist die Deutsche Regierung dazu
bereit und stellt daflir nur die eine Voraussetzung auf, daB eine derartige Regelung auf einer
klaren, beide Teile bindenden Verpflichtung beruhen muBte.
Nr. 214
Rede des Fuhrers vor dem Deutschen Reichstag, 28. April 1939
Auszug
Uber das deutsch-polnische Verhaltnis ist wenig zu sagen. Der Friedensvertrag von
Versailles hat auch hier, und zwar naturlich mit Absicht, dem deutschen Volk die schwerste
Wunde zugefiigt. Durch die eigenartige Festlegung des Korridors Polens zum Meer sollte vor
allem auch fiir alle zukunftigen Zeiten eine Verstandigung zwischen Polen und Deutschland
verhindert werden. Das Problem ist, wie schon betont, fiir Deutschland vielleicht das
allerschmerzlichste. Allein, trotzdem habe ich unentwegt die Auffassung vertreten, daB die
Notwendigkeit eines freien Zugangs zum Meer fiir den polnischen Staat nicht ubersehen
werden kann und daB uberhaupt grundsatz- [2021 lich auch in diesem Falle die Volker, die nun
einmal von der Vorsehung dazu bestimmt oder meinetwegen verdammt sind, nebeneinander
zu leben, sich zweckmaBigerweise nicht kunstlich und unnotwendig das Leben noch
verbittern sollten.
Der verstorbene Marschall Pilsudski, der derselben Meinung anhing, war daher bereit, die
Frage einer Entgiftung des deutsch-polnischen Verhaltnisses zu uberpriifen und endlich das
Abkommen abzuschlieBen, durch das Deutschland und Polen in der Regelung ihrer
beiderseitigen Beziehungen entschlossen waren, auf das Mittel des Krieges endgultig zu
verzichten. Diese Abmachung hatte allerdings eine einzige Ausnahme; sie wurde praktisch
Polen zugestanden. Es wurde festgestellt, daB die von Polen schon bisher getroffenen
Beistandspakte, es war dies der Beistandspakt mit Frankreich, dadurch nicht beriihrt werden
sollten. Es war aber selbstverstandlich, daB sich dies ausschlieBlich auf den bereits
vorhandenen Beistandspakt beziehen konnte und nicht auf beliebig neu abzuschlieBende.
Tatsache ist, daB das deutsch-polnische Abkommen zur auBerordentlichen Entspannung der
europaischen Lage beitrug.
Immerhin war zwischen Deutschland und Polen eine Frage offen, die friiher oder spater ganz
naturlich gelost werden muBte, die Frage der deutschen Stadt Danzig. Danzig ist eine
deutsche Stadt, und sie will zu Deutschland. Umgekehrt hat diese Stadt vertragliche
Abmachungen, die ihr allerdings aufgezwungen waren durch die Versailler
Friedensdiktatoren, mit Polen. Da nun auBerdem der Volkerbund friiher als groBter
Unruhestifter nunmehr mit einem allerdings auBerordentlich taktvollen Hohen Kommissar
vertreten ist, muB spatestens mit dem allmahlichen Erloschen dieser unheilvollen Institution
das Problem Danzig so oder so erortert werden. Ich sah nun in der friedlichen Losung dieser
Frage einen weiteren Beitrag fiir eine endgultige europaische Entspannung. Denn dieser
Entspannung dient man sicherlich nicht durch die Hetze wahnsinnig gewordener
Kriegstreiber, sondern durch die Beseitigung wirklicher Gefahrenmomente. Ich habe nun der
Polnischen Regierung, nachdem das Problem Danzig schon vor Monaten einige Male
besprochen worden war, ein konkretes Angebot unterbreiten lassen. Ich teile Ihnen, meine
Abgeordneten, nunmehr dieses Angebot mit, und Sie werden sich selbst ein Urteil bilden, ob
es nicht im Dienste des europaischen Friedens das gewaltigste Entgegenkommen darstellt, das
an sich denkbar war. Ich habe, wie schon betont, die Notwendigkeit eines Zuganges dieses
Staates zum Meere stets eingesehen und damit auch in Rechnung gestellt. Ich bin ja kein
demokratischer Staatsmann, sondern ein realistischer Nationalsozialist. Ich hielt es aber auch
flir notwendig, der Warschauer Regierung klarzumachen, daB so, wie sie einen Zugang zum
Meere wunscht, Deutschland einen Zugang braucht zu seiner Provinz im Osten. Es sind dies
nun einmal schwierige Probleme. Dafiir ist nicht Deutschland verantwortlich, sondern jene
Zauberkunstler von Versailles, die in ihrer Bosheit und in ihrer Gedankenlosigkeit in Europa
hundert Pulverfasser herumstellten, von denen jedes einzelne auBerdem noch mit kaum
ausloschbaren Lunten versehen worden war.
Man kann nun diese Probleme nicht nach irgendeinem alten Schema losen, sondern ich halte
es flir notwendig, daB man hier neue Wege geht. Denn der Weg Polens zum Meer durch den
Korridor und umgekehrt, ein deutscher Weg durch diesen Korridor haben liberhaupt keinerlei
militarische Bedeutung. Ihre Bedeutung liegt ausschlieBlich auf psychologischem und
wirtschaftlichem Gebiet. Einem solchen Verkehrsstrang eine militarische Bedeutung
zuweisen zu wollen, hieBe sich einer militarischen Naivitat von seltenem AusmaB ergeben.
I2M Ich habe nunmehr der Polnischen Regierung folgenden Vorschlag unterbreiten lassen:
1. Danzig kehrt als Freistaat in den Rahmen des Deutschen Reiches zuriick.
2. Deutschland erhalt durch den Korridor eine StraBe und eine Eisenbahnlinie zur
eigenen Verfugung mit dem gleichen exterritorialen Charakter flir Deutschland, als der
Korridor ihn flir Polen besitzt. Dafiir ist Deutschland bereit:
1. samtliche wirtschaftlichen Rechte Polens in Danzig anzuerkennen,
2. Polen in Danzig einen Freihafen beliebiger GroBe und bei vollstandigem
freien Zugang sicherzustellen,
3. damit die Grenzen zwischen Deutschland und Polen endgultig als gegebene
hinzunehmen und zu akzeptieren,
4. einen 25jahrigen Nichtangriffspakt mit Polen abzuschlieBen, also einen
Pakt, der weit iiber mein eigenes Leben hinausreichen wiirde, und
5. die Unabhangigkeit des slowakischen Staates durch Deutschland, Polen und
Ungarn gemeinsam sicherzustellen, was den praktischen Verzicht auf jede
einseitige deutsche Vormachtstellung in diesem Gebiet bedeutet.
Die Polnische Regierung hat dieses mein Angebot abgelehnt und sich
1. nur bereit erklart, iiber die Frage des Ersatzes des Voikerbundskommissars zu
verhandeln und
2. Erleichterungen flir den Durchgangsverkehr durch den Korridor zu erwagen.
Ich habe diese mir unverstandliche Haltung der Polnischen Regierung aufrichtig bedauert.
Jedoch das allein ist nicht das Entscheidende, sondern das Schlimmste ist, daB nunmehr
ahnlich wie die Tschecho-Slowakei vor einem Jahr auch Polen glaubt, unter dem Druck einer
verlogenen Welthetze Truppen einberufen zu mussen, obwohl Deutschland seinerseits
liberhaupt nicht einen einzigen Mann eingezogen hat und nicht daran dachte, irgendwie gegen
Polen vorzugehen. Wie gesagt, dies ist an sich sehr bedauerlich, und die Nachwelt wird
einmal entscheiden, ob es nun wirklich so richtig war, diesen von mir gemachten einmaligen
Vorschlag abzulehnen. Dies - wie gesagt - war ein Versuch von mir, eine die ganze deutsche
Nation innerlich bewegende Frage in einem wahrhaft einmaligen KompromiB zu losen, und
zwar zu losen zugunsten beider Lander.
Meiner Uberzeugung nach war Polen bei dieser Losung aber uberhaupt kein gebender Teil,
sondern nur ein nehmender; denn daB Danzig niemals polnisch werden wird, diirfte wohl
auBer Zweifel stehen.
Die Deutschland nunmehr von der Weltpresse einfach angedichtete Angriffsabsicht fiihrte in
der Folge zu den Ihnen bekannten sogenannten Garantieangeboten und zu einer Verpflichtung
der Polnischen Regierung fur einen gegenseitigen Beistand, der also Polen unter Umstanden
zwingen wiirde, im Falle eines Konflikts Deutschlands mit irgendeiner anderen Macht, durch
den wieder England auf den Plan gerufen wiirde, nun seinerseits gegen Deutschland
militarisch Stellung zu nehmen.
Diese Verpflichtung widerspricht der Abmachung, die ich seinerzeit mit dem Marschall
Pilsudski getroffen habe. Denn in dieser Abmachung ist ausschlieBlich Bezug genommen auf
bereits, also damals bestehende Verpflichtungen, und zwar auf die uns bekannten
Verpflichtungen Polens Frankreich gegenuber.
12051 Diese Verpflichtungen nachtraglich zu erweitern, steht im Widerspruch zur deutsch-
polnischen Nichtangriffspakterklarung.
Ich hatte unter diesen Umstanden damals diesen Pakt nicht abgeschlossen. Denn was haben
Nichtangriffspakte uberhaupt fur einen Sinn, wenn sich der eine Partner praktisch eine
Unmenge von Ausnahmefallen off en laBt! Es gibt entweder kollektive Sicherheit, d. h.
kollektive Unsicherheit und ewige Kriegsgefahr, oder klare Abkommen, die aber auch
grands atzlich jede Waffenwirkung unter den Kontrahenten ausschlieBen.
Ich sehe deshalb damit das von mir und dem Marschall Pilsudski seinerzeit geschlossene
Abkommen als durch Polen einseitig verletzt an und damit als nicht mehr bestehend!
Ich habe dies der Polnischen Regierung mitgeteilt.— Ich kann aber auch hier nur wiederholen,
daB dies keine Anderang meiner grundsatzlichen Einstellung zu den angefuhrten Problemen
bedeutet. Sollte die Polnische Regierung Wert, darauf legen, zu einer neuen vertraglichen
Regelung der Beziehungen zu Deutschland zu kommen, so werde ich das nur begruBen,
allerdings unter der Voraussetzung, daB eine solche Regelung dann auf einer ganz klaren und
gleichmaBig beide Teile bindenden Verpflichtung beraht. Deutschland ist jedenfalls gerne
bereit, solche Verpflichtungen zu ubernehmen und dann auch zu erfullen
Nr. 215
Der Deutsche Geschaftstrager in Warschau an das Auswartige Amt
Bericht
Warschau, den 2. Mai 1939
Uber die amtliche Stellungnahme zur Fuhrerrede habe ich bereits anderweit berichtet. Diese
offiziose Stellungnahme ist in alien Variationen sowohl in den Regierangsblattern wie auch in
der Oppositionspresse gebracht worden. Die Haltung der gesamten offentlichen Meinung der
letzten Tage zeigt deutlich eine weitere Versteifung gegenliber Deutschland. Selbst in
zweifellos amtlich inspirierten Blattern wurden kriegerische Tone angeschlagen und sogar die
Forderang aufgestellt, Danzig miisse polnisch werden. Recht bezeichnend ist auch die
Feststellung der hiesigen Gazeta Polska, daB die Polnische Regierung sich angesichts der
deutschen Methoden und der dadurch geschaffenen Lage genotigt sehe, kunftig starkere
Garantien flir die polnischen Rechte und den polnischen Besitzstand in Danzig zu fordern.
Ein weiteres Zeichen fur die immer mehr zur Schau getragene Unnachgiebigkeit Polens
gegenliber den deutschen Forderungen ist auch darin zu erblicken, daB die heutige Presse die
Bedeutung der englischen Garantie flir Polen besonders unterstreicht. Man beruft sich dabei
auf angebliche englische Zusagen, wonach die Polnische Regierung allein dariiber zu
entscheiden habe, ob Polen zu den Waffen greifen miisse und ob daher der Bundnisfall flir
England gegeben sei.
Voraussichtlich wird AuBenminister Beck noch in dieser Woche - wahrscheinlich am Freitag
- Gelegenheit nehmen, um den polnischen Standpunkt in einer Rede vor dem Parlament
klarzulegen.
von Wuhlisch
12061
Nr. 216
Der Deutsche Botschafter in Warschau an das Auswartige Amt
Bericht
Warschau, den 23. Mai 1939
Ich hatte dieser Tage Gelegenheit zu einer Unterredung mit dem Unterstaatssekretar
Arciszewski, aus der mir folgendes bemerkenswert zu sein scheint:
Herrn Arciszewski lag offenbar daran klarzustellen, daB die Schwenkung der polnischen
Politik, wie sie durch die englisch-polnische Garantieerklarung zum Ausdruck gekommen sei,
nicht auf die personliche Initiative des Ministers Beck zuriickgefuhrt werden konne. Herr
Beck habe diese ganze Politik mit innerem Widerstreben unter dem Druck der Militars und
der offentlichen Meinung mitgemacht. SchlieBlich sei er nicht mehr in der Lage gewesen, das
englische Angebot zuriickzuweisen. Er habe aber die ihm schon mit Rucksicht auf die hiesige
Stimmung inopportun erscheinende Erorterung der Angelegenheit in der Offentlichkeit immer
wieder hinausgeschoben, bis er durch die Fuhrerrede zu einer Entgegnung gezwungen worden
sei. Seine Antwort vor dem Sejm, in der er notgedrungen eine Politik habe vertreten mussen,
die nicht die seine sei, sowie die Begeisterung, die seine Rede in der hiesigen Offentlichkeit
ausgelost habe, hatten Herrn Beck nur mit Bitterkeit erfiillt. Herr Arciszewski schilderte dann
in dramatischer Form, wie Herr Beck am Tage nach der Sejmrede einen ganzen StoB von
Huldigungstelegrammen mit einem Wutausbruch in die Ecke geworfen habe. Herr Beck sei
auch heute noch im Grande genommen Anhanger der alten Politik. Insbesondere erscheine es
ihm aber auch unsinnig, daB gerade die beiden verhaltnismaBig so armen Lander Deutschland
und Polen sich schlagen sollten, was letzten Endes doch nur im Interesse der reichen Lander
gelegen sei.
Diese Darstellung mag etwas gefarbt sein. Immerhin stimmen doch verschiedene
Beobachtungen darin liberein, daB Herr Beck im Laufe der letzten Monate in der Verfolgun^
der von Marschall Pilsudski uns gegenliber eingeschlagenen Linie immer weniger
Gefolgschaft hatte. Als sich dann die Moglichkeit ergab, eine englische Garantie fur die
polnischen Westgrenzen zu erhalten, sind es offenbar die militarischen Kreise gewesen, die
diese Schwenkung der Politik herbeigefiihrt haben. Herr Beck hat sich dann gezwungen
gesehen, diese Politik mitzumachen, schon weil er sich sonst nicht hatte halten konnen.
von Moltke
Atimerfetuitgeii:
138 Vgl. Nr. 349 . ...zuriick...
i -in
In Liniewo wurde eine Versammlung der dortigen Reichsdeutschen von 25 Polen
iiberfallen, die das gesamte Mobiliar zertrummerten, ein Bild des Fuhrers vollstandig
zerstorten und die Reichsflagge zerrissen. Vgl. Nr. 350 . ...zuriick...
140 Vgl. Nr. 349 . ...zuriick...
141 Vgl. Nr. 200 . ...zuriick...
142 Vgl. Nr. 286 . ...zuriick...
143 Vgl. Nr. 209 . ...zuriick...
144 Vgl. Nr. 286 . ...zuriick...
145 Vgl. Nr. 37 . ...zuriick...
145a Vgl. Nr. 37 . ...zuriick...
146 Vgl. Nr. 213 . ...zuriick...
Zweites Kapitel
Die Englische Kriegspolitik
A. Britische Aufrustung und Hetze
gegen Deutschland
(September 1938 bis Juli 1939)
Nr. 217
Gemeinsame Erklarung des Fuhrers
und des Britischen Premierministers Chamberlain,
Munchen, 30. September 1938
Wir haben heute eine weitere Besprechung gehabt und sind uns in der Erkenntnis einig, daB
die Frage der deutsch-englischen Beziehungen von allererster Bedeutung flir beide Lander
und flir Europa ist.
Wir sehen das gestern abend unterzeichnete Abkommen und das deutsch-englische
Flottenabkommen als symbolisch flir den Wunsch unserer beiden Volker an, niemals wieder
gegeneinander Krieg zu fiihren.
Wir sind entschlossen, auch andere Fragen, die unsere beiden Lander angehen, nach der
Methode der Konsultation zu behandeln und uns weiter zu bemiihen, etwaige Ursachen von
Meinungsverschiedenheiten aus dem Wege zu raumen, um auf diese Weise zur Sicherung des
Friedens Europas beizutragen.
Adolf Hitler Neville Chamberlain
Nr. 218
Aus der Rede des Britischen Premierministers Chamberlain
im Unterhaus, 3. Oktober 1938
(Ubersetzung)
Ich glaube, es gibt viele, die mit mir der Ansicht sind, daB eine solche von dem
Deutschen Reichskanzler und mir unterzeichnete Erklarung etwas mehr ist als nur eine
fromme MeinungsauBerung. In unseren Beziehungen zu anderen Landern hangt alles davon
ab, daB auf beiden Seiten Aufrichtigkeit und guter Wille vorhanden sind. Ich glaube, daB hier
Aufrichtigkeit und guter Wille auf beiden Seiten vorhanden sind. Das ist der Grand, warum
die Bedeutung dieser Erklarung flir mich weit liber ihren tatsachlichen Wortlaut hinausgeht.
Wenn es eine Lehre gibt, die wir aus den Ereignissen dieser letzten Wochen ziehen konnen,
so ist es die, daB ein dauernder Friede nicht dadurch erreicht werden kann, daB wir stillsitzen
und auf ihn warten. Um ihn zu erlangen, bedarf es aktiver und positiver Bemuhungen. Ich
werde zweifellos viele Kritiker haben, die sagen, daB ich mich eines leichtfertigen
Optimismus schuldig mache und daB ich besser tate, kein einziges Wort zu glauben, das von
den Regierenden anderer groBer europaischer Staaten geauBert wird. Ich bin zu sehr Realist,
um zu glauben, daB wir unser Paradies in einem Tag erringen. Wir haben nur den Grandstein
des Friedens gelegt. Mit dem Oberbau ist noch nicht einmal begonnen worden.
Wir sind in diesem Land bereits wahrend eines langen Zeitraums mit einem groBen
Wiederaufriistungsprogramm beschaftigt, das in Tempo und Umfang mm standig zunimmt.
Niemand soil glauben, daB wir es uns infolge der Unterzeichnung des Munchener
Abkommens zwischen den vier Machten leisten konnen, unsere Anstrengungen im Hinblick
auf dieses Programm in dem gegenwartigen Zeitpunkt zu verringern. Die Abrastung kann
seitens dieses Landes nie wieder eine einseitige sein. Wir haben das einmal versucht und
haben uns dabei fast ins Ungluck gestiirzt. Wenn die Abriistung kommen soil, so muB sie
schrittweise kommen, so muB sie durch Ubereinkommen und die aktive Mitarbeit anderer
Lander kommen. Und bis wir dieser Mitarbeit sicher sind, bis wir uns liber die tatsachlich zu
unternehmenden Schritte geeinigt haben, miissen wir auf unserer Hut bleiben
Nr. 219
Aus der Rede des Fuhrers in Saarbrucken, 9. Oktober 1938
Allein, gerade die Erfahrungen dieser letzten acht Monate konnen und miissen uns nur
bestarken in dem EntschluB, vorsichtig zu sein und nichts von dem zu versaumen, was zum
Schutze des Reiches getan werden muB.
Die Staatsmanner, die uns gegeniiberstehen, wollen - das miissen wir ihnen glauben - den
Frieden. Allein sie regieren in Landern, deren innere Konstruktion es moglich macht, daB sie
jederzeit abgelost werden konnen, um anderen Platz zu machen, die den Frieden nicht so sehr
im Auge haben. Und diese anderen sind da.
Es braucht nur in England statt Chamberlain Herr Duff Cooper oder Herr Eden oder Herr
Churchill zur Macht zu kommen, so wissen wir genau, daB es das Ziel dieser Manner ware,
sofort einen neuen Weltkrieg zu beginnen. Sie machen gar keinen Hehl, sie sprechen das
offen aus
Als starker Staat sind wir jederzeit zu einer Verstandigungspolitik mit unseren Nachbarn
bereit. Wir haben keine Forderungen an sie. Wir wollen nichts als den Frieden. Nur eines
wiinschen wir, und das gilt besonders flir unsere Beziehungen zu England: Es wiirde gut sein,
wenn man in GroBbritannien allmahlich gewisse Alluren der Versailler Epoche ablegen
wiirde. Gouvernantenhafte Bevormundung vertragen wir nicht mehr!
Erkundigungen britischer Politiker iiber das Schicksal von Deutschen oder von
Reichsangehorigen innerhalb der Grenzen des Reiches sind nicht am Platze. Wir kummern
uns auch nicht um ahnliche Dinge in England. Die iibrige Welt hatte manches Mai Grand
genug, sich eher um ihre eigenen nationalen Vorgange zu bekiimmern oder z. B. um die
Vorgange in Palastina.
Wir jedenfalls uberlassen das denen, die sich vom lieben Gott berufen fiihlen, diese Probleme
zu losen, und beobachten nur staunend, wie schnell sie mit ihren Losungen fertig werden.
Wir mochten all diesen Herren den Rat geben, sich mit ihren eigenen Problemen zu
beschaftigen und uns in Ruhe zu lassen! Auch das gehort zur Sicherung des Weltfriedens.
Wir selbst haben groBe Aufgaben vor uns. Gewaltige kulturelle und wirtschaftliche Probleme
miissen gelost werden. Kein Volk kann mehr den Frieden brauchen als wir, aber kein Volk
weiB auch besser als wir, was es heiBt, schwach und der Gnade oder Ungnade anderer
ausgeliefert zu sein
T2111
Nr. 220
Rede des Britischen Staatssekretars fur Krieg
Hore-Belisha in Mansion House, London, 10. Oktober 1938
Auszug
(Ubersetzung)
Es muB aber noch mehr getan werden, urn der Territorialarmee als Ganzes voile Starke
und Wirksamkeit zu verleihen. Wir werden 5 Divisionen flir Flugzeugabwehr haben - 5
Flugzeugabwehrdivisionen statt deren zwei - mit einem Korpskommandeur und einem
stellvertretenden Chef des Reichsgeneralstabes.
Dieser Armee muB mit den notigen, sich aus ihrem besonderen Charakter ergebenden
Anderungen der gleiche Bestand und die gleiche Grundlage gegeben werden wie unserer
regularen Armee. Betrachten Sie sie heute! Wenn sie auch nominell in Divisionen eingeteilt
ist, so fehlen ihr doch viele moderne Einheiten, die unsere regulare Armee besitzt, und es fehlt
am notwendigen Verhaltnis zwischen der Bewaffnung und den einzelnen Truppengattungen.
Diese Mangel mussen beseitigt werden.
Die Infanterie wird sowohl leichte als auch schwere Maschinengewehrbataillone erhalten,
wahrend die Artillerie wie bei der regularen Armee mit Batterien zu 8 Geschutzen statt
solchen zu 4 Geschutzen ausgestattet werden wird.
Als Einheiten, die bisher nicht in der Territorialarmee vorhanden waren, sind vorgesehen:
Kavallerie, Leichte Tankregimenter, Tankabwehrregimenter, Leichte
Flugzeugabwehrregimenter und Tankbataillone. Uberdies wird auch noch ein besonderes
Bataillon einer Art aufgestellt, die es in der regularen Armee nicht gibt, die aber flir den
Milizsoldaten gut paBt, namlich Motorradbataillone, von denen es 3 geben wird. Sie sollen in
ebenfalls neu aufzustellenden motorisierten Divisionen Verwendung finden.
Was den Aufbau der neuen Truppen betrifft, so werden die Infanteriebrigaden in Zukunft
3 Bataillone haben anstatt 4, wie dies schon in der regularen Armee der Fall ist. Bei
Verwendung des vorhandenen Materials ergibt sich, daB wir 9 vollstandige Divisionen nach
dem Muster der regularen Armee auf stellen konnen, und zwar mit richtigem Verhaltnis von
Bewaffnung und Truppengattungen, 3 motorisierte Divisionen und 1 mobile Division, die
ebenfalls vollstandig mit dem richtigen Verhaltnis zwischen der Art der Bewaffnung und den
Truppengattungen aufgestellt werden konnen.
Darliber hinaus werden noch 2 Kavalleriebrigaden geschaffen. In Friedenszeiten wird flir die
territoriale mobile Division kein Befehlshaber ernannt werden, da dies im Hinblick auf die
verstreuten Standorte der Einheiten unzweckmaBig ware. Fur ihre Ausbildung werden alle
Vorkehrungen getroffen werden. Auch ist von uns die Schaffung einer betrachtlichen Anzahl
moderner Korps- und Armeerganzungstruppen in Aussicht genommen, so z. B. Heeresfeld-
und Heeresvermessungsregimenter, Heeres- und Korps-Nachrichtentruppen, die, wenn Krieg
ausbrechen sollte, jederzeit ihren Platz innerhalb der Formationen einnehmen konnen. Alles
dies steht mit der Organisation unserer regularen Armee in Einklang.
So bringen wir die Territorialarmee vorwarts und beweisen ihren Angehorigen, aber auch
dem Staate, daB wir uns auf sie nicht nur in Worten, sondern auch in der Tat verlassen. Denn
wir setzen alle, die in dieser Truppe Dienst tun, in Stand, ihre Aufgaben zu erfiillen und den
Erfordernissen eines modernen Heeres gerecht zu werden
12121
Nr. 221
Der Deutsche Botschafter in Paris an das Auswartige Amt
Bericht
Paris, den 12. Oktober 1938
Aus gut unterrichteter Quelle habe ich erfahren, daB der Besuch von Sir Cyrill Newall in
erster Linie auf Betreiben von englischer Seite aus erfolgt ist.
Die Englische Regierung soil bestrebt gewesen sein, baldmoglichst nach Beendigung der
Spannung den seinerzeitigen Besuch General Vuillemins in England zu erwidern, zumal eine
Aussprache zwischen den beiderseitigen Generalstabschefs nach dem Besuch des Generals
Vuillemin in Deutschland noch nicht stattgefunden hatte.
Wie ich weiter gehort habe, sollen taktische Besprechungen nicht auf dem Programm dieses
Besuchs stehen, sondern der englische Generalstabschef will sich in erster Linie iiber den
technischen Stand der franzosischen Luftwaffe unterrichten, iiber welchen ihm sehr
ungunstige Mitteilungen zugegangen seien. England soil auch beabsichtigen, Frankreich von
weiteren Ankaufen in den Vereinigten Staaten von Amerika abzuhalten und dafiir englische
Muster anbieten. Der Grand hierfur soil sein, daB der gemeinsame, im Falle eines Krieges flir
die englische und franzosische Luftwaffe zu ernennende Oberbefehlshaber besser zu
beurteilen in der Lage sein soil, welche Auftrage den franzosischen Geschwadern zugemutet
werden konnen.
Im Auftrag
Brauer
Nr. 222
Der Deutsche Botschafter in London an das Auswartige Amt
Bericht
London, den 18. Oktober 1938
Am 13. Oktober hielt der Schatzkanzler Sir John Simon in Sheffield eine Rede, in der er auf
die Notwendigkeit flir die Zusammenfassung und Organisation des Menschenmaterials zur
Verteidigung der Heimatfront hinwies. Seine Ausfuhrungen sind hier allgemein so verstanden
worden, daB die Regierung schon in Friedenszeiten die Einfiihrung eines sogenannten
Nationalregisters aller derjenigen Freiwilligen plant, die sich im Ernstfall dem Staat zur
Verfugung stellen wollen.
Eine weitere militarische MaBnahme wurde am 14 d. M. vom Kriegsministerium
bekanntgegeben und auch von dem Kriegsminister Hore-Belisha in einer Rundfunkansprache
am Abend des gleichen Tages behandelt. Sie zielt auf Schaffung eines Zweiges der
Territorialarmee ab, der dem Luftschutz lebenswichtiger Industrien dienen soil. Dieser soil
von den Belegschaften der in Frage kommenden Fabriken wahrgenommen werden.
Im Auftrag
von Selzam
12131
Nr. 223
Aus der Rede Winston Churchills fur den Rundfunk
der Vereinigten Staaten von Amerika, 16. Oktober 1938
(Ubersetzung)
Wir mlissen aufriisten! Haben wir uns durch unseren ernsten Friedenswillen in eine
nachteilige Lage gebracht, so miissen wir dies durch doppelte Anstrengungen und, wenn es
erforderlich sein sollte, durch Standhaftigkeit im Ertragen von Leiden wiedergutmachen. Es
kann gar kein Zweifel dariiber bestehen, daB wir aufriisten werden.
GroBbritannien wird seine Jahrhunderte alten Gepflogenheiten aufgeben und seinen
Bewohnern die nationale Wehrpflicht auferlegen. Das britische Volk wird aufrecht allem
entgegensehen, was auch kommen mag. Aber, um mit Prasident Wilson zu sprechen, das
Instrument der Waffen als solches geniigt nicht. Wir miissen die Kraft der geistigen
Einstellung hinzufugen.
Es gibt Menschen, die sagen, wir sollten uns nicht in einen theoretischen Gegensatz zwischen
Nazitum und Demokratie hineinziehen lassen. Dieser Gegensatz besteht aber schon heute.
Das, was den freien Landern einen groBen Teil ihrer Starke verleiht, ist gerade der Gegensatz
in den geistigen und moralischen Ideen...
Das helle Licht des Fortschritts mit seiner Duldsamkeit und seinem Zusammenwirken, seiner
Wiirde und seinen Freuden ist oft in der Vergangenheit zum Erloschen gebracht worden.
Und doch lebe ich in dem Glauben, daB wir nun schlieBlich die Barbarei soweit uberwunden
haben, um sie im Zaume halten und abwehren zu konnen. Wenn wir uns klar dariiber sind,
worum es jetzt geht, miissen wir beizeiten unsere Entschlusse fassen. Wir werden das ja
schlieBlich auch tun. Aber je langer wir warten, um so groBer wird unsere Miihe sein!
Ist dies ein Aufruf zum Krieg? Ich erklare, daB es die einzige Gewahr flir den Frieden
darstellt. Die rasche und entschlossene Sammlung aller Krafte, um nicht nur militarischen,
sondern auch moralischen Angriffen zu begegnen; die entschlossene und nuchterne
Anerkennung ihrer Pflichten durch die englisch sprechenden Volker und alle groBen und
kleinen Nationen, die mit ihnen zusammengehen wollen; ihre treue und eifrige Kameradschaft
wiirde fast schon zwischen Nacht und Morgen den Weg zum Fortschritt frei machen und aus
unser aller Leben die Furcht verbannen, die schon fiir Hunderte von Millionen Menschen das
Licht der Sonne verdunkelt
Nr. 224
Rede des Fuhrers in Weimar, 6. November 1938
Auszug
... Als friedliebender Mann habe ich mien bemiiht, dem deutschen Volke jene Wehr und
Waffen nunmehr zu schaffen, die auch andere zum Frieden zu iiberzeugen geeignet sind.
Es gibt nun allerdings Leute, die den Igel beschimpfen, weil er Stacheln hat. Sie brauchen
freilich diesem Tier nur seine Ruhe zu lassen. Es hat noch kein Igel angegriffen, es sei denn,
er wurde selbst bedroht. Das mochten auch wir 12141 uns vornehmen! Man soil uns nicht zu
nahe treten. Wir wiinschen nichts anderes als unsere Ruhe, unsere Arbeitsmoglichkeit und das
Lebensrecht fur unser Volk, das auch die anderen flir sich in Anspruch nehmen.
Das muBten gerade die demokratischen Staaten begreifen und verstehen, denn sie reden ja
dauernd von Gleichberechtigung! Wenn sie von den Rechten der kleinen Volker sprechen,
wie konnen sie dann emport sein, wenn auch ein groBes Volk das gleiche Recht beansprucht!
Der Sicherung und der Garantierung dieses Rechtsanspruches dient unsere
nationalsozialistische Wehrmacht!
In diesem Sinne habe ich auBenpolitisch eine Umstellung vorgenommen und mich jenen
Staaten genahert, die ahnlich wie wir gezwungen waren, sich flir ihr Recht einzusetzen.
Wenn ich heute die Ergebnisse dieses unseres Handelns iiberpriife, dann kann ich sagen:
Urteilt alle selbst, ob wir nicht wirklich Ungeheures mit diesen Prinzipien erreicht haben!
Wir wollen aber gerade deshalb nie vergessen, was uns diese Erfolge moglich gemacht hat.
Wenn heute gewisse auslandische Zeitungen schreiben: "Das hattet Ihr doch alles auf dem
Verhandlungswege erreichen konnen!" - so wissen wir sehr wohl, daB ja das Deutschland vor
uns nichts anderes getan hat als andauernd zu verhandeln. Funfzehn Jahre lang haben sie nur
verhandelt und haben dabei alles verloren. Ich bin ebenfalls bereit zu verhandeln, aber ich
lasse keine Zweifel dariiber:
Das deutsche Recht lasse ich weder auf dem Verhandlungswege noch auf irgendeinem
anderen flir Deutschland kiirzen!
VergiB nie, deutsches Volk, wem Du Deine Erfolge verdankst. Welcher Bewegung, welchen
Gedanken und welchen Prinzipien! - Und zweitens: Sei immer vorsichtig, sei stets auf der
Hut!
Es ist sehr schon, von internationalem Frieden und internationaler Abriistung zu reden, allein,
ich bin gegenuber einer Abriistung der Waffen miBtrauisch, solange man nicht einmal den
Geist abriistet!
Es hat sich in der Welt die seltsame Gepflogenheit herausgebildet, die Volker in sogenannte
autoritare, d. h. disziplinierte Staaten und in demokratische Staaten einzuteilen. In den
autoritaren, d. h. in den disziplinierten Staaten ist es selbstverstandlich, daB man fremde
Volker nicht verleumdet, nicht iiber sie liigt und nicht zum Kriege hetzt! Aber die
demokratischen Staaten sind eben "demokratisch", d. h. dort darf dies alles geschehen!
In den autoritaren Landern ist eine Kriegshetze naturlich unstatthaft, denn ihre Regierungen
sind ja verpflichtet, dafiir zu sorgen, daB es keine Kriegshetze gibt. In den Demokratien aber
haben die Regierungen nur eine Pflicht: die Demokratie aufrechtzuerhalten, d. h. die Freiheit,
wenn notwendig, auch zum Kriege hetzen zu dlirfen!
Ich habe kiirzlich drei dieser internationalen Kriegshetzer beim Namen genannt. Sie haben
sich getroffen gefiihlt, aber nicht etwa nach der grands atzlichen Seite hin, nein, nur deshalb,
weil ich es wagte, sie beim Namen zu nennen. Herr Churchill hat offen erklart, er sei der
Meinung, daB man das heutige Regime in Deutschland beseitigen miisse unter Zuhilfenahme
innerer deutscher Krafte, die ihm dankbar dafiir zur Verfugung stehen wiirden.
Wenn Herr Churchill weniger mit Emigrantenkreisen, d.h. mit ausgehaltenen, vom Ausland
bezahlten Landesverratern, verkehren wlirde, sondern mit nm Deutschen, dann wiirde er den
ganzen Wahnsinn und die Dummheit seines Geredes einsehen. Ich kann diesem Herrn, der auf
dem Monde zu leben scheint, nur eines versichern: Eine solche Kraft, die sich gegen das
heutige Regime wenden konnte, gibt es in Deutschland nicht! In Deutschland gibt es nur eine
Kraft, die Kraft der deutschen Nation, in Fiihrung und Gefolgschaft, in Wehr und in Waffen.
Ich will diesem Herrn gar nicht bestreiten, daB wir naturlich kein Recht haben, etwa zu
verlangen, daB die anderen Volker ihre Verfassungen andern. Ich habe aber als Fiihrer der
Deutschen die Pflicht, diese Verfassung und die Moglichkeiten, die sich aus ihr ergeben, zu
berucksichtigen. Wenn vor einigen Tagen der Stellvertreter des englischen Oppositionsfiihrers
im Unterhaus erklarte, er mache kein Hehl daraus, daB er es begriiBen wiirde, wenn
Deutschland und Italien vernichtet wiirden, dann kann ich naturlich nicht verhindern, daB
dieser Mann vielleicht auf Grand der demokratischen Spielregeln mit seiner Partei tatsachlich
in ein oder zwei Jahren zur Regierung kommt.
Aber das kann ich ihm versichern: ich werde verhindern, daB er Deutschland vernichtet! Und
genau so wie ich iiberzeugt bin, daB das deutsche Volk dafiir sorgen wird, daB die Plane
dieser Herren in bezug auf Deutschland nie gelingen, genau so wird auch das faschistische
Italien, das weiB ich, fur sich sorgen!
Ich glaube, daB flir uns alle diese internationalen Hoffnungen nur eine Lehre sein konnen, fest
zusammenzustehen und fest zu unseren Freunden zu racken. Je mehr wir in Deutschland
selbst eine einzige Gemeinschaft bilden, um so geringer werden die Aussichten dieser
Kriegshetzer sein, und je enger wir uns besonders mit dem Staat zusammenschlieBen, der sich
in gleicher Lage befindet wie wir, mit Italien, um so mehr wird ihnen die Lust vergehen, mit
uns anzubinden!
Wenn wir das Jahr 1938 heute noch einmal im Geiste an uns voraberziehen lassen, dann kann
es uns nur mit tiefstem Stolz und mit groBter Freude erfullen. Deutschland ist groBer
geworden auf dem naturlichsten und auf dem moralisch unanfechtbarsten Wege, den es gibt!
Millionen von Volksgenossen, deren einzige Sehnsucht und einziges Ziel es war, zu
Deutschland zurackkehren zu konnen, sind nun in unsere Gemeinschaft eingeriickt. Sie
werden das Reich nunmehr mit tragen helfen und ihm als treue Glieder dienen, wie sie selbst
am besten erkennen konnten, was es heiBt, abgesprengt und verlassen zu sein. Diese Jahr ist
aber flir uns auch ein Jahr groBer Verpflichtungen:
Wir miissen aus ihm die Erkenntnis und den EntschluB gewinnen, den erfolgreichen Weg
niemals mehr zu verlassen! Wenn die andere Welt von der Abrastung spricht, dann sind auch
wir dazu bereit, aber unter einer Bedingung: daB erst die Kriegshetze abgeriistet wird!
Solange die anderen aber von Abriistungen nur reden, die Kriegshetze aber infam
weitertreiben, nehmen wir an, daB sie uns nur unsere Waffen stehlen wollen, urn uns noch
einmal das Schicksal von 1918/19 zu bereiten.
Da aber kann ich den Herren Churchill und Genossen nur eins sagen: Das gibt es nur einmal,
und das kehrt nicht wieder! ...
12161
Nr. 225
Rede des Reichsministers des Auswartigen
vor dem Verein der Auslandischen Presse in Berlin,
7. November 1938
Auszug
.... Die Stellung des Dritten Reiches als Weltmacht ist heute endgultig begriindet. Dies
bedeutet aber nicht, daB Deutschland nicht den Wunsch nach einem Ausgleich zwischen den
Interessen der verschiedenen Machte teilt.
In diesem Zusammenhang darf hier daran erinnert werden, daB der Fiihrer es war, der die
Machte mit dem Ziel, einen friedlichen Ausweg aus der Krise zu finden, im September nach
Munchen einlud. In diesem Sinne hat der Fiihrer auch mit dem Englischen Premierminister
auf dessen Wunsch am Tage seiner Abreise die bekannte deutsch-englische Friedenserklarung
abgegeben.
Um so erstaunter waren wir, daB die erste Antwort auf den Geist von Munchen in der Parole
bestand: Der Friede ist gerettet, deshalb Aufriistung bis zum auBersten. Dieses neue
Aufriistungsfieber in einigen Staaten wird gleichzeitig begleitet von einer erneuten Hetze der
unverbesserlichen Kriegstreiber.
In diesem Zusammenhange mussen wir leider feststellen, daB diese Kriegshetzer, in der
Besorgnis, man konne z. B. Deutschland seine bekannte und unverriickbare Rechtsforderung
auf Ruckgabe der ehemaligen deutschen Kolonien erfullen, in der afrikanischen Presse eine
erstaunliche Propaganda gegen Deutschland und alles Deutsche betreiben.
Ministerprasident Chamberlain und AuBenminister Lord Halifax haben in weiser Einsicht
alien diesen englischen Kriegshetzern und ihrer die Volker auseinandertreibenden Tatigkeit
eine klare Abfuhr erteilt. Ebenso haben Frankreichs Ministerprasident Daladier und sein
AuBenminister Bonnet in den letzten Wochen Reden gehalten, die in Deutschland einen
sympathischen Widerhall gefunden haben.
Es ist zu erwarten, daB sich im weiteren Verfolg des in Munchen mit England beschrittenen
Weges in Zukunft neue Moglichkeiten des besseren Verstandnisses auch zwischen
Deutschland und Frankreich ergeben werden und entsprechend gestaltet werden konnen. In
diesem Sinne ist der Wunsch des Franzosischen AuBenministers nach einer aufrichtigen
Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Frankreich bei uns begruBt worden. Der soeben
bestatigte Ausgleich Italiens mit England liegt auf der gleichen Linie.
Diese Haltung der verantwortlichen Staatsmanner in London und Paris laBt die Hoffnung zu,
daB letzten Endes doch die Vernunft liber die Kriegshetzer in den westlichen Demokratien die
Oberhand gewinnen mag. Der Fiihrer hat in seiner groBen Rede in Weimar das Treiben dieser
Kriegshetzer mit unerbittlicher Scharfe und Logik gebrandmarkt. Diesem Treiben gegeniiber
steht das deutsche Volk einig und geschlossen hinter seinem Fiihrer, stark und wachsam,
immer bereit zum Frieden, aber ohne Sorge vor dem Krieg, und immer entschlossen, die
Lebensrechte der Nation gegen jedermann zu wahren.
[Ribbentrop]
12171
Nr. 226
Erklarung des Britischen Staatssekretars fur die Luftfahrt Sir K. Wood
im Unterhaus, 16. November 1938
Auszug
(Ubersetzung)
Verhandlungen mit den Vertretern der kanadischen Industrie sind jetzt erfolgreich zum
AbschluB gebracht, und es sind Abmachungen unterzeichnet worden, denen zufolge die
Regierung Seiner Majestat im Vereinigten Konigreich einen erstmaligen Auftrag flir die
Herstellung von schweren Bombern erteilt hat. Die betreffenden Flugzeugfabriken in Kanada
haben sich gemeinsam verpflichtet, fiir die nachsten 10 Jahre ihre Produktionskapazitat zur
Ausfuhrung etwaiger weiterer Auftrage ahnlicher Art aufrechtzuerhalten, wenn dies
notwendig sein sollte.
Die vertraglichen Abmachungen sind mit der neuen Dachgesellschaft Canadian Associated
Aircraft Limited getroffen worden, die ausdriicklich fiir die Zwecke dieses Plans gegriindet
worden ist. Die genannte Gesellschaft wird den ganzen Plan uberwachen und zwei
Zentralstellen in Montreal und Toronto einrichten. Diese beiden Zentralstellen werden zu
gegebener Zeit selbst Produktionsanlagen errichten, gleichzeitig aber auch als zentrale
Montageanlagen dienen, denen die Einzelteile von sechs angegliederten Flugzeugfabriken
geliefert werden, namlich:
Canadian Car and Foundry Company, Limited,
Canadian Vickers, Limited,
Fairchild Aircraft, Limited,
Fleet Aircraft, Limited,
National Steel Car Corporation, Limited,
Ottawa Car Manufacturing Company, Limited.
Der Anfangs auftrag wird die sofortige Durchfuhrung der Plane gewahrleisten und die
schrittweise Weiterentwicklung der Leistungsfahigkeit ermoglichen. Es besteht die Absicht,
weitere Auftrage zu erteilen, soweit und wo dies notwendig wird, um die progressive
Entwicklung der Produktionskapazitat und den gewunschten Gang der Produktion im FluB
bleiben zu lassen. Uber die getroffenen Abmachungen fiir die gruppenweise Fabrikation von
schweren Bombern hinaus sind jetzt in London Verhandlungen mit zwei kanadischen
Gesellschaften im Gange, um Kampf- und Aufklarungsflugzeuge herzustellen, was in Fort
William und Vancouver geschehen soil
Nr. 227
Der Deutsche Botschafter in London an das Auswartige Amt
Telegramm
London, den 22. November 1938
Fur den Besuch von Chamberlain und Lord Halifax in Paris ist, wie der Premierminister
gestern im Unterhaus bekanntgab, ein festes Programm nicht vorgesehen. Aus den hier
vorliegenden Mitteilungen ist zu entnehmen, daB beabsichtigt ist, alle akuten, das Verhaltnis
der beiden Lander zu dem ubrigen Europa betreffenden Probleme zu erortern.
Big] Die Besprechungen liber die Rustungsfrage werden allgemeinen Charakters sein, da
militarische Sachverstandige nicht teilnehmen werden. Auf beiden Seiten besteht der Wunsch,
die wahrend der Septemberkrise zutage getretenen Mangel zu beseitigen. Das englische
Hauptinteresse wird auf die Verstarkung der franzosischen Luftwaffe, insbesondere auf
Vermehrung der franzosischen Bombenflugzeuge gerichtet sein, da ganz allgemein der
augenblickliche Kampfwert der franzosischen Luftwaffe sehr gering eingeschatzt wird. Die
Franzosen wiinschen im Hinblick auf die durch das Ausscheiden der Tschechoslowakei als
militarischen Bundesgenossen geschaffene Lage englische Zusicherungen hinsichtlich der
Verstarkung eines etwaigen britischen Expeditionskorps. Wie bekannt, waren bisher hierfur
im Hochstfall zunachst 2 bis 3 Divisionen in Aussicht genommen. Die jungsten englischen
Rustungsplane hatten eine Verstarkung dieses Expeditionskontingents nicht vorgesehen. Auch
wird in diesem Zusammenhang das Verhaltnis RuBlands zu Frankreich und damit zu England
eine Rolle spielen.
Dirksen
Nr. 228
Der Deutsche Botschafter in Paris an das Auswartige Amt
Telegramm
Paris, den 25. November 1938
Gestrige franzosisch-englische Besprechungen haben AbschluB mit Herausgabe
Communiques und Rundfunkerklarung beider Ministerprasidenten gefunden. Darin wird
festgestellt, daB Meinungsaustausch in vollster Einmutigkeit verlaufen sei und allgemeine
Ausrichtung der Politik beider Lander, insbesondere im Hinblick auf nationale Verteidigung
und diplomatische Aktion, bezweckt und erreicht habe. VerhaltnismaBig nichtssagender Ton
dieser Kundgebung darf nicht dariiber hinwegtauschen, daB wichtige Ergebnisse erzielt
wurden.
Hauptgegenstand Beratungen war, wie vorauszusehen, Wehrfrage, wobei von Notwendigkeit
engster Koordination und Zusammenarbeit ausgegangen wurde. Franzosischerseits wurde
insbesondere Zusicherung starken englischen Expeditionskorps, englischerseits erhebliche
Verstarkung franzosischer Luftwaffe, beiderseits Sicherung der Verbindungslinien beider
Kolonialreiche gefordert. Hieriiber soil Ubereinstimmung in groBen Linien erzielt sein,
wahrend fur Festlegung Einzelheiten technische Beratungen Sachverstandiger bereits
angekiindigt sind.
Welczeck
12191
Nr. 229
Rede des Sekretars des Britischen Amts fur Uberseehandel
R. S. Hudson im Unterhaus, 30. November 1938
Auszug
(Ubersetzung)
SchlieBlich kommen wir zu dem Kapitel Deutschland. Ein ehrenwertes Mitglied des
Hauses hat gefragt, warum wir es wie die Vereinigten Staaten von Amerika nicht abgelehnt
haben, die Meistbegunstigungsklausel auf Deutschland auszudehnen. Meine Antwort darauf
lautet, daB die Vereinigten Staaten von Amerika sich geweigert haben, die
Meistbegunstigungsklausel auf Deutschland anzuwenden, weil dieses die amerikanischen
Waren in Deutschland nachteilig behandelt. Deutschland laBt britischen Waren in
Deutschland keine nachteilige Behandlung zuteil werden. Wir haben uns dariiber zu beklagen,
daB Deutschland durch seine Methoden den Handel in der ganzen Welt zerstort. Es liegt also
kein Grand vor, die Meistbegunstigungsklausel fallen zu lassen, was davon abhangt, wie
unsere Waren in Deutschland behandelt werden. In Frage steht das viel umfassendere
Problem, wie man der neuen Form der deutschen Konkurrenz in der ganzen Welt
entgegentritt.
Soweit wir feststellen konnen - denn es ist schwierig, sich wirklich genaue Auskunft
dariiber zu beschaffen, wie die Dinge eigentlich in Deutschland vor sich gehen - besteht die
Grundlage flir die wirtschaftliche Stellung Deutschlands darin, daB es den Erzeugern von
Waren in Zentral- und Sudosteuropa bei weitem mehr bezahlt, als der Weltmarktpreis betragt.
Es ist klar, daB Deutschland dies auf Kosten seines eigenen Volkes tut. Wie es sein eigenes
Volk behandelt, ist Sache der Deutschen Regierang. Wir werden aber auch davon beriihrt.
Ich versuche Ihnen klar zu machen, daB Deutschland durch solche Methoden in den Landern
dieses Teiles von Europa eine Erdrosselungsstellung erlangt, und zwar eine solche
unwirtschaftlicher Art, die auf Kosten seines eigenen Volkes geht, weil namlich solche
Methoden eine Steigerang der Lebenshaltungskosten des eigenen Volkes und tatsachlich die
Ausfuhr von Waren zu einem geringeren Preis als dem Selbstkostenpreis bedeuten.
Verschiedene ehrenwerte Mitglieder fragten, was da die Losung sei?
Wir haben alle moglichen Verfahren, die wir ergreifen konnten, gepriift. Der einzige
Weg, den wir sehen, ist der, daB wir unsere Industrien so organisieren, daB sie in die Lage
versetzt werden, als eine geschlossene Einheit den entsprechenden deutschen Industrien
entgegenzutreten und ihnen zu sagen: "Wenn Ihr nicht bereit seid, mit Euren jetzigen
Methoden ein Ende zu machen und ein Abkommen zu treffen, wonach Ihr Euch verpflichtet,
Eure Waren zu Preisen zu verkaufen, die einen vernunftigen Gewinn gewahrleisten, dann
werden wir Euch bekampfen und Euch mit Euren eigenen Mitteln schlagen." Unser Land ist,
was die finanzielle Seite anlangt, unendlich viel starker als, ich mochte sagen, irgendein
anderes Land in der Welt, aber auf alle Falle starker als Deutschland und deswegen genieBen
wir groBe Vorteile, die, wie ich glaube, dazu flihren werden, daB wir den Kampf gewinnen.
Hierfiir ist aber notwendige Voraussetzung, daB unsere eigenen Industrien organisiert
werden
T2201
Nr. 230
Der Deutsche Botschafter in London an das Auswartige Amt
Bericht
London, den 5. Dezember 1938
In der Unterhaussitzung vom 1. Dezember 1938 richtete der Abgeordnete Captain McEwen
die Anfrage an den Premierminister, ob seine Aufmerksamkeit auf kiirzliche Berichte gelenkt
worden sei, denen zufolge Deutschland im Begriff sei, drei Armeekorps zu mobilisieren, und
ob er hierzu eine Erklarung abgeben konne.
Der Premierminister antwortete, daB er solche Meldungen, auf die sich McEwen beziehe,
gesehen habe, daB jedoch die Britische Regierung keine Bestatigung dieser Berichte erhalten
habe.
Im Auftrag
von Selzam
Zweites Kapitel (Forts.)
Die Englische Kriegspolitik
A. Britische Aufriistung und Hetze
gegen Deutschland
(September 1938 bis Juli 1939)
Nr. 231
Rede des Britischen Staatssekretars fur die Kolonien
Malcolm MacDonald im Unterhaus 7. Dezember 1938
Auszug
(Ubersetzung)
Ich glaube nicht, daB es heute auch nur irgendeine Gruppe in diesem Lande gibt, die
geneigt ist, irgendeinem anderen Land die Sorge flir irgendeins der Territorien oder Volker zu
ubertragen, flir deren Regierung wir als Kolonial- oder Mandatsmacht verantwortlich sind.
Diese Auffassung hat heute nachmittag in jedem Teil des Hauses Ausdruck gefunden; es ist
eine Auffassung, die von Seiner Majestat Regierung geteilt wird. Wir erortern diese Frage
nicht; wir ziehen sie nicht in Erwagung; sie ist gegenwartig kein Gegenstand der praktischen
Politik.
Falls wir jemals in eine Erorterung dieser Frage treten sollten, diirfen gewisse Dinge nicht
vergessen werden. Vor allem ist dies Land nicht das einzige beteiligte Land. GroBbritannien
ist nicht das einzige Land, das nach dem Kriege zusatzliche territoriale Verantwortlichkeiten
iibernahm. Andere Lander wiirden gleichfalls einbezogen werden und die Frage miiBte von
alien beteiligten Landern zusammen untersucht werden. Es gibt jedoch noch eine weitere
Erwagung von groBter Tragweite, auf die der Antrag und beide Amendements Bezug nehmen.
Die Volker, die am unmittelbarsten und vitalsten von irgendeinem solchen Vorschlag
betroffen wiirden, sind die Volker, die in den Mandatsgebieten selbst leben. Wir konnen sie
nicht als bloBe Waren oder Vieh betrachten, iiber die man summarisch verfugt; wir haben
Verantwortlichkeiten und Verpflichtungen gegeniiber diesen Volkern. Wir mussen ihren
eigenen Wunschen Beachtung schenken; wir mussen die Wiinsche der verschiedenen
Bevolkerungsgruppen in diesen Gebieten in Erwagung ziehen.
r22ii Soweit britische Mandatsgebiete betroffen sind, kommen nicht nur die groBen
einheimischen Eingeborenenbevolkerungen in Betracht; in gewissen Gegenden gibt es auch
europaische Siedler, die ihr ganzes Vermogen in diesen Landern angelegt haben und an ihrer
Entwicklung in den letzten zwanzig Jahren stark beteiligt waren. In gewissen Gegenden gibt
es bedeutende indische Gemeinden. Wir mussen das Recht dieser Volker, sich zu dieser Frage
zu auBern, die so wichtig flir sie ist, beriicksichtigen und wir mussen ihren Ansichten voiles
Gewicht und voile Bedeutung beimessen. Es ware unmoglich, irgendeine Anderung des
Statuts irgendeines dieser Gebiete zu erwagen, ohne die spontanen Ansichten der Einwohner
voll zu beriicksichtigen. AuBerdem haben diese Volker gewisse Vertragsrechte. Diese Volker
haben gewisse materielle Interessen in diesen Gebieten. Diese Rechte und Interessen mussen
voll gewahrt und gesichert werden.
Ich mochte aber auBerdem auch noch folgendes wiederholen: Das Verhaltnis zwischen der
Exekutive und der Legislatur dieses Landes liegt klar auf der Hand. Jedenfalls wiirde es flir
eine Regierung unmoglich sein, irgendetwas in dieser Frage zu tun, ohne daB das Unterhaus
die vollste Gelegenheit zur Aussprache hatte. Tatsachlich konnte nichts Entscheidendes ohne
die positive Billigung des Parlaments geschehen. Soweit dieses Haus betroffen ist, ist, wie ich
sagte, von jedem Teil dieses Hauses in der Debatte von heute nachmittag eine einstimmige
MeinungsauBerung erfolgt
Nr. 232
Der Deutsche Botschafter in Paris an das Auswartige Amt
Bericht
Paris, den 10. Dezember 1938
Herr Duff Cooper hat am 7. Dezember im hiesigen "Theatre des Ambassadeurs" einen
Vortrag iiber das Thema "Die franzosisch-britische Freundschaft und der Frieden" gehalten.
Der Redner betonte in seinen kriegshetzerischen Ausfuhrungen, die in jeder Hinsicht -
mitunter auch in verletzender Form - gegen Deutschland gerichtet waren, die Notwendigkeit
einer franzosisch-englischen Koalition zur Verteidigung der beiderseitigen Interessen. Wenn
Deutschland auch stark sei, so seien die beiden Volker zusammen ihm ebenburtig und der
Ausgang eines eventuellen Konfliktes brauche durchaus nicht zugunsten Deutschlands
auszufallen. Duff Cooper trostete sich damit, daB Amerika im Falle eines Konfliktes als der
groBe Freund der westlichen Demokratien im Hintergrund stehen wiirde. Ein neuer Krieg
wiirde weniger das Schicksal Englands und Frankreichs, als das der gesamten Zivilisation
aufs Spiel setzen. Alle vergangenen Zivilisationen, so meinte er im Hinblick auf Deutschland,
seien von kulturell minderwertigeren, zahlenmaBig aber starkeren Volkern zerstort worden.
Im Auftrag
Brauer
T2221
Nr. 233
Der Deutsche Botschafter in London an das Auswartige Amt
Telegramm
London, den 5. Januar 1939
Ich habe den angeordneten Schritt erst heute ausgeflihrt, urn den bisher auf Weihnachtsurlaub
abwesenden Lord Halifax personlich sprechen zu konnen. Ich habe scharfste Verwahrung
gegen die in dem Aufsatz von Wells im News Chronicle ausgesprochenen schweren
Beleidigungen des Fuhrers und leitender Staatsmanner Deutschlands eingelegt und darauf
hingewiesen, daB die Botschaft in den letzten Monater leider in immer groBerem Umfange
derartige Beschwerden wegen Verunglimpfungen des Fuhrers hatte vorbringen mussen; ich
fiihrte Lord Halifax diese Beschwerden und ihren AnlaB vor Augen, indem ich die einzelnen
Falle zitierte. Die schwerste Beschimpfung aber enthalte der Neujahrsaufsatz von Wells im
News Chronicle, der weniger von der Absicht einer Kritik auszugehen schiene, die
Beleidigungen nicht scheue, als lediglich zu dem Zweck geschrieben schiene, eine Haufung
von schweren Krankungen auf den Fiihrer und Reichskanzler und auf dessen nachste
Mitarbeiter auszusprechen.
Es sei mir bekannt, daB die Englische Regierung die Moglichkeiten einer unmittelbaren
EinfluBnahme auf die Presse als nicht gegeben ablehne und daB sie auch auf den Mangel an
gesetzlichen Handhaben hinweise. Ich hatte auch gesehen, daB die beiden Aufsatze von Wells
nicht einmal vor einer herabsetzenden Kritik des englischen Konigspaares haltmachten und
daB sie Chamberlain schwer beleidigten.
Diese Tatsachen aber konnten nichts an der Feststellung andern, daB die zahlreichen
Schmahungen des deutschen Staatsoberhauptes und die Unmoglichkeit einer entsprechenden
Genugtuung das deutsche Volksempfinden schwer verletzten und nachteilige Folgen auf die
englisch-deutschen Beziehungen haben muBten. Ich wollte daher erneut die Frage zur
Erorterung stellen, ob nicht wenigstens fur die Zukunft in irgendeiner Form Abhilfe
geschaffen werden konnte.
Lord Halifax erwiderte, daB er nicht anstehe, den genannten Artikel, der ihm bekannt sei, als
die emporendste Schmahung des Fuhrers zu kennzeichnen, die er bisher in der Presse gelesen
habe. Er wolle mir daher auch sein uneingeschranktes Bedauern liber diese Beleidigung des
Fuhrers aussprechen und bate mich, dieses Bedauern der Deutschen Regierung zum Ausdruck
zu bringen. Es sei hochst bedauerlich, daB in den letzten Monaten wieder zahlreiche
Entgleisungen zu verzeichnen gewesen seien; eine Erklarung, wenn auch keine
Entschuldigung dafiir, sei in der Tatsache zu suchen, daB derartige Schmahartikel, wie z. B
auch der vorliegende, vorwiegend aus innerpolitischen Griinden geschrieben seien, um die
Englische Regierung zu treffen. Auch die allgemeinpolitische gereizte Stimmung, die jetzt
vorherrsche, sei in Betracht zu Ziehen.
Ich erwiderte Lord Halifax, daB der bisherige Zustand nicht so fortdauern konne. Ich miisse
ernstlich ersuchen, auf irgendeine Weise eine Besserung herbeizufiihren, urn unerfreuliche
politische Folgerungen zu vermeiden.
Lord Halifax stellte in Aussicht, daB er sein moglichstes im Rahmen der ihm zur Verfiigung
stehenden EinfluBmoglichkeiten tun wolle, um in Zukunft solche Beschimpfungen des
Fiihrers zu unterbinden.
Dirksen
T2231
Nr. 234
Der Deutsche Botschafter in London an das Auswartige Amt
Bericht
London, den 9. Januar 1939
Die Botschaft des Prasidenten Roosevelt vom 4. Januar, in deren erstem Teil er gegen die
autoritaren Staaten polemisiert, hat in der offentlichen Meinung des Landes und in der Presse
aller Parteirichtungen ungeteilte Zustimmung gefunden. Obwohl Roosevelt Deutschland nicht
genannt hat, unterstellen die hiesigen Zeitungen ohne weiteres, daB die Angriffe in erster
Linie an die Adresse Deutschlands gerichtet waren. Man kann sich des Eindrucks nicht
erwehren, daB hier mit groBer Genugtuung verzeichnet wird, daB von dem starten Vetter
jenseits des Ozeans eine Sprache gefuhrt worden ist, der man sich manchmal selber bedienen
mochte, ohne jedoch hierzu bisher den rechten Mut gefunden zu haben... Fast erklingt ein
Unterton des Beifalls, daB Roosevelt getreu dem Wort gehandelt habe: "England expects
every American to do his duty".
In Erkenntnis der Reaktion der britischen Offentlichen Meinung auf die Worte des
Amerikanischen Prasidenten hat Chamberlain die bekannte zustimmende Erklarung
ausgegeben. Wie ich zuverlassig erfahre, ist nicht - wie man vielleicht annehmen konnte - der
Gedanke zu diesem an und flir sich ungewohnlichen Vorgehen im Foreign Office entstanden,
sondern stammt vom Premierminister selbst. VerfaBt wurde die Erklarung allerdings in der
Amerikaabteilung des Foreign Office.
Vornehmlich folgende Motive durften Chamberlain zu diesem Vorgehen veranlaBt haben:
Durch seine Zustimmung zu den von der offentlichen Meinung einheitlich gebilligten
Ausfuhrungen des Amerikanischen Prasidenten zeigte der Premierminister, daB in
weltanschaulichen Dingen zwischen der englischen offentlichen Meinung und der des
Premierministers eine Differenz nicht besteht, und daB er auch dann nicht davor scheut, in
diesem Sinne Stellung zu nehmen, wenn dies auBenpolitisch als Parteiergreifung gegen die
totalitaren Staaten gewertet werden muB. Innerpolitisch hat Chamberlain mit dieser Aktion
ganz ohne Frage seine Position gestarkt.
Dariiber hinaus war die Erklarung Chamberlains ein Mittel, der gegen das Munchener
Abkommen noch immer moralisierenden amerikanischen Offentlichkeit zu zeigen, daB er
auch anders konnte.
von Dirksen
Nr. 235
Ansprache des Fuhrers beim Neujahrsempfang
des Diplomatischen Korps, 12. Januar 1939
Herr Nuntius !
Fur die freundlichen Gluckwunsche, die Euere Exzellenz mir namens des in Berlin
akkreditierten und hier versammelten Diplomatischen Korps aus AnlaB des Jahreswechsels
zum Ausdruck gebracht haben, danke ich Ihnen aufrichtigst.
In Ihrer Ansprache haben Sie, Herr Nuntius, besonders des Tages der Zusammenkunft der
Vertreter der vier GroBmachte in Munchen gedacht. Auch 12241 mir drangt sich beim Ruckblick
auf das vergangene Jahr die Erinnerung an dieses Ereignis in besonderer Weise auf. Die
Deutsche Nation denkt in tiefer Dankbarkeit daran, daB das Jahr 1938 auch flir unser Volk die
Verwirklichung seines unabdingbaren Rechts auf Selbstbestimmung gebracht hat. Wenn
dieses erreicht worden ist, ohne daB auch nur einen Tag der Frieden Europas unterbrochen
wurde, so hat dabei in der Tat die Politik einer weisen Einsicht der Machte, die in dem
Munchener Abkommen ihren Ausdruck fand, einen bedeutsamen Anted. Ich habe bereits an
anderer Stelle Gelegenheit genommen, aus AnlaB dieses Jahreswechsels dem Dank Ausdruck
zu geben, den das Deutsche Volk den Staatsmannern gegenuber empfindet, die es im Jahre
1938 unternommen haben, mit Deutschland zusammen Wege zu einer friedlichen Losung der
unaufschiebbaren Fragen zu suchen und zu finden. DaB es gelungen ist, zu dem von uns alien
gewunschten friedlichen Erfolg zu gelangen, verdanken wir nicht nur dem Friedenswillen und
dem VerantwortungsbewuBtsein der beteiligten Regierungen, sondern vor allem der Einsicht,
daB die in der geschichtlichen Entwicklung und den naturlichen Bedurfnissen der Volker
begriindeten Notwendigkeiten friiher oder spater anerkannt werden mlissen und nicht zum
Nachteil eines einzelnen Volkes oder Staates abgelehnt oder gar mit Gewaltmitteln verbaut
werden diirfen. Die beteiligten Machte haben aus dieser Einsicht die notwendigen
Folgerungen flir ihre politischen EntschlieBungen gezogen und damit wahrhaft dazu
beigetragen, nicht nur den europaischen Frieden zu bewahren, sondern auch ein gesiinderes
und glucklicheres Europa zu schaffen. Dieser Vorgang berechtigt auch nach meiner
Uberzeugung, darin stimme ich mit Ihnen, Herr Nuntius, uberein, zu der Hoffnung, daB es
auch in Zukunft der Einsicht der leitenden europaischen Staatsmanner gelingen wird, Europa
jenen Frieden zu schenken, der den naturlichen und damit berechtigten Interessen der Volker
im hochst moglichen Umfang gerecht wird.
Die Gluckwunsche, die Euere Exzellenz flir das Deutsche Reich und fur mich personlich zum
Ausdruck brachten, erwidere ich von Herzen. Sie gelten ebenso sehr dem personlichen
Wohlergehen aller hier vertretenen Staatsoberhaupter wie dem Gliick und Gedeihen ihrer
Lander.
Nr. 236
Der Deutsche Geschaftstrager in Ankara an das Auswartige Amt
Bericht
Ankara, den 17. Januar 1939
Der hiesige Britische Botschafter Sir Percy L. Loraine, der seit dem 15. Februar 1934 in der
Tiirkei akkreditiert war, ist, wie die Presse bereits gemeldet hat, zum Britischen Botschafter in
Rom ernannt worden. Er wird in etwa 5 bis 6 Wochen Ankara verlassen, um sich zunachst
einige Zeit auf Reisen zu begeben, und im April seinen neuen Posten antreten. Zum
Nachfolger Sir Percy Loraines ist der friihere Britische Botschafter in China Sir Hughes
Montgomery Knatchbull-Hugessen K. C. M. G. ernannt worden.
Sir Percy Loraine hat wahrend seiner hiesigen funfjahrigen Tatigkeit zweifellos eine
hervorragende Rolle gespielt. Er hatte sich zum Ziel gesetzt, die turkische Politik fest an
England zu binden. Aus der Erkenntnis heraus, daB hierzu eine enge wirtschaftliche
Zusammenarbeit unumgangliche Voraussetzung sei, hat er zah und beharrlich versucht,
Englands wirtschaftlichen ma EinfluB in der Tiirkei auszubauen. Sir Percy Loraine hat
geglaubt, daB dies auf die Dauer nur durch Zuriickdrangung des deutschen wirtschaftlichen
Einflusses moglich sei, und er hat sich in der Tat alle Miihe gegeben, die beherrschende
wirtschaftliche Stellung Deutschlands in der Tiirkei zu unterminieren.
Kroll
Nr. 237
Rundfunkansprache des Britischen Premierministers Chamberlain,
23. Januar 1939
Auszug
(Ubersetzung)
Heute abend mochte ich Ihnen etwas iiber den Plan der Regierung iiber die Einfuhrung eines
freiwilligen nationalen Dienstes sagen und liber das Handbuch, das Ihnen alien in der
nachsten Woche ins Haus gebracht werden wird.
Bevor ich hieriiber spreche, will ich mit ein paar Worten auf die Bedingungen eingehen, die
uns den Plan im Interesse der Sicherheit unseres Landes notwendig erscheinen lassen.
Der Plan soil uns fur den Krieg bereit machen. Das will nicht sagen, daB ich glaube, daB
Krieg kommt. Sie wissen, ich habe alles getan, was in meiner Macht steht, um uns und auch
alien anderen den Frieden zu erhalten.
Wir in unserem Lande wtirden niemals einen Krieg beginnen. Aber wir konnten
gezwungen werden, an einem von anderer Seite begonnenen Krieg teilzunehmen, oder wir
konnten selbst angegriffen werden, wenn die Regierung eines anderen Landes der Meinung
sein sollte, daB wir uns nicht wirksam verteidigen konnten.
Je besser wir vorbereitet sind, uns zu verteidigen und Angriffen zu widerstehen, urn so
unwahrscheinlicher ist es, daB ein Angreifer ein Abenteuer wagt, bei dem seine
Gewinnchancen so gering sein wiirden. Das ist meine erste Feststellung.
Mein zweiter Punkt ist folgender: Ein moderner Krieg ist anders, als Kriege der
Vergangenheit es waren. Die Entwicklung der Luftstreitkrafte hat uns unsere alte insulare
Sicherheit genommen, und es wiirde sowohl bei uns als auch bei den Landern des Kontinents
die Zivilbevolkerung ebenso zu den Opfern eines Angriffs zahlen wie Soldaten, Matrosen und
Flieger. Es ist sogar leicht moglich, daB die Zivilisten die ersten Opfer sein wiirden.
Wenn wir deshalb unsere Zivilbevolkerung in Kriegszeiten zu schutzen wiinschen, so miissen
wir die erforderliche Organisation in der Zeit des Friedens vorbereiten. Wir miissen dariiber
hinaus die Mitglieder dieser Organisation schon im Frieden ausbilden, weil dazu keine Zeit
mehr bleibt, wenn der Krieg begonnen hat.
Sie werden deshalb erkennen, daB unser Plan lediglich von allgemeiner Vorsicht diktiert und
flir unsere Sicherheit genau so notwendig ist wie Schlachtschiffe, Kanonen und Flugzeuge.
Aber unser neuer Plan bedeutet ebensowenig wie die Bereitstellung dieser Waffen, daB der
Krieg bald oder uberhaupt kommen muB.
1226] Und nun will ich mich dem Handbuch zuwenden, von dem ich hoffe, daB Sie alle es sehr
sorgfaltig lesen werden, wenn es erscheint. Denn Sie alle geht es an.
Es findet sich in ihm eine Beschreibung der verschiedenen Dienstarten, die im Interesse der
Sicherheit oder Unterstutzung der Allgemeinheit im Falle eines Krieges notwendig sein
wiirden, falls unser Land in einen Krieg verwickelt wiirde.
Das, was wir von denjenigen von Ihnen, die zum freiwilligen Dienst bereit sind und nicht
bereits Arbeiten verrichten, die fur die Sicherheit des Landes notwendig sind, was ubrigens
auch als Dienst an der Nation gilt, erbitten, ist, sich flir eine Art des vaterlandischen Dienstes
zu entscheiden und sofort mit der erforderlichen Ausbildung zu beginnen. Ich uberlasse es
jedem einzelnen von Ihnen, diese verschiedenen Dienstarten zu studieren und sich zu
entscheiden, ob eine Dienstart darunter ist, die fur ihn paBt. Das Buch gibt Ihnen einfache und
klare Auskunft liber die einzelnen Aufgaben, und es ist nicht meine Absicht, jetzt diese
Aufgaben zu beschreiben
Nr. 238
Der Deutsche Botschafter in London an das Auswartige Amt
Telegramm
London, den 25. Januar 1939
Premierminister Chamberlain, den ich gestern bei gesellschaftlicher Veranstaltung traf,
ausdruckte mir in langerer Unterredung seine Besorgnis liber die gespannte Lage in Europa.
Ich erwiderte, daB ich angenommen hatte, seine Unterhaltung in Rom mit Mussolini wlirden
ihn zum mindestens hinsichtlich der friedlichen Absichten Deutschlands und Italiens berahigt
haben.
Chamberlain zustimmte dem und hinwies auf die demnachst hoffentlich bevorstehende
Ausschaltung gefahrlicher Reibungsflache durch Beendigung Biirgerkriegs in Spanien. Er
kam dann aber wieder auf seine pessimistische Beurteilung gegenwartiger europaischer Lage
zuriick und meinte, daB es von ganz besonderer Bedeutung sein wiirde, wenn Fuhrer und
Reichskanzler demnachst in beruhigendem Sinne zur Weltlage Stellung nehmen konnte. Ich
machte den Premierminister darauf aufmerksam, daB der Fuhrer sich sowohl in seiner
Neujahrskundgebung wie in seiner Ansprache an Diplomatisches Korps bei
Neujahrsempfang— im ausgesprochen positiven Sinne geauBert und die Munchener
Konferenz sowie die an ihr beteiligten Staatsmanner erwahnt hatte; leider sei diese
Kundgebung in englischer Presse kaum beachtet worden. Chamberlain erwiderte lebhaft, daB
die Kundgebungen bei den beteiligten amtlichen Stellen die gebuhrende Beachtung gefunden
hatten.
Ich hinwies Chamberlain zum SchluB darauf, daB fur eine allgemeine Beruhigung eine
entsprechende Haltung, insbesondere auch der englischen Presse erforderlich sei und erinnerte
daran, daB gerade gestern der Schrifts teller Wells im News Chronicle seine unerhorten
Beschimpfungen des Fuhrers erneuert hatte.— Chamberlain bedauerte diese Angriffe und
zugab, daB gerade der News Chronicle das gefahrlichste englische Blatt sei.
Dirksen
T2271
Nr. 239
Der Deutsche Botschafter in London an das Auswartige Amt
Telegramm
London, den 27. Januar 1939
Gestrige Rede Sir Samuel Hoare's ist durch die zahlreichen Geriichte liber einen angeblich
bevorstehenden Krieg bedingt, denen die Regierung energisch entgegenwirken will. Die
britische Offentlichkeit wird seit einigen Tagen durch offensichtlich aus amerikanischer und
jiidischer Quelle stammende Geriichte beunruhigt, die von Mund zu Mund gehen und nur
verhaltnismaBig geringen Niederschlag in der Presse finden. Ich vermute hinter diesen
Geruchten
1. planmaBige amerikanische Propaganda und
2. ein groB angelegtes Borsenmanover a la baisse.
Hoare's Rede ist weiterhin ein Zugestandnis an die starker werdenden Stromungen in der
konservativen Partei, die von der Regierung mehr Ruckgrat gegenuber den totalitaren Staaten
und ein selbstbewuBteres Auftreten verlangen, da die bisherige mildere Tonart keinerlei
Erfolge gezeitigt habe. Ich weiB aus zuverlassiger Quelle, daB Chamberlain selbst von diesen
Kreisen immer starker unter Druck gesetzt wird. Sicher hatte die Regierung auch den
Wunsch, mit ihrer selbstbewuBten Sprache der Propaganda fiir den national service einen
wirkungsvollen Hintergrund zu geben. Chamberlain hat fiir morgen Abend eine politische
Rede angekiindigt.
Dirksen
Nr. 240
Rede des Britischen Premierministers Chamberlain in Birmingham,
28. Januar 1939
Auszug
(Ubersetzung)
Wir konnen nicht vergessen, daB, wenn auch wenigstens zwei dazu gehoren, Frieden zu
schlieBen, einer allein einen Krieg anfangen kann. Und solange wir nicht zu klaren
Abmachungen gelangt sind, durch die jede politische Spannung beseitigt wird, miissen wir
uns in eine Stellung bringen, wo wir uns gegen Angriffe verteidigen konnen, seien es nun
Angriffe gegen unser Land und Volk oder gegen die Grundsatze der Freiheit, mit denen unser
Dasein als Demokratie eng verbunden ist und die uns die hochsten Begriffe menschlichen
Lebens und menschlicher Geisteshaltung zu umschlieBen scheinen.
Es ist zu diesem Zweck flir die Verteidigung und nicht fur den Angriff, daB wir uns weiter der
Aufgabe unserer Aufriistung mit nicht erlahmender Kraft und mit volliger Billigung des
Landes widmen.
Ich kann jedoch nicht umhin, noch einmal mein Bedauern dariiber festzustellen, daB es
notwendig ist, so viel Zeit und einen so gewaltigen Teil der Einkunfte des Landes flir
kriegsmaBige Vorbereitungen statt flir jene mehr auf innerem Gebiet liegende Fragen
aufzuwenden, die mich in das politische Leben gefuhrt haben, wie die Volksgesundheit, die
Wohnungsverhaltnisse, die r228i Verbesserung der auBeren Lebensbedingungen des Volkes,
die Sorge flir seine Erholung in der Freizeit und das Wohlergehen von Industrie und
Landwirtschaft.
Keines dieser Gebiete ist vernachlassigt worden. Es ist aber ganz naturlich, daB ihre
Entwicklung durch die Erfordernisse der nationalen Sicherheit gehemmt und verlangsamt
wurde.
Wenn ich mir diese Dinge uberlege, so erinnere ich mich an das Geschick eines der GroBten
meiner Vorganger, des jungeren Pitt. Seine Interessen lagen in der Heimat, in der
Wiederherstellung der Finanzen und in innerpolitischen Reformen. Aber auBenpolitische
Ereignisse durchkreuzten diese seine Bestrebungen. Widerstrebend und, nachdem er sich
lange gegen sein Schicksal gewehrt hatte, wurde er in einen Krieg verwickelt, der sich dann
zu dem bis zu jenem Zeitpunkte groBten unserer Geschichte entwickelt hat. Verbraucht durch
den Kampf starb er, bevor der Erfolg, zu dem er durch seine Entschlossenheit und seinen Mut
soviel beigetragen hatte, unsere Bemuhungen belohnte.
Ich vertraue darauf, daB mein Los glucklicher sein wird als das seine and daB wir unser Ziel
eines internationalen Friedens noch erreichen konnen.
Unsere Haltung haben wir schon so oft klargestellt, daB liber sie kein MiBverstandnis
bestehen kann. Ich bin der Ansicht, daB es nun flir andere an der Zeit ist, ihren Beitrag zu
leisten flir ein Ergebnis, das alle mit Wohltaten uberschutten wurde. Die Luft ist heutzutage
voll von Geriichten und Verdachtigungen, die man gar nicht bestehen lassen sollte. Der Friede
vermag ja nur durch eine Herausforderung in Gefahr gebracht werden, wie sie der President
der Vereinigten Staaten in seiner Neujahrsbotschaft im Auge hatte, namlich den Anspruch
auf Weltherrschaf t durch Gewalt. Einem solchen Anspruch miissen sich die Demokratien
unweigerlich entgegenstellen, wie dies der Prasident angedeutet hat und wie ich es selbst auch
bereits erklart habe
Nr. 241
Rede des Fuhrers vor dem Deutschen Reichstag, 30. Januar 1939
Auszug
In gewissen Demokratien gehort es anscheinend zu den besonderen Vorrechten des
politisch-demokratischen Lebens, den HaB gegen die sogenannten totalitaren Staaten
kunstlich zu ziichten, d. h. durch eine Flut teils entstellender, teils uberhaupt frei erfundener
Berichte die offentliche Meinung gegen Volker zu erregen, die den anderen Volkern nichts
zuleide getan hatten und ihnen auch nichts zuleide tun wollen, die hochstens selber
jahrzehntelang von schwerem Unrecht bedriickt wurden.
Wenn wir uns nun gegen solche Kriegsapostel, wie Herrn Duff Cooper, Mister Eden,
Churchill oder Mister Ickes usw. zur Wehr setzen, dann wird dies als ein Eingriff in die
heiligen Rechte der Demokratien hingestellt. Nach den Auffassungen dieser Herren haben
wohl sie das Recht, andere Volker und ihre Fuhrungen anzugreifen, aber niemand hat das
Recht, sich dessen zu erwehren.
Ich brauche Ihnen nicht zu versichern, daB, solange das Deutsche Reich ein souveraner Staat
ist, sich die Staatsfuhrung nicht durch einen englischen oder amerikanischen Politiker
verbieten lassen wird, auf solche Angriffe zu ant- r229i worten. DaB wir aber ein souveraner
Staat bleiben, dafiir werden fur alle Zukunft die Waffen sorgen, die wir Schmieden, und dafiir
sorgen wir auch durch die Wahl unserer Freunde.
An sich konnte man die Behauptung, daB Deutschland beabsichtige, Amerika anzufallen, mit
einem einzigen Lachen abtun, und die fortgesetzte Hetzkampagne gewisser britischer
Kriegsapostel wollte man am liebsten schweigend ubergehen; allein wir diirfen folgendes
nicht auBer acht lassen. Erstens: Es handelt sich hier in diesen Demokratien um Staaten, deren
politische Konstruktion es ermoglicht, daB schon wenige Monate spater die schlimmsten
Kriegshetzer die Fuhrung der Regierung selber in ihren Handen halten konnen.
Zweitens: Wir sind es deshalb der Sicherheit des Reiches schuldig, das deutsche Volk schon
beizeiten liber diese Manner aufzuklaren. Da das deutsche Volk keinen HaB gegen England,
Amerika oder Frankreich empfindet, sondern seine Ruhe und seinen Frieden will, diese
Volker aber von ihren judischen oder nichtjudischen Hetzern fortgesetzt gegen Deutschland
und das deutsche Volk aufgeputscht werden, wiirde ja im Falle eines Gelingens der Absichten
dieser Kriegsbefurworter unser eigenes Volk in eine psychologisch uberhaupt nicht
vorbereitete und deshalb ihm unerklarliche Situation geraten.
Ich halte es daher fur notwendig, daB von jetzt ab in unserer Propaganda und in unserer Presse
die Angriffe stets beantwortet und vor allem dem deutschen Volk zur Kenntnis gebracht
werden. Es muB wissen, wer die Manner sind, die unter alien Umstanden einen Krieg vom
Zaune brechen wollen. Ich bin dabei der Uberzeugung, daB die Rechnung dieser Elemente
eine falsche ist; denn wenn erst die nationalsozialistische Propaganda zur Antwort iibergehen
wird, werden wir ebenso erfolgreich sein, wie wir im inneren Deutschland selbst durch die
zwingende Gewalt unserer Propaganda den judischen Weltfeind zu Boden geworfen haben.
Die Volker werden in kurzer Zeit erkennen, daB das nationalsozialistische Deutschland keine
Feindschaft mit anderen Volkern will, daB alle die Behauptungen liber Angriffsabsichten
unseres Volkes auf fremde Volker entweder aus krankhafter Hysterie geborene oder aus der
personlichen Selbsterhaltungssucht einzelner Politiker entstandene Liigen sind, daB diese
Liigen aber in gewissen Staaten gewissenlosen Geschaftemachern zur Rettung ihrer Finanzen
dienen sollen, daB vor allem das internationale Judentum damit eine Befriedigung seiner
Rachsucht und Profitgier erreichen zu hoffen mag, daB sie aber die ungeheuerlichste
Verleumdung darstellen, die man einem groBen und friedliebenden Volk antun kann.
.... Das nationalsozialistische Deutschland und das faschistische Italien sind stark genug, um
gegen jedermann den Frieden zu sichern oder einen von unverantwortlichen Kraften
leichtfertig vom Zaun gebrochenen Konflikt entschlossen und erfolgreich zu beenden!
Das bedeutet nun nicht, daB wir Deutsche - wie es in einer verantwortungslosen Presse jeden
Tag geschrieben steht - einen Krieg wiinschen, sondern es bedeutet nur, daB wir
1. das Verstandnis dafiir haben, daB sich auch andere Volker ihren Anteil an den
Giitern der Welt sichern wollen, der ihnen kraft ihrer Zahl, ihres Mutes und ihres
Wertes zukommt, und daB wir
2. in Anerkennung dieser Rechte entschlossen sind, gemeinsame Interessen auch
gemeinsam zu vertreten. Vor allem aber, daB wir vor erpresserischen Drohungen unter
keinen Umstanden jemals zuriickweichen werden!
1230] Deutschland hat gegen England und Frankreich keine territorialen Forderungen auBer
der nach Ruckgabe unserer Kolonien.
So sehr eine Losung dieser Frage zur Beruhigung der Welt beitragen wiirde, so wenig handelt
es sich dabei um Probleme, die allein eine kriegerische Auseinandersetzung bedingen
konnten. Wenn uberhaupt heute in Europa Spannungen bestehen, so ist dies in erster Linie
dem unverantwortlichen Treiben einer gewissenlosen Presse zuzuschreiben, die kaum einen
Tag vergehen laBt, ohne durch ebenso dumme wie verlogene Alarmnachrichten die
Menschheit in Unruhe zu versetzen. Was sich hier verschiedene Organe an
Weltbrunnenvergiftung erlauben, kann nur als kriminelles Verbrechen gewertet werden. In
letzter Zeit wird versucht, auch den Rundfunk in den Dienst dieser internationalen Hetze zu
stellen.
Denn welche Interessengegensatze bestehen z. B. zwischen England und Deutschland?
Ich habe mehr als oft genug erklart, daB es keinen Deutschen und vor allem keinen
Nationalsozialisten gibt, der auch nur in Gedanken die Absicht besaBe, dem englischen
Weltreich Schwierigkeiten bereiten zu wollen. Und wir vernehmen auch aus England
Stimmen vernunftig und ruhig denkender Menschen, die die gleiche Einstellung Deutschland
gegenuber zum Ausdruck bringen. Es wiirde ein Gliick sein fur die ganze Welt, wenn die
beiden Volker zu einer vertrauensvollen Zusammenarbeit gelangen konnten. Das gleiche gilt
flir unser Verhaltnis zu Frankreich
Nr. 242
Rede des Britischen Premierministers Chamberlain
in Blackburn, 22. Februar 1939
Auszug
(Ubersetzung)
Zu einer Zeit, wo ungeheure Rustungen von alien Seiten aufgetiirmt werden, kann man
sich einer gewissen Sorge nicht erwehren, ob nicht ein vielleicht an sich geringfiigiger
Zwischenfall die Maschinerie in Bewegung setzt, die diese Rustungen zur Anwendung
bringen wiirde. Wir sind uns bewuBt, daB bei Eintritt dieses gefiirchteten Ereignisses keiner
von uns oder von denen, die uns am teuersten sind, seinen Folgen entgehen konnte. Unter
diesen Umstanden scheinen mir nur Menschen, die vollig riicksichtslos, unverantwortlich
oder unwissend sind, den Wunsch haben zu konnen, daB die jetzige Regierung irgendeine
andere Politik verfolgen sollte, als wie wir sie fur uns festgelegt haben, eine Politik des
Friedens durch Starke, die keine Gelegenheit vorubergehen lassen wird, um Verdachtigungen
und feindselige Einstellungen zu beseitigen, gleichzeitig aber fest und entschlossen mit Hilfe
unserer Freunde innerhalb und auBerhalb unseres Reiches eine so furchtbare Macht aufbauen
wird, daB unsere Rechte und Freiheiten jedem gegenuber durchgesetzt werden konnen, der
unbesonnen genug sein sollte, sich an ihnen zu vergreifen.
Wahrend der letzten zwei Tage haben wir im Unterhaus die Fortschritte unserer Aufriistung
erortert. Die Zahlen sind in der Tat uberwaltigend. Vielleicht sind sie so gewaltig, daB das
Volk sie gar nicht mehr zu fassen vermag. Ich muB aber doch versuchen, Ihnen einen Begriff
von der GroBe und dem Tempo unserer Aufriistung zu geben, wie sie sich an den Kosten
ermessen lassen.
B3i] Wahrend in den ersten fiinf Jahren der Nationalen Regierung, namlich von 1931 bis 1935,
der durchschnittliche Aufwand fiir die Verteidigung des Landes 114 Millionen Pfund betrug,
beliefen sich die entsprechenden Ausgaben im Jahre 1936 auf 186 Millionen Pfund, 1937 auf
265 Millionen Pfund, 1938 betrugen nach dem Voranschlag die Ausgaben bereits 406
Millionen Pfund, und der Voranschlag fiir das nachste Finanzjahr, der auch die Ausgaben fiir
die Zivilverteidigung umfaBt, ist bereits auf 580 Millionen Pfund hinaufgeschnellt. Niemand
beklagt mehr als ich die Notwendigkeit fiir diese Ausgaben, und doch haben Sie Recht, ihnen
Beifall zu spenden; denn Sie konnen einen trostlichen SchluB oder auch deren zwei aus diesen
ungeheuren Ziffern ziehen, einen SchluB, der jedenfalls dem recht wenig erfreulichen
Vorgang der Bezahlung dieser Rechnung gegenubergestellt werden kann.
Zunachst konnen Sie sich selbst davon uberzeugen, daB die Griinde fiir alle Besorgnisse, die
etwa friiher wegen einer zu langsamen Herstellung von Rustungsmaterial bestanden haben
mogen, schnell uberwunden werden. Schiffe. Kanonen, Flugzeuge und Munition flieBen jetzt
aus unseren Werften und Fabriken in einem Strom, der dauernd im Anschwellen begriffen ist.
Jedenfalls hat sich die Lage in dieser Hinsicht, selbst verglichen mit der vor einigen Monaten,
auBerordentlich verbessert
Lassen Sie mich jetzt zuruckkommen auf die Voranschlage fiir die Verteidigungskosten und
zu dem etwas trostlicheren SchluB, der daraus gezogen werden kann. Ich habe bereits auf die
Bedeutung dieser Voranschlage hingewiesen, als ich den Fortschritt in unserem
Riistungsprogramm darlegte. In zweiter Linie aber werden diese ungeheuren Zahlen dazu
dienen, uns alien die gewaltige GroBe unserer finanziellen Hilfsquellen klarzumachen, die uns
in den Stand setzen, diese Riesensummen nicht nur aufzubringen, sondern ihre Verausgabung
ohne merkliche Beeintrachtigung des Vertrauens ins Auge zu fassen, das ja die Grundlage flir
unseren Kredit ist.
Und wenn wir bedenken, daB das, was wir jetzt planen, allein den Anstrengungen unseres
Landes entstammt, ohne daB, was notigenfalls geschehen konnte, die groBen Dominions oder
unsere Verbiindeten und Freunde auBerhalb des britischen Reiches etwas dazu beitragen, so
konnen wir, um unseren Shakespeare zu zitieren, wohl die GewiBheit haben,
"Und steht die ganze Welt in Waff en gegen uns:
Wir schlagen sie!"
Nr. 243
Der Deutsche Botschafter in London an das Auswartige Amt
Telegramm
London, den 24. Februar 1939
1. Vor meiner Abreise hatte ich mit Lord Halifax iiber allgemeine Lage eingehende
Unterhaltung, iiber die mundlichen Bericht vorbehalte. Halifax erwahnte die verschiedenen
schwebenden deutsch-englischen Wirtschaftsbesprechungen, die durch Besuch Ashton-
Gwatkins und Stanleys hoffentlich weiter gefordert werden wiirden.
mil 2. Ich hinwies auf die in hiesiger Offentlichkeit herrschende und durch Propaganda
vermehrte nervose Unruhe, die sich nach Fuhrerrede nur zeitweise beruhigt hatte. Diese
Stimmung sei abtraglich flir beiderseitige Beziehungen.
Halifax gab Nervositat wahrend Januar zu, glaubte aber nicht, daB neue Welle der
Beunruhigung Offentlichkeit nach Fuhrerrede erfaBt habe.
3. Ich schilderte anschlieBend, wie stark diese allgemeine Stimmung auf die Lage in England
lebender Reichsdeutscher zuriickwirke, denen selbst die Abhaltung von Veranstaltungen
durch Verweigerung der Raumlichkeit erschwert werde.
Dirksen
Anmctkun^en:
147
Vgl. Nr. 235 . ...zuriick.
148 Vgl. Nr. 233 . ...zurtick...
Zweites Kapitel (Forts.)
Die Englische Kriegspolitik
A. Britische Aufrustung und Hetze
gegen Deutschland
(September 1938 bis Juli 1939)
Nr. 244
Der Deutsche Konsul in Genf an das Auswartige Amt
Bericht
Genf, den 24. Februar 1939
Das Volkerbundsekretariat hat in diesen Tagen bekanntgegeben, daB sowohl die Englische
wie die Franzosische Regierung eine Note an das Volkerbundsekretariat haben gelangen
lassen, wonach beide Regierungen nach dem am 16. August 1939 ablaufenden Termin der
Generalakte flir weitere fiinf Jahre sich an diese Konvention fur gebunden erklaren. Diese
Verbindlichkeitserklarung der Englischen und Franzosischen Regierung ist jedoch nur mit
einer sehr bemerkenswerten Reserve gemacht worden, die folgenden Wortlaut hat:
"Desormais ladite adhesion ne s'etendra pas aux differends relatifs a des evenements
qui viendraient a se produire au cours d'une guerre dans laquelle il serait implique."
Diese von englischer und franzosischer Seite vorgenommene Einschrankung des
Anwendungsgebiets der Generalakte ist bezeichnenderweise von der englischen und
franzosischen Presse in keiner Weise hervorgehoben und auch in der ubrigen internationalen
Presse nur kurz erwahnt worden. In der deutschen Presse hat man diesen Vorgang
hauptsachlich dahin interpretiert, daB selbst England und Frankreich nunmehr von den
Methoden der Genfer Institution abriickten und die Anwendung des Schiedsverfahrens fur ein
Gebiet wichtiger internationaler Streitfalle einschrankten.
Die Hauptbedeutung der englisch-franzosischen Reserve bezuglich der Anwendung der
Generalakte ist jedoch darin zu sehen, daB beide Regierungen sich flir den Kriegsfall
gegenliber den Neutralen vollig freie Hand sichern wollen und samtliche Streitfalle, die sich
auf Grand des Neutralitatsrechts und insbesondere des Seekriegsrechts ergeben konnten, dem
Schiedsgerichtsverfahren entziehen. Diese Haltung der Englischen und Franzosischen
Regierung kann auch als MaBnahme gegen das Abriicken der Neutralen von der
Sanktionspolitik angesehen werden und diirfte auf jeden Fall die Stellung der Neutralen im
Kriegsfall auBerordentlich schwachen.
Unter den Fachleuten der Genfer Delegation ist man sich allerdings liber die folgenschwere
Bedeutung der englisch-franzosischen Reserve gegenliber der Generalakte vollig im klaren.
Ein Delegierter eines neutralen Staates hat r233i mir z. B. seine ernsten Besorgnisse liber diese
offenbar von England ausgehende "KriegsvorbereitungsmaBnahme" ausgesprochen, die ihn
sofort an die ablehnende Haltung der Englischen Regierung vor dem Weltkrieg erinnert habe,
Streitfalle liber das Prisenrecht mit neutralen Staaten einem internationalen Prisengerichtshof
zu unterbreiten. Gleichzeitig wies mein Gesprachspartner auch beispielsweise auf die
auBerordentliche Bedeutung der englisch-franzosischen Reserve flir diejenigen
Mittelmeerstaaten hin, die bei einer kriegerischen Verwicklung in diesem Gebiet neutral
bleiben wollten.
Krauel
Nr. 245
Der Deutsche Gesandte in Teheran an das Auswartige Amt
Bericht
Teheran, den 4. Marz 1939
Seit einigen Monaten ist hier eine zunehmende Aktivitat der englischen Politik festzustellen,
die nicht zum wenigsten gegen Deutschland und unsere Position in Iran gerichtet ist.
Noch vor Jahresfrist war hier von einer nach auBen in die Erscheinung tretenden englischen
Betatigung auf politischem, wirtschaftlichem oder kulturpolitischem Gebiet nicht viel zu
spiiren. Auch der aufmerksame Beobachter muBte den Eindruck gewinnen, daB die englische
AuBenpolitik, die in fruheren Jahren gerade in diesem Sektor eine besonders riihrige Tatigkeit
entfaltet hatte, die weitere Entwicklung der Dinge in dem schnell aufstrebenden Staatswesen
zwar aufmerksam verfolgte, sich aber im iibrigen starker Zuriickhaltung befleiBigte. Diese
Zuriickhaltung erfuhr auch keine sichtbare Anderung, als andere europaische Machte, in erster
Linie Deutschland, anfingen, dem neuen Iran besonderes Interesse zuzuwenden und ihre
Beziehungen zu diesem Lande, vor allem auf wirtschaftlichem Gebiet, zu festigen und
auszubauen. So nahm man es auch mit Gleichmut hin, daB Deutschland als Lieferant und als
Abnehmer Irans binnen weniger Jahre vom funften auf den zweiten Platz vorruckte und
England, das noch 1936/37 den zweiten Platz behauptet hatte, auf die vierte Stelle verwies.
Selbst die Einrichtung einer deutschen Luftverbindung nach dem Nahen Osten, die sich bis
hart an die Grenze Indiens, nach Afghanistan, erstreckte und nach dem ursprunglichen Plan
unter Beriihrung wichtiger englischer Interessenspharen in Zentralasien bis nach China
vorgetrieben werden sollte, begegnete auf englischer Seite anfanglich nur geringem
Widerstand. Die Beziehungen zwischen der deutschen und der englischen Vertretung, ebenso
wie das Verhaltnis zwischen den beiderseitigen Kolonien waren die denkbar herzlichsten und
AuBerungen der Sympathie und Bewunderung flir das neue Deutschland aus englischen
Kreisen nicht selten.
Eine starke Abkuhlung brachte dann zunachst die Heimkehr Osterreichs ins Reich, die mit
offensichtlichem MiBbehagen aufgenommen wurde. Wahrend die Vertretungen anderer
Lander ihrer Genugtuung dariiber Ausdruck gaben, daB Volk sich wieder zu Volk gefunden
hatte und eine ernste Bedrohung des europaischen Friedens ohne BlutvergieBen behoben
werden konnte, wurde von englischer Seite scharfe Kritik an den Methoden des deutschen
Vorgehens geiibt r234i und diese in weite Kreise bis in maBgebende Regierungsstellen
hineingetragen. Die Losung des sudetendeutschen Problems, die Feuerprobe der Achse
Berlin-Rom und der von aller Welt anerkannte groBe Erfolg der deutschen Staatskunst als
Ergebnis der Munchener Besprechungen loste in den hiesigen englischen Kreisen eine direkt
feindselige Stimmung gegen Deutschland aus, die auch bei Gesprachen mit dem Personal der
Gesandtschaft, vom Gesandten angefangen, bei aller Korrektheit in der Form, unverhohlen
zum Ausdruck kam.
Seither hat sich die antideutsche Stimmung der hiesigen englischen Kreise noch erheblich
verstarkt. Die englische Vertretung und Kolonie entwickeln sich zum Herd einer
Kriegspsychose, die ihre Faden weit liber das eigentliche Interessengebiet hinaus spinnt. Der
gesamte Apparat der ublichen Riistungshetze, wie er heute in der englischen Presse, im
Rundfunk, in offentlichen Reden der Wortfuhrer der Kriegspartei mit der Frontstellung gegen
Deutschland in die Erscheinung tritt, findet in der hiesigen englischen Vertretung und Kolonie
sein getreues Spiegelbild... Wenn man in Gesprachen mit Englandern auf das Verwerfliche
und Gefahrliche dieser Methoden aufmerksam macht, begegnet man ablehnendem
Achselzucken oder dem frostigen Hinweis, daB das Wettrusten der Volker eines Tages zum
Kriege fiihren miisse. Die Herren Eden, Churchill und Duff Cooper sind flir diese Leute die
eigentlichen Vertreter der englischen Nation und ihre kunftigen Fiihrer.
Die Auswirkungen dieser offenkundig gegen Deutschland gerichteten Stimmungsmache fur
unsere Arbeit und unsere Stellung in Iran sind nicht zu unterschatzen. Wenn es den hier zwar
gefurchteten, aber keineswegs beliebten Englandern auch nicht so leicht gelingen wird, unsere
gunstige Position auf wirtschaftlichem und kulturpolitischem Gebiet ernstlich zu gefahrden,
so erzielen sie doch mit der Schaffung einer Kriegspsychose in den maBgebenden iranischen
Kreisen einen Zustand der Unsicherheit und Besorgnis vor kommenden Dingen, der sich auf
die Bereitwilligkeit der Iranischen Regierung, sich mit uns in groBere und langer befristete
wirtschaftliche oder verkehrspolitische Unternehmungen einzulassen, storend und hemmend
auswirken kann.
Auch auf mancherlei anderen Gebieten macht sich neuerdings eine starkere, gegen uns
gerichtete Aktivitat der Englander bemerkbar. So wird heute nicht nur jeder neue VorstoB der
deutschen Wirtschaft in Iran mit Hilfe eines vorzuglich organisierten Nachrichtendienstes bis
in alle Einzelheiten verfolgt und bespitzelt, sondern auch, wenn sich die Moglichkeit dazu
bietet, sabotiert.
Smend
Nr. 246
Rede des Britischen Staatssekretars fur Krieg Hore-Belisha
im Unterhaus, 8. Marz 1939
Auszug
(Ubersetzung)
Ich bin mir bewuBt, daB in diesem Jahr das Haus am meisten die Frage bewegen muB, in
welchem Umfange wir vorbereitet sein sollten, um im Falle eines Krieges mit unseren
Landstreitkraften auf dem europaischen Kontinent Hilfe leisten zu konnen
B35] Aus den strategischen Reserven im Vereinigten Konigreich wird die Feldarmee
aufgebaut, die jetzt sowohl aus regularen wie Territorialtruppen besteht. Die letzteren werden
jetzt, wie ich dem Hause berichten kann, zufolge einer kurzlichen EntschlieBung der
Regierung vorbereitet, ausgebildet und ausgerustet, um im Kriegsfalle auf einem
europaischen Kriegsschauplatz in Aktion zu treten. Zuerst mochte ich liber die regularen
Trappen berichten. Der neue Aufbau der Infanteriedivisionen und der Einheiten, aus denen sie
bestehen, ist jetzt in dem Rahmen durchgefuhrt, wie ich ihn im vorigen Jahre umrissen habe.
Alle Wehrdienstzweige wurden neu aufgebaut. Die Tabellen iiber dem Krieg dienende
Einrichtungen und Ausriistungen sind so aufgestellt und herausgegeben worden, daB sie eine
rasche Mobilisierung gewahrleisten. Es ist eine gewaltige Aufgabe gewesen, der sich die
Armee mit dieser griindlichen Uberholung unterzogen hat, und es ist mir von Seiten des
Generalstabs gesagt worden, daB die Anderungen, die hier in einem Jahr durchgefuhrt worden
sind, in normalen Zeiten viele Jahre in Anspruch genommen haben wurden
Es scheint mir zweckmaBig, Angaben iiber den Umfang der Streitkrafte der Feldarmee zu
machen. Ihre Gesamtheit oder ein Teil derselben wird naturlich eingesetzt werden, je
nachdem es die Zukunft erfordern sollte. Die GroBe des Apparats, den wir aufzubauen im
Begriffe sind, ergibt sich wie folgt: Regulare Armee: 4 Infanteriedivisionen und 2
Panzerdivisionen; Territorialarmee: 9 Infanteriedivisionen, 3 motorisierte Divisionen und 1
Panzerdivision. AuBerdem haben wir 2 Territorial-Kavallerie-Brigaden und eine Anzahl von
nicht in Brigaden eingeteilten Einheiten. Insgesamt machen die regularen und
Territorialtruppen mehr als 19 Divisionen aus. Herr Haldane hatte eine Feldarmee von nur 6
regularen Divisionen und 1 Kavalleriedivision vorgesehen. Er hatte die Territorialtruppen
nicht fur einen europaischen Krieg ausgeriistet. Unsere Territorialarmee wird aber die
entsprechende Ausrustung haben. ...
Ich spreche hier lediglich von der Feldarmee, die aus unseren eigenen strategischen Reserven
im Lande gebildet worden ist. Herrn Haldane war die Aufstellung seiner Feldarmee nur
dadurch moglich, daB er Truppen der Heimatverteidigung der Territorialarmee ubertrug. Wir
hingegen haben diese Heimatverteidigung einer neuen Armee ubertragen, die ich Luftabwehr-
und Kustenverteidigungsarmee genannt habe und die 7 Divisionen umfassen wird. Sie soil
Einfalle von der See her oder aus der Luft abwehren. Andere Einheiten in der Heimat, und
zwar regulare und Hilfstruppen, sollen der Bevolkerung fur den Fall von Luftangriffen
Beistand leisten. ...
Mein sehr ehrenwerter Freund der Premierminister hat am 13. Dezember 1938— eine
Erklarung abgegeben und am 1 1 . Februar dieses Jahres m bekraftigt, die keinen Zweifel iiber
die Haltung aufkommen laBt, die GroBbritannien in gewissen Eventualfallen einnehmen
wiirde. Bei der letzteren Gelegenheit sagte er: "er fiihle sich verpflichtet klarzustellen, daB die
Solidaritat der Interessen, durch die Frankreich und dieses Land verbunden seien, von der Art
sei, daB jede Bedrohung der Lebensinteressen Frankreichs, von welcher r236i Seite sie auch
kommen moge, den sofortigen Beistand unseres Landes nach sich ziehen miisse". ...
Diese Erklarung iiber die Gemeinsamkeit unserer Interessen mit Frankreich ist von groBerer
Bedeutung als jedwede friihere Erklarung. Sie legt uns die Verpflichtung auf, Plane und
Vorbereitungen flir die Verwendung unserer Feldstreitkrafte in gewissen Fallen
auszuarbeiten. Besprechungen zwischen uns und Frankreich haben uns in dieser Hinsicht
zwar nicht gebunden, aber wenn man vorsichtig ist, muB man flir alle Moglichkeiten
gewappnet sein. Sollten wir in einen Krieg verwickelt werden, so wird unser Beitrag und die
Art und Weise, wie wir ihn am besten leisten konnen, weder mit halbem Herzen noch unter
Zugrundelegung irgendeiner Theorie der beschrankten Haftung gegeben werden. ...
Nr. 247
Der Deutsche Botschafter in London an das Auswartige Amt
Bericht
London, den 18. Marz 1939
Bei meinem heutigen Protest gegen Beschimpfung des Fiihrers durch den Abgeordneten Duff
Cooper habe ich Lord Halifax gegenliber folgendes ausgeflihrt:
Ich hatte wiederholt liber schwere Verunglimpfungen des Fiihrers Klage fiihren miissen; diese
Beleidigungen seien in der Presse ausgesprochen gewesen, und man habe mir daraufhin
geantwortet, daB die Britische Regierung diese Ausfalle zwar bedauert und in Aussicht
gestellt habe, ihren EinfluB auf die Presse geltend machen zu wollen; da dieser EinfluB aber
beschrankt sei und die gesetzlichen Handhaben zum Vorgehen gegen die Presseorgane
fehlten, sei eine wirksame Abstellung nicht moglich. Ich wolle daher auf verschiedene
schwere Beleidigungen des Fiihrers, die in den letzten Tagen in der Presse wiedergegeben
seien, nur hinweisen.
Bei Duff Cooper aber liege dieser Fall anders. Hier habe ein englischer Abgeordneter in einer
Sitzung des Unterhauses den Fiihrer in gemeinster Weise beschimpft, ohne daB der Speaker
eingeschritten sei und ohne daB ein Mitglied der Regierung diese Sprache zuriickgewiesen
hatte. Es sei mir bekannt, daB das Unterhaus keine Geschaftsordnung wie andere Parlamente
habe, sondern nach Gewohnheitsrecht geleitet werde. Ich miisse aber darauf hinweisen, daB
laut einer Zeitungsnotiz das bekannte staatsrechtliche Werk von Erskine May es als iiblich
bezeichne, daB abfallige Bemerkungen liber fremde Staatsoberhaupter nicht ausgesprochen
werden sollten.
Lord Halifax erwiderte darauf, was den Abgeordneten Cooper angehe, so sei dieser vom
Fiihrer ebenfalls angegriffen und als Kriegstreiber bezeichnet worden. Es sei daher wohl
verstandlich, daB eine Reaktion seitens des Angegriffenen erfolge. Fur die Mitglieder der
Regierung sei es nach den geltenden Gepflogenheiten nicht moglich gewesen, einzugreifen
und derartige Angriffe zurlickzuweisen; der Speaker sei autonom in seinen Befugnissen und
konne keine Weisungen hinsichtlich seiner Geschaftsflihrung erhalten.
r237i Ich fragte hierauf Halifax, ob die Britische Regierung jetzt auf dem Standpunkt stehe, daB
fremde Staatsoberhaupter gewissermaBen vogelfrei seien.
Der AuBenminister erwiderte, das habe er damit nicht sagen wollen.
Ich wies Lord Halifax darauf hin, daB eine Gleichstellung des Fiihrers mit Duff Cooper wegen
ihrer durchaus verschiedenen Stellungen nicht moglich sei. AuBerdem habe der Fiihrer Duff
Cooper niemals beschimpft, sondern ihm nur den zutreffenden Vorwurf gemacht, daB die von
Cooper befolgte Politik zum Kriege fiihren miisse. Da Cooper das Kabinett mit der
Begrlindung verlassen habe, daB er die friedenserhaltende Politik Chamberlains nicht
mitmachen konne, so hatten die Angriffe des Fiihrers nur eine Darstellung eines vorhandenen
Tatbestandes enthalten.
Ich gab meinem Befremden darliber Ausdruck, daB Lord Halifax nicht in der Lage sei, mir
eine befriedigende Erklarung abzugeben; gerade England konne sich liber unsere Haltung
gegenliber der Hereinziehung des Staatsoberhauptes in die Tagespresse nicht beklagen. Dies
ergebe sich aus der Diskretion unserer Presse wahrend der Abdankung des friiheren Konigs.
Nicht einmal die leitenden Staatsmanner der jetzigen oder einer vorherigen Regierung seien
von amtlichen Personlichkeiten angegriffen oder gar beschimpft worden.
Lord Halifax muBte dies zugeben. Er erklarte, daB er dem Premierminister Bericht erstatten
werde.
Ich erwiderte, daB ich meiner Regierung ebenfalls einen Bericht iiber den Verlauf der
Unterredung erstatten wiirde.
von Dirksen
Nr. 248
Erklarung des Britischen Premierministers Chamberlain
im Unterhaus, 29. Marz 1939
Auszug
(Ubersetzung)
.... Das Haus wird sich erinnern, daB ich in einer kurzlichen Erklarung angekiindigt habe, daB
jede Seite unseres nationalen Lebens einschlieBlich des nationalen Verteidigungsprogramms
iiberpriift werden wiirde. In Verfolg dieser Uberpriifung hat die Regierung Seiner Majestat
den Eindruck gewonnen, daB das Bedurfnis vorhanden ist, noch umfassender von dem Willen
zum freiwilligen Dienst Gebrauch zu machen, der sich im ganzen Land bekundet;
insbesondere glaubt sie nicht gestatten zu konnen, daB diejenigen, die als Rekruten in die
Territorialarmee eintreten mochten, zuriickgewiesen werden, weil die Einheiten, an die sie
sich wenden, schon einen Bestand iiber ihre Sollstarke hinaus haben. Sie hat infolgedessen die
Lage gepriift und ist zu den folgenden Beschlussen gekommen:
I. Die territoriale Feldarmee, die jetzt eine Friedensstarke von 130.000 Mann hat, wird
sofort auf Kriegsstarke gebracht, was einen Zuwachs von etwa 40.000 Mann
gegenuber der vorgenannten Zahl bedeutet.
II. Die so auf Kriegsstarke gebrachte territoriale Feldarmee wird verdoppelt und wird
so eine Starke von 340.000 Mann aufweisen
mm Mr. Bellenger: "Wird diese Vermehrung irgendeine Anderung in den Planen bringen, die
kurzlich von dem Staatssekretar flir Krieg hinsichtlich der Anzahl der Divisionen umrissen
worden sind, m die erforderlichenfalls als uberseeische Streitkrafte in Bereitschaft zu halten
sind?"
Der Premierminister: "Die von mir gemachte Ankundigung bringt es mit sich, daB eine
doppelte Anzahl von Divisionen rechtzeitig zur Verfugung stehen wird."
Nr. 249
Der Deutsche Geschaftstrager in London an das Auswartige Amt
Bericht
London, den 6. April 1939
AnlaBlich einer Filmvorfuhrung an Bord des britischen Flugzeugmutterschiffes "Ark Royal"
am Abend des 4. April d. J. sagte der Erste Lord der Admiralitat, Earl Stanhope, auf eine
Reihe leerer Sitze hinweisend: "Kurz bevor ich die Admiralitat verlieB, war es notig, Befehle
zu geben, die Luftabwehrgeschlitze der Kriegsmarine zu bemannen, und dies erklart die
leeren Sitze." Spate rhin erklarte Lord Stanhope einem Berichterstatter, daB die Flotte alle
Vorkehrungen treffe und stets bereit sei.
Auf Veranlassung der Admiralitat wurde eine sogenannte "D"-Notiz ausgegeben, die besagte,
daB es nicht im nationalen Interesse ware, wenn die Rede Lord Stanhopes veroffentlicht
wiirde. Die Rede Lord Stanhopes wurde dann nur von einem Teil der Morgenpresse in
sensationeller Aufmachung gebracht. Times und Daily Telegraph enthielten sich jeder
Bezugnahme.
Die Bemerkungen des Ersten Lords der Admiralitat haben sowohl im Unterhaus als auch in
den Redaktionen starkes Aufsehen hervorgerufen. Lord Stanhope soil angeblich dem
Premierminister seinen Rucktritt angeboten haben, der jedoch nicht angenommen worden sei.
In der Unterhaus sitzung vom 5. d. M. fragte daraufhin der Stellvertretende Flihrer der
Opposition, Abgeordneter Greenwood, den Premierminister, ob er eine Erklarung zu dem
offiziellen Ersuchen der Regierung abgeben konne, die Presse moge die von Lord Stanhope in
seiner Rede erwahnten Anweisungen der Admiralitat nicht veroffentlichen.
Der Premierminister wies darauf hin, daB die Rede anlaBlich einer Zusammenkunft wegen der
Organisation von Filmvorfuhrungen auf Kriegsschiffen gehalten worden sei. Lord Stanhope
habe unvorbereitet (unpremeditated) gesprochen. Er habe darauf hingewiesen, daB die
Teilnehmer an der Veranstaltung nicht vollzahlig waren, da eine Reihe von ihnen an Bord
ihrer eigenen Schiffe zuriickgehalten worden seien. Sie lagen in Bereitschaft, die Geschutze
zu bemannen, was in Spannungszeiten eine NormalmaBnahme sei. Die Admiralitat habe keine
anderen Befehle ausgegeben, als daB diese Ubung auch selbst bei einer so besonderen
Gelegenheit nicht geandert werden solle.
Der Premierminister fiigte hinzu, daB er die Presse habe bitten lassen, die Rede des Ersten
Lords der Admiralitat nicht zu veroffentlichen oder, wenn es geschehe, ihr keine besondere
Bedeutung zuzuschreiben. Seine Bemuhungen, dem Publikum eine unniitze Aufregung zu
ersparen, seien erfolglos gewesen. Doch habe der Vorfall die stete Bereitschaft der Flotte
bewiesen. Lord Stan- r239i hope habe ihm gegenliber sein Bedauern zum Ausdruck gebracht,
daB seine Worte, die sicherlich nicht glucklich gewahlt worden waren, so stark kommentiert
worden seien. Er, der Premierminister, glaube jedoch nicht, daB ein Vorfall dieser Art die
Eignung Lord Stanhopes als Leiter der Admiralitat beriihre.
Mit dieser Erklarung hat der Zwischenfall zunachst seine Erledigung gefunden.
Die Verordnung der Admiralitat laBt sich nur mit der Unmenge der hier kurzlich kursierenden
Geruchte und Sensationsmeldungen und der hierdurch ausgelosten Ubernervositat erklaren.
Erstaunlich ist jedoch, daB solche Bemerkungen aus dem Munde des Ersten Lords der
Admiralitat fallen konnen, fraglos eine "Gaffe" erster Giite. Es ist nicht zum ersten Mai, daB
Stanhope durch Unbedachtsamkeit eine unbequeme Sensation heraufbeschwort.
Die Linkspresse hat den Zwischenfall aufgegriffen, vor allem, um gegen die Institution der
sogenannten "D"-Notizen vorzugehen. Nach vorherrschender Auffassung kann ein
Schriftleiter, der eine solche "D"-Notiz unbeachtet laBt, unter Umstanden nach dem "Official
Secrets Act" belangt werden. Nachdem nunmehr die Admiralitat eine eigene Rede ihres
Chefs, die dieser selber freigegeben hatte, unterdrlickt hat, wird in der Presse gefordert, daB
"D"-Notizen nicht mehr als offizielle Verbote angesehen werden sollen.
Im Auftrag
von Selzam
Nr. 250
Erklarung des Britischen Premierministers Chamberlain
im Unterhaus, 20. April 1939
(Ubersetzung)
Mr. White richtete an den Premierminister die Frage, ob er jetzt in der Lage sei, irgendwelche
weiteren Erklarungen liber die Politik der Regierung Seiner Majestat in bezug auf ein
Versorgungsministerium abzugeben.
Der Premierminister: Die Regierung Seiner Majestat hat beschlossen, baldmoglichst eine
Gesetzesvorlage zur Errichtung eines Versorgungsministeriums unter einem Minister
einzubringen, der Mitglied des Kabinetts sein wird. Die Gesetzesvorlage, die bezweckt,
diesem BeschluB Geltung zu verschaffen, wird so formuliert sein, daB sie die Errichtung eines
Versorgungsministeriums im vollsten Sinne des Wortes ermoglicht. Vorlaufig wird aber das
Arbeitsgebiet des neuen Ministeriums durch Verwaltungsanordnung auf folgende
Angelegenheiten beschrankt werden:
"(1) Es wird die auf den Heeresbedarf bezuglichen Aufgaben behandeln, die durch die
kurzlich getroffenen Entscheidungen liber die Erhohung der Heeresstarke erheblich
erweitert worden sind.
(2) Das Ministerium wird die Verantwortung fiir gewisse, allgemeinen
Verbrauchszwecken dienende Vorrate libernehmen, mit denen das Kriegsministerium
heute schon andere Regierungsabteilungen beliefert, einschlieBlich gewisser der
zivilen Verteidigung dienender Bedlirfnisse. Es ist beabsichtigt, dieses System im
Rahmen des Notwendigen fortschreitend zu erweitern.
12401 (3) Das neue Ministerium wird auch die Verantwortung fur den Erwerb und die
Aufrechterhaltung von Reserven an wesentlichen Metallen und anderen Rohstoffen,
die in Verbindung mit dem Verteidigungsprogramm benotigt werden, libernehmen."
Zu den Abteilungen, die vom Kriegsministerium auf das neue Ministerium libergehen,
gehoren die Abteilung fiir Forschungen, Entwlirfe und Versuche, die Abteilung fiir
Produktion und Abnahme sowie die koniglichen Waffenfabriken.
Die dem Parlament zu unterbreitende Vorlage wird unter anderem Bestimmungen enthalten,
die bezwecken, Regierungsauftragen den Vorrang zu sichern.
Es wird vorgeschlagen, einen ministeriellen Prioritats-AusschuB zu bestellen in der Art des
Ausschusses, der gegen Ende des Weltkrieges die Aufgabe hatte, Prioritatsfragen, die sich aus
den Anforderungen der verschiedenen Wehrdienstzweige ergaben, zu regeln.
Mit Zustimmung des Konigs bin ich in der Lage zu verkiinden, daB der mit der Leitung des
neuen Ministeriums beauftragte Minister, mein sehr ehrenwerter Freund, der gegenwartige
Verkehrsminister ist.
Nr. 251
Aufzeichnung des Staatssekretars des Auswartigen Amts
Berlin, den 26. April 1939
Der Britische Botschafter hat mir bei Mitteilung der zu heute bevorstehenden Chamberlain-
Erklarung im Unterhaus liber die Einfuhrung der Dienstpflicht in England das beiliegende
Aide-Memoire hinterlassen.
Weizsacker
Anlage
Aide-Memoire
(Ubersetzung)
An den Premierminister wird am 26. April im Unterhause die Frage gerichtet werden, ob er
irgendeine weitere Erklarung abzugeben habe liber die Absichten der Regierung Seiner
Majestat im Vereinigten Konigreich, die gewahrleisten sollen, daB GroBbritannien in einem
Zustand der Bereitschaft und in einer Verfassung erhalten wird, daB es den klirzlich
angeklindigten neuen Verpflichtungen nachkommen kann.
In Beantwortung dieser Anfrage wird der Premierminister erklaren, daB die Regierung Seiner
Majestat Anordnungen zur Einberufung zum Militardienst von Angehorigen der Flotten-,
Heeres- und Luftwaffenreserven und zur Einberufung der Territorialarmee erwogen habe.
Dies ist eine Angelegenheit, die schon seit einiger Zeit Gegenstand von Erwagungen gewesen
ist. Die gegenwartigen Anordnungen stlitzen sich auf gesetzliche Bestimmungen, die seit
vielen Jahren in Kraft sind und den modernen Erfordernissen nicht entsprechen.
Infolgedessen ist beschlossen worden, eine Vorlage zur Vereinfachung des Verfahrens zur
Einberufung dieser Reserven und Hilfsstreitkrafte einzubringen, r24ii um das gegenwartige
umstandliche Verfahren zu vermeiden. Es gehort mit zu diesem Verfahren, daB
Bekanntmachungen erlassen werden mlissen, in denen erklart wird, daB ein Notzustand
besteht. Es erscheint ganz offensichtlich wlinschenswert, wenn moglich eine Stoning des
offentlichen Vertrauens in GroBbritannien und anderwarts zu vermeiden, die sich
notwendigerweise aus einer solchen Erklarung ergibt. Das jetzt vorgeschlagene Verfahren
wird die von Seiner Majestat Regierung getroffenen Vorkehrungen mit denjenigen in
Ubereinstimmung bringen, die in europaischen Landern allgemein in Kraft sind.
Der Premierminister wird weiter die Absicht zur Einbringung einer zweiten Vorlage
verklinden, die MaBnahmen zwangsweiser militarischer Ausbildung vorsieht. Der BeschluB
zur Einbringung dieser Vorlage ist hauptsachlich auf einen Wandel in der offentlichen
Meinung zurlickzuflihren, der sich seit schon erheblicher Zeit stetig entwickelt hat. Es ist in
weiten Kreisen der Auffassung Ausdruck gegeben worden, daB ein allgemeineres System der
Ausbildung als das bei der Territorialarmee bestehende an sich wiinschenswert erscheine. Die
Vorlage wird die Einberufung von Mannern im Alter von 20 bis 21 Jahren fiir eine
Ausbildungszeit vorsehen, an die sich eine Dienstzeit bei den Territorial-Streitkraften oder bei
der Ersatzreserve anschlieBt. Es ist beabsichtigt, daB die Ermachtigung zur Einberufung dieser
Manner sich nicht liber die nachsten drei Jahre hinaus erstrecken soil, es sei denn, daB beim
Ablauf dieser Zeitspanne (nachdem selbstverstandlich Erfahrungen liber die Wirksamkeit des
Plans gewonnen sein werden) das Parlament anderweitig entscheiden sollte.
Bei der Darlegung der Grlinde fur die Einbringung dieser Vorlage wird die Erklarung im
Namen der Regierung Seiner Majestat sich selbstverstandlich auf die neuen Verpflichtungen
beziehen, die GroBbritannien vor kurzem in Europa eingegangen ist. Es wird darauf
hingewiesen werden, daB der Zweck der Versicherungen, die wir gewissen Landern gegeben
haben, wie auch der jetzt mit anderen Regierungen vor sich gehenden Besprechungen nicht
ist, Krieg zu flihren, sondern einen Krieg zu verhindern. Es herrscht das Empfinden, daB die
Fahigkeit der Regierung Seiner Majestat, ihre Rolle in der Welt zu spielen, eine Schwachung
erfahrt, solange die Regierung die Verteidigung ganzlich einem Freiwilligensystem UberlaBt,
um so mehr, als die Wehrpflicht auf dem Kontinent die allgemeine Regel ist.
Andererseits wird mit der Einflihrung dieser MaBnahme nicht eine allgemeine Abweichung
von dem Freiwilligensystem bezweckt, das sich so gut bewahrt hat. Der Grundsatz der
Freiwilligkeit wird auch weiterhin bei der Rekrutierung fur die Flotte, das regulare Heer, die
Luftwaffe und die Territorialstreitkrafte, wie auch flir den nationalen Dienst Anwendung
finden.
Britische Botschaft, Berlin, 26. April 1939
Nr. 252
Der Deutsche Botschafter in London an das Auswartige Amt
Bericht
London, den 10. Juli 1939
Die Hetz-Kampagne wegen eines angeblich geplanten deutschen Handstreichs gegen Danzig
ist nach einigen Tagen an ihrer Verlogenheit zusammengebrochen.
Damit ware an sich dieses neue Kapitel der Bemlihungen unserer Feinde, Deutschland in
einen Weltkrieg zu verwickeln, abgeschlossen. Aber diese [2421 wenigen Tage haben eine
stimmungsmaBige Lage der englischen Offentlichkeit enthiillt, die emste Aufmerksamkeit
verdient.
Durch eine Reihe von verschiedenen Faktoren: durch die gegen Deutschland gerichtete
Einkreisungsaktion der Regierung, durch die Aufriistungspropaganda, die Einfiihrung der
allgemeinen Wehrpflicht, die Luftschutzorganisation, vor allem durch die Flut antideutscher
Propaganda in Presse, Kino, Theater und Rundfunk, ist die fur emotionelle Reaktionen
empfangliche offentliche Meinung Englands in einen Geisteszustand versetzt worden, der den
Begriff "Krieg" zum Mittelpunkt des Denkens und der Gesprache macht. Schattierungen
bestehen nur in der Beantwortung der Frage: Ist der Krieg unvermeidlich oder nicht? Die
Mehrzahl der Durchschnittsenglander bejaht diese Frage gefiihlsmaBig; eine nachdenklichere
Minderheit verneint sie in der Erkenntnis, daB im Rahmen der deutsch-englischen
Beziehungen alle vorhandenen Streitfragen bei gutem Willen losbar sein miiBten und daB
auch ein siegreicher Krieg niemanden Vorteile bringen wiirde. Aber auch diese an sich
vernunftigen Kreise werden beeinfluBt durch die Kenntnis der von der britischen Wehrmacht
getroffenen MaBnahmen: Bereitschaft der Flotte flir Ende Juli, Ausrichtung der militarischen
Ausbildung und organisatorischer MaBnahmen flir denselben Termin. In derselben Richtung
wirken Pressemeldungen, daB deutscherseits militarische MaBnahmen flir den August in
Aussicht genommen seien. Jedenfalls wird auch in den verantwortlichen und nachdenklichen
Kreisen der August als eine Krisenzeit erster Ordnung angesehen.
Die Stellungnahme zu dem Gedankenkomplex "Krieg" ist verschieden. Ein kleiner Teil der
englischen Offentlichkeit reagiert mit einer hysterisch anmutenden Sinnesart; diese Leute
glauben jede Schauernachricht; sie rufen nach polnischer und russischer Hilfe und schwachen
die taktische Position der Regierung in den Verhandlungen mit RuBland. Die Mehrheit aber
nimmt eine mannlichere Haltung ein und denkt: Wenn nun einmal der Krieg unvermeidlich
ist, wollen wir ihn mit Entschlossenheit fiihren; je eher desto besser, damit wir die Sache
hinter uns haben und ruhigere Verhaltnisse eintreten. Die Pressemeldungen aus Deutschland,
daB der Flihrer nach Berchtesgaden zuriickgekehrt sei, daB der Herr ReichsauBenminister und
Generaloberst von Brauchitsch ihren Urlaub angetreten hatten und daB die Urlaubszeit
eingesetzt habe, haben die herrschende erregte Stimmung nicht wesentlich zu beruhigen
vermocht.
Zusammenfassend laBt sich feststellen, daB die Gegnerschaft gegen Deutschland im
Zunehmen begriffen ist; daB die Kampfbereitschaft sich gehartet hat; daB das Gefiihl
zugenommen hat: wir diirfen uns nichts mehr gefallen lassen, unsere Ehre ist im Spiel; wir
mussen kampfen; die Regierung darf nicht nachgeben.
Der maBgebende Unterschied zwischen der englischen Stimmung im Herbst 1938 und jetzt ist
der folgende: damals wollte die groBe Masse nicht kampfen und war passiv; jetzt hat sie der
Regierung gegeniiber die Initiative ubernommen und treibt das Kabinett vorwarts. So
unbegriindet und gefahrlich diese Einstellung der englischen Offentlichkeit ist, so sehr muB
sie als eine ernste Realitat gewertet werden, um so mehr in einem Lande, in dem die
offentliche Meinung eine so ausschlaggebende Rolle spielt, wie in England.
von Dirksen
Nr. 253
Der Deutsche Botschafter in London an das Auswartige Amt
Telegramm
London, den 24. Juli 1939
Nachdem Sunday Times auf den dem Staatsrat Wohlthat angeblich vorgelegenen Plan
hingewiesen hatte, bringen heutige Morgenblatter auBer Times in groBter Aufmachung
angebliche Erklarungen von Hudson liber seine Besprechungen mit Wohlthat.
Die bisher vorliegenden Informationen iiber Aktionen Hudson lassen darauf schlieBen, daB
Gegner jeder Verstandigung mit Deutschland Gelegenheit gekommen sahen, um durch
Verbreitung phantastischer Ideen jede Moglichkeit einer Entwicklung konstruktiver Tendenz
im Keime zu ersticken. Der von geradezu krankhaftem Geltungsbedurfnis geleitete Hudson
hat dann durch seine Schwatzhaftigkeit kriegshetzerischen Korrespondenten und ihren
Hintermannern (gewissen Personlichkeiten im Foreign Office, Winston Churchill und seinem
Sohn Randolph) Gelegenheit gegeben, Tendenzmeldungen in die Welt zu setzen.
Dirksen
Nr. 254
Rede des Britischen Staatssekretars fur Inneres Sir Samuel Hoare
im Unterhaus, 28. Juli 1939
Auszug
(Ubersetzung)
Was wir zu tun versuchen ist, in Friedenszeiten britische Kultur im Auslande zu
verbreiten und daselbst die britische Politik zu erlautern. Zweitens versuchen wir, in
Friedenszeiten ein Schatten-Informationsministerium zu organisieren, das in Friedenszeiten
nicht in Betrieb ist oder eine Tatigkeit auszuiiben hat, das aber fur den Fall eines Krieges
sowohl flir das Inland als auch fur die uberseeischen Gebiete die Informationszentrale sein
wiirde. Die ehrenwerten Mitglieder des Hauses werden erkennen, daB diese beiden Ziele - die
Tatigkeit des AuBenamts in Friedenszeiten und die Tatigkeit des Informationsministeriums in
Kriegszeiten - eng miteinander verbunden sind. Fur jede Planung ist es wichtig, daB der
Ubergang von den friedensmaBigen Umstanden auf die kriegsmaBigen so glatt und
wirkungsvoll wie moglich vor sich geht. Fur den Fall eines Krieges wiirde meines Erachtens
das Informationsministerium zum Zentrum der Information werden und die Tatigkeit des
AuBenamts auf diesem Gebiet ubernehmen. Unter solchen Umstanden ist es wesentlich, daB
in Friedenszeiten eine moglichst enge Verbindung zwischen den beiden Tatigkeiten besteht.
Deshalb haben wir denselben Beamten dazu bestimmt, in Friedenszeiten als Sekretar und
leitender Beamter in der Propagandaabteilung und in Kriegszeiten als Generalsekretar des
Informationsministeriums tatig zu sein.
Weiterhin glaube ich, daB die ehrenwerten Mitglieder des Hauses erkennen werden, daB es,
obgleich diese enge Verbundenheit zwischen den beiden Tatigkeiten besteht, trotzdem zwei
scharfe Unterschiede zwischen der Tatigkeit des AuBenamts in Friedenszeiten und der
Tatigkeit des Schatten-Informationsministeriums in Kriegszeiten gibt. Der erste groBe
Unterschied besteht darin, daB das AuBenamt in Wirklichkeit jetzt in Friedenszeiten tatig ist,
wahrend 12441 uberhaupt keine Absicht besteht, das Informationsministerium in Friedenszeiten
tatig sein zu lassen
Der zweite Unterschied zwischen diesen friedensmaBigen und kriegsmaBigen Tatigkeiten
besteht darin, daB die friedensmaBige Tatigkeit in der Hauptsache flir die Auslandsfront
bestimmt ist; sie befaBt sich uberhaupt nicht mit der Heimatfront, wahrend, wenn man die
wahrend des Weltkrieges gemachten Erfahrungen heranzieht, der groBere Teil der Tatigkeit
des damaligen Informationsministeriums sich an der Heimatsfront abspielte. Da in
Friedenszeiten die ausschlieBliche Tatigkeit eines Informationsministeriums an der
Auslandsfront vor sich geht, ist es offensichtlich, daB der Staatssekretar flir Auswartige
Angelegenheiten der flir solche Tatigkeit ausschlieBlich verantwortliche Minister sein muB. ...
Gestatten Sie mir, nach diesen allgemeinen Bemerkungen zur eigentlichen Vorlage
liberzugeben. Ich will damit beginnen, daB ich wiederhole, welches unsere Ziele sind. Sie
bestehen darin, britische Kultur im Auslande zu verbreiten und den britischen Standpunkt
dem Auslande zu erlautern. Angesichts der massenweisen Verdrehung von Tatsachen, mit
denen die Welt uberschwemmt worden ist, sind beide Notwendigkeiten hochst dringlicher
Art. Ich wiinschte, daB flir irgendwelche amtliche Propaganda nirgends in der Welt eine
Notwendigkeit bestanden hatte. Ich erwarte immer noch, lange genug zu leben, um das Ende
dieses fragwiirdigen Uberbleibsels der Kriegsjahre zu erleben; so lange aber noch
gewissenlose Behauptungen liber unsere Politik und unseren allgemeinen Standpunkt
verbreitet werden, ist es leider unvermeidlich, daB wir eine Organisation haben, die in der
Lage ist, ihnen erfolgreich entgegenzutreten. Es ist auch wichtig, wie es mir scheint, der Welt
das zu erklaren, was meines Erachtens der groBte Versuch auf dem Gebiete der
verfassungsrechtlichen Entwicklung ist, den die Welt je erlebt hat, namlich den britischen
Staatenbund freier Nationen.
SchlieBlich ist es auch notwendig, der Welt ein zutreffendes Bild liber die Leistungen zu
geben, die wir heute tatsachlich vollbringen. Ich behaupte, daB es eine hochst bemerkenswerte
Tatsache ist, daB wir hier in letzter Zeit, als Ergebnis einer die ganze Nation umfassenden
Anstrengung, Schritt flir Schritt mit unserem groBen Wiederaufrlistungsprogramm
vorgegangen sind, gleichzeitig aber unseren sozialen Fortschritt nicht vernachlassigt haben;
noch haben wir - abgesehen von dem hochst seltenen Fall des Terroristen-Notstands - auf
irgendeine unserer personlichen Freiheiten zu verzichten brauchen. Das bedeutet eine
wundervolle Leistung. Es ist eine Leistung, die wir der Welt bestimmt, leidenschaftslos und
ohne Ubertreibung schildern mlissen. Dies sind unsere Ziele, und ich bitte den AusschuB, die
genauen Einzelheiten der Arbeit, die getan wird, um diese Ziele zu erreichen, einer Prlifung
zu unterziehen.
Ich beginne mit dem Auswartigen Amt. Der erste Betrag, um dessen Bewilligung wir heute
ersuchen, ist ein solcher von £ 10.000 zur Erweiterung des Personals der Propagandaabteilung
des AuBenamtes. Das ist ein Erfordernis, dessen Erflillung von groBter Wichtigkeit ist. Die
Propagandaabteilung des AuBenamtes ist in den letzten Monaten stark liberarbeitet gewesen.
Ich weiB, daB an ihr von Zeit zu Zeit Kritik gelibt worden ist, und ich mochte diese
Gelegenheit benutzen, der von dieser Abteilung in der Vergangenheit mit einem
ungeniigenden Personal und unter groBten Schwierigkeiten geleisteten Arbeit meine
Anerkennung zu zollen. Diese Personalvermehrung wird es ermoglichen, die Tatigkeit der
Abteilung zu erweitern und zu verbessern. Ferner ist ein Betrag von £ 100.000 vorgesehen flir
publizistische Tatigkeit verschiedener Art: Vorbereitung von Druckschriften, Filmen,
Organisation von Auslands- r245i besuchen in unserem Lande und von britischen Besuchen im
Auslande, die beide flir eine Erweiterung der Kenntnis des britischen Standpunktes von
groBer Wichtigkeit sind, und Vorbereitung von Ausstellungen. Ebenso werden
Vorbereitungen flir die Tatigkeit von Rednern und fur erweiterte Rundfunksendung getroffen.
Weiter ist dann ein Betrag von £ 150.000 flir den "British Council" vorgesehen. Jedes
ehrenwerte Mitglied des Hauses wird den Wert der vom "British Council" geleisteten Arbeit
zu schatzen wissen, dessen riihriger und energischer Vorsitzender wahrend der letzten 12 oder
18 Monate Lord Lloyd gewesen ist. Der "British Council" ist in der Tat derart erfolgreich
gewesen, daB seine Tatigkeit erweitert werden muB. Der Zweck aller dieser Tatigkeiten ist,
wie ich bereits sagte, dem Ausland ein Bild von unserem Lande zu geben, das verstandlich,
uberzeugend und endgultig ist, damit die Welt erfahrt, daB es einen besonderen britischen
Standpunkt gibt, der der ganzen Welt erklart werden muB.
SchlieBlich mochte ich mich den Bewilligungen fur das Informationsministerium zuwenden
und dem AusschuB mit ein oder zwei Satzen erklaren, warum wir heute schon Geld flir eine
Organisation benotigen, die nur in Kriegszeiten in Tatigkeit treten wird. Zunachst einmal
benotigen wir Personal zur Vorbereitung dieses Ministeriums. Ich mochte die ehrenwerten
Mitglieder des Hauses bitten, einmal die Geschichte des Informationsministeriums im
Weltkriege zu uberblicken; Sie werden sich dann entsinnen, daB es sich zu einer groBen,
umfassenden Organisation entwickelte, das ein weites Tatigkeitsgebiet hatte und mit
Aufgaben der verschiedensten Art beschaftigt war. Fur mich ist es offensichtlich, daB im Falle
eines groBeren Krieges eine Organisation ganz ahnlicher Art erforderlich sein wiirde, eine
Organisation mit groBem Arbeitsgebiet und mit zahlreichem, nach jeder Richtung hin
genugendem Personal. Wenn das zutrifft, dann liegt es auf der Hand, daB ein Ministerium in
Kriegszeiten eine ganz erhebliche und auBerst sorgfaltige Vorbereitung erfordert; und deshalb
haben wir in den letzten Monaten eine Anzahl Beamter ausschlieBlich mit der Vorbereitung
dieser Arbeiten beschaftigt. Wir werden sogar noch weitere Beamten benotigen, bis unsere
Plane fertiggestellt sind. Diese Beamten sind voll beschaftigte Beamte, die uns von anderen
Ministerien flir diese Arbeiten uberlassen wurden.
Zweitens ist es von groBter Wichtigkeit, daB wir zahlreiche Verbindungen mit anderen
Kreisen herstellen, um sicherzustellen, daB wir, wenn der Notfall eintreten sollte, in der Lage
sind, uns die Hilfe von Mannern und Frauen der verschiedensten Auffassungen zu sichern,
darunter Propagandisten verschiedener Art, mit deren Hilfe wir das Informationsministerium
schaffen konnten, wie es sowohl flir die AuBen- als auch flir die Heimatfront benotigt werden
wiirde. Wahrend der letzten Monate haben wir zahlreiche Verbindungen mit anderen Kreisen
hergestellt und auch eine Anzahl Sachverstandiger zur Anstellung besonderer Erhebungen
verpflichtet. So haben wir beispielsweise eine Anzahl Sachverstandiger, welche die
notwendigen, eingehenden Vorbereitungen flir die Herstellung von Beziehungen mit
auslandischen Kreisen treffen, und, was die Heimatfront anbetrifft, haben wir die
Flihlungnahme mit den Vertretern der hauptsachlichen Publikationsmittel, beispielsweise mit
der Presse, aufgenommen. Ich selbst habe in standiger Flihlung mit Vertretern der Presse
gestanden, und diese haben aus eigener Anregung eine Verbindungsstelle geschaffen, die mit
mir und anderen Ministerien liber eine Anzahl technischer Fragen, beispielsweise liber
Zeitungspapier im Kriege, liber Vertrieb und liber Arbeiterfragen, verhandelt hat. Ich glaube
berechtigt zu sein, r246i den ehrenwerten Mitgliedern des Hauses mitzuteilen, daB wir bei
unseren Besprechungen groBe Fortschritte erzielt haben, und wir haben nunmehr, allgemein
gesprochen, eine Grundlage flir ein Ubereinkommen erzielt, so daB, falls der Notfall eintreten
sollte, die Organisation auf dem Gebiet in der Lage sein wiirde, schnell und wirksam zu
arbeiten.
Sir Richard Acland: Die Anwendung des Ausdrucks "Notfall" wird bei dieser Debatte von
dem Minister in der Bedeutung "Krieg" angewandt. Es ware aber auch ein Unterschied
zwischen einem Notfall in Friedenszeiten und dem Kriege.
Sir S. Hoare: Ich meine den tatsachlichen Krieg. Es handelt sich urn eine Kriegsorganisation,
die als eine formelle Behorde durch Kriegsgesetzgebung errichtet werden muB, die
wahrscheinlich in den ersten Tagen eines Krieges angenommen werden wiirde.
Ich komme auf die Frage der Schaffung von Beziehungen zuriick. Ich habe als Beispiel die
Presse erwahnt. Mit den Vertretern der Presse habe ich eine Reihe von Besprechungen iiber
die wichtige Frage der Pressezensur in Kriegszeiten gehabt und den Standpunkt vertreten, daB
wir bei alien diesen Vorbereitungen die Erfahrungen, die das Informationsministerium in der
Zeit von 1914 bis 1918 gemacht hat, voll und ganz berucksichtigen sollten. In der Tat erhalte
ich von dem Herrn, der zu jener Zeit Sekretar dieses Ministeriums war, hochst wertvollen
Beistand. Mir scheint es, als ob eine der Lehren, die wir ziehen sollten, darin besteht, daB eine
von dem Ministerium getrennte Pressezensur, die von irgendeiner isolierten AuBenstelle aus
arbeiten wiirde, mit Gefahr verbunden ist. Es erscheint mir daher weit besser, daB, wenn es
eine Pressezensur geben muB, was ganz offensichtlich erforderlich ist, diese Pressezensur als
Teil des Informationsministeriums arbeitet und nach dem Grundsatz der Zusammenarbeit
zwischen der Presse und der Zensurabteilung des Informationsministeriums tatig ist. In
diesem Sinne arbeiten wir mit der Presse einen Plan flir Zusammenarbeit aus, und wir haben
bereits hinsichtlich der Erzielung eines Ubereinkommens in dieser Angelegenheit groBe
Fortschritte gemacht. Dieser Plan soil die letzte Sicherheitskontrolle in den Handen des
Informationsministers belassen, der Presse jedoch eine genau festgelegte Verantwortlichkeit
auferlegen und ihr soweit wie moglich erhebliche Bewegungsfreiheit bei der Behandlung von
Presseangelegenheiten lassen, so daB die vorgesehene Zusammenarbeit nur in Notfallen oder
einer einzelnen Zeitung gegeniiber wirksam werden wiirde, die mit dieser Bewegungsfreiheit
MiBbrauch treiben sollte.
Was flir andere Publizitatsmittel gilt, das gilt auch flir den Film. Wir haben zahlreiche
Verbindungen mit den Vertretern der Filmwelt aufgenommen. Ich mochte mich heute nicht
im einzelnen damit befassen, welcher Art die von uns getroffenen Vorbereitungen sind; ich
kann aber den ehrenwerten Mitgliedern des Hauses mitteilen, daB diese Vorbereitungen weit
genug vorgeschritten sind, um die Belieferung mit solchen Filmen sicherzustellen, wie sie in
Kriegszeiten gebraucht werden. Ein drittes Publizitatsmittel ist der Rundfunk. Die Regierung
plant nicht die Ubernahme der Britischen Rundfunkgesellschaften in Kriegszeiten. Im groBen
und ganzen wiirde es aber klug sein, den Rundfunk genau so zu behandeln wie die anderen
Publizitatsmittel, namlich die Presse und den Film, und es der britischen
Rundfunkgesellschaft zu erlauben, ihren Betrieb ruhig fortzusetzen; in Kriegszeiten kann dies
aber naturlich nur in sehr enger Verbindung zwischen dem Informationsministerium und der
Rundfunkgesellschaft geschehen, unter Beriicksichtigung klar umgrenzter Vorschriften
dariiber, in welcher Weise die Tatigkeit durchgefuhrt werden soil
Atiinetrtumgeii:
149 Am 13. Dezember 1938 hatte der Britische Premierminister Chamberlain in einer Rede vor
der Vereinigung auslandischer Journalisten in London erklart, die Beziehungen Englands zu
Frankreich seien so eng, daB sie iiber bloBe vertragliche Verpflichtungen hinausgingen, da sie
auf einer Identitat der Interessen beruhten. ... zuruck. ..
150 Gemeint ist wohl die Unterhauserklarung des Britischen Premierministers Chamberlain
vom 6. Februar 1939; vgl. Nr. 267 . ...zuruck...
151
Vgl. Nr. 246 . ...zuruck...
Zweites Kapitel (Forts.)
Die Englische Kriegspolitik
B. Die Britische Haltung zur Tschechischen Frage
(November 1938 bis April 1939)
Nr. 255
Aus der Erklarung des Britischen Premierministers Chamberlain
im Unterhaus, 1. November 1938
(Ubersetzung)
Wie bereits der Herr Staatssekretar fur Auswartige Angelegenheiten ausgefuhrt hat,
erleben wir augenblicklich die Neufestsetzung von Grenzen, die der Vertrag von Versailles
gezogen hatte. Ich weiB nicht, ob die Manner, die fur diese Grenzen verantwortlich waren,
gedacht haben, sie wiirden dauernd so bleiben, wie sie festgelegt worden waren. Ich zweifle
stark daran. Wahrscheinlich werden sie angenommen haben, daB die Grenzen von Zeit zu Zeit
neu geregelt werden muBten. Man kann sich unmoglich vorstellen, daB jene Manner solche
Ubermenschen gewesen sein sollten, daB sie hatten wissen konnen, welche Grenzen flir alle
Zeiten richtig sein wiirden. Es handelt sich nicht darum, ob jene Grenzen von Zeit zu Zeit neu
geregelt werden sollten, sondern ob sie im Wege der Verhandlung und Erorterung neu
geregelt werden sollten oder durch Krieg. Die Neuregelung schreitet fort, und flir die
ungarische Grenze ist der Schiedsspruch Deutschlands und Italiens von der Tschecho-
Slowakei und von Ungarn als endgultige Festlegung der Grenze zwischen diesen beiden
Landern angenommen worden. Uber die Tschecho-Slowakei habe ich wohl genug gesagt
Nr. 256
Der Deutsche Botschafter in London an das Auswartige Amt
Bericht
London, den 3. November 1938
Als die Regierung Chamberlains im Oktober d. J. (3. bis 6.) das Miinchener Abkommen vor
dem Unterhaus vertrat, spielte die Frage der Garantie der Rest-Tschecho-Slowakei eine
wesentliche Rolle. Schon in den vorangegangenen Tagen war diese Frage, wie erinnerlich
sein wird, in der Offentlichkeit lebhaft erortert worden. Sie erschien zu jenem Zeitpunkt
besonders vordringlich. Die Garantie sollte die Tschecho-Slowakei fur die territorialen
EinbuBen und fur die sich hieraus ergebende Verschlechterang ihrer
Verteidigungsmoglichkeiten gewissermaBen entschadigen.
Der Inhalt der von England und Frankreich iibernommenen Garantie ergibt sich aus den
englisch-franzosischen Vorschlagen vom 19. September und aus dem Anhang zum
Mlinchener Abkommen vom 29. September. Es ist eine Garantie der neuen tschechischen
Grenzen gegen einen unprovozierten Angriff mit dem Ziel der Sicherung der tschechischen
Unabhangigkeit.
12481 Zu dem Charakter dieser zunachst provisorischen Garantie, die England und Frankreich in
Munchen ubernommen haben, nahm Sir Thomas Inskip im Unterhaus am 4. Oktober Stellung.
Die Britische Regierung halte sich an ihre Garantieerklarung auch bei derzeitigem Fehlen
eines formellen Vertrages moralisch gebunden. Im Falle eines unprovozierten Angriffs auf die
Tschechoslowakei halte sie sich flir verpflichtet, alle in ihrer Macht stehenden Schritte zur
Wahrung der tschechischen Integritat zu ergreifen. Mit anderen Worten, die Britische
Regierung war jetzt lediglich bereit, flir die Unabhangigkeit der Tschecho-Slowakei und
gegen einen unprovozierten Angriff auf dieses Land einzutreten.
In der Unterhaus sitzung vom 1. November wurde die Garantiefrage erneut angeschnitten.
Chamberlain hat sie mit Zuriickhaltung behandelt. Zu dem Inhalt der bisherigen
provisorischen Garantie sagte er nochmals, daB sie sich auf einen unprovozierten Angriff
beziehe. Sie bedeute aber keine "Kristallisation der Grenze". Was eine zukiinftige endgultige
Garantie anlange, so konne sie erst geregelt werden, wenn das Gesamtproblem der
Minderheiten in der Tschecho-Slowakei geklart sei. Das urspriingliche, britische Angebot
habe sich auf eine Beteiligung an einer internationalen Garantie bezogen. Er konne aber nicht
angeben, wie die Bedingungen dieser Garantie lauten wiirden und wer in sie eintreten werde.
Im ubrigen bezog sich der Premierminister auf die obenerwahnte Erklarung Inskips vom 4.
Oktober.
Es ist bemerkenswert, daB sich Chamberlain enthalten hat, irgendwelche Ideen liber den
Charakter einer endgultigen Garantie zu entwickeln und daB er lediglich von einem britischen
"Angebot" sprach, ohne diese Garantie als ein Ziel der britischen AuBenpolitik hinzustellen.
Weiter ist interessant, daB er - was den derzeitigen Stand anlangt - lediglich auf den Fall des
unprovozierten Angriffs hinweist, nicht aber von einer Garantie der Grenzen im Sinne einer
Garantie des Staatsgebiets spricht.
von Dirksen
Nr. 257
Erklarung des Britischen Premierministers Chamberlain
im Unterhaus, 14. Marz 1939
(Ubersetzung)
Mr. Attlee: Sind nicht offensichtlich Einfliisse am Werk, um die Slowakei von der ubrigen
Tschecho-Slowakei zu trennen, und ist die Regierung nicht durch ihre Garantie auf Grand des
Munchener Abkommens verpflichtet, eingehendes Interesse an allem zu nehmen, was die
Integritat des tschecho-slowakischen Reststaates betrifft?
Der Premierminister: Ohne genau informiert zu sein, mochte ich mien zu dem ersten Punkt,
den der Herr Abgeordnete zur Sprache gebracht hat, nicht auBern. Wenn seine Annahme auf
Wahrheit beruht, so wiirde darin kein Grand liegen, die Garantie zur Auswirkung zu bringen.
Mr. Attlee: Will der Premierminister sagen, daB die Regierung lediglich auf em fait accompli
wartet, und hat die Regierung irgendwelche Schritte [2421 getan, um Konsultationen mit den
Vertretern der Tschecho-Slowakischen Regierung oder mit der Franzosischen Regierung oder
anderen Garanten aufzunehmen angesichts des Umstandes, daB Geruchte und Andeutungen
liber ein mogliches Auseinanderfallen der von GroBbritannien garantierten Tschechoslowakei
im Umlauf sind, die man wohl kaum vollig unbeachtet lassen kann?
Der Premierminister: Ich weiB nicht recht, was der Herr Abgeordnete meint, das wir tun
sollen. Ich mochte ihn daran erinnern, daB die erwahnte Garantie sich gegen unprovozierte
Angriffe auf die Tschecho-Slowakei richtet. Ein solcher Angriff hat bisher nicht
stattgefunden.
Nr. 258
Das Auswartige Amt an den Deutschen Botschafter in London
Telegramm
Berlin, den 15. Marz 1939
Britischer Botschafter besuchte Dienstag vormittag Staatssekretar, um sich nach unserer
Auffassung iiber Stand tschecho-slowakischer Fragen zu erkundigen. Henderson auBerte, er
wolle weder Demarche machen, noch Eindrack Einmischung seiner Regierung in diese Sache
erwecken. Vorwiegendes deutsches Interesse in Tschecho-Slowakei stehe fest. Auch
englische Presse habe groBte Zuruckhaltung gezeigt. Fatal ware dagegen, wenn
bevorstehender Besuch politischen Handelsministers Stanley (der inzwischen heute abgesagt
worden ist) mit gewaltsamem Vorgehen des Reichs gegen Tschechei zusammenfiele.
Staatssekretar hat dem Botschafter unsere Klagen iiber Vorgange in Tschecho-Slowakei
auseinandergesetzt und ihm klargemacht, daB in Slowakei Regierung Tiso einzig rechtmaBige
sei. Auf Befragen zugab Staatssekretar, daB Tiso vermutlich Selbstandigkeitserklarang der
Slowakei plane. Deutsche Vorstellungen in Prag seien bisher nicht ergangen, doch hatten wir
dringendst das Bedurfnis, Ordnung in diesem Gebiet Mitteleuropas entstehen zu sehen. Auf
Frage Hendersons, ob wir Zerschlagung oder Aufrechterhaltung Tschecho-Slowakei
wiinschen, antwortete Staatssekretar, wir hatten nur Interesse an Ordnung. Henderson
befiirwortete weiter unmittelbare deutsch-tschechische Fuhlungnahme, wobei Staatssekretar
erwiderte, auch uns liege daran, legitime deutsche Anspriiche auf anstandige Weise
durchzusetzen. Auf Erwahnung Munchener Abkommens durch Henderson bemerkte
Staatssekretar, Munchener Abkommen habe Aufrechterhaltung Friedens bezweckt und
erreicht und liege im ubrigen weit hinter uns. Henderson schloB mit Wiederholung
Anerkennung vorwiegend deutschen Interesses im tschechischen Raume.
Woermann
T2501
Nr. 259
Der Deutsche Botschafter in London an das Auswartige Amt
Bericht
London, den 16. Marz 1939
In der Unterhaussitzung worn 15. Marz gab der Premierminister zunachst einen kurzen
sachlichen Uberblick liber die Entwicklung in der Tschecho-Slowakei seit dem 10. Marz d. J.,
wie sie sich ihm auf Grand der ihm zur Verfiigung stehenden Berichte darstellte.
Er zitierte dann die Bemerkung Sir Thomas Inskips im Unterhaus am 4. Oktober v. J. zur
Garantiefrage m und fuhr fort:
"So lagen die Dinge bis gestern, und ich darf sagen, daB die Regierung Seiner Majestat sich in
letzter Zeit bemiiht hat, mit den anderen in Miinchen vertretenen Regierungen zu einer
Einigung iiber den Umfang und die Bedingungen einer solchen Garantie zu gelangen, aber
bisher ist es uns nicht moglich gewesen, eine solche Einigung zu erzielen. Unserer Ansicht
nach hat sich die Lage von Grand aus geandert, seit der slowakische Landtag die
Unabhangigkeit der Slowakei erklart hat. Diese Erklarang hatte die Wirkung, daB der Staat,
dessen Grenzen wir zu garantieren beabsichtigten, von innen her zerbrach und so sein Ende
fand, und demgemaB hat die Sachlage, die der Herr Staatssekretar fiir die Dominien
geschildert hat und die wir schon immer als nur voriibergehend ansahen, nun aufgehort zu
bestehen, und Seiner Majestat Regierung kann sich infolgedessen nicht mehr langer an diese
Verpflichtung gebunden halten.
In einer Rede, die ich am 30. Januar d. J. in Birmingham hielt, habe ich ausgefuhrt, daB wir
unsere Ziele und unsere Haltung, d. h. unsere Entschlossenheit, uns um den Frieden zu
bemuhen, klar darlegen sollten. Ich fiigte hinzu, daB ich es nun fiir an der Zeit hielte, daB auch
andere ihren Beitrag zu einem Ergebnis leisteten, das auch iiber die unmittelbar Betroffenen
hinaus fiir viele Menschen eine unendliche Wohltat sein wiirde. Es ist deshalb nur naturlich,
daB ich das, was jetzt geschehen ist, tief bedauere. Aber wir wollen uns dadurch nicht von
unserem Wege abbringen lassen. Wir wollen dessen eingedenk sein, daB die Wiinsche aller
Volker der Erde sich auch jetzt noch auf die Friedenshoffnungen und auf die Wiederkehr
einer Atmosphare der Verstandigung und des guten Willens richten, die so oft gestort worden
ist. Das Ziel, das unsere Regierung sich jetzt steckt, ist das gleiche wie immer, namlich diesen
Wunsch zu fordern und bei der Regelung von Streitigkeiten die Methode der Besprechungen
an die Stelle der Gewalt zu setzen. Wenn wir auch vielleicht gelegentlich Riickschlage und
Enttauschungen erleben werden, so ist das Ziel, das uns vorschwebt, doch von zu groBer
Bedeutung fiir das Gliick der Menschheit, als daB wir es leichthin aufgeben oder
beiseiteschieben konnten."
Im Auftrag
von Selzam
12511
Nr. 260
Der Deutsche Botschafter in London an das Auswartige Amt
Telegramm
London, den 15. Marz 1939
Ich habe heute nachmittag Lord Halifax den Wortlaut des Abkommens m iibergeben und die
vorgeschriebenen Bemerkungen gemacht.
Im AnschluB hieran hinwies ich auf die unhaltbaren Zustande, die sich in der Tschechei in
letzter Zeit durch Deutschenverfolgungen und allgemeine Gesetzlosigkeit entwickelt hatten.
Ich darlegte ferner, daB die deutsch-tschechischen Beziehungen sich in letztem Monat wegen
unloyaler und widersetzlicher Haltung uberwiegender Mehrzahl der tschechischen Burokratie
immer mehr zugespitzt hatten. Als daher der Konflikt Prag mit der Slowakei in vergangener
Woche ausgebrochen sei, ware Ruckwirkung auf die deutsche Bevolkerung in der Tschechei
selbst unvermeidlich gewesen.
Halifax gab seinem Bedauern Ausdruck, daB die Ereignisse der letzten Tage neue Unruhe und
Erschutterungen verursacht und den beginnenden ProzeB einer allgemeinen Beruhigung
unterbrochen hatten. Nunmehr entstehe erneut die UngewiBheit liber unsere Absichten. Es sei
jetzt auch vorlaufig nicht moglich, den Besuch des Handelsministers Stanley in Berlin
durchzufuhren und zu einer Regelung allgemeinwirtschaftlicher Fragen zu kommen, die so
vielversprechend in Angriff genommen worden seien. In den deutsch-englischen Beziehungen
seien die Uhren erheblich zuriickgestellt worden.
Ich erwiderte dem Minister des AuBeren, daB die Ereignisse der letzten Tage letzten Endes
lediglich die unvermeidliche Folge der Schaffung des unmoglichen Staatengebildes der
Tschechoslowakei durch die Machte von Versailles seien. Die in Munchen versuchte Losung
sei durch das verfassungswidrige Vorgehen der Regierung in Prag gegen die Slowakei in
Frage gestellt worden. Der Verlauf des Konflikts mit der Slowakei, die
Deutschenverfolgungen und die eintretenden anarchistischen Zustande in der Tschechei
hatten sodann zu dem schnellen Ablauf der Ereignisse gefuhrt. Auf Grand der Verhandlung
des Fuhrers mit dem Staatsprasidenten Hacha sei dann die der Britischen Regierung jetzt
mitgeteilte vertragliche Regelung getroffen worden. r252i Jedenfalls bestehe kein
Zusammenhang zwischen diesen Ereignissen und den deutsch-englischen
Wirtschaftsbeziehungen. Es sei merkwurdig, daB bei jeder Aktion Deutschlands ein
allgemeiner Entrustungssturm sich erhebe, wahrend seinerzeit bei der Besetzung Frankfurts
und Dusseldorfs, mitten im tiefsten Frieden, keine Stimme laut geworden sei. Halifax stellte
dann noch einige allgemeine Fragen nach der weiteren Gestaltung der staatsrechtlichen
Verhaltnisse, die ich, soweit moglich, beantwortete.
Dirksen
Nr. 261
Der Deutsche Botschafter in London an das Auswartige Amt
Telegramm
London, den 17. Marz 1939
Wahrend die heutige Presse ihren Ton gegenliber Deutschland nicht verscharft, ist in
amtlichen und parlamentarischen Kreisen eine Versteifung gegenliber gestern eingetreten.
Diese bekundet sich in Beratungen iiber Berufung Botschafters Henderson zur
Berichterstattung nach London, ferner in der Erorterung iiber die Einfiihrung der allgemeinen
Wehrpflicht und iiber Bildung Konzentrationskabinetts. Chamberlains Haltung, der sich
bisher Zurlickhaltung auferlegt hat, wird durch heutige Rede in Birmingham— weiter geklart
werden. Seine bisherige MaBigung wird innerhalb eigener Partei stark angegriffen, und seine
Stellung scheint in den letzten Tagen gelitten zu haben. Die Meinungsverschiedenheit
zwischen Chamberlain und Halifax, die schon bisher gelegentlich hervorgetreten, wird immer
offenbarer, wobei letzterer fur scharfere Haltung eintritt.
Dirksen
Nr. 262
Amtliche Deutsche Mitteilung, 18. Marz 1939
Der Englische und Franzosische Botschafter haben aus AnlaB der Aktion, die von
Deutschland zur Herstellung von Ruhe und Ordnung in Bohmen und Mahren und damit zur
Befriedung Mitteleuropas durchgefiihrt worden ist, eine Demarche im Auswartigen Amt
gemacht, um gegen eine angebliche UnrechtmaBigkeit des deutschen Vorgehens zu
protestieren. Wie verlautet, ist den beiden Diplomaten von amtlicher Seite mitgeteilt worden,
daB die Reichsregierung nicht in der Lage sei, solche Proteste entgegenzunehmen, da dies
jeder politischen, rechtlichen und moralischen Grundlage entbehre.
12531
Nr. 263
Der Deutsche Botschafter in London an das Auswartige Amt
Bericht
London, den 18. Marz 1939
Die Entwicklung und der gegenwartige Stand der politischen Krise, die sich in den deutsch-
englischen Beziehungen durch den Ablauf der Ereignisse in der bisherigen Tschecho-
Slowakei entwickelt hat, lassen sich folgendermaBen zusammenfassen:
Entsprechend der Haltung der Regierung schrieb auch die Presse am ersten Tage meist noch
zuriickhaltend und unbeteiligt; nur die traditionell antideutschen Blatter setzen mit ihrer
Hetzkampagne ein.
Von Mittwoch, dem 15. Marz, ab versteifte sich die Stimmung zusehends. Die scharfere
Richtung innerhalb des Kabinetts, insbesondere der ganz dem EinfluB des Foreign Office
unterlegene Lord Halifax, setzte sich durch.
Vor allem aber wurde es den Anhangern wie den Feinden Chamberlains klar, daB die Stellung
des Ministerprasidenten selbst schwer in Mitleidenschaft gezogen war. Er gait als der
Vertreter der Politik von Munchen, als Anhanger des Ausgleichs mit Deutschland auf Grund
vertrauensvoller Aussprache. Er hatte wenige Tage vorher vor der Presse optimistische
Erklarungen liber die Beruhigung der Weltlage und die Besserung der Wirtschaftskonjunktur
abgegeben. In der Offentlichkeit waren an den geplanten Besuch Stanley's in Berlin
weitgehende Hoffnungen gekniipft worden.
Dieses Gebaude war jetzt - so meinte man - eingesturzt. Die Erklarung Chamberlains im
Unterhaus— wurde als schwachlich kritisiert. Seine Gegner erhoben ihr Haupt aufs neue. So
kam die scharfe Rede von Birmingham— zustande.
Welche praktischen Folgerungen die Englische Regierung aus den Ereignissen in der
Tschechei Deutschland gegeniiber ziehen wird, steht noch nicht fest. Die Erorterung dariiber
im Rahmen des Kabinetts und im Benehmen mit befreundeten Regierungen ist in vollem
Gange. Die Gegensatze zwischen der gemaBigten und der radikalen Richtung werden
deutlicher. Die Stimmung im Lande wird von den Abgeordneten durch Reisen iiber das
Wochenende in ihre Wahlkreise erforscht. Die Meinungsbildung ist noch flieBend, ohne zu
festen Entschlussen erstarrt zu sein. Folgende Tatsachen und Erwagungen mogen gewisse
Anhaltspunkte iiber die zu erwartende Einstellung der Englischen Regierung geben:
Die Stellung Chamberlains hat sich durch seine Rede in Birmingham gefestigt, wenn auch die
Eden-Churchill-Opposition, die jetzt Loyalitat markiert, erheblich an EinfluB gewonnen hat.
Da man in England ein Scheitern der Methode freundschaftlicher Verhandlung feststellen zu
konnen glaubt, wird man jetzt Deutschland durch scharfes Auftreten, Errichten von
Hindernissen, Ablehnen jeden Entgegenkommens - etwa auf wirtschaftlichem Gebiet - "zur
Vernunft zu bringen" versuchen.
Eine gesteigerte internationale Tatigkeit in dieser Beziehung zeigt sich schon jetzt durch die
Fuhlungnahme mit Frankreich, den Vereinigten Staaten, der 12541 Sowjet-Union, den
Balkanstaaten. Es laBt sich noch nicht ubersehen, ob diese Besprechungen die Schaffung einer
neuen, festen Koalition gegen Deutschland zum Ziel haben oder nur die Vereinbarung von
MaBnahmen im Falle weiterer VorstoBe Deutschlands gegen andere Staaten, wie z. B.
Rumanien oder Polen.
von Dirksen
Nr. 264
Der Deutsche Geschaftstrager in London an das Auswartige Amt
Bericht
London, den 24. Marz 1939
In der Unterhaussitzung vom 23. Marz stellte der Abgeordnete Henderson die Anfrage an den
Premierminister, welche Vorstellungen der Britische Botschafter in Berlin im Namen der
Regierung Seiner Majestat bei der Deutschen Regierung erhoben habe anlaBlich des
Umstandes, daB die Deutsche Regierung es unterlassen habe, hinsichtlich der jungsten
Entwicklung in bezug auf die Tschechoslowakei eine Konsultation mit der Regierung Seiner
Majestat vorzunehmen, wie Herr Hitler es in der am 29. September 1938 in Munchen
unterzeichneten englisch-deutschen Erklarung— versprochen habe?
Der Parlamentarische Unterstaatssekretar fur Auswartige Angelegenheiten, Butler, antwortete
wie folgt: "Meines Wissens enthielt das erwahnte Communique keine derartige Erklarung.
Der zweite Teil der Frage erledigt sich damit."
Im Auftrag
von Selzam
Nr. 265
Der Deutsche Geschaftstrager in London an das Auswartige Amt
Telegramm
London, den 24. Marz 1939
Im AnschluB an Bericht vom 24. Marz und unter Bezugnahme auf Unterhauserklarung
Butlers.—
Antwort Butlers auf Anfrage Hendersons kann nur dahingehend ausgelegt werden, daB
Britische Regierung den Standpunkt einnimmt, das deutsche Vorgehen in
tschechoslowakischer Frage darstelle keinen VerstoB gegen Konsultationsabrede der deutsch-
englischen Erklarung vom 29. September 1938.
Kordt
12551
Nr. 266
Rede des Fuhrers vor dem Deutschen Reichstag, 28. April 1939
Auszug
Ich habe seit dem Tag, da ich mich dem politischen Leben zuwandte, keinen anderen
Gedanken gelebt, als den der Wiedererringung der Freiheit der deutschen Nation, der
Aufrichtung der Kraft und Starke unseres Reiches, der Uberwindung der Zersplitterung
unseres Volkes im Innern, der Beseitigung der Trennung nach auBen und seiner Sicherung in
bezug auf die Erhaltung seines wirtschaftlich und politisch unabhangigen Lebens. Ich habe
nur wiederherstellen wollen, was andere einst mit Gewalt zerbrochen hatten, wollte nur
wiedergutmachen, was satanische Bosheit oder menschliche Unvernunft zerstorten oder
verdarben. Ich habe daher auch keinen Schritt vollzogen, der fremde Rechte verletzte, sondern
nur das vor 20 Jahren verletzte Recht wiederhergestellt.
Im Rahmen des heutigen GroBdeutschen Reiches befindet sich kein Gebiet, das nicht seit
altesten Zeiten zu ihm gehort hat, mit ihm verbunden war oder seiner Souveranitat unterstand.
Langst, ehe ein amerikanischer Kontinent von WeiBen entdeckt oder gar besiedelt wurde, hat
dieses Reich bestanden nicht nur in seiner heutigen GroBe, sondern um viele seitdem
verlorene Gebiete und Provinzen dariiber hinaus.
Ich habe, meine Abgeordneten, Manner des Reichstages, nie einen Zweifel dariiber
gelassen, daB es an sich in Europa kaum moglich ist, jemals eine allseitig befriedigende
Ubereinstimmung staatlicher und volklicher Grenzen zu finden. Die im Laufe der letzten
Jahrhunderte allmahlich zum Stillstand gekommene volkliche Wanderung einerseits und die
Bildung groBer Gemeinwesen andererseits schuf auf diesem Gebiete einen Zustand, der nach
der einen oder anderen Seite hin von dem Betroffenen fast stets als unbefriedigend empfunden
werden wird. Allein gerade die Art des allmahlichen Ausklingens dieser volklichen und
staatlichen Formungen lieB im vergangenen Jahrhundert flir viele die Hoffnung als berechtigt
erscheinen, daB am Ende zwischen der Respektierung des nationalen Eigenlebens der
europaischen Volker und der Anerkennung gewordener staatlicher Gebilde ein KompromiB
gefunden werden wiirde, der ohne Zerstorung der staatlichen Ordnung in Europa und damit
der nun einmal in ihr gegebenen wirtschaftlichen Grundlagen trotzdem die Erhaltung der
Volkskorper ermoglichen wiirde.
Diese Hoffnungen hat der Weltkrieg beseitigt. Durch das Versailler Friedensdiktat ist weder
dem einen noch dem anderen Prinzip Geniige getan worden. Es wurde weder das
Selbstbestimmungsrecht der Volker beachtet, noch wurden die staatlichen oder gar
wirtschaftlichen Notwendigkeiten oder Bedingungen der europaischen Entwicklung in
Rechnung gestellt.
Trotzdem aber habe ich nie dariiber einen Zweifel gelassen, daB, wie schon betont, auch eine
Revision des Versailler Vertrags irgendwo ihre Grenze finden muB, und ich habe dies in
freimutiger Weise auch immer offen ausgesprochen, und zwar nicht aus taktischen Griinden,
sondern aus tiefinnerster Uberzeugung. Ich habe als nationaler Fiihrer des deutschen Volkes
keinen Zweifel dariiber gelassen, daB uberall dort, wo die hoheren Interessen des
europaischen Zusammenlebens es erfordern, nationale Interessen im einzelnen, wenn
notwendig, auch zuruckgestellt werden mussen, und zwar, wie schon betont, nicht aus
taktischen Erwagungen; denn ich habe keinen Zweifel dariiber gelassen, daB es mir mit dieser
Auffassung heiliger Ernst ist.
r256i Ich habe aus diesem Grande fur eine ganze Anzahl von vielleicht strittigen Gebieten
endgiiltige Entscheidungen getroffen und sie nicht nur nach auBen, sondern auch nach innen
bekanntgegeben und ihre Respektierung durchgesetzt.
.... Die demokratischen Friedensmacher von Versailles konnen flir sich das Verdienst in
Ansprach nehmen, diesem tschechischen Volk die besondere Rolle eines gegen Deutschland
ansetzbaren Trabanten zugedacht zu haben.
Sie haben zu diesem Zweck dem in seiner tschechischen Volkssubstanz uberhaupt nicht
lebensfahigen Staat willkurlich fremdes Volksgut zugesprochen, d. h. also andere
Nationalitaten vergewaltigt, um auf solche Weise eine latente Bedrohung der deutschen
Nation in Mitteleuropa staatlich sicherstellen zu konnen. Denn dieser Staat, dessen
sogenanntes Staatsvolk in der Minoritat war, konnte nur durch eine brutale Vergewaltigung
der volklichen Majoritaten erhalten werden. Diese Vergewaltigung aber war wieder nur
denkbar unter der Zubilligung eines Schutzes und einer Hilfe von Seiten der europaischen
Demokratien. Diese Hilfe aber war selbstverstandlich nur dann zu erwarten, wenn dieser Staat
die ihm anlaBlich seiner Geburt zugedachte Rolle getreu zu iibernehmen und zu spielen bereit
war.
Diese Rolle aber hieB nichts anderes, als die Konsolidierung Mitteleuropas zu verhindern,
eine Brlicke bolschewistischer Aggressivitat nach Europa darzustellen und vor allem
Landsknecht der europaischen Demokratien gegen Deutschland zu sein. Alles weitere ergab
sich dann von selbst.
Je mehr dieser Staat dieser seiner Aufgabe entsprechen wollte, um so groBer wurde der
Widerstand der sich dem widersetzenden nationalen Minoritaten. Je groBer sich aber dieser
Widerstand auswuchs, um so starker muBte die Unterdruckung einsetzen. Diese
zwangslaufige Versteifung der inneren Gegensatze fiihrte wieder zu einer um so groBeren
Abhangigkeit von den demokratischen europaischen Staatsbegriindern und Wohltatern. Denn
sie allein waren ja in der Lage, auf die Dauer die unnaturliche kunstliche Existenz dieses
Gebildes wirtschaftlich aufrechtzuerhalten.
Primar hatte nun Deutschland im wesentlichen nur ein Interesse: namlich diese fast 4
Millionen Deutschen in diesem Land aus ihrer unertraglichen Situation zu befreien und ihre
Ruckkehr in ihre Heimat und damit zum tausendjahrigen Reich zu ermoglichen.
DaB dieses Problem sofort das gesamte librige Nationalitatenproblem aufrollte, war
selbstverstandlich. Ebenso aber auch die Tatsache, daB das Abziehen aller Nationalitaten den
Reststaat um jede Lebensmoglichkeit bringen muBte, etwas, was den Versailler
Staatsgriindern ja auch klar war; denn weil sie dieses wuBten, haben sie ja die Vergewaltigung
der anderen Minoritaten beschlossen und diese gegen ihren Willen in diese dilettantische
Staatskonstruktion hineingezwungen.
.... DaB sich Westeuropa fur den in seinem Interesse geschaffenen kunstlichen Staat
interessierte, war ja wohl begreiflich. DaB aber die um diesen Staat liegenden Nationalitaten
dieses Interesse als fur sie maBgeblich ansehen wlirden, war ein vielleicht flir manche
bedauerlicher TrugschluB. Insoweit dieses Interesse nun auf die finanzielle Fundierung dieses
Staatswesens gerichtet war, ware von deutscher Seite nichts einzuwenden gewesen, wenn
nicht dieses finanzielle Interesse letzten Endes ebenfalls ausschlieBlich den machtpolitischen
Zielen der Demokratien unterstellt gewesen ware.
r257i Auch die finanzielle Forderung dieses Staates verfolgte nur einen leitenden Gedanken:
einen militarisch hochstgerusteten Staat zu schaffen mit der Aufgabe, eine in das Reich
hineinreichende Bastion zu bilden, die - sei es als Ausgangspunkt militarischer
Unternehmungen in Verbindung mit westlichen Einbriichen in des Reich oder auch nur als
Flugzeugstutzpunkt - einen unzweifelhaften Wert versprach. Was man von diesem Staat
erwartet hatte, geht am eindeutigsten aus der Feststellung des Franzosischen
Luftfahrtministers Pierre Cot hervor, der es ruhig aussprach, daB es die Aufgabe dieses
Staates ware, in jedem Konfliktfall Bombenlande- und Bombenabflugplatz zu sein, von dem
aus man die wichtigsten deutschen Industriezentren in wenigen Stunden wiirde vernichten
konnen. Es ist daher verstandlich, wenn die deutsche Staatsfuhrung ihrerseits ebenfalls den
EntschluB faBte, diesen Bombenabflugplatz zu vernichten. Sie hat diesen EntschluB nicht
gefaBt etwa aus HaB gegen das tschechische Volk. Eher im Gegenteil. Denn im Laufe eines
tausendjahrigen Zusammenlebens hat es zwischen dem deutschen und tschechischen Volk oft
jahrhundertelange Perioden engster Zusammenarbeit gegeben und dazwischen allerdings nur
kurze Perioden von Spannungen.
.... Die Munchener Entscheidung flihrte zu folgendem Ergebnis:
1. Ruckkehr der wesentlichsten Teile der deutschen Randbesiedelung in Bohmen und Mahren
zum Reich.
2. Offenhaltung der Losung der ubrigen Probleme dieses Staates, das heiBt der Ruckkehr bzw.
des Ausscheidens der noch vorhandenen ungarischen und slowakischen Minoritaten.
3. Blieb noch offen die Frage der Garantie. Die Garantie dieses Staates war, soweit es sich um
Deutschland und Italien handelte, von vornherein abhangig gemacht worden von der
Zustimmung aller an diesen Staat angrenzenden Interessenten und damit von der tatsachlichen
Losung der diese Interessenten beriihrenden und noch offengebliebenen Fragen.
Folgende Fragen aber waren offen geblieben:
1. Ruckkehr der magyarischen Teile zu Ungarn,
2. Ruckkehr der polnischen Teile zu Polen,
3. Losung der slowakischen Frage und
4. Losung der ukrainischen Frage.
Wie ihnen bekannt ist, haben nun, nachdem kaum die Verhandlungen zwischen Ungarn und
der Tschecho-Slowakei begonnen hatten, sowohl die tschecho-slowakischen als auch die
ungarischen Unterhandler an Deutschland und an das an unserer Seite stehende Italien die
Bitte gerichtet, als Schiedsrichter die neue Grenzziehung zwischen der Slowakei, der
Karpatho-Ukraine und Ungarn vorzunehmen. Damit haben die Betroffenen selbst von der
Moglichkeit, an die vier Machte zu appellieren, keinen Gebrauch gemacht, sondern
ausdriicklich Verzicht geleistet, das heiBt, sie abgelehnt.
Und dies war verstandlich. Alle die in diesem Lebensraum Wohnenden wollten Ruhe und
Frieden erhalten. Italien und Deutschland waren bereit, diesem Ruf zu folgen. Ein Einspruch
gegen diese, an sich ja schon die Munchener Abmachung formell verlassende Abmachung
wurde weder von England noch von Frankreich erhoben und konnte nicht erhoben werden;
denn es ware j a wahnsinnig gewesen, etwa von Paris oder London aus zu protestieren gegen
eine Handlung Deutschlands oder Italiens, die allein auf Grand des Ansuchens der
Betroffenen selbst stattfand.
I258i Der Schiedssprach von Italien und Deutschland hat, wie in solchen Fallen stets, keine
Seite restlos befriedigt. Er krankte von vornherein daran, daB er von beiden Seiten freiwillig
anerkannt werden muBte. Als daher dieser Schiedssprach zur Verwirklichung kam, erhoben
sich sofort in kurzer Zeit nach der Annahme von zwei Staaten heftige Einsprache. Ungarn
forderte aus allgemeinen und besonderen Interessen die Karpatho-Ukraine, Polen forderte
desgleichen eine direkte Verbindung mit Ungarn. Es war klar, daB unter solchen Umstanden
auch der Reststaat dieser einstigen Versailler Geburt zum Tode bestimmt war.
Tatsache war, daB an der Aufrechterhaltung des bisherigen Status vielleicht iiberhaupt nur ein
einziger Staat interessiert war, namlich Rumanien, das durch seinen berufensten Mund mir
personlich zum Ausdruck brachte, wie erwiinscht es ware, liber die Ukraine und Slowakei
vielleicht einen direkten Weg nach Deutschland erhalten zu konnen. Ich erwahne dies als eine
Illustration fur das Gefiihl der Bedrohung durch Deutschland, unter der die Rumanische
Regierung nach den Auffassungen amerikanischer Hellseher gelitten haben soil. Es war aber
nun klar, daB es nicht die Aufgabe Deutschlands sein konnte, sich auf die Dauer einer
Entwicklung zu widersetzen oder gar flir einen Zustand zu kampfen, flir den wir niemals eine
Verantwortung hatten ubernehmen konnen.
Es kam daher jener Augenblick, in dem ich mich namens der Reichsregierung entschloB, zu
erklaren, daB wir nicht daran dachten, uns langer mit dem Odium zu belasten, um etwa eine
deutsche VormarschstraBe nach Rumanien offen zu halten, dem gemeinsamen Grenzwunsch
der Polen und Ungarn zu widersprechen. Da auBerdem die Tschechische Regierung zu ihren
alten Methoden zuruckkehrte und auch die Slowakei ihre Selbstandigkeitswiinsche offenbarte,
war von einer weiteren Erhaltung des Staates keine Rede mehr. Die Versailler Konstruktion
der Tschecho-Slowakei hat sich selbst uberlebt. Sie verfiel der Auflosung, nicht weil
Deutschland dies wollte, sondern weil man am Konferenztisch auf die Dauer nicht kunstlich
lebensunfahige Staaten konstruieren und aufrechterhalten kann.
Deutschland hat daher auch auf eine wenige Tage vor der Auflosung dieses Staates von
England und Frankreich eingegangene Anfrage liber eine Garantie diese abgelehnt; denn es
fehlten ja alle seinerzeit in Mlinchen daflir vorgesehenen Voraussetzungen. Im Gegenteil. Als
sich endlich die Deutsche Reichsregierung - nachdem das ganze Gebilde in Auflosung
begriffen war und sich auch schon praktisch aufgelost hatte - entschloB, nunmehr ihrerseits
ebenfalls einzugreifen, geschah dies nur im Vollzug einer selbstverstandlichen Pflicht; denn
folgendes ist noch zu bemerken:
Die Deutsche Reichsregierung hat bereits beim ersten Antrittsbesuch des Tschechischen
AuBenministers Chvalkovsky in Mlinchen ihre Auffassung liber die Zukunft der Tschecho-
Slowakei klar zum Ausdruck gebracht. Ich selbst habe damals dem Herrn Minister
Chvalkovsky versichert, daB wir unter der Voraussetzung einer loyalen Behandlung der in der
Tschechei verbliebenen groBen deutschen Minderheiten und in der Voraussetzung einer
Beruhigung des ganzen Staates eine loyale Haltung Deutschlands sicherstellen wlirden und
von uns aus diesem Staat keinerlei Hindernisse bereiten wollten.
Ich habe aber auch keinen Zweifel darliber gelassen, daB, wenn die Tschechei irgendwelche
Schritte unternehmen wlirde im Sinne der politischen Tendenzen des abgetretenen Herrn Dr.
Benesch, Deutschland eine Entwicklung in dieser Richtung nicht hinnehmen, sondern schon
im Keime ausloschen wlirde. Ich r259i wies damals auch darauf hin, daB die Aufrechterhaltung
eines so gewaltigen militarischen Arsenals in Mitteleuropa ohne Sinn und Zweck nur als
Gefahrenherd angesehen werden mliBte.
Wie richtig diese meine Warnung war, wurde durch die spatere Entwicklung erwiesen. Durch
eine fortgesetzt sich steigernde Fllisterpropaganda sowohl als durch ein allmahliches
Abgleiten tschechischer Zeitungen in die fruhere Schreibart muBte auch dem Einfaltigsten
klar werden, daB in kurzer Zeit die alten Zustande wieder vorhanden sein wlirden.
Die Gefahr einer militarischen Auseinandersetzung war um so groBer dann, als ja immer
damit gerechnet werden muBte, daB sich irgendwelche Wahnsinnigen der aufgestapelten
ungeheuren Kriegsmaterialien bemachtigen konnten. Dies barg in sich die Gefahr von
Explosionen unabsehbaren Umfanges.
.... Ich glaube, es ist ein Gliick flir Millionen und Abermillionen von Menschen, daB es mir
gelungen ist, dank der in letzter Minute wirksam werdenden Einsicht verantwortlicher
Manner auf der anderen Seite eine solche Explosion verhindert und eine Losung gefunden zu
haben, die meiner Uberzeugung nach dieses Problem als einen mitteleuropaischen
Gefahrenherd endgultig aus der Welt schafft. Die Behauptung, daB nun diese Losung im
Gegensatz zur Abmachung von Miinchen m stiinde, kann durch gar nichts begriindet oder
erhartet werden.
Die Miinchener Losung konnte unter keinen Umstanden als eine endgultige gelten; denn sie
hat ja selbst zugegeben, daB weitere Probleme noch der Losung bedurften und gelost werden
sollten. DaB sich nun die Betroffenen, und dies ist entscheidend, nicht an die vier Machte
gewandt haben, sondern nur an Italien und Deutschland, kann wirklich nicht uns vorgeworfen
werden. Ebensowenig auch, daB der Staat endlich als solcher von selbst zerfallen war und
damit eine Tschecho-Slowakei nicht mehr existierte. DaB aber, nachdem das ethnographische
Prinzip schon langst auBer Kraft gesetzt worden war, nunmehr auch Deutschland seine
immerhin tausendjahrigen Interessen, die nicht nur politischer, sondern auch wirtschaftlicher
Art sind, in seine Obhut nahm, ist wohl selbstverstandlich. Ob die Losung, die Deutschland
gefunden hat, richtig oder nicht richtig ist, wird die Zukunft erweisen. Sicher aber ist das eine,
daB die Losung nicht einer englischen Kontrolle oder englischen Kritik untersteht. Denn die
Lander Bohmen und Mahren haben als letztes Restgebiet der ehemaligen Tschecho-Slowakei
mit der Miinchener Abmachung iiberhaupt nichts mehr zu tun. So wenig, als etwa englische
MaBnahmen, sagen wir in Irland, mogen sie richtig oder falsch sein, einer deutschen
Kontrolle oder Kritik unterstellt sind, so wenig ist dies bei diesen alten deutschen
Kurfurstentumern der Fall.
Wie man aber die in Miinchen zwischen Herrn Chamberlain und mir personlich getatigte
Abmachung auf diesen Fall beziehen kann, ist mir ganzlich unverstandlich; denn dieser Fall
der Tschecho-Slowakei war ja in dem Miinchener Protokoll der vier Machte geregelt worden,
soweit er eben damals geregelt werden konnte. Dariiber hinaus war nur vorgesehen, daB,
wenn die Beteiligten nicht zu einer Einigung kommen wiirden, sie sich an die vier Machte
wiirden wenden konnen. Und diese wollten dann nach drei Monaten zu einer weiteren
Beratung zusammentreten.
Nun haben aber diese Beteiligten sich iiberhaupt nicht mehr an die vier Machte gewandt,
sondern nur an Deutschland und Italien. Wie sehr diese 12601 dazu doch letzten Endes
berechtigt waren, geht daraus hervor, daB weder England noch Frankreich dagegen Einspruch
erhoben haben, sondern den von Deutschland und Italien gefallten Schiedsspruch ohne
weiteres auch selbst akzeptierten.
Nein, die Abmachung, die zwischen Herrn Chamberlain und mir getroffen wurde, hat sich
nicht auf dieses Problem bezogen, sondern ausschlieBlich auf Fragen, die das Zusammenleben
Englands und Deutschlands betreffen.
Das geht auch eindeutig hervor aus der Feststellung, daB solche Fragen im Sinne des
Miinchener Abkommens und des deutsch-englischen Flottenvertrages in Zukunft also
freundschaftlich behandelt werden sollten, und zwar auf dem Wege der Konsultierung. Wenn
sich aber dieses Abkommen auf jede kunftige deutsche Betatigung politischer Art bezogen
haben wurde, dann diirfte auch England keinen Schritt mehr unternehmen, sei es zum Beispiel
in Palastina oder woanders, ohne sich mit Deutschland erst zu konsultieren. Es ist
selbstverstandlich, daB wir dies nicht erwarten, ebenso aber lehnen wir jede ahnliche
Erwartung, die an uns gestellt wird, ab.
Wenn nun Herr Chamberlain daraus folgert, daB diese Miinchener Abmachung damit hinfalli^
sei, weil sie von uns gebrochen worden ware, so nehme ich nunmehr diese Auffassung zur
Kenntnis und ziehe daraus die Konsequenzen
1
Amircctomgeii:
152 Vgl. Nr. 256 . ...zurtick...
i ci
Das deutsch-tschechische Abkommen hat folgenden Wortlaut:
Der Fiihrer hat heute in Gegenwart des Reichsministers des Auswartigen von Ribbentrop
den Tschecho-Slowakischen Staatsprasidenten Dr. Hacha und den Tschecho-Slowakischen
AuBenminister Dr. Chvalkovsky auf deren Wunsch in Berlin empfangen. Bei der
Zusammenkunft ist die durch die Vorgange der letzten Wochen auf dem bisherigen tschecho-
slowakischen Staatsgebiet entstandene ernste Lage in voller Offenheit einer Priifung
unterzogen worden. Auf beiden Seiten ist ubereinstimmend die Uberzeugung zum Ausdruck
gebracht worden, daB das Ziel aller Bemuhungen die Sicherung von Ruhe, Ordnung und
Frieden in diesem Teile Mitteleuropas sein miisse. Der Tschecho-Slowakische Staatsprasident
hat erklart, daB er, um diesem Ziele zu dienen und um eine endgultige Befriedung zu
erreichen, das Schicksal des tschechischen Volkes und Landes vertrauensvoll in die Hande
des Fuhrers des Deutschen Reiches legt. Der Fiihrer hat diese Erklarung angenommen und
seinem EntschluB Ausdruck gegeben, daB er das tschechische Volk unter den Schutz des
Deutschen Reiches nehmen und ihm eine seiner Eigenart gemaBe autonome Entwicklung
seines volkischen Lebens gewahrleisten wird.
Berlin, den 15. Marz 1939
Adolf Hitler Dr. Hacha
von Ribbentrop Dr. Chvalkovsky
...zuruck...
154 Vgl. Nr. 269 . ...zuruck...
155 Vgl. Nr. 259 . ...zuruck...
156 Vgl. Nr. 269 . ...zuruck...
157 Vgl. Nr. 217 . ...zuruck...
158 Vgl. Nr. 264 . ...zuruck...
159 Vgl. Nr. 217 . ...zuruck...
Zweites Kapitel (Forts.)
Die Englische Kriegspolitik
C. Die Britische Einkreisungspolitik
seit Februar 1939
Nr. 267
Erklarung des Britischen Premierministers Chamberlain
im Unterhaus, 6. Februar 1939
(Ubersetzung)
Mr. A. Henderson fragt den Premierminister, ob die kiirzlich abgegebene Erklarung des
Franzosischen AuBenministers, daB die Streitkrafte GroBbritanniens im Kriegsfalle Frankreich
zur Verfiigung stehen wiirden, ebenso wie alle Streitkrafte Frankreichs zur Verfiigung
GroBbritanniens sttinden, mit den Ansichten der Regierung Seiner Majestat in Einklang steht?
Der Premierminister: Nach den mir zugegangenen Informationen stellte Herr Bonnet in der
Kammer am 26. Januar fest, daB im Fall eines Krieges, in den die beiden Lander verwickelt
wiirden, alle Streitkrafte GroBbritanniens Frankreich ebenso zur Verfiigung stehen wiirden
wie alle Streitkrafte Frankreichs zur Verfiigung GroBbritanniens standen. Das steht in
volligem Einklang mit den Ansichten der Regierung Seiner Majestat. Es ist unmoglich, alle
die sich vielleicht ergebenden hypothetischen Falle im einzelnen zu priifen, aber ich fiihle
mich verpflichtet, klarzustellen, daB die Solidaritat der Interessen, durch die Frankreich und
unser Land verbunden sind, von der Art ist, daB jede Bedrohung der Lebensinteressen
Frankreichs, von welcher Seite sie auch kommen mag, den sofortigen Beistand dieses Landes
nach sich ziehen muB.
Nr. 268
Der Deutsche Botschafter in Paris an das Auswartige Amt
Bericht
Paris, den 28. Februar 1939
Der Botschaft sind in letzter Zeit, noch vor Bekanntgabe der antideutschen Ausschreitungen
in Polen,— von durchaus zuverlassiger Seite Nachrichten zugegangen, die auf gewisse
Tendenzen im Sinne einer Neubelebung der franzosisch-polnischen Allianz und parallel
hierzu auf die Absicht einer allmahlichen Verschlechterung der deutsch-polnischen
Beziehungen schlieBen lassen. Als Hauptgrund hierfur wird von dem Vertrauensmann der
starke Eindruck angefuhrt, den die Vertiefung der Entente Cordiale zwischen Frankreich und
England sowie die verschiedenen Erklarungen Chamberlains hinsichtlich einer englischen
Hilfeleistung flir Frankreich auf die Polnische Regierung gemacht hatten, wozu noch eine
bemerkenswerte englische Aktivitat in Polen trete.
Welczeck
12621
Nr. 269
Rede des Britischen Premierministers Chamberlain in Birmingham,
17. Marz 1939
Auszug
(Ubersetzung)
.... Am vergangenen Mittwoch fand eine Debatte im Unterhause statt. Es war derselbe Tag, an
dem die deutschen Truppen in der Tschechoslowakei einmarschierten, und wir alle, ganz
besonders aber die Regierung, waren im Nachteil, weil die uns zur Verfiigung stehenden
Nachrichten nur teilweiser, zum erheblichen Teile nichtamtlicher Art waren. Wir hatten keine
Zeit, diese Nachrichten zu priifen, noch viel weniger aber, uns dariiber eine wohlerwogene
Meinung zu bilden. Daraus ergab sich zwangslaufig, daB ich, im Namen der Regierung
sprechend, angesichts der Verantwortung, die mit dieser Stellung verbunden ist, mich
gezwungen sah, mich auf eine stark zuruckhaltende und vorsichtige Darlegung dessen zu
beschranken, liber das ich seinerzeit, wie ich glaubte, nur geringe Erlauterungen geben
konnte.™ Und vielleicht war es auch ganz naturlich, daB diese etwas kiihle und sachliche
Erklarang Grand zu einem MiBverstandnis gab und daB einige Leute glaubten, daB meine
Kollegen und ich, weil ich ruhig sprach und meinen Gefuhlen nur beschrankten Ausdrack
gab, uns von der Angelegenheit nicht stark beeindruckt fuhlten. Ich hoffe, diesen Irrtum heute
abend berichtigen zu konnen Ich habe in Wirklichkeit keinen Grand, fur meine im letzten
Herbst stattgefundenen Besuche in Deutschland Entschuldigungen vorzubringen; denn welche
Wahl hatten wir? Nichts von dem, was wir hatten unternehmen konnen, nichts von dem, was
Frankreich oder RuBland hatten unternehmen konnen, ware dazu angetan gewesen, die
Tschecho-Slowakei vor einem Einmarsch und der Vernichtung zu bewahren. Selbst wenn wir
spater zum Kriege geschritten waren, um Deutschland flir sein Vorgehen zu strafen, und wenn
wir nach den furchtbaren Verlusten, die alien Teilnehmern an einem Kriege zugefugt worden
waren, schlieBlich siegreich gewesen waren, wiirde es uns niemals moglich gewesen sein, die
Tschecho-Slowakei in derselben Form wieder aufzurichten, die sie durch den Frieden von
Versailles gefunden hatte. Deutschland hat unter seinem gegenwartigen Regime der Welt eine
Reihe unangenehmer Uberraschungen bereitet. Das Rheinland, der osterreichische AnschluB,
die Abtrennung des Sudetenlandes, alle diese Vorkommnisse haben die offentliche Meinung
der ganzen Welt vor den Kopf gestoBen und beleidigt. Welche und wieviel Anstande wir aber
auch an den in jedem dieser Falle angewendeten Methoden hatten nehmen konnen, jedenfalls
lieB sich auf Grand der Rassenzugehorigkeit oder gerechter Anspriiche, denen zu lange
Widerstand geleistet worden war, etwas zugunsten der Notwendigkeit einer Anderang in der
bestehenden Lage sagen.
Die Ereignisse aber, die im Laufe dieser Woche Platz gegriffen haben, scheinen mir in
eine andere Klasse zu fallen und niiissen uns alle veranlassen, an uns selbst die Frage zu
richten: "Ist das das Ende eines alten Abenteuers oder ist es der Anfang eines neuen?"
"Ist es der letzte Angriff gegen einen kleinen Staat oder werden ihm weitere folgen? Ist dies in
Wirklichkeit ein Schritt in der Richtung eines Versuchs zur Weltherrschaft durch
Gewalt?"
1263] Das sind schwerwiegende und ernste Fragen. Ich werde diese Fragen heute abend nicht
beantworten. Ich bin aber uberzeugt, daB sie die tiefernste und gewissenhafte Erwagung nicht
nur durch Deutschlands Nachbarn, sondern auch durch andere Machte, vielleicht sogar solche
jenseits der Grenzen Europas, notwendig machen wiirden. Schon jetzt liegen Anzeichen dafiir
vor, daB dieser ProzeB eingesetzt hat, und es ist augenscheinlich, daB er nunmehr
voraussichtlich einen schnelleren Verlauf nehmen wird.
Wir selbst werden uns selbstverstandlich zunachst unsern Partnern in der britischen
Gemeinschaft der Nationen und Frankreich zuwenden, mit denen wir so eng verbunden sind;
ich bezweifle aber nicht, daB auch andere, die wissen, daB wir nicht uninteressiert an dem
sind, was in Sudosteuropa vor sich geht, den Wunsch haben werden, mit uns zu konsultieren
und unseren Rat einzuholen.
Wir alle in unserem eigenen Lande miissen die Lage mit dem Sinn fiir Verantwortlichkeit
uberpriifen, den ihr Ernst erfordert. Von dieser Uberpriifung darf nichts ausgeschlossen
bleiben, was auf die nationale Sicherheit Bezug hat. Jede Phase unseres nationalen Lebens
muB wieder einmal von diesem Standpunkt aus einer Prufung unterzogen werden
Nr. 270
Der Deutsche Geschaftstrager in London an das Auswartige Amt
Telegramm
London, den 19. Marz 1939
1. In heutiger Morgenpresse spielen Spekulationen liber angebliche deutsche Absichten
gegeniiber Rumanien Hauptrolle, obwohl berichtet wird, daB Bukarest, Berlin und auch
hiesige Rumanische Gesandtschaft dementieren, daB Deutschland wirtschaftliches Ultimatum
an Rumanien gerichtet habe.
2. Erfahre von zuverlassigem Gewahrsmann hierzu folgendes: Hiesiger Rumanischer
Gesandter Tilea hat am 17. Marz aus eigener Initiative im Foreign Office von ubertriebenen
deutschen Wirtschaftsforderungen gegeniiber Rumanien gesprochen, weil ihm vorliegenden
Nachrichten zufolge deutsch-rumanische Wirtschaftsverhandlungen zu gutem Ergebnis zu
kommen schienen und hiermit seine von ihm befurworteten Plane auf Ausbau englisch-
rumanischer Wirtschaftsverhaltnisse zunichte wiirden. Tilea hat wegen seines Schrittes von
Gafencu scharfsten Verweis erhalten und ist nach langerer heftiger Telephonaussprache
angewiesen worden, Dementi herauszugeben.
Intrigen Tilea wurden von Halifax als bare Miinze genommen, insbesondere da Nachrichten
von beschleunigten deutschen Truppenbewegungen von Prag in ostlicher Richtung einliefen.
Nachrichten und stete Erregtheit englischer Presse erklaren sich hieraus.
Kordt
Nr. 271
Aus der Rede des Britischen Staatssekretars
fur Auswartige Angelegenheiten Lord Halifax
im Oberhaus, 20. Marz 1939
(Ubersetzung)
Wenn und zu dem Zeitpunkt aber, an dem es den Staaten klar wird, daB es
augenscheinlich keine Garantie gegen einander folgende Angriffe gibt, die der Reihe nach
gegen alle diejenigen gerichtet sind, die ehrgeizigen Weltherrschaftsplanen im Wege
stehen, dann schlagt die Waagschale sofort nach der anderen Richtung aus, und man wird
voraussichtlich in alien betroffenen Kreisen einer weit groBeren Bereitschaft begegnen,
Erwagungen dariiber anzustellen, ob nicht zwecks gegenseitiger Unterstutzung die
Ubernahme ausgedehnter gegenseitiger Verpflichtungen geboten erscheint, wenn auch nur
aus dem Grunde der Notwendigkeit der Selbstverteidigung. Die Regierung Seiner Majestat
hat es nicht unterlassen, aus diesen Ereignissen die Lehre zu Ziehen, und hat keine Zeit dabei
versaumt, nicht nur mit den Dominions, sondern auch mit anderen Regierungen, die von den
so plotzlich offenkundig gewordenen Fragen betroffen werden, in enge und praktische
Konsultation zu treten. ...
Nr. 272
Der Deutsche Geschaftstrager in London an das Auswartige Amt
Telegramm
London, den 20. Marz 1939
Erklarungen, die Chamberlain und Halifax soeben im Unterhaus abgegeben haben, bringen
noch keine Klarung liber die Absichten der Britischen Regierung. Lord Halifax beschrankt
sich auf eine teilweise bittere Darstellung der Ereignisse der letzten Tage. Er sprach von
"weiterreichenden gegenseitigen Garantien", die zweckmaBig waren. Aus Mitteilungen
zuverlassiger Gewahrsleute ergibt sich etwa folgendes Bild liber den gegenwartigen Stand:
Britische Regierung hat Initiative fur Besprechungen fest in der Hand. Sie wiinscht mit der
Festlegung der zu befolgenden Politik voranzugehen, um zu vermeiden, daB die anderen
Staaten konditionelle Erklarungen abgeben, die nach britischer Ansicht ihren Zweck nicht
erreichen wiirden. Gedacht ist von britischer Seite offenbar an Festlegung einer
Demarkationslinie, die insbesondere Rumanien einschlieBt und deren Uberschreitung durch
einen Angreifer den Kriegsfall darstellen wiirde. Folgende Staaten sollen in der Garantiefrage
zur Teilnahme aufgefordert worden sein: RuBland, Polen, Tiirkei und Jugoslawien. Es stehe
einwandfrei fest, daB man sich nicht an Ungarn gewandt habe. Es sei Polen uberlassen
worden, mit Litauen, Estland und Lettland Fuhlung aufzunehmen; dasselbe gelte flir die
Tiirkei mit Bezug auf Griechenland. Wegen Bulgarien sei man noch zweifelhaft.
Kordt
Nr. 273
Der Deutsche Gesandte in Oslo an das Auswartige Amt
Bericht
Oslo, den21.Marz 1939
AuBenminister Koht, der von mehrtagigem Besuch in Paris, wo er an der Sorbonne Vortrage
gehalten hat, am Montag zuriickgekehrt war, nahm sogleich Gelegenheit, im zuerst
erscheinenden Nachmittagsblatt den Hetzmeldungen der franzosischen Presse aufs
entschiedenste entgegenzutreten, wonach die Deutsche Regierung schon vor 12 Tagen von
den skandinavischen Staaten unter Drohung verlangt haben sollte, sich sowohl in
wirtschaftlicher wie auch in politischer Beziehung Deutschland anzuschlieBen.
Der AuBenminister erklarte, daB ihm hiervon auch nicht das geringste bekannt sei. Im
AuBenministerium finde sich nicht ein Wort, nicht einmal eine Silbe dariiber. Es sei dies eines
der ublichen Geriichte, die aus den verschiedensten Griinden ausgeheckt und verbreitet
wiirden. Er konne nur, wie schon friiher, sagen, daB aller Grund vorhanden sei, solchen
Pressemeldungen in Zeiten wie jetzt mit allergroBter Skepsis zu begegnen. Bis zum heutigen
Tage, betonte Koht nochmals, hat man von dem angeblich vor 12 Tagen erfolgten "Druck"
Deutschlands im Norwegischen AuBenministerium noch nichts verspiirt.
Dr. Sahm
Nr. 274
Der Deutsche Geschaftstrager in London an das Auswartige Amt
Telegramm
London, den 22. Marz 1939
Aus zuverlassiger Quelle erfahre ich folgendes liber den Inhalt der von England in Paris,
Warschau und Moskau gemachten Vorschlage:
Die vorgeschlagene Deklaration sieht vor, daB im Falle einer befurchteten Aggression die
Unterzeichner der Deklaration sich zu sofortiger Konsultation verpflichten, "to resist
aggression".
Soweit bisher abzusehen, hat Polen Bedenken gegen englischen Vorschlag. Moskau hat noch
nicht geantwortet.
Falls diese Deklaration durch die beteiligten Staaten angenommen wird, will England als
zweiten Schritt Generalstabsbesprechungen mit dem Ziele militarischer Abmachungen in
Vorschlag bringen.
Kordt
1266]
Nr. 275
Der Deutsche Geschaftstrager in London an das Auswartige Amt
Telegramm
London, den 23. Marz 1939
Vorliegende Nachrichten zeigen deutlich, daB der mit Vortelegramm— gemeldete englische
Deklarationsplan praktisch in zwei Teile zerfallt:
Der erste Teil bezieht sich auf eine Garantie Belgiens, Hollands und der Schweiz.
Der zweite Teil bezweckt den Schutz der Oststaaten gegen eine Aggression. Dem britischen
Kabinett soil von militarischer Seite mitgeteilt worden sein, daB Rumanien wegen seiner
Erdolquellen unbedingt vor deutschem militarischem Zugriff geschiitzt werden miisse.
Wie mir ein gut informierter hiesiger Diplomat bestatigte, hat Polen sich bisher nicht
entschlieBen konnen, die britischen Vorschlage anzunehmen. MaBgebend fiir diese Haltung
sei, abgesehen von dem groBen MiBtrauen gegen eine Hilfeleistung durch SowjetruBland, die
Erwagung, daB das Verhaltnis zu Deutschland durch eine derartige Teilnahme unhaltbar
werden wiirde und daB England und Frankreich im Falle eines deutschen Angriffes kaum in
der Lage sein wiirden, Polen militarisch wirksam zur Hilfe zu kommen. Unter diesen
Umstanden scheine im Foreign Office der Konferenzgedanke wieder in den Vordergrund zu
treten: Man hoffe, auf einer Viererkonferenz Polen wirksam unter Druck setzen zu konnen.
In englischen konservativen Kreisen besteht nach wie vor ein nicht zu unterschatzender
Widerstand gegen die Hereinnahme SowjetruBlands in das geplante System. Die soeben im
Unterhaus von Chamberlain abgegebene Erklarung laBt darauf schlieBen, daB in den der
Regierung nahestehenden Kreisen der konservativen Partei die Furcht groB ist, ein im Osten
konsolidiertes Gebiet unter deutscher Vorherrschaft werde sich nach dieser Konsolidierung
mit seiner ganzen Kraft auf England werfen.
Kordt
Nr. 276
Der Deutsche Geschaftstrager in Paris an das Auswartige Amt
Telegramm
Paris, den 24. Marz 1939
GroBer Teil Pariser Presse bringt im wesentlichen ubereinstimmende Nachricht, daB anlaBlich
Besuchs Franzosischen Staatsprasidenten in London Chamberlain, Halifax und Bonnet
Protokoll gezeichnet oder Aide-Memoires ausgetauscht hatten, in denen sich Frankreich und
England verpflichteten, im Falle eines Angriffes auf Holland oder die Schweiz diesen
Landern automatisch bewaffneten Beistand zu leisten und ihre Grenzen zu schutzen. Das so
geschlossene Abkommen bestatige Vereinbarung, die am 29. Januar mundlich in Paris
zwischen Bonnet und dem hiesigen Englischen Botschafter getroffen r267i worden sei. Die so
ubernommenen Verpflichtungen seien den Belgien gegenliber bestehenden gleiche oder
ahnliche. Uber Januarabmachungen berichtet I'Europe nouvelle in Ausgabe vom 18. Marz (S.
301), daB Verpflichtungen gegenliber Holland von England, gegeniiber der Schweiz von
Frankreich gewiinscht worden seien.
Brauer
Nr. 277
Der Deutsche Geschaftstrager in London an das Auswartige Amt
Bericht
London, den 29. Marz 1939
In der Unterhaussitzung vom 28. Marz richteten die der Arbeiterpartei angehorenden
Abgeordneten Greenwood und Dalton Anfragen an den Premierminister, in denen sie nahere
Aufklarung liber den Stand der von der Britischen Regierung mit anderen Regierungen zur
Zeit gefiihrten Besprechungen erbaten.
Der Abgeordnete Greenwood wollte wissen, ob die Deklaration, die gewissen Machten
vorgelegt worden sei, sich nur auf Konsultation beziehe, oder ob gegenseitiger Beistand, unter
Umstanden auch militarischer Art, vorgesehen sei.
Der Premierminister antwortete, es sei auBerordentlich schwierig und delikat, jetzt schon alle
Karten auf den Tisch zu legen, doch konne aus dem, was er friiher in diesem Zusammenhang
gesagt habe, ohne weiteres geschlossen werden, daB das, was die Regierung im Sinne habe,
sehr viel weiter gehe als Konsultation. ("It will, at any rate, be readily understood, from what I
have said previously, that what the Government [has] in mind, goes a great deal further than
consultation".)
Der Abgeordnete Dalton wollte wissen, ob man Polen gegeniiber klar gemacht habe, daB die
Britische Regierung willens sei, gemeinsam mit anderen Regierungen Polen fiir den Fall, daB
es das nachste. Opfer "deutscher Aggression" sein wiirde, zu Hilfe zu kommen. Der
Premierminister antwortete, daB er in dieser Hinsicht noch gewisse Zuruckhaltung wahren zu
mussen glaube, doch sei er bereit zu sagen, daB die Britische Regierung den anderen
Regierungen, mit denen sie in Konsultation stande, eindeutig klar gemacht habe, was die
Britische Regierung unter bestimmten Umstanden zu tun bereit sei.
Im Auftrag
von Selzam
Nr. 278
Der Deutsche Geschaftstrager in Paris an das Auswartige Amt
Bericht
Paris, den 31. Marz 1939
Die Rundfunkansprache, die Ministerprasident Daladier am 29. Marz gehalten hat und die in
5 fremden Sprachen iiber alle franzosischen Sender iibertragen worden ist, hat in erster Linie
eine auBenpolitische Zielsetzung. Sie will durch r268i Betonung des Friedenswillens
Frankreichs, seiner Starke und im Laufe der letzten Monate erreichten Einigkeit, wie sie auch
in der Gewahrung der Sondervollmachten zum Ausdruck gelangt ist, Gegner und Freunde
beeindrucken, um jenen ein Halt auf dem Wege ihrer vermeintlichen Expansion
entgegenzusetzen und diese in die Abwehrfront gegen den Expansionsdrang der totalitaren
Staaten zu locken. Das Verhaltnis zu England wird nur kurz mit den Worten gestreift, daB die
franzosisch-englische Zusammenarbeit heute so vollstandig sei wie nie zuvor.
Deutschland gegeniiber fallt der Ton einer gewissen Resignation auf. Nach Aufzahlung der
Versuche, die zu einer Besserung der Beziehungen in Miinchen, in der deutsch-franzosischen
Erklarung vom 6. Dezember— und in den Wirtschaftsverhandlungen gemacht worden sind,
erklart Daladier, daB die "Eroberung" der Tschechoslowakei und die Besetzung von Prag
durch deutsche Armeen diesen geduldigen Bemuhungen den hartesten Schlag versetzt hatten.
Die Ausfuhrungen Daladiers hieriiber sind von bemerkenswerter Kiirze. Er wendet sich im
AnschluB daran an alle Machte in Europa, jenseits des Kanals und jenseits des Atlantischen
Ozeans, die wie Frankreich denken, und fordert sie zu einer vertrauensvollen Zusammenarbeit
auf, um den Frieden zu bewahren und einem Angriff solidarisch zu widerstehen. Wenn am
Tage nach der Radioansprache des Ministerprasidenten in einer offiziosen Verlautbarung
erklart wird, daB die Rede vorher der Englischen Regierung vorgelegen habe und von ihr
gebilligt worden sei, treten in dem Appell Daladiers an die Volker Europas und jenseits des
Atlantischen Ozeans noch scharfer die Grundzuge der englischen Politik hervor, wie sie auch
in den AuBerungen Chamberlains und den dem Besuch des Polnischen AuBenministers Beck
in London vorausgehenden englischen Verlautbarungen zum Ausdruck kommen.
Brauer
Nr. 279
Erklarung des Britischen Premierministers Chamberlain
im Unterhaus, 31. Marz 1939
(Ubersetzung)
Wie ich diesen Morgen erklarte, besitzt Seiner Majestat Regierung keinerlei amtliche
Bestatigung flir die Geriichte irgendeines geplanten Angriffes auf Polen. Es darf daher nicht
angenommen werden, daB die Regierung diese Geriichte flir wahr halt.
Ich freue mich, diese Gelegenheit zu ergreifen, um erneut die allgemeine Politik der
Regierung darzulegen: Seiner Majestat Regierung hat sich standig fur den Ausgleich, und
zwar auf dem Wege freier Verhandlungen zwischen den betroffenen Parteien, von jeder
Streitigkeit eingesetzt, die sich zwischen ihnen ergeben mag. Sie halt dies flir den natiirlichen
und angemessenen Weg dort, wo Streitigkeiten vorhanden sind. Ihrer Ansicht nach sollte es
keine Frage geben, die nicht durch friedliche Mittel zu losen ware, und sie wiirde daher
keinerlei Rechtfertigung dafiir finden, wenn Gewalt oder Drohung mit Gewalt an die Stelle
der Methoden der Verhandlung gesetzt werde.
Wie dem Hause bekannt ist, finden zur Zeit gewisse Konsultationen mit anderen Regierungen
statt. Um die Haltung Seiner Majestat Regierang in der r269i Zwischenzeit vollig klarzustellen,
bevor diese Konsultationen abgeschlossen sind, fuhle ich mich veranlaBt, dem Hause
mitzuteilen, daB wahrend dieser Zeitdauer flir den Fall irgendeiner Aktion, die klarerweise die
polnische Unabhangigkeit bedroht und die die Polnische Regierung daher flir so
lebenswichtig ansieht, daB sie ihr mit ihren nationalen Streitkraften Widerstand leistet, Seiner
Majestat Regierung sich verpflichtet fiihlen wiirde, der Polnischen Regierung alle in ihrer
Macht stehende Hilfe sofort zu gewahren. Sie hat der Polnischen Regierung eine derartige
Zusicherung gegeben.
Ich kann hinzufiigen, daB die Franzosische Regierung mich autorisiert hat, darzulegen, daB sie
die gleiche Haltung in dieser Frage einnimmt wie Seiner Majestat Regierung.
Nr. 280
Der Deutsche Botschafter in Warschau an das Auswartige Amt
Telegramm
Warschau, den 1. April 1939
Zur Erklarung Chamberlains— wurde in heutiger Pressekonferenz AuBenministeriums
folgender Kommentar gegeben:
Britische Regierung schaffe nunmehr gleiche Voraussetzungen flir den Frieden im Osten und
Westen und beseitige damit in Locarno begangene Fehler, auf die Polen standig hingewiesen
habe. Dieser BeschluB Englischer Regierung, die hiermit aus bisheriger Reserve heraustrete
und an europaischer Solidaritat aktiv teilnehme, werde in Polen mit allergroBter Zufriedenheit
und Verstandnis aufgenommen. Die positive Beurteilung englischen Schritts andere jedoch
nichts an den bisherigen Grundsatzen, die Polen, soweit es an ihm liege, auch in Zukunft
beibehalten wolle. Nach wie vor solle eine selbstandige und unabhangige Politik gefuhrt
werden, die sich auf die eigene Kraft, auf freundschaftliche Beziehungen zu den
Nachbarstaaten und auf Allianzen und Freundschaften stiitze. Englischer Schritt beweise, daB
England in Polen einen bedeutenden Faktor flir den Frieden Europas sehe. Reise Becks nach
London werde eine wichtige Etappe in den englischerseits gefuhrten Konsultationen
darstellen.
Ein Besuch in Frankreich, der auf franzosische Initiative zuriickgehe, sei in Aussicht
genommen, werde aber nicht bei Gelegenheit London-Reise stattfinden.
Moltke
AninectuiiKieii:
160 Vgl. Nr. 146 ff. ...zuruck...
161 Vgl. Nr. 259 . ...zuruck...
162 Vgl. Nr. 274 . ...zuruck...
163 Vgl. Nr. 329 . ...zuruck...
164 Vgl. Nr. 279 . ...zuruck... Zweites Kapitel (Forts.)
Die Englische Kriegspolitik
C. Die Britische Einkreisungspolitik
seit Februar 1939
Nr. 281
Rede des Fuhrers in Wilhelmshaven, 1. April 1939
Auszug
Wer den Verfall und den Emporstieg Deutschlands ermessen will, der muB sich die
Entwicklung einer Stadt wie Wilhelmshaven ansehen. Vor kurzer Zeit noch ein toter Platz,
fast ohne Existenzberechtigung, ohne Aussicht auf eine Zukunft - heute wieder erfullt vom
Drohnen der Arbeit und des Schaffens. Es ist gut, wenn man sich diese Vergangenheit wieder
ins Gedachtnis zuriickruft.
I270i Als die Stadt ihren ersten Aufschwung erlebte, fiel dieser zusammen mit dem Emporstieg
des Deutschen Reiches nach seinen Einigungskampfen. Dieses Deutschland war ein
Deutschland des Friedens. In derselben Zeit, in der die sogenannten friedliebenden,
tugendhaften Nationen eine ganze Anzahl von Kriegen fuhrten, hat Deutschland damals nur
ein Ziel gekannt: den Frieden zu bewahren, in Frieden zu arbeiten, den Wohlstand seiner
Bewohner zu heben und damit zur menschlichen Kultur und Gesittung beizutragen.
Dieses Deutschland der Friedenszeit hat mit unendlichem FleiB, mit Genialitat und mit
Beharrlichkeit versucht, sich sein Leben im Inneren zu gestalten und sich nach auBen durch
die Teilnahme am friedlichen Wettbewerb der Volker einen gebuhrenden Platz an der Sonne
zu sichern.
Trotzdem dieses Deutschland jahrzehntelang der sicherste Garant des Friedens war und sich
selbst nur seiner friedlichen Beschaftigung hingab, hat es andere Volker und besonders deren
Staatsmanner nicht davon abhalten konnen, diesen Emporstieg mit Neid und HaB zu verfolgen
und ihn endlich mit einem Kriege zu beantworten.
Wir wissen heute aus den Akten der Geschichte, wie die damalige Einkreisungspolitik
planmaBig von England aus betrieben worden war. Wir wissen aus zahlreichen Feststellungen
und Publikationen, daB man in diesem Lande die Auffassung vertrat, es sei notwendig,
Deutschland militarisch niederzuwerfen, weil seine Vernichtung jedem britischen Burger ein
hoheres AusmaB an Lebensgiitern sichern wiirde.
GewiB, Deutschland hat damals Fehler begangen. Sein schwerster Fehler war, diese
Einkreisung zu sehen und sich ihrer nicht beizeiten zu erwehren. Die einzige Schuld, die wir
diesem damaligen Regime vorwerfen konnen, ist die, daB es von dem teuflischen Plan eines
Uberfalls auf das Reich voile Kenntnis hatte und doch nicht die EntschluBkraft aufbrachte,
diesen Uberfall beizeiten abzuwehren, sondern diese Einkreisung bis zum Ausbruch der
Katastrophe ausreifen lieB.
Die Folge war der Weltkrieg!
Wenn heute ein englischer Staatsmann meint, man konne und miisse alle Probleme durch
freimlitige Besprechungen und Verhandlungen losen, dann mochte ich diesem Staatsmann nur
sagen: Dazu war vor unserer Zeit 15 Jahre lang Gelegenheit!
Wenn die Welt heute sagt, daB man die Volker teilen miisse in tugendhafte Nationen und in
solche, die nicht tugendhaft sind - und zu den tugendhaften Nationen gehoren in erster Linie
die Englander und die Franzosen, und zu den nicht tugendhaften gehoren die Deutschen und
Italiener -, dann konnen wir nur antworten: Die Beurteilung, ob ein Volk tugendhaft oder
nicht tugendhaft ist, die kann doch wohl ein Irdischer kaum aussprechen, das muBte man dem
lieben Gott uberlassen.
Vielleicht wird mir nun dieser selbe britische Staatsmann entgegnen: "Gott hat das Urteil
schon gesprochen, denn er hat den tugendhaften Nationen ein Viertel der Welt geschenkt und
den nicht tugendhaften alles genommen!" Darauf sei die Frage gestattet: "Mit welchen
Mitteln haben denn die tugendhaften Nationen sich dieses Viertel der Welt erworben?" und
man muB antworten: "Es sind keine tugendhaften Methoden gewesen!"
300 Jahre lang hat dieses England nur als untugendhafte Nation gehandelt, um jetzt im Alter
von Tugend zu reden! So konnte es passieren, daB in dieser r27ii britischen tugendlosen Zeit 46
Millionen Englander fast ein Viertel der Welt unterworfen haben, wahrend 80 Millionen
Deutsche infolge ihrer Tugendsamkeit zu 140 auf einem Quadratkilometer leben mussen.
Ja, vor 20 Jahren, da war die Frage der Tugend flir die britischen Staatsmanner immer noch
nicht ganz geklart, insofern es sich um Eigentumsbegriffe handelte. Damals hielt man es mit
der Tugend noch flir vereinbarlich, einem anderen Volk, das seine Kolonien nur durch
Vertrage oder durch Kauf erworben hatte, sie einfach wegzunehmen, weil man die Macht
hatte.
Jene Macht, die jetzt allerdings als etwas Abscheuliches und Verabscheuungswiirdiges gelten
soil. Ich habe den Herren hier nur eines zu sagen: Ob sie das selber glauben oder nicht
glauben, wissen wir nicht. Wir nehmen aber an, daB sie das nicht glauben. Denn wenn wir
annehmen wollten, daB sie das wirklich selbst glauben, dann wiirden wir jeden Respekt vor
ihnen verlieren.
15 Jahre lang hat Deutschland sein Los und sein Schicksal geduldig ertragen. Auch ich
versuchte anfangs jedes Problem durch Besprechungen zu losen. Ich habe bei jedem Problem
Angebote gemacht, und sie sind jedesmal abgelehnt worden! Es kann kein Zweifel sein, daB
jedes Volk heilige Interessen besitzt, einfach weil sie mit seinem Leben und seinem
Lebensrecht identisch sind.
Wenn heute ein britischer Staatsmann fordert, daB jedes Problem, das inmitten der deutschen
Lebensinteressen liegt, erst mit England besprochen werden muBte, dann konnte ich genau so
gut verlangen, daB jedes britische Problem erst mit uns zu besprechen sei.
GewiB, diese Englander mogen mir zur Antwort geben: "In Palastina haben die Deutschen
nichts zu suchen!" - Wir wollen auch gar nichts in Palastina suchen.
Allein, so wenig wir Deutschen in Palastina etwas zu suchen haben, so wenig hat England in
unserem deutschen Lebensraum etwas zu suchen!
Und wenn man nun erklart, daB es sich hier um allgemeine Rechts- und Gesetzesfragen
handele, so konnte ich diese Meinung nur dann gelten lassen, wenn man sie als allgemein
verpflichtend betrachten wiirde. Man sagt, wir hatten kein Recht, dieses oder jenes zu tun. Ich
mochte die Gegenfrage erheben: Welches Recht - um nur ein Beispiel zu erwahnen - hat
England in Palastina, Araber niederzuschieBen, nur, weil sie fur ihre Heimat eintreten? Wer
gibt ihm das Recht?
Wir haben jedenf alls in Mitteleuropa nicht Tausende abgeschlachtet, sondern wir haben
unsere Probleme in Ruhe und in Ordnung geregelt!
Allerdings, eines mochte ich hier aussprechen: Das deutsche Volk von heute, das Deutsche
Reich von jetzt, sie sind nicht gewillt, Lebensinteressen preiszugeben, sie sind auch nicht
gewillt, aufsteigenden Gefahren tatenlos gegenuberzutreten!
Wenn die Alliierten einst ohne Rucksicht auf ZweckmaBigkeit, auf Recht, auf Tradition oder
auch nur Vernunft die Landkarte Europas anderten, so hatten wir nicht die Macht, es zu
verhindern. Wenn sie aber vom heutigen Deutschland erwarten, daB es Trabantenstaaten,
deren einzige Aufgabe es ist, gegen Deutschland angesetzt zu werden, geduldig gewahren laBt
bis zu dem Tag, an dem dieser Einsatz sich vollziehen soil, dann verwechselt man das heutige
Deutschland mit dem Deutschland der Vorkriegszeit!
r272i Wer sich schon bereit erklart, fur diese GroBmachte die Kastanien aus dem Feuer zu
holen, muB gewartig sein, daB er sich dabei die Finger verbrennt.
Wir haben wirklich keinen HaB gegen das tschechische Volk, wir haben jahrelang
miteinander gelebt. Das wissen die englischen Staatsmanner nicht. Sie haben keine Ahnung
davon, daB der Hradschin nicht von einem Englander, sondern von Deutschen erbaut wurde,
und daB der St. Veits-Dom gleichfalls nicht von Englandern, sondern von deutscher Hand
errichtet wurde.
Auch Franzosen waren dort nicht tatig. Sie wissen nicht, daB schon in einer Zeit, in der
England noch sehr klein war, einem deutschen Kaiser auf diesem Berg gehuldigt wurde, daB
schon 1 .000 Jahre vor mir dort der erste deutsche Konig stand und die Huldigungen dieses
Volkes entgegennahm. Das wissen die Englander nicht, das konnen sie auch nicht und
brauchen sie auch nicht zu wissen.
Es geniigt, daB wir es wissen und daB es so ist, daB seit einem Jahrtausend dieses Gebiet im
Lebensraum des deutschen Volkes liegt. Wir hatten aber trotzdem nichts gegen einen
unabhangigen tschechischen Staat gehabt, wenn er 1. nicht Deutsche unterdriickt und wenn er
2. nicht das Instrument eines kommenden Angriffs gegen Deutschland hatte sein sollen.
Wenn aber ein franzosischer friiherer Luftfahrtminister in einer Zeitung schreibt, daB es die
Aufgabe dieser Tschechei auf Grand ihrer hervorragenden Lage sei, im Kriege Deutschlands
Industrie durch Luftangriffe ins Herz zu treffen, dann wird man verstehen, daB das fur uns
nicht ohne Interesse ist und daB wir dann daraus bestimmte Konsequenzen ziehen.
Es ware an England und Frankreich gewesen, diese Luftbasis zu verteidigen. An uns lag es
jedenfalls, zu verhindern, daB ein solcher Angriff stattfinden konnte. Ich habe geglaubt, dies
auf einem naturlichen und einfachen Wege zu erreichen. Erst als ich sah, daB jeder derartige
Versuch zum Scheitern bestimmt war und daB die deutschfeindlichen Elemente wieder die
Oberhand gewinnen wiirden, und als ich weiter sah, daB dieser Staat seine innere
Lebensfahigkeit langst verloren hatte, ja, daB er bereits zerbrochen war, da habe ich das alte
deutsche Recht wieder durchgesetzt, und ich habe wieder vereint, was durch Geschichte und
geographische Lage und nach alien Regeln der Vernunft vereint werden muBte.
Nicht um das tschechische Volk zu unterdrucken! Es wird mehr Freiheit haben, als die
bedruckten Volker der tugendhaften Nationen!
Ich habe, so glaube ich, damit dem Frieden einen groBen Dienst erwiesen, denn ich habe ein
Instrument, das bestimmt war, im Krieg wirksam zu werden gegen Deutschland, bei Zeiten
wertlos gemacht.
Wenn man nun sagt, daB dieses das Signal sei dafiir, daB Deutschland nun die ganze Welt
angreifen wollte, so glaube ich nicht, daB man so etwas im Ernst meint; das konnte nur der
Ausdruck des allerschlechtesten Gewissens sein. Vielleicht ist es der Zorn liber das MiBlingen
eines weit gesteckten Planes, vielleicht glaubt man damit die taktische Voraussetzung zu
schaffen fur die neue Einkreisungspolitik? Wie dem aber auch sei: Ich bin der Uberzeugung,
daB ich damit dem Frieden einen groBen Dienst erwiesen habe.
Und aus dieser Uberzeugung heraus habe ich mich auch vor drei Wochen entschlossen, dem
kommenden Parteitag den Namen "Parteitag des Friedens" zu geben. Denn Deutschland denkt
nicht daran, andere Volker anzugreifen.
r273i Worauf wir aber nicht verzichten wollen, ist der Ausbau unserer wirtschaftlichen
Beziehungen. Dazu haben wir ein Recht, und ich nehme dazu von keinem europaischen oder
auBereuropaischen Staatsmann Vorschriften entgegen.
Das Deutsche Reich ist nicht nur ein groBer Produzent, sondern auch ein ungeheurer
Konsument. Wie wir als Konsument ein unersetzbarer Handelspartner werden, so sind wir als
Produzent geeignet, das, was wir konsumieren, auch ehrlich und reell zu bezahlen.
Wir denken nicht daran, andere Volker zu bekriegen, allerdings unter der Voraussetzung, daB
auch sie uns in Ruhe lassen. Das Deutsche Reich ist aber jedenfalls nicht bereit, eine
Einschuchterung oder auch nur Einkreisungspolitik auf die Dauer hinzunehmen.
Ich habe einst ein Abkommen mit England abgeschlossen, das Flottenabkommen. Es basiert
auf dem heiBen Wunsch, den wir alle besitzen, nie in einen Krieg gegen England ziehen zu
miissen. Dieser Wunsch kann aber nur ein beiderseitiger sein. Wenn in England dieser
Wunsch nicht mehr besteht, dann ist die praktische Voraussetzung fur dieses Abkommen
damit beseitigt.
Deutschland wiirde auch das ganz gelassen hinnehmen! Wir sind deshalb so selbstsicher, weil
wir stark sind, und wir sind stark, weil wir geschlossen sind und weil wir auBerdem sehend
sind!
Nr. 282
Der Staatssekretar des Auswartigen Amts
an den Deutschen Botschafter in Warschau
Telegramm
Berlin, den 3. April 1939
Beistandserklarung Britischer Regierung an Polen, die Chamberlain am 3 1 . Marz im
Unterhaus bekanntgegeben hat,— ist nach ihrem Wortlaut nur vorlaufiger Natur. Sie soil
britische Haltung wahrend der Zwischenzeit klarstellen, die noch benotigt werde, um
englische Konsultationen mit anderen Regierungen zu abschlieBendem Ergebnis zu fiihren.
Da Britische Regierung sich selbst genotigt gesehen hat, Geriichte von bevorstehendem
deutschen Angriff auf Polen als ungerechtfertigt zu dementieren, ist die vorweg erfolgte
Abgabe der Beistandserklarung fur Polen in keiner Weise durch auBenpolitische Lage
gerechtfertigt gewesen, vielmehr aus dem Bedurfnis Englischer Regierung zu erklaren, der
Welt und ihrer eigenen schon ungeduldig gewordenen offentlichen Meinung ein erstes
Ergebnis der emsigen diplomatischen Bemuhungen darzubieten, mit denen Foreign Office am
18. Marz begonnen hat.
Was unsererseits zu britischem Einkreisungsversuch und zu den Gefahren zu sagen ist, die die
Staaten laufen, welche sich dazu hergeben, ist bereits in der Rede, die der Fiihrer am
Sonnabend in Wilhelmshaven gehalten hat, zum Ausdruck gekommen.
Weizsacker
12741
Nr. 283
Rede des Britischen Premierministers Chamberlain
im Unterhaus, 3. April 1939
Auszug
(Ubersetzung)
Wenn, wie ich hoffe, das Ergebnis dieser Aussprache das ist, darzutun, daB grundsatzlich
und im allgemeinen dieses Haus einmutig die Erklarung billigt, die ich am Freitag abgegeben
habe,— und daB es einig und entschlossen ist, alle MaBnahmen, die zur Wirksammachung
dieser Erklarung notig sein mogen, zu ergreifen, so kann die Aussprache einen sehr groBen
Nutzen haben. Die von mir am Freitag abgegebene Erklarung ist mit einem sehr geschickten
und deshalb weithin ubernommenen Ausdruck als Deckungszusage bezeichnet worden, die im
voraus vor dem vollstandigen Versicherungsschein ausgegeben worden sei. Ich selbst betonte
nachdriicklich ihren voriibergehenden oder zeitweiligen Charakter, und ihre Bezeichnung als
Deckungszusage ist durchaus nicht schlecht, soweit ein solcher Vergleich zutreffen kann; aber
ich glaube, daB dieser Vergleich ganz und gar unvollstandig in folgendem Punkte ist:
Wahrend naturgemaB die Ausgabe einer Deckungszusage in sich schlieBt, daB ihr etwas mehr
ins einzelne gehende nachfolgt, ist es gerade die Art des vollstandigen Versicherungsscheines,
die eine so ungeheure Abweichung von allem darstellt, was dieses Land bisher unternommen
hat.
Es bildet dies wirklich ein neues Moment - ich mochte sagen eine neue Epoche - in dem
Verlaufe unserer auswartigen Politik.
So weit von unseren traditionellen Ideen in dieser Hinsicht abgewichen zu sein, wie ich es
im Auftrag Seiner Majestat Regierung am Freitag getan habe, bildet in der Tat einen so
wichtigen Markstein in der britischen Politik, daB ich mit Sicherheit sagen zu konnen glaube,
daB dieser EntschluB ein Kapitel fiir sich erhalten wird, wenn es einmal zum Schreiben der
Geschichtsbucher kommt.
Das sehr ehrenwerte Mitglied hat soeben auf ein MiBverstandnis des Sinnes dieser Erklarung
angespielt. Ich gestehe, ich war selbst uberrascht, daB es hier irgendein MiBverstandnis geben
konne, denn ich glaubte, daB die Erklarung klar und deutlich fiir alle war, die sich bemliht
haben sie zu lesen. Selbstverstandlich betrifft eine Erklarung von dieser Bedeutung nicht
irgendeinen unbedeutenden kleinen Grenzzwischenfall; sie betrifft die groBen Dinge, die
sogar einem Grenzzwischenfall zugrunde liegen konnen. Wenn die Unabhangigkeit des
polnischen Staates bedroht sein sollte - und wenn sie bedroht sein wiirde, so habe ich keinen
Zweifel, daB das polnische Volk jedem Versuch hierzu Widerstand leisten wiirde - dann
besagt die Erklarung, die ich abgegeben habe, daB Frankreich und wir selbst Polen
unverzuglich zur Hilfe kommen wiirden.
.... Erst vor nicht langer Zeit habe ich meiner Ansicht dahin Ausdruck gegeben, daB man von
unserem Lande nicht verlangen solle, unbegrenzte und unbestimmte Verpflichtungen
einzugehen, die unter nicht vorauszusehenden Bedingungen wirksam werden wiirden. Diese
Ansicht halte ich noch heute aufrecht; was wir hier aber im Begriff sind zu tun, ist der Eintritt
in eine bestimmte Verbindlichkeit, die sich auf einen gewissen Eventualfall bezieht, namlich
auf den Fall, daB ein Versuch dahin unternommen werden sollte, die Welt msi mit Gewalt zu
beherrschen. Das sehr ehrenwerte Mitglied hat mit Recht gesagt, daB die Sache nicht so
enden konne, wie sie jetzt steht. Wenn diese Politik die Politik der Deutschen Regierung
ware, so ist es ganz klar, daB Polen nicht das einzige Land ware, das gefahrdet sein wiirde,
und der Politik, die uns veranlaBt hat, Polen diese Zusicherung zu geben, konnte naturlich
nicht Geniige geschehen, noch konnte sie durchgefuhrt werden, wenn wir uns auf einen
einzelnen Fall beschranken wiirden, der schlieBlich nicht der richtige Fall sein mochte. Die
kurzlichen Ereignisse haben, mit Recht oder mit Unrecht, jeden Staat, der an Deutschland
angrenzt, unglucklich, besorgt und ungewiB liber Deutschlands zukiinftige Absichten
gemacht. Wenn dies alles ein MiBverstandnis ist, wenn die Deutsche Regierung niemals
solche Gedanken gehabt hat, gut, dann ist es um so besser. In diesem Fall werden alle
Abmachungen, die getroffen werden mogen, um die Unabhangigkeit dieser Lander zu
schutzen, niemals Anwendung zu finden brauchen, und Europa konnte dann allmahlich in
einen Zustand der Ruhe zuriickfallen, in der sogar das Vorhandensein dieser Abmachungen in
Vergessenheit geraten konnte
Nr. 284
Aus der Rede des Britischen Schatzkanzlers Sir John Simon
im Unterhaus, 3. April 1939
(Ubersetzung)
.... Mit ein oder zwei Ausnahmen, die nur die allgemeine Einigkeit unterstreichen, diirfen wir
diesen Tag, an dem diese ungeheuer wichtige Erklarung von alien Teilen des Hauses
angenommen und gebilligt worden ist, als einen Markstein in unserer Geschichte bezeichnen.
Ich bin nicht geneigt, die Bedeutung der Erklarung zu verkleinern. Die Erklarung verpflichtet
uns ausdriicklich in einem Teil der Welt, in dem wir bisher von besonderen Verpflichtungen
befreit gewesen sind, und sie laBt auch Verpflichtungen in anderen Teilen der Welt
voraussehen. Sie schreibt ein Kapitel in unserer Geschichte, das uns weiter fiihrt als die Reihe
der Verpflichtungen, die mein sehr ehrenwerter Freund in einer klassischen Rede in
Leamington— aufgefuhrt hat. Wir stellen hier fest, daB das Land in seiner Gesamtheit, indem
es diesen Standpunkt einnimmt, geeinter ist als in irgendeiner anderen politischen Frage der
Gegenwart. Dies ist eine uberaus gewaltige Tatsache, der wir alle uns kunftig zu erinnern
Gelegenheit haben werden, und ich betrachte es als unser aller Pflicht, diesen Wechsel nicht
irgendwie zu verkleinern, sondern ihn in dem vollen Umfang seiner Anwendung zu wiirdigen
und anzuerkennen. Die Erklarung verkiindet einen endgliltigen Kurs des Handelns, wenn
Handeln notwendig sein wird, und von dieser Entscheidung kann man nicht nach riickwarts
blicken.
Es ist die allerernsteste Verpflichtung, weil sie nicht etwa nur die Moglichkeit eines Krieges
aus AnlaB bestimmter Ereignisse androht, sondern weil sie uns in gewissen Fallen
verpflichtet, Krieg zu fiihren
12761
Nr. 285
Der Deutsche Geschaftstrager in London an das Auswartige Amt
Bericht
London, den 4. April 1939
Die englisch-franzosische Zusammenarbeit auf dem Luftgebiet ist in den letzten Wochen
durch Besprechungen auf technischem Gebiet sowie durch franzosische Generalstabsoffiziere
auf militarischem Gebiet vertieft worden. Durch den jetzt laufenden Besuch des
Franzosischen Luftministers in London durften diese Besprechungen einen gewissen
AbschluB erreichen.
Zum erstenmal verlautet, daB in einem Ernstfall der gemeinsame Oberbefehl iiber die
vereinigten Luftflotten (ahnlich wie friiher schon fiir Heer und Marine) festgelegt worden ist.
Aller Wahrscheinlichkeit soil die englische Luftwaffe die Fuhrung ubernehmen. Der
Generalstabschef der englischen Luftwaffe wird fiir den Ernstfall als gemeinsamer
Oberbefehlshaber genannt.
Gleichzeitig hiermit laufen offenbar eingehendere Besprechungen iiber die Vorbereitung und
Verwendung englischer Luftstreitkrafte auf franzosischem Boden und die Beschleunigung
und Verbreitung der franzosischen Luftindustrie mit dem deutlichen Ziel einer Angleichung
des Materials an das englische.
Im Auftrag
von Selzam
Nr. 286
Der Deutsche Geschaftstrager in London an das Auswartige Amt
Bericht
London, den 10. April 1939
Der amtliche Wortlaut der Unterhauserklarung Chamberlains vom 6. April liber die
Verhandlungen der Britischen Regierung mit dem Polnischen AuBenminister liegt nunmehr
vor. Der Premierminister erklarte auf Anfrage des Labourabgeordneten Greenwood
folgendes:
"Ich bin in der Lage, dem Haus folgenden Bericht iiber die Besprechungen mit dem
Polnischen AuBenminister zu geben. Der Bericht ist von Herrn Beck im Namen der
Polnischen Regierung und vom Staatssekretar des AuBern und mir im Namen Seiner Majestat
Regierung gemeinsam verfaBt worden. Die Besprechungen mit Herrn Beck haben sich auf ein
weites Feld bezogen und gezeigt, daB unsere beiden Regierungen sich iiber gewisse
allgemeine Grundsatze einig sind.
Es wurde verabredet, daB unsere beiden Lander bereit sein werden, ein dauerndes und
wechselseitiges Abkommen zu schlieBen, um die gegenwartige zeitweilige und einseitige
Zusicherung Seiner Majestat Regierung an die Polnische Regierung— zu ersetzen. In
Erwartung des Abschlusses dieses dauernden Abkommens gab Herr Beck Seiner Majestat
Regierung die Zusicherung ab, daB sich die Polnische Regierung flir verpflichtet halte, Seiner
Majestat wt\ Regierung unter den gleichen Voraussetzungen Unterstutzung zu gewahren, wie
sie in der zeitweiligen Zusicherung Seiner Majestat Regierung an Polen bereits enthalten sind.
Ebenso wie die zeitweilige Zusicherung wurde das dauernde Abkommen nicht gegen
irgendein anderes Land gerichtet, sondern dazu bestimmt sein, GroBbritannien und Polen eine
wechselseitige Unterstutzung im Fall irgendeiner unmittelbaren oder mittelbaren Bedrohung
der Unabhangigkeit des einen oder anderen Staates zu gewahren. Es wurde anerkannt, daB
gewisse Punkte, einschlieBlich einer genaueren Umschreibung der verschiedenen Ursachen,
aus denen die Notwendigkeit einer solchen Unterstutzung entstehen konnte, ein griindlicheres
Studium erfordern, bevor das dauernde Abkommen vervollstandigt werden kann.
Wohlverstanden sollen die obenerwahnten Abkommen keine von den beiden Regierungen
daran hindern, mit anderen Landern im allgemeinen Interesse der Festigung des Friedens
Abkommen abzuschlieBen."
Greenwood fragte den Premierminister weiterhin, ob die Britische Regierung nach
Beendigung der Verhandlungen mit Oberst Beck beabsichtige, ihren gesamten EinfluB dafiir
einzusetzen, daB gleiche gegenseitige Vereinbarungen zwischen der Franzosischen und der
Polnischen Regierung zustande kamen, ferner fragte Greenwood, ob der Premierminister
weiterhin beabsichtige, beschleunigt auf jenes breitere Bundnissystem (basis of association)
hinzuarbeiten, welches die Opposition flir wesentlich und grundlegend halte. Der
Premierminister antwortete auf diese Frage wie folgt:
"Was die erste Frage betrifft, so glaube ich, daB die bereits bestehenden Abmachungen
zwischen Polen und Frankreich praktisch den Vereinbarungen ahnlich sind, deren AbschluB
die Polnische und die Britische Regierung planen. Die zweite Zusatzfrage kann ich dahin
beantworten, daB es die Absicht Seiner Majestat Regierung ist, die Konsultationen und
Mitteilungen mit anderen Regierungen, die bereits begonnen worden sind, fortzusetzen."
Der Labourabgeordnete Benn fragte den Premierminister, ob bereits daruber entschieden
worden ware, was als eine Bedrohung der polnischen Unabhangigkeit anzusehen ware. Der
Premierminister verneinte die Frage. Wie er bereits in seiner oben wiedergegebenen
Erklarung gesagt hatte, wiirde diese Frage Gegenstand weiterer Verhandlungen zwischen der
Britischen und der Polnischen Regierung bilden.
Der liberale Abgeordnete Sir P. Harris fragte den Premierminister, ob er eine Versicherung
dahingehend abgeben konne, daB in naher Zukunft Generalstabsbesprechungen mit Polen
eingeleitet werden wiirden, an denen Frankreich teilnehmen konne, und ob er ferner
versichern konne, daB wahrend dieser Verhandlungen freundschaftlicher Kontakt mit RuBland
gehalten werden wiirde. Der Premierminister beantwortete den ersten Teil der Frage dahin,
daB er eine so spezifische Zusicherung nicht abgeben konne; der Fragesteller konne jedoch
sicher sein, daB, wenn das englisch-polnische Abkommen geschlossen sei oder wahrend es
geschlossen werde, die Britische Regierung alle Schritte ergreifen wiirde, die ihr notwendig
erschienen, um das Abkommen wirksam zu machen. Auf den zweiten Teil der Anfrage
antwortete der Premierminister, daB Lord Halifax in enger Verbindung mit dem
Sowjetrussischen Botschafter stehe (keeping in close touch).
Der konservative Abgeordnete Boothby fragte, mit welchen anderen Regierungen
Besprechungen gepflogen wiirden. Der Premierminister antwortete, mm daB mit einer Anzahl
anderer Regierungen Besprechungen begonnen worden waren; damit sei jedoch nicht gesagt,
daB die Verhandlungen sich nur auf diese Regierungen beschranken wiirden.
Der Labourabgeordnete Noel Baker fragte schlieBlich, ob der Staatssekretar fur Auswartige
Angelegenheiten wahrend der Osterferien mit der Sowjetrussischen Regierung in Verbindung
bleiben werde. Chamberlain antwortete, er ware sicher, daB Lord Halifax in enger Verbindung
mit dem Sowjetrussischen Botschafter zu bleiben beabsichtige; er wolle ihn aber nicht darauf
festlegen, daB er den Sowjetrussischen Botschafter nun jeden Tag sehen werde.
Eine weitere zusatzliche Anfrage, ob die Regierung der Vereinigten Staaten iiber die
Besprechungen voll auf dem laufenden gehalten wiirde, bejahte der Premierminister.
In der Oberhaussitzung vom 6. April erkundigte sich Lord Cecil im Hinblick auf die
Unterhauserklarung Chamberlains vom 31. Marz (Garantieerklarung zugunsten Polens), ob
die Frage, ob die Unabhangigkeit Polens bedroht sei, bei Polen oder bei der Britischen
Regierung liege. Lord Plymouth gab daraufhin folgende Erklarung ab:
"Es ist selbstverstandlich, daB, wenn Polen selbst nicht seine Unabhangigkeit als gefahrdet
erachtet, es nicht Sache eines anderen Landes sein kann, eine gegenteilige Ansicht zu
vertreten. Da hier Entscheidungen so ernsten Charakters in Frage stehen, unterliegt es keinem
Zweifel, daB die Polnische Regierung Seiner Majestat Regierung vollstandig iiber die
Entwicklung auf dem laufenden halten wird. Aber es ist unwahrscheinlich, daB irgendwelche
Meinungsverschiedenheiten entstehen wiirden, da die Politik der beiden Regierungen -
namlich Widerstand gegen einen Herrschaftsanspruch durch Gewalt - identisch ist."
Im Auftrag
von Selzam
Nr. 287
Der Reichsminister des Auswartigen
an verschiedene Deutsche Diplomatische Missionen in Europa
Telegramm
Berlin, den 12. April 1939
Wie dort bekannt ist, setzt die Britische Regierung im Einvernehmen mit der Franzosischen
ihre sich gegen Deutschland und Italien richtenden Einkreisungsbestrebungen fort. Von einer
Demarche in dieser Angelegenheit bitte ich abzusehen. Bei sich ergebenden Gesprachen bitte
ich, sich in folgendem Sinne zu auBern:
Wir erwarteten, daB sich nicht weitere Staaten auf den englischen Bauernfang einlassen
werden. Sollten sich weitere Regierungen finden, die trotzdem auf die englischen
Verlockungsversuche hereinfallen, so wiirden wir dies im Interesse der in Frage kommenden
Staaten selbst bedauern. Wir wiirden jede Teilnahme oder Verbindung mit derartigen
Kombinationen als gegen uns gerichtet ansehen und uns dementsprechend einstellen. Sie
konnen in diesem ma Zusammenhang an das Wort des Fuhrers aus seiner Wilhelmshavener
Rede vom 1 . April erinnern, wo es heiBt: "Wer sich schon bereit erklart, fur diese GroBmachte
die Kastanien aus dem Feuer zu holen, muB gewartig sein, daB er sich dabei die Finger
verbrennt!"
Im ubrigen bitte ich, die ganze Angelegenheit in Gesprachen mit groBer Gelassenheit zu
behandeln und die nervose Geschaftigkeit, mit der die Englander andere Staaten fiir ihre
Zwecke einzuspannen versuchen, gebuhrend zu kennzeichnen.
Ribbentrop
Nr. 288
Der Deutsche Geschaftstrager in London an das Auswartige Amt
Telegramm
London, den 13. April 1939
Die Garantieerklarung zugunsten Griechenlands und Rumaniens in der heutigen
Unterhausrede des Premierministers hat gemaB Reuter folgenden Wortlaut:
"Seiner Majestat Regierung glaubt, daB sie eine Pflicht erfullt und einen Dienst leisten kann,
indem sie iiber ihre Stellung fiir niemanden einen Zweifel laBt. Ich benutze die Gelegenheit,
im Namen Seiner Majestat Regierung zu erklaren, daB Seiner Majestat Regierung den groBten
Wert darauf legt, jeder durch Gewalt oder durch Gewaltandrohung in bezug auf den Status
quo im Mittelmeer und auf der Balkanhalbinsel bewirkten Anderung vorzubeugen. Folglich
hat Seiner Majestat Regierung, unter Beriicksichtigung der besonderen Unruhen, die im Zuge
der Ereignisse der letzten Wochen entstanden sind, Rumanien und Griechenland die
besondere Zusicherung gegeben, daB sich Seiner Majestat Regierung im Fall einer Aktion, die
die Unabhangigkeit Rumaniens oder Griechenlands offensichtlich bedroht und der gegeniiber
es nach Auffassung der Rumanischen oder der Griechischen Regierung in deren
Lebensinteresse liegt, ihr mit alien nationalen Streitkraften Widerstand zu leisten, sich flir
verpflichtet halt, ihr unverziiglich jede in ihrer Macht liegende Unterstutzung zu gewahren.
Wir werden diese Erklarung den unmittelbar betroffenen Regierungen sowie anderen,
besonders der Tiirkei, mitteilen, deren enge Beziehungen zur Griechischen Regierung bekannt
sind. Wie ich hore, wird die Franzosische Regierung heute nachmittag eine ahnliche
Erklarung abgeben. Ich brauche nicht hinzuzufugen, daB die Regierungen der Dominions wie
stets von alien Vorgangen laufend unterrichtet werden."
Kordt
T2801
Nr. 289
Der Deutsche Geschaftstrager in London an das Auswartige Amt
Telegramm
London, den 14. April 1939
1. Chamberlain und Halifax haben mit ihren gestrigen Erklarungen verstanden, die sich im
Lande breit machenden Besorgnisse zu zerstreuen, daB die Britische Regierung von ihrem
neuen Kurs wieder abweichen konnte. Hierbei spielte eine wesentliche Rolle die Tatsache,
daB sowohl Eden als auch Churchill sich grundsatzlich zu Chamberlain bekannten.
Ausflihrungen der Oppositionsredner und allem sonstigen Gerede iiber eine akute
Chamberlain-Krise wurde damit die Spitze abgebrochen. Stellung Kabinetts ist gefestigt. Es
ist nicht ausgeschlossen, daB Churchill und Eden in Kabinett hereingenommen werden,
besonders wenn italienische Zusage Ruckzugs der Freiwilligen aus Spanien nach
Siegesmarsch nicht eingehalten werden sollte.
2. Kritik an Chamberlains Politik gegeniiber Italien tritt neben der Forderung in den
Hintergrund, RuBland starker heranzuziehen. Hier ist besonders bemerkenswert gestrige
Debatte im Oberhaus, das noch bis vor kurzem jede Annaherung an RuBland scharfstens
ablehnte. Beachtenswert sind in diesem Zusammenhang ferner die Ausflihrungen von Sir
John Simon im Unterhaus, die erkennen lassen, daB man auch weiterhin bemiiht bleibe, eine
Losung zu finden, um RuBland unter Beriicksichtigung der bekannten polnischen und
rumanischen Wunsche in irgendeiner Form in das sogenannte "System zur Sicherung des
Friedens gegen Aggression" einzuschalten.
Kordt
Aninerfeumgtfi:
165 Vgl. Nr. 279 . ...zuruck...
166 Vgl. Nr. 279 . ...zuruck...
167 Gemeint ist die Rede des damaligen Britischen AuBenministers Eden in Leamington vom
20. November 1936, in der die britischen Verpflichtungen flir den Kriegsfall umrissen
wurden. ...zuruck...
168 Vgl. Nr. 279 . ...zuruck...
Zweites Kapitel (Fo rts. )
Die Englische Kriegspolitik
C. Die Britische Einkreisungspolitik
seit Februar 1939
Nr. 290
Die Deutsche Botschaft in Paris an das Auswartige Amt
Telegramm
Paris, den 15. April 1939
Havas-Special meldet liber Chamberlain-Daladier-Erklarungen und anschlieBende
Verhandlungen folgendes:
"Wie schon gestern, legt man heute abend in zustandigen Kreisen Wert darauf, festzustellen,
daB die franzosisch-englischen Erklarungen nicht das Endergebnis der zur Zeit im Gang
befindlichen Verhandlungen darstellen. In dem allgemeinen diplomatischen Plane, der an dem
auf den deutschen Gewaltstreich gegen die Tschecho-Slowakei folgenden Tages - in Hinsicht
auf die Errichtung eines gegenseitigen Beistandssystems auf der Basis zweiseitiger Pakte
zwischen den groBen Demokratien des Westens und den befreundeten Machten Osteuropas -
ins Werk gesetzt wurde, bedeutet die Stellungnahme der Regierungen von London und Paris
nur einen Schritt zur Uberbriickung einer Zeit des Ubergangs, in Erwartung des endgultigen
Abschlusses der in Vorbereitung befindlichen diplomatischen Vertragswerke.
Die Besprechungen zwischen den verschiedenen beteiligten Kanzleien dauern also an.
Lebhafter Meinungsaustausch findet im Augenblick insbesondere zwischen Bukarest und
Warschau statt, und man hat das Empfinden, daB die dabei vor einiger Zeit aufgetauchten
Schwierigkeiten nunmehr uberwunden werden konnen.
12811 In gleich befriedigender Weise nehmen die Verhandlungen mit der UdSSR ihren
Fortgang; sie bezwecken die Abgrenzung der Mitarbeit, die die Sowjetunion im Rahmen des
im Aufbau befindlichen Beistandssystems zu leisten gewillt ist.
Was die Tiirkei anbetrifft, so glaubt man zu wissen, daB die Verhandlungen in Kiirze zum
AbschluB kommen werden. Jedenfalls weiB man noch nicht, welche konkrete Form die
Verpflichtungen zwischen der Tiirkei einerseits und GroBbritannien und Frankreich
andererseits annehmen werden.
Was Bulgarien angeht, hat man den Eindruck, daB die sich im Gefolge der kiirzlichen
Ereignisse auBernde Unruhe sehr wohl zu einer Annaherung Sofias an die Machte der Balkan-
Entente fiihren konnte."
Botschaft
Nr. 291
Der Deutsche Gesandte in Bukarest an das Auswartige Amt
Telegramm
Bukarest, den 15. April 1939
Erfahre zuverlassig, daB England nach rumanischer Absage, Viermachtepakt England-
Frankreich-Polen-Rumanien als System Einkreisungspolitik gegen Deutschland zu schlieBen,
versucht hat, Rumanien zu bestimmen, rumanisch-polnisches Biindnis, das gegen
SowjetruBland gerichtet ist, contra omnes auszudehnen, was Rumanien abgelehnt hat.
Fabricius
Nr. 292
Erklarung des Britischen Premierministers Chamberlain
im Unterhaus, 18. April 1939
(Ubersetzung)
Mr. Mander fragte den Premierminister, welche Generalstabsbesprechungen mit Landern,
denen gegenuber wir militarische Verpflichtungen eingegangen seien, vereinbart worden oder
geplant seien?
Der Premierminister: "Die Regierung Seiner Majestat wird in militarischen wie auch in
anderen Angelegenheiten mit den in Frage kommenden Landern jede notwendige
Fuhlungnahme aufrechterhalten."
Mr. Mander: "Ist es nicht von groBter Bedeutung, daB solche Besprechungen auch mit Polen,
Rumanien und Griechenland stattfinden? Und kann der sehr ehrenwerte Herr eine
Versicherung abgeben, daB solche Besprechungen tatsachlich stattfinden?"
Der Premierminister: "Das ehrenwerte Mitglied muB sich mit der Versicherung, die ich ihm
soeben gegeben habe, zufriedengeben".
T2821
Nr. 293
Aufzeichnung des Staatssekretars des Auswartigen Amts
Berlin, den 26. April 1939
Der Britische Botschafter, der heute in das Auswartige Amt kam, urn die
Dienstpflichterklarung Chamberlains anzukiindigen,— machte mir bei seinem Besuch u.a. die
folgenden Ausfiihrungen:
Die Politik Chamberlains sei die des Friedens; doch glaube Chamberlain, das beste Mittel zur
Friedensbewahrung liege in einer unzweifelhaften Demonstration der englischen Bereitschaft,
wenn notig, zu kampfen und sich gegen einen Angriff zu verteidigen. Die Britische Regierung
sei jedoch wie immer entschlossen, alles in ihrer Macht Liegende zu tun, um den Frieden zu
bewahren und unter Vermeidung des Krieges eine befriedigende Losung der Schwierigkeiten
zu suchen. Die Regierung bestreite nicht, daB Probleme vorliegen; sie sei aber uberzeugt, daB
diese ohne Weltkrieg gelost werden konnten. Die Regierung habe keinerlei aggressive
Absichten und wolle sich auch nicht durch andere in Angriffshandlungen hineinziehen lassen.
Wenn sie sich offentlich bereit erklart habe, Angriffshandlungen Dritter in gewissen
spezifizierten Fallen entgegenzutreten, so sei dies geschehen in der Hoffnung, Zwischenfalle
zu vermeiden, die zum Krieg flihren konnten, in keiner Weise aber, um etwa Italien oder
Deutschland einzukreisen oder zu bedrohen.
Auf diese formulierte Mitteilung Hendersons erwiderte ich ganz kurz mit der Bemerkung, daB
wir die Britische Regierung nach ihren Taten und nicht nach ihren Worten beurteilten. Es
hatte auch keinen Sinn, meinerseits mich in Argumenten zu ergehen, wo der Fiihrer doch
ubermorgen sprechen werde - die Fuhrerrede sei bereits im Druck -; nur einer Bemerkung
konne ich mich nicht enthalten: die britische Garantie an Polen sei gewiB das geeignetste
Mittel, um die polnischen untergeordneten Instanzen in ihrer Bedriickung der dortigen
Deutschen zu ermutigen. Sie beuge also nicht vor, sondern provoziere geradezu Zwischenfalle
in diesem Gebiet.
Weizsacker
Nr. 294
Memorandum der Reichsregierung
an die Koniglich Britische Regierung, 28. April 1939
Als die Deutsche Regierung im Jahre 1935 der Koniglich Britischen Regierung das Angebot
machte, durch einen Vertrag die Starke der deutschen Flotte in ein bestimmtes Verhaltnis zu
der Starke der Seestreitkrafte des Britischen Reiches zu bringen, tat sie dies auf Grand der
festen Uberzeugung, daB flir alle Zeiten die Wiederkehr eines kriegerischen Konfliktes
zwischen Deutschland und GroBbritannien ausgeschlossen sei.
Indem sie durch das Angebot des Verhaltnisses 100:35 freiwillig den Vorrang der britischen
Seeinteressen anerkannte, glaubte sie mit diesem in der Geschichte der GroBmachte wohl
einzig dastehenden Entschlusse einen Schritt zu tun, der dazu fiihren wiirde, flir alle Zukunft
ein freundschaftliches Verhaltnis zwischen den beiden Nationen zu begrlinden.
Selbstverstandlich setzte dieser Schritt der Deutschen Regierung voraus, daB die Koniglich
Britische r283i Regierung auch ihrerseits zu einer politischen Haltung entschlossen sei, die eine
freundschaftliche Gestaltung der deutsch-englischen Beziehungen sicherstellte.
Auf dieser Grundlage und unter diesen Voraussetzungen ist das deutsch-englische
Flottenabkommen vom 18. Juni 1935 zustande gekommen. Das ist von beiden Seiten beim
AbschluB des Abkommens ubereinstimmend zum Ausdruck gebracht worden. Ebenso haben
noch im vorigen Herbst, nach der Konferenz von Miinchen, der Deutsche Reichskanzler und
der Britische Ministerprasident in der von ihnen unterzeichneten Erklarung feierlich bestatigt,
daB sie das Abkommen als symbolisch flir den Wunsch beider Volker ansahen, niemals
wieder Krieg gegeneinander zu fiihren.
Die Deutsche Regierung hat an diesem Wunsche stets festgehalten und ist auch heute noch
von ihm erfullt. Sie ist sich bewuBt, in ihrer Politik dementsprechend gehandelt und in keinem
Falle in die Sphare englischer Interessen eingegriffen oder diese Interessen sonstwie
beeintrachtigt zu haben. Dagegen muB sie zu ihrem Bedauern feststellen, daB sich die
Koniglich Britische Regierung neuerdings von der Linie einer entsprechenden Politik
gegenuber Deutschland immer weiter entfernt.
Wie die von ihr in den letzten Wochen bekanntgegebenen politischen EntschlieBungen und
ebenso die von ihr veranlaBte deutschfeindliche Haltung der englischen Presse deutlich
zeigen, ist flir sie jetzt die Auffassung maBgebend, daB England, gleichviel in welchem Teil
Europas Deutschland in kriegerische Konflikte verwickelt werden konnte, stets gegen
Deutschland Stellung nehmen mlisse, und zwar auch dann, wenn englische Interessen durch
einen solchen Konflikt uberhaupt nicht beriihrt werden.
Die Koniglich Britische Regierung sieht mithin einen Krieg Englands gegen Deutschland
nicht mehr als eine Unmoglichkeit, sondern im Gegenteil als ein Hauptproblem der
englischen AuBenpolitik an.
Mit dieser Einkreisungspolitik hat die Koniglich Britische Regierung einseitig dem
Flottenabkommen vom 18. Juni 1935 die Grundlage entzogen und dadurch dieses Abkommen
sowie die zu seiner Erganzung vereinbarte "Erklarung" vom 17. Juli 1937 auBer Kraft gesetzt.
Das gleiche gilt auch flir den Teil III des deutsch-englischen Flottenabkommens vom 17. Juli
1937, in dem die Verpflichtung zu einem zweiseitigen deutsch-englischen
Nachrichtenaustausch festgelegt worden ist. Die Durchflihrung dieser Verpflichtung setzt
naturgemaB voraus, daB zwischen beiden Partnern ein offenes Vertrauens verhaltnis besteht.
Da die Deutsche Regierung ein solches Verhaltnis zu ihrem Bedauern nicht mehr als gegeben
ansehen kann, muB sie auch die Bestimmungen des erwahnten Teiles III als hinfallig
geworden bezeichnen.
Von diesen der Deutschen Regierung gegen ihren Willen aufgezwungenen Feststellungen
bleiben die qualitativen Bestimmungen des deutsch-englischen Abkommens vom 17. Juli
unberiihrt. Die Deutsche Regierung wird diese Bestimmungen auch in Zukunft beachten und
so ihren Teil dazu beitragen, daB ein allgemeiner unbeschrankter Wettlauf in den
Seeriistungen der Nationen vermieden wird.
Dariiber hinaus wird die Deutsche Regierung, falls die Koniglich Britische Regierung Wert
darauf legt, mit Deutschland liber die hier in Betracht kommenden Probleme erneut in
Verhandlungen einzutreten, dazu gern bereit sein. Sie wiirde es begriiBen, wenn es sich dann
als moglich erwiese, auf sicherer Grundlage zu einer klaren und eindeutigen Verstandigung zu
gelangen.
12841
Nr. 295
Rede des Fuhrers vor dem Deutschen Reichstag, 28. April 1939
Auszug
Ich habe wahrend meiner ganzen politischen Tatigkeit immer den Gedanken der
Herstellung einer engen deutsch-englischen Freundschaft und Zusammenarbeit
vertreten. Ich fand in meiner Bewegung ungezahlte gleichgesinnte Menschen. Vielleicht
schlossen sie sich mir auch wegen dieser meiner Einstellung an. Dieser Wunsch nach einer
deutsch-englischen Freundschaft und Zusammenarbeit deckt sich nicht nur mit meinen
Gefuhlen, die sich aus der Herkunft unserer beiden Volker ergeben, sondern auch mit meiner
Einsicht in die im Interesse der ganzen Menschheit liegende Wichtigkeit der Existenz des
Britischen Weltreiches.
Ich habe niemals einen Zweifel dariiber gelassen, daB ich im Bestande dieses Reiches einen
unschatzbaren Wertfaktor fur die ganze menschliche Kultur und Wirtschaft sehe. Wie immer
auch GroBbritannien seine kolonialen Gebiete erworben hat - ich weiB, es geschah dies alles
durch Gewalt und sehr oft durch brutalste Gewalt -, so bin ich mir doch dariiber im klaren,
daB kein anderes Reich auf anderem Wege bisher entstanden ist und daB letzten Endes vor der
Weltgeschichte weniger die Methode als der Erfolg gewertet wird, und zwar nicht im Sinne
des Erfolges der Methode, sondern des allgemeinen Nutzens, der aus einer solchen Methode
entsteht.
Das angelsachsische Volk hat nun ohne Zweifel eine unermeBliche kolonisatorische Arbeit
auf dieser Welt vollbracht. Dieser Arbeit gehort meine aufrichtige Bewunderung. Der
Gedanke an eine Zerstorung dieser Arbeit erschiene und erscheint mir von einem hoheren
menschlichen Standpunkt aus nur als ein AusfluB menschlichen Herostratentums. Allein
dieser mein aufrichtiger Respekt vor dieser Leistung bedeutet nicht einen Verzicht auf die
Sicherung des Lebens meines eigenen Volkes.
Ich halte es fur unmoglich, eine dauernde Freundschaft zwischen dem deutschen und dem
angelsachsischen Volk herzustellen, wenn nicht auch auf der anderen Seite die Erkenntnis
vorhanden ist, daB es nicht nur britische, sondern auch deutsche Interessen gibt, daB nicht nur
die Erhaltung des Britischen Weltreiches fiir die britischen Manner Lebensinhalt und
Lebenszweck ist, sondern fiir die deutschen Manner die Freiheit und Erhaltung des deutschen
Reiches ! Eine wirklich dauernde Freundschaft zwischen diesen beiden Nationen ist nur
denkbar unter der Voraussetzung der gegenseitigen Respektierung.
Das englische Volk beherrscht ein groBes Weltreich. Es hat dieses Weltreich gebildet in einer
Zeit der Erschlaffung des deutschen Volkes. Vordem war Deutschland ein groBes Weltreich.
Es beherrschte einst das Abendland. In blutigen Kampfen und religiosen Streitigkeiten sowie
aus den Grunden einer inneren staatlichen Aufsplitterung ist dieses Reich an Macht und
GroBe gefallen und endlich in tiefen Schlaf gesunken. Allein als dieses alte Reich sein Ende
zu nehmen schien, da wuchs bereits der Keim zu seiner Wiedergeburt. Aus Brandenburg und
PreuBen entstand ein neues Deutschland, das Zweite Reich, und aus ihm wurde nunmehr
endlich das deutsche Volksreich.
Es mochten nun alle Englander begreifen, daB wir nicht im geringsten das Gefiihl einer
Inferioritat den Briten gegeniiber besitzen. Dazu ist unsere geschichtliche Vergangenheit zu
gewaltig!
12851 England hat der Welt viele groBe Manner geschenkt, Deutschland nicht weniger. Der
schwere Kampf um die Lebensbehauptung unseres Volkes hat im Laufe von drei
Jahrhunderten nur in der Verteidigung des Reiches von uns Blutopfer gefordert, die weit
dariiber hinausgingen, was andere Volker flir ihre Existenz zu bringen hatten. Wenn
Deutschland als ewig angegriffener Staat dabei trotzdem seinen Besitzstand nicht zu wahren
vermochte, sondern viele Provinzen opfern muBte, dann nur infolge seiner staatlichen
Fehlentwicklung und der daraus bedingten Ohnmacht! Dieser Zustand ist nun iiberwunden.
Wir haben daher als Deutsche nicht im geringsten die Empfindung, dem britischen Volk etwa
unterlegen zu sein. Die Achtung vor uns selbst ist genau so groB wie die eines Englanders vor
England. Die Geschichte unseres Volkes hat in ihrer nunmehr fast 2.000iahrigen Dauer
Anlasse und Taten genug, um uns mit einem aufrichtigen Stolz zu erfullen.
Wenn nun England flir diese unsere Einstellung kein Verstandnis aufbringt, sondern in
Deutschland glaubt, vielleicht einen Vasallenstaat erblicken zu konnen, dann ist allerdings
unsere Liebe und unsere Freundschaft an England umsonst dargeboten worden. Wir werden
deshalb nicht verzweifeln oder verzagen, sondern wir werden dann - gestutzt auf das
BewuBtsein unserer eigenen Kraft und auf die Kraft unserer Freunde - die Wege finden, die
unsere Unabhangigkeit sicherstellen und unserer Wurde keinen Abbruch tun.
Ich habe die Erklarung des Britischen Premierministers vernommen, nach der er meint, in
Versicherungen Deutschlands kein Vertrauen setzen zu konnen. Ich halte unter diesen
Umstanden es flir selbstverstandlich, daB wir weder ihm noch dem englischen Volk weiterhin
eine Lage zumuten wollen, die nur unter Vertrauen denkbar ist.
Als Deutschland nationalsozialistisch wurde und damit seine Wiederauferstehung einleitete,
habe ich im Verfolg meiner unentwegten Freundschaftspolitik England gegeniiber von
mir aus selbst den Vorschlag einer freiwilligen Begrenzung der deutschen Seeriistung
gemacht. Diese Begrenzung setzte allerdings eines voraus, namlich den Willen und die
Uberzeugung, daB zwischen England und Deutschland niemals mehr ein Krieg moglich sein
wurde. Diesen Willen und die Uberzeugung besitze ich auch heute noch.
Ich muB aber nunmehr feststellen, daB die Politik Englands inoffiziell und offiziell keine
Zweifel dariiber laBt, daB man in London diese Uberzeugung nicht mehr teilt, sondern im
Gegenteil der Meinung ist, daB ganz gleich, in welchen Konflikt Deutschland einmal
verwickelt werden wurde, GroBbritannien stets gegen Deutschland Stellung nehmen muBte.
Man sieht also dort den Krieg gegen Deutschland als etwas Selbstverstandliches an. Ich
bedauere dies tief; denn die einzige Forderung, die ich an England stellte und immer stellen
werde, ist die nach Riickgabe unserer Kolonien. Ich lieB aber keine Unklarheit dariiber, daB
dies niemals der Grand flir eine kriegerische Auseinandersetzung sein wurde. Ich war immer
des Glaubens, daB England, flir das diese Kolonien keinen Wert haben, einmal Verstandnis
flir die deutsche Lage aufbringen wiirde und die deutsche Freundschaft dann hoher bewerten
muBte als Objekte, die keinerlei realen Nutzen fur England abwerfen, wahrend sie fur
Deutschland lebenswichtig sind.
Ich habe aber, davon abgesehen, nie eine Forderung gestellt, die irgendwie britisches Interesse
beruhrt haben wiirde oder die dem Weltreich hatte gefahrlich werden konnen und mithin fur
England irgendeinen Schaden bedeutet haben konnte. Ich habe mich immer nur im Rahmen
jener Forderungen bewegt, r286i die auf das engste mit dem deutschen Lebensraum und damit
dem ewigen Besitz der deutschen Nation zusammenhangen. Wenn nun England heute in der
Publizistik und offiziell die Auffassung vertritt, daB man gegen Deutschland unter alien
Umstanden auftreten muBte und dies durch die uns bekannte Politik der Einkreisung bestatigt,
dann ist damit die Voraussetzung flir den Flottenvertrag beseitigt. Ich habe mich daher
entschlossen, dies der Britischen Regierung mit dem heutigen Tage mitzuteilen.
Es handelt sich dabei fur uns nicht um eine materielle Angelegenheit - denn ich hoffe noch
immer, daB wir ein Wettrusten mit England vermeiden konnen -, sondern um einen Akt der
Selbstachtung. Sollte die Britische Regierung aber Wert darauf legen, mit Deutschland liber
dieses Problem noch einmal in Verhandlungen einzutreten, dann wiirde sich niemand
gliicklicher schatzen als ich, um vielleicht doch noch zu einer klaren und eindeutigen
Verstandigung kommen zu konnen.
Im ubrigen kenne ich mein Volk - und ich baue darauf. Wir wollen nichts, was uns nicht einst
gehort hat, kein Staat wird von uns in seinem Eigentum jemals beraubt werden, allein jeder,
der Deutschland glaubt angreifen zu konnen, wird eine Macht und einen Widerstand
vorfinden, gegeniiber denen die des Jahres 1914 unbedeutend waren
Nr. 296
Der Deutsche Geschaftstrager in London an das Auswartige Amt
Telegramm
London, den 29. April 1939
I. Publizitat der Rede des Fuhrers in Londoner und Provinzpresse hat ein AusmaB, wie dies
bisher noch bei keiner AuBerung fremden Staatsmannes der Fall gewesen ist.
II. Kritische Einstellung, vor allem der konservativen Blatter, ist vornehmlich darin
begriindet, daB gesetzgeberische MaBnahmen hinsichtlich Einfuhrung Wehrpflicht noch nicht
zum AbschluB gebracht sind und mithin zuversichtliche Beurteilung diese gefahrden konnte.
Eindruck, den Rede in amtlichen und politischen Kreisen gemacht hat, ist jedenfalls viel
positiver, als Presse erkennen laBt. Abgesehen von einer Mitteilung, daB GroBbritannien sich
auch bereit finden konnte, Deutschland eine Garantie gegen Angriffe zu geben, haben sich
amtliche Stellen Presse gegeniiber jeder Direktive flir Sprachfuhrung enthalten. Bezeichnend
fur tatsachlichen Eindruck ist Erklarung eines konservativen Politikers, daB Rede
hervorragende staatsmannische Leistung sei, und AuBerung eines anderen, wonach judische
Finanzkreise sehr verargert, daB Rede nicht "kriegerischen" Charakter gehabt hatte.
III. Wenn in amtlichen Kreisen auch betont wird, daB abschlieBende Beurteilung Fuhrerrede
erst nach eingehenderem Studium moglich, ist jetzt schon festzustellen, daB Aufkundigung
deutsch-englischer Flottenvereinbarung leichter genommen wird als die deutsch-polnischen
Vertrags. Andererseits ist Bekanntgabe unseres von Polen abgelehnten Angebots
psychologisch besonders geeignet, britisches Volk zu beeindrucken.
Kordt
T2871
Nr. 297
Der Deutsche Geschaftstrager in London an das Auswartige Amt
Bericht
London, den 2. Mai 1939
In der Anlage wird eine Aufzeichnung liber ein Gesprach vorgelegt, das ein
Botschaftsmitglied dieser Tage mit einem Gewahrsmann hatte.
Im Auftrag
von Selzam
Anlage
Aufzeichnung
London, den 18. April 1939
Der Gewahrsmann behauptete heute, daB die englische Zielsetzung beziiglich der Tiirkei
darauf hinausginge, sicherzustellen, daB, wenn England auf Grund der bestehenden
Verpflichtungen oder der eigenen Interessen im Mittelmeer zu kriegerischen Aktionen
veranlaBt werde, der britischen Flotte die turkische Armee zur Seite stehe. Im Fall eines
italienischen Angriffs von Lybien oder dem Dodekanes aus auf den Suezkanal wiirde die
turkische Armee den britischen oder agyptischen Streitkraften zu Hilfe kommen.
England habe das Ziel, die Tiirkei zum Schutze des ganzen Mittelmeeres in ein englisch-
franzosisch-turkisches Abkommen einzuspannen, wohingegen die Tiirkei nur bereit sei, sich
England gegenuber hinsichtlich des ostlichen Mittelmeeres zu binden.
Nr. 298
Aufzeichnung des Staatssekretars des Auswartigen Amts
Berlin, den 8. Mai 1939
Der Franzosische Botschafter machte mir heute seinen ersten Besuch nach Ruckkehr von
seinem mehrwochigen Aufenthalt in Frankreich.
Wir kamen auf die etwas stiirmische letzte Unterhaltung nicht zuriick, die wir am 18. Marz
nach der tschechischen Sache miteinander gefiihrt hatten. Vielmehr versicherte Herr
Coulondre, er sei zur Fortsetzung der Aufgabe in Berlin wieder eingetroffen, die er sich von
vornherein gestellt habe, namlich zur Befriedungsarbeit in den deutsch-franzosischen
Beziehungen. Die abgerissenen Faden freilich habe er nicht mehr in der Hand, und
insbesondere Herr Daladier habe von den Marzereignissen her noch einen recht bitteren
Geschmack im Munde. Er, Coulondre, aber werde bestimmt sein Bestes flir das deutsch-
franzosische Verhaltnis tun.
Auf Polen ubergehend fragte Coulondre nach der Moglichkeit neuer deutsch-polnischer
Konversationen. Ich habe versucht, dem Botschafter klarzumachen, daB die Haltung Becks
doch eine sehr sterile sei. Beck habe sich in seiner Antwort an uns wie ein Pascha auf einen
Stuhl gesetzt und uns freigestellt, mit ihm das Gesprach zu eroffnen, wenn wir uns nach
seinen Prinzipien richten wollten. Ich sahe bei einem solchen Verhalten keinen
Anknlipfungspunkt. mssiDer Flihrer habe seine Offerte ja auch als eine einmalige
charakterisiert. Gefahrlich schiene mir das Vorgehen der Halbgotter im westlichen Polen
gegen unsere Volksdeutschen. Hier konnten Zwischenfalle mit ernsten Folgen vorkommen.
Als Coulondre einwarf, Frankreich warne in Warschau vor solchen Dummheiten, erwiderte
ich, leider schiene mir Warschau die Zligel recht lose zu fiihren und solchen Zwischenfallen
eben nicht genligend vorzubeugen. Die Weisheit der Britischen Regierung in den letzten
Wochen sei mir nicht recht klar geworden. Die britische Garantie an Polen hieBe doch dem
unerzogenen Kinde den Zucker reichen, ehe es Vernunft angenommen habe.
Weizsacker
Nr. 299
Rede des Britischen Premierministers Chamberlain
in der Albert-Hall, London, 11. Mai 1939
Auszug
(Ubersetzung)
Ich wunsche es ebenso klar zu machen, daB wir nicht bereit sind ruhig zuzuschauen, wie
die Unabhangigkeit eines Landes nach dem anderen zerstort wird. Solche Versuche sind im
Frieden stets auf unseren Widerstand gestoBen, und gerade weil es keine Ruhe, keine
Sicherheit in Europa geben kann, ehe die Volker nicht davon uberzeugt sind, daB kein
derartiger Versuch geplant ist, haben wir diese Versicherungen an Polen, m Rumanien und
Griechenland m gegeben, die von diesen Staaten so lebhaft begruBt worden sind.
Zu dem gleichen Zwecke der Beruhigung und Stabilisierung der Lage sind wir in
Besprechungen mit anderen Landern, besonders mit RuBland und der Tiirkei, eingetreten.
Diese Besprechungen sind noch im Gange, und ich kann Ihnen daher heute keinen Bericht
liber dieselben geben. Ich mochte nur sagen, daB die Regierung Seiner Majestat ernstlich hofft
und aufrichtig wiinscht, daB sie bald zu einem erfolgreichen AbschluB gelangen mochten und
daB auf diese Weise der Sache des Friedens noch mehr gedient wird.
Es muB offenkundig sein, daB diese unsere Zusagen an verschiedene europaische Lander
unsere Verantwortlichkeiten in starkem MaBe erhoht haben und daB es deshalb notwendig ist,
daB wir uns instand setzen, diese Zusicherungen zu erfiillen. Heutzutage gehen einem Kriege
nicht langer jene vorbereitenden Abschnitte voraus, welche in friiheren Zeiten eine geniigende
Warnung flir das Herannahen des Krieges darstellten. Heute ist eine sorgfaltig vorbereitete
Uberraschung und der Blitzstrahl die erste Kriegsanzeige. Wir miissen unsere Vorbereitungen
deshalb entsprechend treffen. Andere Staaten, welche Landesgrenzen haben, befestigen diese
Grenzen, und ihre Befestigungen sind Tag und Nacht mit Verteidigungstruppen besetzt.
Unsere Befestigungen hier in England sind unser Luftschutz, und dieser ist der
Territorialarmee anvertraut.
Wir konnten inn keiner zustandigeren Truppe ubertragen. Aber wir konnen nicht verlangen,
daB die Soldaten der Territorialarmee ihre normalen Beschaftigungen aufgeben und Tag und
Nacht diesen Luftschutzdienst ausiiben. r289i Dies kann nur flir kurze Perioden und in Zeiten
eines besonderen Notstandes geschehen. Es ist deshalb notwendig, daB wir unsere
gegenwartigen Vorkehrungen erganzen und die Dienste von Mannschaften in Anspruch
nehmen, welche ziemlich lange Ausbildungsperioden durchmachen werden, damit sie die
Territorialarmee dann ablosen konnen, wenn kein dringender Notstand besteht.
Wie Sie wissen, haben wir beschlossen, einen Entwurf liber pflichtmaBige militarische
Ausbildung einzubringen, dessen Einzelheiten gegenwartig im Unterhaus erortert werden.
Im Verlauf der Erorterungen, die wir mit diesen europaischen Landern gefuhrt haben,
wurde uns klar, daB Zweifel liber den Ernst unserer Absichten bestanden. Im besonderen
konnten unsere Freunde iiberall auf dem Kontinent, die selbst seit langer Zeit die allgemeine
Wehrpflicht durchgefuhrt haben, es nicht verstehen, wie wir, wenn wir es ernst meinten,
unsere Verteidigung Freiwilligen anvertrauen konnten, Mannern, deren Zeit durch ihre
gewohnliche Beschaftigung in Anspruch genommen ist, und die, ehe nicht wirklich Krieg
ausbricht, niemals jene griindliche Ausbildung erhalten, die alien Armeen auf dem Kontinent
zuteil wird.
Wir stellten fest, daB dies Gefiihl so stark war, daB es tatsachlich den Erfolg unserer Politik,
den Aufbau einer Friedensfront zu versuchen, gefahrdete. Wir konnten uns der Uberzeugung
nicht verschlieBen, daB kein einziger Schritt unsererseits unsere Freunde so ermutigen und,
wie ich mit Absicht hinzufugen mochte, alle diejenigen, die nicht unsere Freunde sein sollten,
so beeindrucken wiirde, wie die Einfuhrung der zwangsweisen militarischen Ausbildung in
unserem Lande.
Nach Ansicht vieler Leute liegt heute der Gefahrenpunkt Europas in Danzig. Wenn auch
unsere Polen gegebenen Versicherungen klar und bestimmt sind, wenn wir auch glucklich
waren, die Streitpunkte zwischen Polen und Deutschland freundschaftlich durch Erorterungen
beseitigt zu sehen, und wenn wir auch glauben, daB sie auf diese Art bereinigt werden
konnten und muBten, so steht doch fest, daB, falls ein Versuch gemacht werden sollte, die
Lage durch Gewalt in einer solchen Weise zu andern, daB dadurch die polnische
Unabhangigheit bedroht wiirde, dies unvermeidlich zum Beginn eines allgemeinen Krieges
fiihren muBte, in den unser Land verwickelt sein wiirde
Nr. 300
Der Deutsche Botschafter in London an das Auswartige Amt
Bericht
London, den 13. Mai 1939
Aus zuverlassiger Quelle erfahre ich folgendes liber die Vorgeschichte der auBenpolitischen
Rede, die Chamberlain am vergangenen Donnerstag vor den konservativen Frauen in der
Albert Hall m gehalten hat:
Der Ministerprasident hatte urspriinglich die Absicht, die polnische Frage in seiner Rede nicht
zu beriihren. U. a. wollte er auch nichts sagen liber die Einbeziehung oder Nichteinbeziehung
Danzigs in das britische Garantieversprechen. Kurz vor der Rede habe jedoch die Polnische
Regierung in London und in 12901 Paris darauf hingewiesen, daB sich in Deutschland ein groBer
Optimismus bezliglich der Nichtbereitschaft GroBbritanniens breitmache, in einem deutsch-
polnischen Konflikt wegen Danzig ihren eingegangenen Verpflichtungen gerecht zu werden.
Die Franzosische Regierung ist kurz darauf in gleichem Sinne bei der Britischen Regierung
vorstellig geworden und hat mitgeteilt, daB Daladier in seiner auBenpolitischen Rede eine
feste Haltung fiir angebracht hielte. Auf Grund der polnischen und franzosischen
Vorstellungen hin hat Chamberlain am Donnerstag vormittag, zusammen mit Lord Halifax
und Sir Alexander Cadogan, den Passus wortlich festgelegt, in dem er die britische Haltung in
der Danziger Frage noch einmal in unmiBverstandlichen Worten klarlegte.
von Dirksen
Nr. 301
Erklarung des Britischen Premierministers Chamberlain
im Unterhaus, 12. Mai 1939
(Ubersetzung)
1. Seiner Majestat Regierung im Vereinigten Konigreich und die Tlirkische Regierung sind in
enge Beratung eingetreten, und die Erorterungen, die zwischen ihnen stattfanden und die noch
fortgesetzt werden, haben ihre herkommliche Meinungslibereinstimmung enthlillt.
2. Es wird vereinbart, daB die beiden Lander einen genau abgegrenzten langfristigen Vertrag
wechselseitigen Charakters im Interesse ihrer nationalen Sicherheit abschlieBen wollen.
3. Wahrend der Fertigstellung des endgliltigen Vertrags erklaren Seiner Majestat Regierung
und die Tlirkische Regierung, daB sie im Falle einer Angriffshandlung, die zu einem Krieg im
Mittelmeer flihrt, bereit sein wlirden, effektiv zusammenzuarbeiten und einander alle in ihrer
Macht stehende Hilfe und jeden Beistand zu leisten.
4. Diese Erklarung ist, ebenso wie der vorgeschlagene Vertrag, nicht gegen irgendein Land
gerichtet, sondern sie ist dazu bestimmt, GroBbritannien und der Tlirkei gegenseitige Hilfe
und Beistand zuzusichern, falls sich die Notwendigkeit ergeben sollte.
5. Es wird von den beiden Regierungen anerkannt, daB gewisse Dinge, einschlieBlich der
genaueren Bestimmung der verschiedenen Voraussetzungen, die die gegenseitigen
Verpflichtungen zur Wirkung bringen wiirden, eine genauere Priifung erfordern, ehe der
endgultige Vertrag fertiggestellt werden kann. Diese Priifung ist im Gange.
6. Die beiden Regierungen erkennen an, daB es ebenfalls notwendig ist, die Sicherheit auf
dem Balkan zu verbiirgen, und sie beraten zusammen mit dem Ziel, diesen Vorsatz so schnell
wie moglich auszufuhren.
7. Es wird vorausgesetzt, daB die eben erwahnten Ubereinkommen keine Regierung hindern,
mit anderen Landern Abkommen im allgemeinen Interesse der Festigung des Friedens zu
schlieBen.
8. Eine entsprechende Erklarung wird heute abend in Ankara abgegeben.—
Anmeckunaen:
K
Vgl. Nr. 251 . ...zuruck...
170 Vgl. Nr. 279 und 286. ...zuriick...
171 Vgl. Nr. 288 . ...zuriick...
172 Vgl. Nr. 299 . ...zuruck.
173 In Verfolg dieser Vereinbarung wurde am 19. Oktober 1939 in Ankara ein gegenseitiger
Beistandspakt zwischen GroB-Britannien, Frankreich und der Tiirkei abgeschlossen.
...zuruck...
Zweites Kapitel (Forts.)
Die Englische Kriegspolitik
C. Die Britische Einkreisungspolitik
seit Februar 1939
Nr. 302
Aufzeichnung des Staatssekretars des Auswartigen Amts
Berlin, den 15. Mai 1939
Nach Ubergabe einer Verbalnote betreffend das Memelgebiet leitete der Britische Botschafter
heute bei mir ein Gesprach liber die allgemeine politische Lage ein. Offensichtlich lag ihm
daran, uns klarzumachen, daB England den Krieg nicht wunsche und ihn durch einen deutsch-
polnischen Ausgleich vermeiden wolle, trotzdem aber bereit und entschlossen sei, seinem
gegebenen Wort folgend den Polen beizuspringen, wenn wir eine gewaltsame Anderung des
Besitzstandes von Danzig herbeifiihren wollten und damit Polen zum Krieg gegen uns
veranlaBten. Der Botschafter brachte dies in drei verschiedenen Einkleidungen vor. Er bestritt
mir dabei nicht meine Kritik an der seltsamen britischen Politik, die ihre Entscheidungen liber
Krieg und Frieden in die Hand der Warschauer Regierung, ja sogar in die Hand von
irgendwelchen untergeordneten polnischen Organen gelegt habe. Auch gab Henderson zu,
daB dieses Verfahren geradezu eine Pramie auf polnische Unbesonnenheiten darstelle. Er
sagte aber, unser plotzlicher Marsch auf Prag habe eben einen volligen Umschwung in
London hervorgebracht. In dieser Stimmung habe England nun einmal sein Wort gegeben und
werde es auch einlosen, nicht etwa um das deutsche Danzig den Polen zu erhalten, sondern
um Polen in einem Konflikt nicht sitzenzulassen. Henderson sagte, die offentliche Meinung in
England sei leider im Laufe seiner Amtstatigkeit in Berlin immer schlechter geworden und
jetzt sogar bereit, fiir die Polen, denen Henderson kein lobendes Attribut zuteilte, in einen
europaischen Krieg einzutreten. Henderson glaubte zu wissen, daB der Polnische
AuBenminister Beck alles andere als Krieg wunsche, denn er verspreche sich nichts Gutes fiir
Polen davon, obgleich er ebenso wie die Englische Regierung vom schlieBlichen Sieg der
britisch-franzosisch-polnischen Waffen uberzeugt ware. Dieser Krieg, fiigte Henderson an,
wiirde von Seiten der Westmachte defensiv gefuhrt werden. Man wiirde sich gegenseitig zwar
etliche Bomben in die Hauser werfen, der endliche Erfolg aber lage nach britischer
Uberzeugung nicht bei Deutschland und Italien, da die Achsenmachte den kurzeren Atem
hatten. Ich habe ihm darauf die selbstverstandliche Antwort gegeben.
Weizsacker
Nr. 303
Rede des Britischen Premierministers Chamberlain
im Unterhaus, 19. Mai 1939
Auszug
(Ubersetzung)
Die Politik, die die Regierung Seiner Majestat gegenwartig verfolgt, hat, wie dem Hause
bekannt, seit der Vereinigung Bohmens und Mahrens mit dem Deutschen Reich eine neue
Entwicklung genommen. Es ist mir nicht bekannt, ob die Deutsche Regierung selbst zu der
Zeit, als sie sich zu ihrem Vorgehen entschloB, sich iiber die gewaltigen Ruckwirkungen klar
war, die dieses Vorgehen in der Welt verursachen wiirde.
r292i Es war in Wirklichkeit zwecklos fiir die Deutsche Regierung, ableugnen zu wollen,
daB sie irgendwelche Plane gegen die Unabhangigkeit anderer Staaten hegte, weil sie durch
ihre Handlungsweise einen Verdacht erregt hatte, den sie nicht langer beschwichtigen konnte.
Wir waren der Auffassung, daB, wenn nicht ein neuer stabilisierender Faktor in die
europaische Politik eingefuhrt werden konnte, die Auflosung eines groBen Teiles Europas
unmittelbar bevorstehen konnte. Unter diesen Umstanden hielt es die Regierung Seiner
Majestat fiir ihre Pflicht, im Verein mit Frankreich einzuschreiten und den Versuch zu
machen, diesen neuen stabilisierenden Faktor zur Verfugung zu stellen. Es erwies sich als
notwendig, schnell zu handeln, weil die Furcht vor einem Angriff in bestimmten Kreisen akut
war, und wir glaubten daher, daB es nicht moglich sei zu warten, wahrend wir bemiiht waren,
ein System oder eine Kombination zum Widerstand gegen solche Angriffe zu schaffen. Wir
entschlossen uns daher selbst zu handeln, und zwar schnell, indem wir
Unterstiitzungszusicherungen da gaben, wo sie am dringendsten benotigt wurden; eine Politik,
die, wie ich glaube, allgemein gebilligt worden ist.
Aus dem, was ich gesagt habe, wird man erkennen, daB die von uns zunachst an Polen und
spater an Rumanien und Griechenland gegebenen Zusicherungen nicht das Ende der
MaBnahmen bedeuteten, die wir im Auge hatten. Es handelte sich dabei, wenn man so sagen
will, um eine erste Hilfe, die gegeben wurde, um jede weitere Verschlechterung der Lage zu
verhindern. Es ist noch erforderlich, diese Zusicherungen durch dauerhaftere Abkommen zu
verstarken und zu versuchen, von alien anderen Seiten, die dazu bereit und gewillt sind,
weitere Unterstutzung flir diese Zusicherungen zu gewinnen. Ich wiinsche, keinen Zweifel
darliber zu lassen, daB diese Politik nicht die Schaffung einander entgegengesetzter
Machtegruppierungen in Europa bezweckt, die von feindlichen Absichten gegeneinander
beseelt sind, und nicht die Ansicht gelten laBt, daB ein Krieg unvermeidlich sei.
Die Abgabe dieser Zusicherungen allein genugte nicht. Es war unsere Aufgabe, den
Versuch zu machen, andere, wie auch uns selbst, davon zu uberzeugen, daB wir in der Lage
seien, diese Zusicherungen zu erfullen. Das war nicht nur im Interesse des Vertrauens
derjenigen, denen Zusicherungen gegeben wurden, sondern auch flir weitere Kreise
notwendig. Wir haben im Verlaufe dieser Woche liber die die militarische Ausbildung
behandelnde Gesetzesvorlage debattiert. Die allgemeinen in dieser Vorlage enthaltenen
Grundsatze haben, wie ich glaube, in unserem Lande allgemeine Zustimmung gefunden und
sind vom Unterhaus gebilligt worden. Zweifellos hat auch in diesem Falle nicht nur der
Umfang der zusatzlichen Starke, die uns aus dieser MaBnahme erwachst, sondern auch die
Tatsache, daB diese MaBnahme im Gegensatz zu allem steht, was wir bisher als von
vorherrschender Bedeutung in unserer diesbeziiglichen Politik gehalten haben, eine Wirkung
erzielt, deren ganzer Umfang vielleicht nur schwer in diesem Hause ermessen werden kann.
Es ist, um es nochmals zu sagen, nicht genug, daB wir in unserem Lande alles nur Mogliche
tun, um unsere Zusicherungen geniigend zu untermauern. Wir waren bestrebt, diese Staaten
zu unterstutzen oder flir sie Unterstutzung durch den Beitritt anderer Lander zu erlangen, die,
wie wir selbst, am Frieden interessiert, aber dem wahrscheinlichen Sitz der Unruhe erheblich
naher sind als wir selbst. Und deshalb traten wir in Besprechungen mit den Regierungen der
Tiirkei und der Sowjetunion ein, woriiber die ehrenwerten Mitglieder des Hauses in der
letzten und in der vorletzten Woche so viel gelesen haben.
Im Falle der Tiirkei haben unsere Besprechungen sehr bald eine solche Ahnlichkeit unserer
Interessen und Ansichten ergeben, daB es den beiden Regie- r293i rungen moglich war, die
Erklarung vom 12. Mai 124 abzugeben, eine Erklarung, die den AbschluB eines endgultigen
langfristigen Gegenseitigkeitsabkommens ankundigte.
Gestatten Sie mir, bei dieser Gelegenheit zu bemerken, daB wir dem
Gegenseitigkeitscharakter der Abkommen, die wir mit der Tiirkei und Polen abgeschlossen
haben, groBe Bedeutung beimessen. Der sehr ehrenwerte Herr sprach von der Rolle, die
RuBland im Jahre 1914 gespielt hat. Zu jener Zeit hatten RuBland und Deutschland eine
gemeinsame Grenze, und es gab keinen polnischen Staat. Es ist aber eine Genugtuung, sich
daran zu erinnern, daB, wenn wir in einen Krieg verwickelt werden sollten, jenes groBe
mannhafte Volk an den Grenzen Deutschlands steht, das auf Grand dieses Abkommens
verpflichtet ist, uns jede nur mogliche Hilfe und alien nur moglichen Beistand zu leisten
Nr. 304
Der Deutsche Generalkonsul in New York an das Auswartige Amt
Telegramm
New York, den 25. Mai 1939
Fiihrender amerikanischer Geschaftsmann gab nach Riickkehr von Europareise vertraulich
Freunden gegenliber Ansicht Ausdruck, daB eine Kriegsgefahr gegenwartig viel mehr von
England her als durch Deutschland bestehe. Die Englische Regierung sei heute endgultig
entschlossen, anhaltende internationale Spannung mit Gefahrenmomenten fiir Sicherheit
Imperiums zu beenden, und werde erste Gelegenheit, die Deutschland gebe, ergreifen, um
Entscheidung zu erzwingen. Voraussetzung sei lediglich erfolgreicher AbschluB Paktes mit
SowjetruBland. Vertrauliche Mitteilung wurde mit Empfehlung verbunden, moglichst bald
dieser Lage Rechnung tragende geschaftliche Dispositionen zu treffen.
Geschaftsmann soil von September als gunstigem Termin fiir englische Aktion gesprochen
haben, wahrend andere Nachrichten aus Wallstreet etwas spateren Termin, etwa Oktober,
nennen.
Kurzliche Erklarung Britischen Schatzkanzlers im Unterhaus, die englische Geschaftswelt vor
Fortsetzung Kapitalanlagen in amerikanischen Wertpapieren warnt, um daraus resultierende
EntbloBung britischen Kapitalmarktes zu verhindern, wird in Kreisen, die Wallstreet
nahestehen, als Bestatigung dieser Auffassungen angesehen.
Gleiche Kreise finden auch Artikel amerikanischen Journalisten Demaree BeB aus Paris in
Saturday's Evening Post beachtlich, wonach bereits im vergangenen Winter hoher britischer
Marineoffizier erklarte, gewollte Herausforderung Deutschlands sei Englands einziger
Ausweg, eine Auffassung, die nach BeB' Erklarung seit Errichtung bohmischen Protektorats
in London erheblich an Boden gewonnen habe.
Borchers
T2941
Nr. 305
Rede des Fuhrers in Kassel, 4. Juni 1939
Auszug
Vor zwanzig Jahren wurde eine erbarmliche Staatsfuhrung veranlaBt, unter einem - wie
sie wohl glaubte - unwiderstehlichen Zwang ihre Unterschrift unter ein Dokument zu setzen,
das Deutschland die Schuld am Kriege als endgultig erwiesen aufzubiirden versuchte.
Wissenschaftliche historische Untersuchungen haben unterdes diese Behauptungen langst als
Luge und Falschung erwiesen. Ich selbst habe diese wider besseres Wissen geleistete
Unterschrift unter das Versailler Diktat feierlich geloscht und damit auch rein formell der
Wahrheit die Ehre gegeben.
Allein, unabhangig davon muB uns alien eines bewuBt sein: Die Schuld am Kriege ist
unlosbar verbunden mit der Aufstellung des Kriegszieles. Kein Volk und kein Regime werden
Krieg flihren bloB urn des Krieges willen. Nur im Gehirn perverser jiidischer Literaten kann
die Vorstellung Platz greifen, daB irgend jemand aus reiner Lust am Toten oder BlutvergieBen
zum Kriege schreiten kann. Es war aber nun entscheidend, daB die Deutsche Regierung nicht
nur vor dem Jahre 1914 kein Kriegsziel besaB, sondern daB sie sogar im Kriege selbst zu
keiner irgendwie vernlinftigen oder gar prazisen Kriegszielfixierung zu kommen vermochte.
Der Friedensvertrag von Versailles hat demgegenliber aber erkennen lassen, welches die
wirklichen Kriegsziele der damaligen britischen und franzosischen Einkreisungspolitiker
gewesen waren. Der Raub der deutschen Kolonien, die Vernichtung des deutschen Handels,
die Zerstorung aller deutschen Existenz- und damit Lebensgrundlagen, die Beseitigung der
deutschen politischen Geltung und Machtstellung, mithin also die gleiche Zielsetzung, wie sie
die britischen und franzosischen Einkreisungspolitiker auch heute besitzen!
Es gab damals in Deutschland leider Menschen, die den extremen Ankiindigungen englischer
Zeitungen und englischer Politiker iiber die notwendige Wegnahme der deutschen Kolonien,
die Vernichtung des deutschen Handels, die bereits im Frieden bekanntgegeben worden
waren, Glauben schenken zu miissen vermeinten. Der Weltkrieg und das Friedensdiktat von
Versailles haben die deutsche Nation nun eines anderen belehrt.
Was friiher scheinbar unverantwortliche Publizisten als Ausgeburt ihrer eigenen Phantasien
oder ihres Hasses verkiindet hatten, war eben doch das Ziel der britischen Politik gewesen,
namlich der Raub der deutschen Kolonien, die Vernichtung des deutschen Handels, die
Zerstorung der deutschen Handelsflotte, die machtpolitische Entnervung und Zerstorung des
Reiches, mithin die politische und korperliche Ausrottung des deutschen Volkes. Dies waren
die Ziele der britischen Einkreisungspolitik vor dem Jahre 1914.
Und es ist gut, wenn wir uns nun daran erinnern, daB diesen durch das spatere Friedensdiktat
von Versailles erharteten Absichten und Kriegszielen unserer Gegner die damalige deutsche
Staatsfuhrung ganzlich ziellos und leider auch willenlos gegenliberstand. So konnte es
geschehen, daB nicht nur keine deutsche Kriegszielsetzung vorhanden war, sondern daB auch
nicht die notwendigen deutschen Kriegsvorbereitungen selbst im Sinne einer nur
wirkungsvollen Abwehr getroffen worden waren. Und hier liegt vielleicht die schlimmste
Schuld Deutschlands am Weltkrieg, namlich die Schuld, durch eine strafliche
Vernachlassigung der deutschen Rustung es einer Umwelt geradezu erleichtert zu haben, den
Gedanken einer deutschen Vernichtung zu propagieren und am Ende dann ja auch zu
verwirklichen.
12951 Unter fur uns Nationalsozialisten heute ganzlich unverstandlichen Einwanden wurde noch
im Jahre 1912 an den so notwendigen Rustungen abgestrichen, mit lacherlichen Betragen
gegeizt, dem widerstrebende aufrechte Soldaten in die Wliste geschickt und dadurch die
Uberzeugung der Gegner gestarkt, einen erfolgreichen Waffengang mit Deutschland vielleicht
doch wagen zu konnen. DaB dariiber hinaus auch die reine wehrmaBige Erfassung der
deutschen Menschen nur in ungenugendem AusmaB geschah und damit viele
Hunderttausende tauglicher Manner einer Ausbildung verlustig gingen, was sie spater in einer
kritischen Stunde, als doch eingezogen, zu einem hohen Prozentsatz mit ihrem Tode biiBen
muBten, verstarkt nur dieses Bild einer unzulanglichen Staatsfuhrung und damit der einzigen
wahrhaften Schuld nicht nur am Beginn dieses Krieges, sondern vor allem auch am Ausgang
des Kampfes.
Wenn nun trotzdem gerade der Weltkrieg fur uns Deutsche zur Quelle stolzester
Erinnerungen wird, dann nicht im Hinblick auf die viel zu schwache Riistung, auf die
unzulangliche Staatsfuhrung usw., sondern ausschlieBlich im Hinblick auf das in ihrem
inneren Werte so einzigartige Instrument der damaligen deutschen Wehrmacht, des Heeres,
der Marine und der spateren Luftwaffe, die zahlenmaBig oft um ein Vielfaches vom Gegner
iibertroffen, wertmaBig aber niemals erreicht worden waren.
Der Riickblick und die Erinnerung an diese groBe Zeit muB in uns alien, meine Kameraden,
aber eine Uberzeugung und einen EntschluB festigen:
1. Die Uberzeugung, daB das deutsche Volk nur mit groBtem Stolz auf seine Vergangenheit
zurlickblicken kann, und insbesondere auf die Jahre des Weltkrieges. Als Flihrer der
deutschen Nation kann ich daher als ehemaliger Kampfer in keiner Sekunde zugeben, daB
irgend jemand in den Reihen unserer westlichen Gegner das Recht haben konnte, sich als
etwas Besseres zu dlinken oder anzusehen, als wir Deutsche es sind! Ich leide daher auch
nicht im geringsten unter irgendeinem Minderwertigkeitskomplex.
Ich sehe im Gegenteil in der Erinnerung an die vier Jahre Krieg, die ich selber dank einer
gnadigen Vorsehung das Gliick hatte mitmachen zu diirfen, nur einen Grand zum stolzesten
Vertrauen auf mein deutsches Volk und als Soldat auch auf meine eigene Person. Diese Jahre
machen mich im tiefsten Inneren ebenso friedenswillig in der Erkenntnis der furchtbaren
Schrecken des Krieges, als aber auch entschlossen in der Uberzeugung vom Werte des
deutschen Soldaten zur Verteidigung unserer Rechte. Es imponieren mir daher Drohungen
von gar keiner Seite.
2. Ich und wir alle haben aus dieser Zeit aber auch den EntschluB zu fassen, die Interessen
unseres Reiches und der Nation nicht mehr so straflich leichtsinnig zu iibersehen, wie dies vor
dem Jahre 1914 der Fall war.
Und das will ich Ihnen, meine alten Kameraden, nun hier versichern: Wenn schon die
britische Einkreisungspolitik die gleiche geblieben ist wie vor dem Kriege, dann hat sich aber
dafiir die deutsche Abwehrpolitik griindlichst geandert! Sie hat sich schon geandert dadurch,
daB heute an der Spitze des Reiches nicht mehr ein als Major verkleideter Zivilist die
Geschafte fiihrt, sondern ein vielleicht manchmal auch Zivilkleider tragender Soldat!
Bethmann Hollwegs gibt es in der deutschen Staatsfuhrung heute nicht mehr.
Ich habe dafiir Sorge getragen, daB alles das, was irgendwie mit der Staatsfuhrung etwas zu
tun hat, nur ein hundertprozentiger Mann und Soldat sein kann. Sollte ich aber bemerken, daB
die Haltung irgendeiner Personlichkeit izm einer kritischen Belastung nicht stand halt, dann
werde ich eine solche Erscheinung von ihrer Stellung augenblicklich entfernen, mag dies sein,
wer immer.
Das Friedensdiktat von Versailles entstand nicht zufallig. Es war das Ziel jener, die seit
Jahren Deutschland einzukreisen vorsuchten und die endlich ihr Ziel erreicht hatten. Wir
haben nun kein Recht, daran zu zweifeln, daB die gleiche Politik heute nur zum Zweck der
Erreichung des gleichen Zieles betrieben wird. Wir haben daher die Pflicht, diese Wahrheit
der Nation ungeschminkt zu sagen, und sie auf das auBerste in ihrem Abwehrwillen und in
ihrer Abwehrkraft zu starken
Nr. 306
Der Deutsche Botschafter in London an das Auswartige Amt
Bericht
London, den 7. Juni 1939
Die Erklarung, die der Premierminister Chamberlain heute im Unterhause liber den Stand der
britisch-sowjetischen Verhandlungen abgab, hat nach Reuter folgenden Wortlaut:
"Aus Griinden, die das Haus zu wiirdigen wissen wird, wird es mir nicht moglich sein, taglich
Auskunft liber den Fortschritt der Verhandlungen zu einem Abkommen zwischen
GroBbritannien, Frankreich und der Union der Sozialistischen Sowjet-Republiken zu geben.
Inzwischen ist indessen eine Phase erreicht worden, die es mir ermoglicht, die von mir am 24.
Mai abgegebene Erklarung zu erganzen.
Nach dem letzten Meinungsaustausch mit der Sowjetregierung hat es den Anschein, als ob
allgemeine Ubereinstimmung iiber die wichtigsten der zu erreichenden Ziele besteht.
Die Britische Regierung ist, wie ich glaube, in der Lage gewesen, die Sowjetregierung davon
zu uberzeugen, daB die Britische Regierung tatsachlich bereit ist, ein Abkommen auf der
Grundlage voller Gegenseitigkeit zu schlieBen, und sie hat auch keinen Zweifel dariiber
gelassen, daB sie sofort und ohne Vorbehalt bereit ist, zusammen mit der Franzosischen
Regierung der Union der Sozialistischen Sowjet-Republiken voile Unterstutzung flir den Fall
zu leisten, daB irgendein Angriff gegen sie erfolgen sollte, der sie in Feindseligkeiten mit
irgendeiner europaischen Macht verwickeln sollte.
Es ist nicht beabsichtigt, die voile militarische Unterstutzung, die sich die drei Machte
gegenseitig zu leisten verpflichten, auf Falle tatsachlicher Angriffe gegen ihr eigenes
Hoheitsgebiet zu beschranken.
Man kann sich sehr wohl vorstellen, daB es verschiedene Falle geben konnte, in denen sich
irgendeine der drei Regierungen in ihrer Sicherheit durch das Vorgehen einer anderen
europaischen Macht mittelbar bedroht fiihlt.
Diese Falle sind grundlich uberpriift worden, und ich hoffe, daB es moglich sein wird,
nunmehr eine fiir die drei Regierungen annehmbare Formel vorzuschlagen, eine Formel, die,
unter Beriicksichtigung der Interessen anderer Staaten, die Zusammenarbeit zwischen diesen
Machten bei der Zuriickweisung eines Angriffes gewahrleistet.
r297i Es bleiben noch ein oder zwei Schwierigkeiten zu losen, besonders was die Stellung
gewisser Staaten anbelangt, die deshalb keine Garantie zu erhalten wunschen, weil durch eine
solche ihre strikte Neutralitat, die sie einzuhalten wunschen, aufs Spiel gesetzt werden wiirde.
Es ist offensichtlich unmoglich, einem Staat, der eine Garantie nicht wiinscht, eine solche
aufzuzwingen. Ich hoffe aber, daB sich gewisse Mittel finden lassen werden, auf Grand deren
diese Schwierigkeiten und irgendwelche anderen Punkte, die auftauchen sollten, bei dem
Bestreben, dem Grundsatz gegenseitiger Hilfeleistung im Falle eines Angriffs groBte Wirkung
zu geben, uberbruckt werden konnen.
Zwecks Beschleunigung der Verhandlungen ist beschlossen worden, einen Vertreter des
AuBenamtes nach Moskau zu entsenden, urn dem Britischen Botschafter daselbst voile
Auskunft liber die Einstellung der Britischen Regierung zu alien offenstehenden Punkten zu
geben.
Ich hoffe, daB es auf Grand dieser Methoden moglich sein wird, die Besprechungen schnell
zu beendigen, die noch notwendig sind, um die Ansichten der drei Regierungen miteinander
in Einklang zu bringen und somit zu einem Abkommen zu gelangen."
Im Auftrag
von Selzam
Nr. 307
Aufzeichnung des Staatssekretars des Auswartigen Amts
Berlin, den 13. Juni 1939
Der Britische Botschafter brachte heute bei mir das Gesprach alsbald auf seine Sorge, wie
wohl der Sommer ohne Konflikt uberstanden werden konne.
Bekanntlich ist seit einigen Tagen in der Presse die Rede von einem Bericht Hendersons, der
die Vertragsverhandlungen mit Moskau voranzutreiben wunsche. Ohne hierauf einzugehen,
gab Henderson eine Erklarung in folgendem Sinne: Solange London mit Moskau verhandle,
sei zwischen London und Berlin ein Gesprach naturlich unmoglich; ware der Russenpakt
perfekt, so lieBe sich mit Berlin wohl eher reden. Henderson wollte damit wohl etwas
ahnliches sagen wie die Times, namlich Starke und Verhandlungsbereitschaft seien durchaus
miteinander vereinbar; ohne Starke sei England vielleicht nicht einmal ein geeigneter
Verhandlungspartner.
Zu dem britischen Russenpakt machte ich Henderson einige Bemerkungen liber dessen
kriegsfordernde Wirkung, insbesondere in Polen. Die britische Politik sei diametral
entgegengesetzt Hendersons eigener These, die er schon wiederholt offentlich ausgesprochen
habe: "England wunsche die See fur sich, Deutschland konnte der europaische Kontinent
uberlassen bleiben". Statt dessen sei es jetzt so, daB England sich immer tiefer im Kontinent
engagiere und z. B. den Polen erlaube, mit dem britischen Schicksal zu spielen. Wenn
iiberhaupt eine, so konne ich in der britischen Politik nur die Logik erkennen, daB England zu
einem Praventivkrieg entschlossen sei und auf ihn hinarbeite.
I2M Auf diese Bemerkung reagierte Henderson sehr empfindlich. Von solchem Kriegswillen
sei gar keine Rede. Er verteidigte zwar nicht die britisch-polnische Abrede als solche und
bestritt auch nicht die polnische Unberechenbarkeit und Halsstarrigkeit. Er flihrte aber wie
gewohnlich den Umschwung in London auf den deutschen Einmarsch in der Rest-Tschechei
zurlick. SchlieBlich kam er wieder auf die Gefahrenperiode dieses Sommers.
In diesem Zusammenhang sprach Henderson von einer Verhandlungsbereitschaft Londons
gegenuber Berlin. Halifax habe offenbar im Auge, daB man dem heutigen Spannungszustand
im Wege der Aussprache ein Ende machen konne und mlisse. Weder England noch
Deutschland konnten und wollten die Last der Aufriistung weiter tragen. Inhalt eines
Gesprachs London-Berlin konne sein, den Rustungswettlauf zu stoppen und den
Wirtschaftsaustausch zu beleben. Auch iiber die Kolonialfrage konne gesprochen werden. Ich
ging auf diese Ausfiihrungen nicht naher ein und sagte nur, ahnliches sei uns auch schon auf
anderem Wege aus London zur Kenntnis gekommen, ich konne mir aber unter so
unsubstantiierten Bemerkungen nichts vorstellen.
Aus den gelockerten, gesprachsweisen AuBerungen Hendersons war zu entnehmen, daB ihm
bei dem britischen Verhaltnis zu Polen nicht wohl ist, daB er vom Russenpakt nichts halt und
daB er im ubrigen wegen eines etwaigen Konflikts im Sommer dieses Jahres in lebhafter
Sorge ist, denn er spurt seine Verantwortung als Botschafter in Berlin stark auf sich lasten.
Weizsacker
Nr. 308
Aufzeichnung des Staatssekretars des Auswartigen Amts
Berlin, den 17. Juni 1939
Bei einem Privatgesprach auBerhalb des Amtes gebrauchte gestern der Franzosische
Botschafter mir gegeniiber eine ahnliche Redewendung wie kurzlich Henderson. Er meinte
namlich, wenn erst einmal das franzosisch-englisch-russische Abkommen fertig sei, wiirde
zwischen der Achse und den Westmachten ein diplomatisches Gesprach leichter als jetzt
zustande kommen.
Ich bezweifelte dieses; mit den Russen uns zu drohen sei vergeblich; wir seien fur Drohungen
ein untaugliches Objekt. Das Intimidierungsverfahren erzeuge bei uns das Gegenteil des
Gewollten.
Der Botschafter erlauterte dann seine urspriingliche Bemerkung dahin, daB es sich zwischen
zwei Partnern, die ihre Position bezogen hatten, doch viel besser reden lasse als bei
unbekannter Ausgangsstellung.
Ich sagte dann dem Franzosen, wenn eine Gefahr flir den Frieden bestehe, dann lage die eben
bei den Polen, die sich gestatteten, mit ihren franzosischen und englischen Freunden zu
spielen.
Coulondre seinerseits bezweifelte, daB die amtliche polnische Politik auf Konflikt gerichtet
sei. Als das Wichtigste flir die nachsten Monate bezeichnete er die Vermeidung von
Zwischenfallen, die dem allseitigen amtlichen Friedenswillen iiber den Kopf wachsen
konnten.
Weizsacker
T2991
Nr. 309
Der Deutsche Botschafter in London an das Auswartige Amt
Bericht
London, den 22. Juni 1939
Wahrend eines zu Ehren von Lord Halifax im 1900-Club gegebenen Essens hielten sowohl
Winston Churchill als auch Lord Halifax kurze Ansprachen, die sich mit auBenpolitischen
Dingen befaBten. Dem von Press Association verbreiteten Bericht zufolge sagte Churchill
unter anderem:
"Wir alle haben, von verschiedenen Standpunkten ausgehend, uns die Politik zu eigen
gemacht, die Sie und der Premierminister nunmehr verkiindet haben. Wenn noch
Meinungsunterschiede verbleiben, so beziehen sie sich lediglich auf den Nachdruck und das
Verfahren, auf die Zeitwahl und auf den Starkegrad dieser Politik.
Ich bin selbstverstandlich ein Anhanger der AuBenpolitik der Regierung Seiner Majestat. Vor
einem Jahre glaubte ich, daB ein groB angelegtes Friedensbundnis zwischen den nach dem
Frieden strebenden Staaten, im Einklang mit den Grundsatzen der Volkerbundsatzungen zum
Widerstand gegen Angriffe und zu dem Zwecke uberall da, wo moglich, berechtigte
Beschwerden zu beseitigen, tatsachlich fast die GewiBheit des Friedens bieten wiirde.
Heute habe ich die gleiche Uberzeugung nicht mehr.
Welches Ereignis hat uns alle vereint? Es ist die flagrante und brutale Art und Weise, in der
das Munchener Abkommen von der Naziregierung Deutschlands zerrissen worden ist."
Aus der Ansprache Lord Halifaxs sind vor allem folgende Stellen hervorzuheben:
"Wir sind uns vollstandig klar darliber, daB die Welt nicht im Ruhezustand verbleibt. Die
Entwicklung menschlichen Lebens beruht auf dem Wechsel der Dinge. Was sich nicht andert,
ist tot. Wenn aber der Wechsel nicht ordnungsmaBig vor sich gehen kann, ist menschliches
Leben unmoglich und endet durch Selbstvernichtung, und daraus folgert, daB unsere Politik,
wahrend sie stets bereit ist, die Notwendigkeit der Bereinigung einander entgegengesetzter
Anspriiche in einer sich andernden Weit anzuerkennen, darin besieht, in deutlicher Sprache
unserem Widerstand gegenliber Gewaltmethoden zum Ausdruck zu bringen.
Wie allgemein bekannt, fiihren wir jetzt, nicht ohne uns die Kritik gewisser Kreise
zuzuziehen, Verhandlungen mit der Sowjetregierung, zu dem Zweck, deren Mitarbeit in
gleichem Sinne und zu dem gleichen Zweck zu erlangen. Wir glauben, daB auf diesem Gebiet
die Sowjetregierung die gleichen Interessen und das gleiche Ziel wie wir selbst im Auge hat,
und es ist keineswegs ungewohnlich, daB die Suche nach der richtigen Formel
Schwierigkeiten bietet.
Wir werden aber, wenn wir uberzeugt sind, daB wir nach ein und derselben Sache streben,
und wenn es uns gelingt, das MiBtrauen zu zerstreuen, hinsichtlich der SchlieBung eines
Abkommens Erfolg haben.
Bei dem Bestreben, zu einem Abkommen zu gelangen, sind wir weiter gegangen, als viele fur
richtig gehalten haben, und ich glaube, daB wir, wenn wir bis jetzt keinen Erfolg gehabt
haben, ehrlich glauben diirfen, daB wir daran nicht schuld sind."
pooi Genau so, wie es mehr als nur einen Menschen erforderte, urn sich zu streiten, genau so,
befiirchte er, bediirfe es mehr als eines Menschen, urn Freunde zu machen; wenn aber jeder
Versuch zur Besserung der gegenseitigen Beziehungen als Schwache ausgelegt und zu einem
Grand fiir neue und scharfe Angriffe gemacht werde, so konne man sich kaum dariiber
wundern, wenn zahlreiche Leute zu der SchluBfolgerung gelangen, daB das einzige Argument,
was diejenigen, die sich auf Gewalt zu verlassen schienen, hochstwahrscheinlich zu verstehen
in der Lage seien, dahin gehe, daB andere nicht weniger als sie selbst bereit sein sollten,
zwecks ihrer Selbstverteidigung zur Gewalt zu greifen. Das britische Volk habe nunmehr
einen Punkt erreicht, an dem die drei unerlaBlichen Elemente einer folgerichtigen
AuBenpolitik vorhanden waren:
Erstens, daB das Land in einem groBeren Umfange als zu irgendeiner Zeit wahrend der letzten
Jahre geeint sei.
Zweitens, daB sich das Land selbst vollstandig klar iiber das groBe Ziel sei, auf das diese
Politik gerichtet sein mtisse, und daB es
Drittens, wisse, daB es stark und immer starker wiirde.
Im Auftrag
von Selzam
Nr. 310
Franzosisch-Turkische Erklarung tiber gegenseitige Hilfeleistung,
23.Junil939
(Ubersetzung)
1. Die Franzosische und die Turkische Regierung sind in enge Beratung eingetreten, und die
Erorterungen, die zwischen ihnen stattfanden und die noch fortgesetzt werden, haben ihre
herkommliche Meinungsubereinstimmung enthullt.
2. Es wird vereinbart, daB die beiden Lander einen genau abgegrenzten langfristigen Vertrag
wechselseitigen Charakters im Interesse ihrer nationalen Sicherheit abschlieBen wollen.
3. Wahrend der Fertigstellung des endgultigen Vertrages erklaren die Franzosische und die
Turkische Regierung, daB sie im Falle einer Angriffshandlung, die zu einem Krieg im
Mittelmeer fiihrt, bereit sein wiirden, effektiv zusammenzuarbeiten und einander alle in ihrer
Macht stehende Hilfe und jeden Beistand zu leisten.
4. Diese Erklarung ist, ebenso wie der vorgeschlagene Vertrag, nicht gegen irgendein Land
gerichtet, sondern sie ist dazu bestimmt, Frankreich und der Tiirkei gegenseitige Hilfe und
Beistand zuzusichern, falls sich die Notwendigkeit ergeben sollte.
5. Es wird von den beiden Regierungen anerkannt, daB gewisse Dinge, einschlieBlich der
genaueren Bestimmung der verschiedenen Voraussetzungen, die die gegenseitigen
Verpflichtungen zur Wirkung bringen wiirden, eine genauere Priifung erfordern, ehe der
endgultige Vertrag fertiggestellt werden kann. Diese Priifung ist im Gange.
pon 6. Die beiden Regierungen erkennen an, daB es ebenfalls notwendig ist, die Sicherheit auf
dem Balkan zu verbiirgen, und sie beraten zusammen mit dem Ziel, diesen Vorsatz so schnell
wie moglich auszufiihren.
7. Es wird vorausgesetzt, daB die eben erwahnten Ubereinkommen keine Regierung hindern,
mit anderen Landern Abkommen im allgemeinen Interesse der Festigung des Friedens zu
schlieBen. m
Paris, den 23. Juni 1939
Bonnet Suad Davaz
Nr. 311
Der Deutsche Geschaftstrager in Paris an das Auswartige Amt
Bericht
Paris, den 27. Juni 1939
Wie s. Z. durch Telegramm vom 24. Marz berichtet, m hat damals die hiesige Presse
Meldungen gebracht, wonach anlaBlich des Besuchs des Franzosischen Staatsprasidenten in
London, Chamberlain, Halifax und Bonnet ein Protokoll gezeichnet oder Aide-Memoires
ausgetauscht hatten, in denen sich England und Frankreich verpflichteten, im Falle eines
Angriffs auf Holland oder die Schweiz diesen Landern automatisch bewaffneten Beistand zu
leisten und deren Grenzen zu schlitzen. Das so geschlossene Abkommen bestatige die
Vereinbarungen, die am 29. Januar 1939 bereits mundlich in Paris zwischen Bonnet und dem
hiesigen Englischen Botschafter getroffen worden seien. Eine Nachpriifung der Frage, aus
welcher Quelle die Meldungen liber diese Vereinbarungen stammen, hat folgendes ergeben:
In der Zeitschrift Europe Nouvelle vom 18. Marz wird im Rahmen der dort standig
veroffentlichten Wochenubersicht berichtet, daB am Abend des Januar der Englische
Botschafter der Franzosischen Regierung mitgeteilt habe, England werde im Falle eines
Angriffs auf Holland zum Kriege schreiten, und er bitte Frankreich um das Versprechen, das
gleiche zu tun. Am Januar nachmittags habe die Franzosische Regierung dieser englischen
Bitte stattgegeben, aber von dem Englischen Kabinett verlangt, ein ahnliches Versprechen fur
die Schweiz abzugeben, die, wie die Franzosische Regierung Grand habe, zu glauben,
ebenfalls von einem uberraschenden Angriff bedroht sei. Am 30. Januar sei von London eine
zustimmende Antwort eingetroffen.
Die Meldungen dariiber, daB diese im Januar mundlich getroffenen Vereinbarungen anlaBlich
des Aufenthalts von Herrn Bonnet in London schriftlich bestatigt worden seien, sind von den
aus AnlaB des Prasidentenbesuchs in London anwesenden Vertretern einer Reihe hiesiger
Blatter gebracht worden. Eine Havasmeldung ist hierzu, soweit festgestellt werden konnte,
nicht erfolgt.
Brauer
Atunertuingeii:
174 Vgl. Nr. 301 . ...zuruck...
175 Vgl. Nr. 301 Anm. T1731 . ...zuruck...
176 Vgl. Nr. 276 . ...zuruck...
Zweites Kapitel (Forts.)
Die Englische Kriegspolitik
C. Die Britische Einkreisungspolitik
seit Februar 1939
Nr. 312
Rede des Britischen Staatssekretars fur Auswartige Angelegenheiten
Lord Halifax in Chatham House, London, 29. Juni 1939
Auszug
(Ubersetzung)
Wenn ich an die Rede zuriickdenke, die ich im Juni vorigen Jahres auf dem Chatham House
Dinner gehalten habe, so bin ich mir, wie wir alle es sind, der groBen Veranderungen bewuBt,
die seitdem eingetreten sind. Vor einem Jahr waren wir auf dem europaischen Kontinent noch
keine bestimmten Bindungen eingegangen, abgesehen von denen, die damals schon seit
betrachtlicher Zeit bestanden hatten und Ihnen alien vertraut sind. Heute sind wir durch neue
gegenseitige Defensivabkommen mit Polen und der Tiirkei gebunden, wir haben
Griechenland und Rumanien unseren Beistand gegen Angriffe zugesagt und stehen jetzt mit
der Sowjet-Regierung in Verhandlungen, die, wie ich hoffe, vielleicht sehr bald zu einem
erfolgreichen AbschluB kommen werden und darauf abzielen, Sowjet-RuBland fur die
gemeinschaftliche Verteidigung europaischer Staaten zu gewinnen, deren Unabhangigkeit und
Neutralitat moglicherweise bedroht sind. Wir haben Verpflichtungen ubernommen und sind
im Begriff, weitere zu ubernehmen, und zwar im vollen BewuBtsein ihrer Ursachen und im
vollen BewuBtsein ihrer Folgen. Wir wissen, daB unsere eigene Sicherheit und unsere eigene
Unabhangigkeit schwer bedroht sind, wenn die Sicherheit und Unabhangigkeit anderer
Lander zu bestehen aufhoren. Wir wissen, daB, wenn Recht und Ordnung im Volkerleben
gewahrt bleiben sollen, wir bereit sein mussen, sie mit den Waffen zu verteidigen.
In der Vergangenheit haben wir uns dem Versuch einer einzelnen Macht, auf Kosten der
Rechte anderer Nationen Europa zu beherrschen, stets entgegengestellt, und die britische
Politik bleibt daher lediglich auf dem unabanderlichen Weg, den die eigene Geschichte ihr
vorzeichnet, falls ein solcher Versuch aufs neue unternommen werden sollte. Aber es genligt
nicht, ein politisches Programm aufzustellen. Worauf es ankommt, ist erstens, die Nation von
der Richtigkeit dieser Politik zu uberzeugen, und zweitens, die notigen Schritte zu tun, damit
diese Politik Erfolg hat. Ich glaube, die Nation ist seit dem Weltkrieg noch niemals so einig
uber die wesentlichsten Grundlagen unserer AuBenpolitik gewesen wie jetzt, und diese
Einigkeit ist verbunden mit einer festen, weitverbreiteten Entschlossenheit, diese Politik zum
Erfolg zu fiihren. Ich glaube aber auch, daB in alien Schichten unseres Volkes, an die Kraft
ihres gemeinsamen Biirgerrechts der Ruf ergeht, ihr Land und die Sache ihres Landes zu
verteidigen, in zunehmendem MaBe der Wunsch besteht, iiber den Augenblick
hinauszublicken und ein Ziel vor sich zu sehen, flir das sie bereitwillig ihre MuBestunden und,
wenn es sein muB, auch ihr Leben opfern wiirden.
Schon mit dem Aufruf zum Vaterlandischen Hilfsdienst (national service) fordern wir groBe
Opfer von alien Altersklassen und alien Bevolkerungsschichten. In irgendeiner Weise hat
jeder Mann und jede Frau darin eine Rolle zu ubernehmen und ist bereit dazu, das weiB ich.
Das Land macht ungeheuere Anstrengungen, um sich fiir die Verteidigung zur See, zur Luft
und zu Lande zu riisten; etwas Gleichartiges ist in Friedenszeiten bisher noch nicht
dagewesen. Wir haben eine Flotte, der niemand Trotz bieten kann. Unsere Luftwaffe, die auch
jetzt noch in einem Ausbau begriffen ist, der alles ubertrifft, was wir noch vor ein paar
Monaten erwarteten, hat jetzt von keiner [3021 anderen Luftwaffe mehr etwas zu furchten. Ich
zweifle kaum daran, daB die Manner unserer Luftwaffe an Kampfgeist und Geschick denen
aller anderen Lander uberlegen sind. Unser Heer, friiher ein Gegenstand des Spottes, hat
beweisen konnen, was in ihm steckt, so daB es jetzt stolz ist auf jenen Spott; gewiB ist es klein
im Vergleich zu den Heeren mancher anderen Lander, aber wir schaffen uns, wie schon friiher
einmal, auch in dem Heer eine machtvolle Waffe zur Verteidigung unserer eigenen Freiheit
und der Freiheit anderer Lander. Mit jeder neuen Woche, die vergeht, gewinnen diese
Anstrengungen an Nachdruck; auf jedem Lebensgebiet, in Politik, Verwaltung und Industrie,
haben wir uberreichliche Beweise dafiir, wie stark der Volkswille diese nationalen
Anstrengungen vorantreibt und unterstutzt. Hinter all unseren militarischen Vorbereitungen
steht das britische Volk, einiger als je, und all sein Reichtum und seine industriellen
Moglichkeiten stehen diesen militarischen Zwecken zu Diensten. Auch davon wird
verachtlich gesprochen, aber dieser Reichtum ist verdient worden durch die Arbeit, das
Geschick und den Mut unseres Volkes. Kein Stuck dieser furchtbaren Rustung der Kraft wird
eingesetzt werden, es sei denn zur Verteidigung gegen einen Angriff. Kein Schlag wird
gefuhrt, kein SchuB abgefeuert werden. DaB das wahr ist, davon ist jeder hierzulande
uberzeugt. Ich personlich glaube, daB auch in anderen Landern die meisten Menschen daran
glauben werden, trotz der Propaganda, die ihnen das Gegenteil in die Ohren schreit. Und noch
eins findet hierzulande jetzt uneingeschrankt und allgemein Glauben, wird anderswo aber
wohl auch jetzt noch nicht voll verstanden: daB wir namlich fiir den Fall eines weiteren
Angriffs entschlossen sind, unverzuglich unsere gesamte Kraft einzusetzen, um unsere
Verpflichtungen zum Widerstand gegen Angriffe zu erfullen
Nr. 313
Der Deutsche Botschafter in London an das Auswartige Amt
Bericht
London, den 29. Juni 1939
Der Besuch des Generals Gamelin in London Anfang Juni hat zweifellos dazu gedient, u. a.
Fragen des gemeinsamen Oberbefehls zu besprechen. 122 Hierbei sind die einzelnen
wahrscheinlichen Kriegstheater (Westeuropa, westliches Mittelmeer, Naher Osten, Ferner
Osten) besprochen worden.
Ein abschlieBendes Ergebnis ist nicht bekanntgeworden. Es darf jedoch mit Fug und Recht
angenommen werden, daB der Oberbefehl zu Lande in Westeuropa in franzosischen Handen
liegen wird. Die Frage der Verantwortlichkeit dieses Oberbefehlshabers einer interalliierten
Korperschaft gegeniiber ist jedoch augenscheinlich noch nicht geklart. Auf sie wird von
englischer Seite, wie Anfragen im Parlament beweisen, groBer Wert gelegt. Der
Premierminister selbst hat sich am 14. 6. im Parlament nur zu einer sehr vorsichtigen
Auskunft herbeigelassen, aus der hervorgehen konnte, daB die Frage des Oberbefehls zu
diesem Zeitpunkt noch nicht endgultig geklart war. Wie man hort, sollen sich die Franzosen
in den betreffenden Verhandlungen sehr schwierig und anspruchsvoll gezeigt haben, so daB
die Englander keineswegs restlos befriedigt sind. 12041 Zu den Verhandlungen mit Frankreich
sind auch die soeben abgeschlossenen Generalstabsbesprechungen in Singapore zu zahlen, bei
denen neben der Regelung des gemeinsamen Oberbefehls, der voraussichtlich in englischer
Hand liegen diirfte, die Benutzung der britischen See- und Luftstutzpunkte durch Frankreich
behandelt wurde. Auch hier ist ein endgultiges Ergebnis noch nicht bekanntgeworden.
Im Auftrag
von Selzam
Nr. 314
Aufzeichnung des Staatssekretars des Auswartigen Amts
Berlin, den 30. Juni 1939
Ich habe heute nachmittag auftragsgemaB den Franzosischen Botschafter zu mir gebeten.
Nach personlichen Bemerkungen brachte der Botschafter das Gesprach auf die allgemeine
politische Lage. Ich erwiderte mit Hinweisen auf die krampfhafte britische
Einkreisungspolitik, die dazu bestimmt schiene, uns einzuschuchtern und naturlich das
Gegenteil erziele. Das gehe auch Frankreich an, obschon unsere Presse ihre Vorwiirfe
vorwiegend an die Adresse Londons richte. Besonders erstaunlich schiene mir die britische
Illusion, durch die Verhandlungen mit Moskau die angebliche Kriegsgefahr in Europa
beschworen zu konnen.
Als Coulondre auf das Problem Deutschland-Polen iiberging und wegen gewisser Nachrichten
liber innere Danziger Vorbereitungen wieder schwarz malte, hielt ich ihm Exzesse und Reden
prominenter Polen vor, so wie z. B. heute wieder die eroberungslustige Rede des Generals
Kwasniewski.—
Es war eine gewisse Erleichterung bei dem Botschafter zu konstatieren als ich sagte, meines
Erachtens seien wir nicht am Vorabend eines groBen Eclats, auBer wenn polnische Exzesse
einen solchen hervorriefen. Das ware dann finis Poloniae.
Hierbei machte Coulondre wie schon friiher die Bemerkung, im Falle polnischer
Provokationen sei Frankreich nicht gebunden. Gabe es aber Krieg infolge von Danziger
Eigenmachtigkeiten, konne weder Frankreich noch England zuriick. Es ware ein groBer und
tragischer Irrtum zu glauben, daB Frankreich in einem solchen Falle, abseits stehen wiirde, so
schmerzlich der Krieg auch fiir ganz Frankreich ware.
Um mehr zu horen, auBerte ich dann Zweifel daran, daB England die Entscheidung liber Krie£
und Frieden fiir das Empire auf einmal in die Hande irgendwelcher Leute in Warschau oder
im Korridor gelegt haben konnte. Coulondre ging jedoch nicht davon ab, daB England und
Frankreich seit dem Marz dieses Jahres dem internationalen Frieden nicht mehr trauten und
darum Engagements eingingen, an die sie friiher nicht gedacht hatten.
12051 Der Botschafter kam nicht mit der Behauptung heraus, daB Deutschland noch im Laufe
dieses Jahres mit Polen abrechnen wolle. Er leitete seine Sorgen vielmehr ab aus den
bedrohlichen, quasi militarischen Vorbereitungen in Danzig und auBerdem allerdings auch
aus dem Mangel an Selbstkontrolle der polnischen Freunde Frankreichs.
Ich habe meine Ausfuhrungen als personliche bezeichnet und eine autoritative Darstellung
unserer Anschauungen an Herrn Coulondre dem Herrn ReichsauBenminister vorbehalten.
Weizsacker
Nr. 315
Der Deutsche Botschafter in Ankara an das Auswartige Amt
Telegramm
Therapia, den 30. Juni 1939
Erfahre zuverlassig, daB Englander die Tiirkei auch fiir Garantie auBerbalkanischer Grenzen
Rumaniens zu engagieren wunschen gegeniiber britischer Garantie fiir thrazische Grenze.
Gleiches diirfte fiir Griechenland gelten.
Papen
Nr. 316
Der Deutsche Botschafter in Paris an das Auswartige Amt
Bericht
Paris, den 6. Juli 1939
Aus AnlaB des Jahresessens der Vereinigung France-Grande-Bretagne am 4. Juli haben nach
einleitenden BegruBungsworten des Prasidenten der Vereinigung, Marquis de Vogue, der zu
diesem Zweck eigens nach Paris gekommene Englische Kriegsminister Hore-Belisha und der
Franzosische AuBenminister Bonnet Reden gehalten, in denen sie die unerschutterliche
franzosisch-englische Freundschaft feierten.
Der Englische Kriegsminister ging davon aus, daB zwar das wesentliche Ziel sowohl der
englischen wie der franzosischen Bemuhungen nach dem Kriege das gleiche gewesen sei,
namlich die Verhinderung der Aufrichtung einer Gewaltherrschaft in Europa, daB aber die
Methoden der beiden Lander verschieden gewesen seien. Frankreich sei fiir ein System von
Allianzen eingetreten, England habe sich dagegen bisher geweigert, sich im voraus zu binden.
Wie die Entwicklung der Dinge gelehrt habe, sei die franzosische Politik gerechtfertigt
gewesen, und England habe dies nunmehr anerkannt. Es gebe jetzt nicht mehr eine englische
und eine franzosische, sondern nur noch eine gemeinsame englisch-franzosische Politik. Im
weiteren Verlauf seiner Rede hat dann der englische Minister besonders die enge militarische
Zusammenarbeit unterstrichen, bei der beide Lander keinerlei Geheimnisse voreinander
hatten. Die englischen Truppen hatten kiirzlich vor General Gamelin defiliert, und General
Gort werde demnachst der Parade am 14. Juli beiwohnen, an der mit besonderem Stolz auch
eine Abteilung des englischen Heeres teilnehmen werde. England und Frankreich lebten als
Kameraden und wiirden, wenn es sich als notwendig herausstellen sollte, auch als solche zu
sterben wissen.
12061 Frankreich habe unbestreitbar das am besten vorgebildete Heer und England die
machtigste Marine. Durch die Beschleunigung der Flugzeugproduktion der beiden Lander
besaBen diese schlieBlich auch die modernsten und machtigsten Luftstreitkrafte. In weniger
als einem Jahr werde die englische Armee mehr als 1 Million Mann zahlen. Die arztliche
Priifung der ersten 50.000 Mann der neuen englischen Miliz habe ergeben, daB 97%
diensttauglich seien. Wer wollte da noch wagen, von einer englischen Dekadenz zu sprechen?
Der Minister schloB seine Rede mit der Feststellung, daB England Frankreich und Frankreich
England sagen konne: wir denken in der gleichen Weise, wir sind zu denselben Ergebnissen
gekommen, wir folgen demselben Ideal, wir sind Freunde, wir sind stark, und wir werden
Front zu machen wissen, was auch immer kommen moge.
Die Rede des Franzosischen AuBenministers enthalt die gleichen Gedankengange, ist jedoch
im Ton weniger groBsprecherisch und dithyrambisch als die des beredsamen Englischen
Kriegsministers.
Im Auftrag
Brauer
Nr. 317
Aufzeichnung eines Beamten der Politischen Abteilung
des Auswartigen Amts
Berlin, den 10. Juli 1939
Rumdnien und die englische Einkreisungsaktion
Die englische Einkreisungsaktion hat gleichmaBig am 18. Marz mit Demarchen der britischen
Vertreter in verschiedenen Hauptstadten eingesetzt. AuBerer AnlaB derselben war die am 17.
Marz 1939 vom Rumanischen Gesandten in London aus eigener Initiative aufgestellte und
Lord Halifax vorgetragene Behauptung, Deutschland habe Rumanien einen Vorschlag
gemacht, der den Charakter eines Ultimatums triige. m Rumanien solle danach Deutschland
ein Monopol fur seinen AuBenhandel und eine Kontrolle seiner Industrie einraumen, wofiir
Deutschland Zusicherungen hinsichtlich der Grenzen Rumaniens geben werde.
Gleichzeitig ist von englischer Seite in Bukarest mit groBem Nachdruck Deutschland
entgegengearbeitet und versucht worden, den AbschluB des deutsch-rumanischen
Wirtschaftsvertrages vom 23. Marz zu hintertreiben. Auch wurde englischerseits trotz
wiederholter rumanischer Dementis mit der Behauptung eines angeblich deutschen
Wirtschaftsultimatums gearbeitet.
Im Zusammenhang mit den Besprechungen, die gelegentlich des Besuchs des Polnischen
AuBenministers Beck in London Anfang April iiber den AbschluB des englisch-polnischen
Beistandspakts stattgefunden haben, m hat sodann die Frage eine Rolle gespielt, wie das
rumanisch-polnische Biindnis, das sich bisher nur gegen SowjetraBland richtet, auch gegen
einen Angriff von Westen her Wirksamkeit erhalten konne. Herr Beck hat in London
zugesagt, iiber diese Frage mit der Rumanischen Regierung in Besprechungen eintreten zu
wollen. I30H Unabhangig von diesen polnisch-rumanischen Besprechungen haben dann in den
ersten Apriltagen die Englische und die Franzosische Regierung ihrerseits der Rumanischen
Regierung eine Garantie ihrer Unabhangigkeit in Aussicht gestellt. Nach den Ereignissen in
Albanien wurde englischerseits sofort beschlossen, nun auch Griechenland in die Zahl der zu
garantierenden Staaten einzubeziehen. Dies fiihrte zu einer Beschleunigung auch der
rumanischen Garantieplane. Am 13. April nachmittags erfolgte dann die gleichzeitige und
identische Beistandserklarung an Griechenland und Rumanien durch Chamberlain im
Unterhaus m und durch Daladier vor der franzosischen Presse.
Rumaniens Haltung zu der Einbeziehung in die Einkreisungsaktion ist uns amtlich wiederholt
dahin definiert worden, daB Bukarest keine Gegenseitigkeitsabmachung treffen wolle; wenn
aber England und Frankreich eine einseitige Erklarung Rumanien abgeben wiirden, so konne
sich Rumanien dem nicht entziehen.
England hat sodann versucht, auf dem Umwege iiber die Tiirkei Rumanien noch fester in das
Einkreisungsnetz einzubeziehen. Vor allem ist in Ankara wiederholt angeregt worden, die
Balkanbundstaaten mochten auch flir deren auBere Grenzen Verpflichtungen ubernehmen.
Wie weit die Tiirkei zu dieser Umgestaltung des Balkanbundes bereit gewesen ist, mag
dahingestellt bleiben; jedenfalls sind diese Versuche bisher an der Haltung der iibrigen
Mitglieder des Balkanbundes gescheitert.
Das Bemuhen Englands, den Balkanbund flir die Einkreisung einzuspannen oder wenigstens
die Tiirkei flir eine Verteidigung der garantierten Staaten Griechenland und Rumanien zu
gewinnen, hat seinen Niederschlag in Punkt 6 der englisch-turkischen Abmachung vom 12.
Mai— gefunden, demzufolge England und die Tiirkei "recognize that it is also necessary to
ensure the establishment of security in the Balkans and they are consulting together with the
object of achieving this purpose as speedily as possible."
Es ist zwar von turkischer und anderer Seite behauptet worden, daB der zitierte Absatz des
englisch-turkischen Abkommens nichts anderes bedeute als einen Hinweis auf den
bestehenden Balkanpakt, der eben die Sicherheit auf dem Balkan verbiirge. Rumanischerseits
scheint man sich indessen iiber die wahre Tragweite des englisch-turkischen Manovers klar zu
sein, wenigstens will man, wenn auch ohne Erfolg, gegen die Aufnahme einer analogen
Bestimmung in das franzosisch-turkische Abkommen vom 23. Juni— gearbeitet haben.
Uberdies soil der Rumanische AuBenminister bei seinem Besuch in Ankara Mitte Juni von
den Tiirken die Zusicherung erhalten haben, daB jede auf den Balkan und seine Sicherheit
beziigliche Bestimmung aus dem endgultigen englisch-turkischen Abkommen entfernt
werden wurde.
Bei diesem Besuch Gafencus in der Tiirkei hat sich letzterer auch sonst bemiiht, der
englischen Einkreisungsaktion Vorspanndienste zu leisten. So soil Gafencu der AbschluB
eines Schwarzmeer-Paktes nahegelegt worden sein. England und Frankreich sollen wegen der
Beteiligung Rumaniens an dem geplanten RuBland-Abkommen insistiert haben, und
schlieBlich soil angeregt worden sein, den Balkanpakt gegen alle Angreifer auszudehnen.
Gafencu will alle diese Vorschlage abgelehnt haben. Jedenfalls sind rumanischerseits amtlich
alle Geriichte iiber AbschluB neuer politischer und militarischer Abreden wahrend der Reise
Gafencus nach Ankara und Athen dementiert worden.
ISM SchlieBlich ist vor kurzem bekannt geworden, daB England von der Tiirkei verlangt hat,
daB diese im Garantiefall England ermogliche, den von ihm garantierten Staaten - ohne daB
diese namentlich aufgefuhrt wiirden - wirksame Hilfe zu geben. Hiermit ist offensichtlich
gemeint, daB die Tiirkei, auch wenn nicht selbst angegriffen, England die Durchfahrt durch
die Dardanellen ermoglichen soil, um Rumanien zu Hilfe zu eilen.
Es wird noch festzustellen sein, wie weit Rumanien iiber diese englischen Plane unterrichtet
ist und welche Stellung es gegebenenfalls zu ihnen einnimmt.
Heinburg
Nr. 318
Der Deutsche Botschafter in London an das Auswartige Amt
Bericht
London, den 12. Juli 1939
In dem zu Beginn dieses Jahres vom Parlament angenommenen erweiterten
Exportkreditgarantiegesetz war dem Board of Trade die damals kein besonderes Aufsehen
erregende Ermachtigung erteilt worden, fur 10 Millionen Pfund Exportkreditgarantien zu
erteilen, ohne an die dem Exportkreditgarantieinstitut vorgeschriebenen streng
wirtschaftlichen Richtlinien gebunden zu sein, sofern die Vergebung solcher Kredite im
nationalen Interesse lag. Dieser politische Kreditfond, den man in englischen Kreisen
zuweilen den "Reptilienfond" zu nennen pflegte, hat infolge der politischen Ereignisse der
letzten Monate immer mehr an Bedeutung gewonnen. Wie aus der laufenden
Berichterstattung der Botschaft bekannt ist, haben sich im Zuge der jungsten politischen und
wirtschaftlichen Aktivitat GroBbritanniens Delegationen aus Rumanien, Griechenland und
Polen mit Kreditwunschen in London eingestellt. Die Irakische Regierung hat vor kurzem
bekanntlich einen vom Board of Trade garantierten 3 Millionen Pfund Kredit erhalten.
Obwohl iiber die neuen tiirkischen Kreditwunsche hier nichts Konkretes bekannt geworden
ist, so hat es doch den Anschein, als ob auch die Tiirkei neue Kreditforderungen angemeldet
hat. Auf einer etwas anderen Ebene liegen die Kreditwunsche Neuseelands.
Wenn auch noch nicht im Einzelnen bekannt ist, fur welche Kredite der obenerwahnte 10
Millionen Pfund Fond in Anspruch genommen worden ist, so ist es doch bereits seit einiger
Zeit offensichtlich geworden, daB er im Vergleich mit den an die Britische Regierung von den
befreundeten Staaten gestellten finanziellen Anforderungen vollig ungeniigend war. Da
einerseits fur die kreditsuchenden Staaten aus geldmarktpolitischen Grunden die Auflegung
einer Anleihe in London zur Zeit unmoglich ist, andererseits das rein wirtschaftliche
Exportkreditverfahren gerade diejenigen Exporte ausschlieBt, worauf es jenen Staaten am
meisten ankommt, namlich Riistungsexporte, hat sich die Britische Regierung entschlossen,
den Fond der politischen Kredite zu erhohen.
Die Regierung hat daher am 6. d. M. dem Parlament einen Gesetzentwurf vorgelegt, welcher
die Gewahrung politischer Kredite aus dem bisherigen Exportgarantieverfahren ausgliedert
und sie zum Gegenstand eines selbstandigen Gesetzes, der Overseas Garanties Trade Act,
macht. In dem Gesetz- 12021 entwurf wird die Ermachtigung des Board of Trade, politische
Kredite zu erteilen, auf 60 Millionen Pfund erhoht. In diesen Betrag sind die mit den Krediten
verknupften Zinsleistungen nicht einbegriffen. Je nach der Langfristigkeit der gewahrten
Kredite und der vereinbarten Zinsen kann sich das AusmaB der dem Board of Trade erteilten
Kreditermachtigung um ein Wesentliches erhohen. Die eigentliche Finanzierungskraft der
Ermachtigung wird im iibrigen auch schon darum nicht mit dem oben erwahnten
Nominalwert gleichzusetzen sein, als die Kredite revolvieren und somit nach Ablauf erneut
vergeben werden konnen.
Es wird angenommen, daB die garantierten Kredite zum Teil eine Laufzeit bis zu 15 Jahren
haben konnen. Im Zusammenhang damit steht eine weitere Bestimmung des Gesetzentwurf es,
wonach der Board of Trade ermachtigt wird, die von den fremden Staaten gegebenen
Schatzanweisungen selbst zu ubernehmen. Das bisherige Verfahren, die betreffenden
Schuldverschreibungen unter der Garantie des Board of Trade auf dem englischen Geldmarkt
unterzubringen, wiirde bei langfristigen Schuldverschreibungen schwer moglich sein.
Wie bisher werden die Kredite grundsatzlich nur flir Bestellungen in GroBbritannien zur
Verfugung gestellt. 6 Millionen Pfund der neuen Kreditermachtigung konnen jedoch zur
Kreditsicherung von Abschlussen liber nichtbritische Erzeugnisse verwandt werden. Die im
Zusammenhang mit solchen englischen Exporten in dem Kauferland entstehenden
Nebenkosten konnen nach gewissen im Gesetzentwurf aufgestellten Richtlinien ebenfalls in
die Kreditaktion einbezogen werden.
Der EntschluB der Regierung, nunmehr offen den Weg der Subsidienpolitik zu beschreiten, ist
in der englischen Offentlichkeit mit groBer Befriedigung aufgenommen worden. Es wird kein
Hehl daraus gemacht, daB die damit verfolgten Ziele in erster Linie politischer Natur sind,
und daB die zu gewahrenden Kredite die mit GroBbritannien befreundeten Staaten in den
Stand setzen sollen, Rustungsauftrage zu erteilen. Eine andere Frage ist, wie weit die
englische Riistungsindustrie augenblicklich imstande ist, neben der heimischen Aufriistung
auch noch erhebliche fremde Auftrage auszufuhren. Aber es darf hierbei nicht ubersehen
werden, daB die neue englische Kreditpolitik auf langere Sicht eingestellt ist.
Es wird hier allgemein angenommen, daB die Kredite mehr oder weniger bereits verteilt sind.
In erster Linie diirfte wohl Polen bedacht werden, dessen Finanzverhandlungen mit der
Englischen Regierung demnachst abgeschlossen sein durften. Als weitere Anwarter kommen
Rumanien, Griechenland und die Tiirkei in Frage. Nach heutigen Pressemeldungen sind die
Kreditabkommen mit den beiden erstgenannten Staaten bereits abgeschlossen. Da in dem
Gesetzentwurf keine Bestimmung enthalten ist, welche die Empirelander aus dem Kreise der
Bedachten ausschlieBt, erscheint die hier des ofteren geauBerte Vermutung nicht
ungerechtfertigt, daB auch Neuseeland aus dem nunmehr neu angeflillten Kreditfond gespeist
werden wird.
Die zweite Lesung des Gesetzes wird noch in dieser Woche erfolgen. Die Regierung hat die
Absicht, es noch vor den Parlamentsferien zu verabschieden, und es ist nicht anzunehmen,
daB sie dabei auf Schwierigkeiten stoBen wird.
Im Auftrag
Federer
mm
Nr. 319
Der Deutsche Botschafter in London an das Auswartige Amt
Telegramm
London, den 15. Juli 1939
Nach Mitteilung aus sehr zuverlassiger Quelle soil in maBgebenden hiesigen politischen
Kreisen die Besorgnis vor dem Zustandekommen eines deutsch-russischen Ausgleichs sich
letzthin erheblich gesteigert haben. Man befurchtet vor allem, daB die logische Folge eines
solchen Ausgleichs das Bestreben der Polen sein wiirde, sich ihrerseits nunmehr Deutschland
zu nahern, nachdem die russische Ruckendeckung weggefallen sei.
Innerpolitisch befurchtet man hier insofern von einem deutsch-russischen Ausgleich und einer
Abmilderung des deutsch-polnischen Gegensatzes unerfreuliche Riickwirkungen, als dann die
Wahlparole der Regierung wesentlich beeintrachtigt wiirde. Die Wahlerschaft wiirde die
Frage stellen, warum die Regierung so viele Monate Kriegsstimmung entfacht und eine
politische Front gegen Deutschland zu bilden versucht habe, trotzdem die innere Begrundung
fur ein solches Vorgehen durch das Eintreten einer ruhigen Atmosphare in den Beziehungen
Deutschlands zu RuBland und Polen fehle.
Dirksen
Nr. 320
Der Deutsche Botschafter in Ankara an das Auswartige Amt
Telegramm
Therapia, den 18. Juli 1939
Wahrend englische Militarmission, wie ich feststellte, sich hier nur mit Lieferungsfragen
befaBt hat, beabsichtigt gestern eingetroffene franzosische Militarmission unter Fuhrung
Generals Huntzinger, sich eingehend liber strategische Probleme zu unterhalten.
Papen
Nr. 321
Der Deutsche Botschafter in London an das Auswartige Amt
Bericht
London, den 19. Juli 1939
Die turkische Militarmission halt sich noch immer in England auf. Am Sonntag, den 16. Juli,
mittags, trafen noch drei turkische Offiziere auf dem Victoria-Bahnhof ein. Sie wurden von
Mitgliedern der turkischen Kommission und dem Turkischen Militarattache in Empfang
genommen.
Dem Luftattache ist die Verstarkung der turkischen Delegation auch offiziell im Britischen
Luftfahrtministerium mitgeteilt worden.
Die turkische Militarkommission besichtigt hier militarische Einrichtungen, Waffen und
Ausriistungen. Uber den Verlauf der eigentlichen Verhandlungen waren authentische Berichte
bisher nicht zu erhalten. Von den Verhandlungen ist bisher nur bekannt, daB von dem im
Vorjahr verfugbar gemachten Sechs-Millionen-Kredit flir fiinf Millionen Pfund Bestellungen
aufgegeben sind.
Im Auftrag
von Selzam
Dill
Nr. 322
Der Deutsche Botschafter in London an das Auswartige Amt
Bericht
London, den 25. Juli 1939
In der Tagespresse erschienen am 6. Juli zwei Veroffentlichungen, die besagten, daB
1. Reservisten zu Ubungen der Luftwaffe in den nachsten drei bis vier Monaten
eingezogen wurden und
2. groBere Ubungen mit fliegenden Verbanden nach dem Kontinent und besonders
nach Frankreich stattfinden wurden.
3. Aus weiteren Zeitungsnachrichten geht hervor, daB ein Teil der jetzt eingezogenen
Dienstpflichtigen der Royal Air Force zur Ausbildung und Verwendung iiberwiesen
wird.
Die erste Ubung eines Fernfluges war Dienstag, den 11. Juli, und wurde mit 12 Staffeln ohne
Zwischenlandung teils bis Le Havre und teils bis Bordeaux durchgefuhrt.
Die zweite Ubung dieser Art fand am 21. Juli statt, woran etwa 10 Staffeln (beinahe 100
Maschinen) teilnahmen. Sie flogen in drei Gruppen, und zwar:
1. Gruppe: etwa drei Staffeln "Blenheim", die von ihren Heimathafen nach Paris-
Orleans-Chartres und dann zuriick flogen; Flugstrecke etwa 700 englische Meilen;
Dauer 3 Stunden.
2. Gruppe: zwei Staff eln Armstrong "Withley"; Flugweg: liber Paris nach der Stadt
Avallon (halbwegs zwischen Paris und Lyon); Flugstrecke etwa 750 englische Meilen.
3. Gruppe: fiinf Staffeln "Wellington"; Flugweg von den Heimathafen iiber Dover-
Paris-Auxerre-Lyon-Marseille und zuriick. Flugstrecke 1.500 englische Meilen, wobei
sie nach Zeitungsnachrichten eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 1 80 englischen
Meilen entwickelten. Der Unterstaatssekretar der Luftfahrt, Captain Balfour, hat in
einer dieser Maschinen als Besatzungsmitglied teilgenommen.
Zunachst ware an der Tatsache an sich, daB Ubungen auch groBeren Rahmens innerhalb der
britischen Fliegertruppe stattfinden, nichts Auffalliges zu sehen. DaB aber solche Ubungen zu
diesem Zeitpunkt durchgefuhrt und weiter von der gesamten Presse als ein Ereignis ersten
Ranges groB aufgemacht werden, gibt zu Uberlegungen AnlaB.
Zwei Gesichtspunkte konnen als Griinde hierfiir angenommen werden:
1. Die Ubungen sollen der Welt zeigen, daB die britische Luftwaffe zum Kampf bereit
ist.
In alien Kreisen Englands kann man die unumstoBliche GewiBheit finden, daB in
den nachsten beiden Monaten von seiten Deutschlands irgend etwas in der Danziger
Frage geschehen wird, was in dem Falle der Durchfuhrung ohne Verhandlung und
unter militarischem Druck die Beistandspflicht Englands nach sich ziehen muB und
wird.
ma In der breiten Masse findet eine solche Hilfeleistung Englands - im Gegensatz
zum vorigen September - voile Zustimmung, auch wenn man mit den Rustungen nicht
fertig sein sollte. In denkenden Kreisen, die, in London wenigstens, zahlreich vertreten
sind, driickt diese Beistandspflicht wie ein Alp, da die praktische Durchfuhrung, rein
militarisch gesehen, ohne ein Bundnis mit einem militarisch starken RuBland als recht
schwierig angesehen wird.
Militarische Ubungen aller Art sollen nun die Einsatzbereitschaft und Starke unter
Beweis stellen; auch erhofft man sich aus solchen MaBnahmen einen gewissen
Eindruck auf Deutschland, der bewirken soil, eine friedliche Losung der Danziger
Frage der gewaltsamen vorzuziehen.
2. Die englische Luftwaffe soil durch diese Ubungen einen hohen Grad von
Einsatzbereitschaft erhalten. Im Laufe des vergangenen und dieses Jahres sind
verschiedene Organisationsveranderungen und Vermehrungen durchgefuhrt worden.
Diese miissen - wie jede Veranderung - zunachst den Kampfwert einer Truppe
herabmindern. Viele Staffeln sind mit neuen Mustern ausgeriistet worden und haben
ihr Unterstellungsverhaltnis geandert. Dieser ganze Apparat muB sich nun einspielen,
und dazu sind derartige Ubungen das beste Mittel. Zweifellos werden die
Truppenubungen kriegsmaBig durchgefuhrt; dieses laBt sich schon aus dem Einziehen
von Reservisten ersehen.
Die Art der Durchfuhrung der ersten Ubungen ist sehr interessant. Die Fliige konnten
zunachst tatsachlich aus dem Grande nur nach Frankreich durchgefuhrt werden, weil fur
langere Streckenfliige England zu klein ist. Ein Fliegen iiber See in groBeren Verbanden wird
wegen der Schwierigkeit der Flugsicherung wahrscheinlich nur ungern unternommen.
Zur Ubung ist es ja schlieBlich gleichgultig, wohin geflogen wird. So konnten diese Fliige
allgemein als Vorbereitung fur einen Einsatz auf groBe Entfernungen angesehen werden.
Andererseits ist es aber wohl nicht von der Hand zu weisen, daB hiermit gleichzeitig
praktische Einsatziibungen fur den Mobilisierangsfall verbunden sein konnten. Es ist natiirlich
im Mobilisierungsfall einfacher wenn die Verbande auf ihre Strecken eingeflogen sind.
Im Auftrag
von Selzam
Nr. 323
Der Deutsche Botschafter in Paris an das Auswartige Amt
Telegramm
Paris, den 28. Juli 1939
Zu Moskauer Verhandlungen erfahre ich aus gewohnlich gut unterrichteten Kreisen
folgendes:
I. Wenn England und Frankreich jetzt nicht nur darauf einzugehen bereit sind, militarische
Besprechungen vor Einigung iiber politischen Vertrag zu fiihren, sondern diese mit
besonderem Eifer betreiben, so sind drei Erwagungen dafiir maBgebend:
pi 3i 1. England und Frankreich wiinschen um jeden Preis Vertagung oder Abbruch der
Verhandlungen zu vermeiden, weil sie glauben, daB, solange Verhandlungen im FluB
sind, Deutschland in Danzig nichts unternehmen wird. Politische Verhandlungen
waren zu gewissem AbschluB gelangt, nachdem Einigung liber alle Punkte bis auf
Definition indirekten Angriffs und Modalitaten Hilfeleistung erfolgt war. Bei
letzterem Punkt spielen so viele militarische Gesichtspunkte hinein, daB ohne
gleichzeitige militarische Besprechungen nicht weiter zu kommen ist.
2. Mit Entsendung zweier reprasentativer Militarmissionen nach Moskau glaubt man
Atmosphare zum AbschluB auch politischen Vertrags gunstig beeinflussen zu konnen.
3. Mit einer eventuellen Einigung der Militars hoffen auch Politiker Druck zur
Uberwindung letzter Schwierigkeiten ausiiben zu konnen, wenn man sich auch nicht
verhehlt, daB in militarischen Besprechungen von russischer Seite auBer dem Problem
der Randstaaten das schwierige Problem der Duldung militarischen Beistands durch
Polen und Rumanien angeschnitten werden wird.
II. AbschluB englisch-japanischen Abkommens soil von Englandern in Moskauer
Verhandlungen in folgendem Sinne verwertet worden sein: England habe Verhandlungen
iiber Tientsin durch eine auf die Dauer des Konflikts beschrankte Anerkennung japanischer
Interessen in China teuer erkauft. Es sei dazu gezwungen worden, weil es Hande in Europa
frei haben miisse, solange nicht in Moskauer Verhandlungen Vertrag zustandekomme. Sollte
dies scheitern, so werde England bezuglich seiner Position in Ostasien in schwierige Lage
kommen und RuBland auf die Dauer immer starker japanischem Druck ausgesetzt sein.
III. Im Zusammenhang mit Moskauer Verhandlungen soil Bestehen des deutsch-russischen
Vertrags von 1926 auf franzosischer und englischer Seite erortert worden sein. Man habe die
Frage gepriift, ob von Russen Kundigung des Vertrags oder Erklarung iiber seine
Bedeutungslosigkeit verlangt werden konne, habe die Frage aber anscheinend zuriickgestellt,
urn die Verhandlungen nicht noch mehr zu erschweren.
IV. Franzosische Militarmission, die bereits zusammengestellt wird, soil von General
Doumenc, Chef der 2. Region in Lille, gefuhrt werden. Dieser ist Artillerist und gilt als
besonders befahigter Offizier; er war im Krieg Organisator des Kraftfahrwesens und vor
Ubernahme Frontkommandos in Lille, wo er zuerst 1 . Division befehligte, stellvertretender
Generalstabschef unter Weygand.
Welczeck
Nr. 324
Der Deutsche Gesandte in Sofia an das Auswartige Amt
Bericht
Sofia, den 31. Juli 1939
Die militarischen Vorbereitungen der Tiirkei an der tiirkisch-bulgarischen Grenze werden hier
weiter mit groBer Aufmerksamkeit verfolgt. Einer zuverlassigen Nachricht zufolge ist
tiirkischerseits vorgesehen, die tiirkische Truppenmacht in Thrazien noch weiter bis auf 15
Divisionen zu erhohen. Dar- rem unter soil sich eine franzosische Division befinden, die im
Konfliktsfalle aus Syrien herangeschafft werden wiirde. Die Dardanellen sollen durch drei
Divisionen unter englischem Oberbefehl verteidigt werden.
Uber den Besuch des Prinzregenten Paul in London und seine dortigen Gesprache liegen hier
keine weiteren Mitteilungen vor, als daB die Englander dem Prinzregenten gesagt hatten, im
Ernstfalle wiirde Jugoslawien auf den Schutz Englands rechnen konnen.
MaBgebende bulgarische Politiker machen sich liber diese Fiille von
Beistandsversprechungen, die England austeilt, lustig.
Frhr. von Richthofen
177
Der Franzosische Ministerprasident Daladier hat in seiner Rede vor der Kammer am 30.
November 1939 mitgeteilt, daB die Frage der Einheit des Oberkommandos bereits geregelt
war, bevor der Krieg ausbrach. ...zuriick...
Rede, die der Vorsitzende der See- und Kolonialliga Brigadegeneral Kwasniewski in
Warschau am 29. Juni anlaBlich des "Tag des Meeres" gehalten hatte. ...zuruck...
179 Vgl. Nr. 270 . ...zuriick...
180 Vgl. Nr. 286 . ...zuriick...
181 Vgl. Nr. 288 . ...zuriick...
182 Vgl. Nr. 301 . ...zuriick...
183 Vgl. Nr. 310 . ...zuriick...
Drittes Kapitel
Deutschlands Bemiihen
um Sicherung friedlicher Beziehungen
zu seinen Nachbarldndern
Nr. 325
Aus der Rede des Fuhrers vor dem Deutschen Reichstag,
30. Januar 1937
Deutschland hat in den letzten Jahren eine ganze Anzahl politischer Beziehungen
aufgenommen, wieder angekniipft, verbessert und mit einer Reihe von Staaten ein, ich darf
wohl sagen, enges freundschaftliches Verhaltnis hergestellt. Unsere Beziehungen in Europa
sind, von uns aus gesehen, zu den meisten Staaten normale, zu einer ganzen Anzahl von
Staaten sehr freundschaftliche. Ich stelle hier an die Spitze die ausgezeichneten Beziehungen,
die uns vor allem mit jenen Staaten verbinden, die aus ahnlichen Leiden wie wir zu ahnlichen
Folgerungen gekommen sind. Durch eine Reihe von Abkommen haben wir friihere
Spannungen beseitigt und damit wesentlich zu einer Verbesserung der europaischen
Verhaltnisse beigetragen
Deutschland hat - und ich wiederhole dies hier feierlich - immer wieder versichert, daB es z.
B. zwischen ihm und Frankreich iiberhaupt keinerlei menschlich denkbaren Streitpunkt geben
kann. Die Deutsche Regierung hat weiter Belgien und Holland versichert, daB sie bereit ist,
diese Staaten jederzeit als unantastbare neutrale Gebiete anzuerkennen und zu garantieren
Nr. 326
Aus der Rede des Fuhrers im Berliner Sportpalast,
26. September 1938
Ich habe Frankreich sofort nach der Riickgabe des Saargebiets an Deutschland, die durch
eine Abstimmung entschieden wurde, erklart, daB es nun iiberhaupt keine Differenzen mehr
zwischen uns gebe. Ich sagte, daB die elsaB-lothringische Frage fur uns nicht mehr existiert.
Es ist ein Grenzgebiet. Das Volk dieses Landes ist eigentlich in den letzten Jahrzehnten
niemals um seine eigene Meinung gefragt worden.
Wir haben die Empfindung, daB die Bewohner dieser Provinz am gliicklichsten sind, wenn
um sie nicht wieder gekampft wird.
Wir alle wollen keinen Krieg mit Frankreich. Wir wollen nichts von Frankreich! Gar nichts!
Und als das Saargebiet dank der loyalen Auslegung der Vertrage durch Frankreich - das muB
ich hier bestatigen - ins Reich zuriickgekehrt war, habe ich feierlich versichert: Nunmehr sind
alle territorialen Differenzen zwischen Frankreich und Deutschland beseitigt. Ich sehe heute
iiberhaupt keine Differenz mehr zwischen uns !
Es sind zwei groBe Volker, die beide arbeiten und leben wollen. Und sie werden dann am
besten leben, wenn sie zusammen arbeiten!
Nr. 327
Unterredung des Reichsministers des Auswartigen
mit dem Franzosischen Botschafter
Aufzeichnung
Berlin, den 20. November 1938
Ich empfing heute um 12 Uhr den neuernannten Franzosischen Botschafter Coulondre, der
mir seinen Antrittsbesuch machte.
Herr Coulondre erklarte mir, daB er sich bei Annahme des Postens vorgenommen habe, alles
zu tun, um das deutsch-franzosische Verhaltnis so gut pi si wie moglich zu gestalten. Er
personlich sei in keinem Sinne irgendwie beeinfluBt, und stehe alien Anregungen offen
gegeniiber.
Ich erwiderte Herrn Coulondre, daB leider viele Gelegenheiten verpaBt worden seien, das
deutsch-franzosische Verhaltnis grundlegend zu bessern, und ich verwies in diesem
Zusammenhang auf den bereits 1933 vorgesehenen, leider aber nicht erfolgten Besuch des
Ministerprasidenten Daladier in Deutschland. Ich hatte seinem Amtsvorganger Francois-
Poncet gegeniiber haufiger ausgefiihrt, daB, wenn erst ein gewisser geistiger Ballast
abgeworfen worden sei, eine Verstandigung zwischen Deutschland und Frankreich einfacher
sein wiirde. Es kame darauf an, daB sich die europaischen Staaten auf ihre wirklichen
Interessen beschrankten, so Frankreich auf sein groBes Kolonialreich, England auf sein
Empire und Deutschland auf seine eigentliche Interessensphare, namlich den Sudosten
Europas. Wenn dies einmal klar herausgeschalt sei, werde auch das deutsch-franzosische
Verhaltnis immer besser und dauerhafter werden, denn das deutsche Volk hege ebensowenig
irgendwelchen Groll gegen Frankreich wie das franzosische Volk gegen Deutschland, und
dies sei um so naturlicher, da ja keine vitalen Divergenzen zwischen den beiden Volkern
bestanden.
Herr Coulondre stimmte meinen Ausfuhrungen zu und sagte, daB er die Frage genau so sehe.
von Ribbentrop
Nr. 328
Unterredung des Reichsministers des Auswartigen
mit dem Vertreter des Paris Soir, 5. Dezember 1938
Auszug
Viele Franzosen miiBten wissen, daB ich seit langem eine Verstandigung mit Frankreich
wiinsche und daran arbeite. Niemand war zufriedener als ich, als der Fiihrer nach der
Machtiibernahme der Nationalsozialisten die Ansicht vertrat, daB eine Annaherung mit
Frankreich die erste Bedingung flir eine Befriedung Europas sei. Das deutsche Volk ist ihm
freiwillig gefolgt, denn es hat absolut nichts gegen das franzosische Volk, ebensowenig wie
das franzosische Volk, das ich genau zu kennen glaube, auch nichts gegen das deutsche Volk
hat.
Die hohe Achtung der deutschen Frontkampfer vor den franzosischen Frontkampfern ist im
Kriege geboren. Diese Achtung stellt einen gunstigen Boden fiir eine Verstandigung dar.
Deshalb hat auch in den letzten Jahren niemand mehr als die Frontkampfer an einer
Annaherung zwischen beiden Volkern gearbeitet.
Ich bin sicher, daB es zwischen Frankreich und Deutschland keine lebenswichtigen Fragen
gibt, die nicht freundschaftlich geregelt werden konnten. Frankreich hat seine Freunde, und
Deutschland hat ebenfalls die seinigen. Warum sollte es nicht moglich sein, eine Briicke
zwischen diesen Freunden zu schlagen, um eine Grundlage zu finden, die alien interessierten
Landern nur nutzlich sein konnte?
PI 91
Nr. 329
Deutsch-Franzosische Erklarung, 6. Dezember 1938
Der Deutsche Reichsminister des Auswartigen, Herr Joachim von Ribbentrop, und der
Franzosische Minister fiir Auswartige Angelegenheiten, Herr Georges Bonnet, haben bei ihrer
Zusammenkunft in Paris am 6. Dezember 1938 im Namen und im Auftrag ihrer Regierungen
folgendes vereinbart:
1. Die Deutsche Regierung und die Franzosische Regierung sind ubereinstimmend der
Uberzeugung, daB friedliche und gutnachbarliche Beziehungen zwischen Deutschland
und Frankreich eines der wesentlichsten Elemente der Konsolidierung der
Verhaltnisse in Europa und der Aufrechterhaltung des allgemeinen Friedens
darstellen. Beide Regierungen werden deshalb alle ihre Krafte dafiir einsetzen, daB
eine solche Gestaltung der Beziehungen zwischen ihren Landern sichergestellt wird.
2. Beide Regierungen stellen fest, daB zwischen ihren Landern keine Fragen
territorialer Art mehr schweben, und erkennen feierlich die Grenze zwischen ihren
Landern, wie sie gegenwartig verlauft, als endgultig an.
3. Beide Regierungen sind entschlossen, vorbehaltlich ihrer besonderen Beziehungen
zu dritten Machten, in alien ihre beiden Lander angehenden Fragen in Fiihlung
miteinander zu bleiben und in eine Beratung einzutreten, wenn die kunftige
Entwicklung dieser Fragen zu internationalen Schwierigkeiten fiihren sollte.
Zu Urkund dessen haben die Vertreter der beiden Regierungen diese Erklarung, die sofort in
Kraft tritt, unterzeichnet.
Ausgefertigt in doppelter Urschrift in deutscher und franzosischer Sprache in Paris am 6.
Dezember 1938.
Joachim von Ribbentrop Georges Bonnet
Reichsminister des Auswartigen Minister fur Auswartige Angelegenheiten
Nr. 330
Amtliche Deutsche Verlautbarung, 6. Dezember 1938
Der Besuch des Reichsministers des Auswartigen in Paris am 6. Dezember hat Gelegenheit zu
einem ausfiihrlichen deutsch-franzosischen Meinungsaustausch geboten. In den
Unterhaltungen (die zwischen Herrn von Ribbentrop und Herrn Georges Bonnet stattgefunden
haben) sind die wichtigsten europaischen Probleme und insbesondere die Fragen, die die
politischen und wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Frankreich und Deutschland
unmittelbar angehen, gepriift worden. Von beiden Seiten ist anerkannt worden, daB eine auf
der formellen Anerkennung ihrer Grenzen beruhende Entwicklung der Beziehungen zwischen
den beiden Landern nicht nur deren gemeinsamen Interessen dienen, sondern einen
wesentlichen Beitrag zur Aufrechterhaltung des Friedens darstellen wiirde.
In diesem Geist haben die AuBenminister der beiden Lander eine Erklarung unterzeichnet, die
vorbehaltlich der besonderen Beziehungen der beiden Regierungen zu dritten Machten ihren
Willen zum Ausdruck bringt, in gegenseitiger Achtung friedlich zusammenzuarbeiten, und
die so einen wichtigen Schritt auf dem Wege der allgemeinen Befriedung darstellt.
T3201
Nr. 331
Erklarung des Reichsministers des Auswartigen vor der Presse,
Paris, 6. Dezember 1938
Mit der heutigen Erklarung sind Frankreich und Deutschland auf der festen Grundlage ihrer
Freundschaften mit anderen Staaten ubereingekommen, ihren Jahrhunderte alten Grenzstreit
zu beenden und mit der gegenseitigen Anerkennung ihrer Grenzen auch einer beiderseitigen
Anerkennung und Achtung ihrer nationalen Lebensinteressen den Weg zu ebnen. Als
gleichberechtigte Partner erklaren sich zwei groBe Nationen bereit, nach schweren
Auseinandersetzungen in der Vergangenheit eine gute Nachbarschaft fur die Zukunft zu
begriinden. Sie geben mit dieser Erklarung ihres Willens der Uberzeugung Ausdruck, daB es
zwischen ihnen in der Tat keine lebenswichtigen Gegensatze gibt, die einen ernsten Konflikt
rechtfertigen konnen.
Die wirtschaftlichen Interessen beider Lander erganzen sich. Das deutsche Geistesleben
verdankt Frankreich wertvolle Anregungen, wie auch umgekehrt Deutschland oft das
franzosische Geistesleben befruchtet hat. Die Achtung, die das deutsche und das franzosische
Volk als tapfere Gegner wahrend des Weltkrieges voreinander gewonnen haben, soil im
Frieden ihre naturliche Erganzung und Vertiefung finden durch die hervorragende
Leistungsfahigkeit, die beide Volker in der Arbeit auszeichnet.
Ich bin daher iiberzeugt, daB die heutige deutsch-franzosische Erklarung die geschichtlichen
Vorurteile beseitigen hilft und daB die Entspannung unseres Nachbarverhaltnisses, die in ihr
zum Ausdruck kommt, nicht nur die einmutige Zustimmung der Fuhrenden, sondern auch der
Volker unserer beiden Staaten findet.
Die Gefuhle, die das deutsche Volk gegeniiber einer neuen Ausrichtung der
zwischenstaatlichen Beziehungen hegt, kamen in dem herzlichen Empfang zum Durchbruch,
der dem Franzosischen Ministerprasidenten Eduard Daladier in Miinchen bereitet wurde. Die
Sympathiekundgebungen, deren Zeuge ich in den wenigen Stunden meines Pariser
Aufenthaltes sein durfte, zeigen, in wie starkem MaBe diese Gefuhle auch von der
Bevolkerung Frankreichs geteilt werden.
So halte ich die Hoffnung fur berechtigt, daB die Erklarung eine neue Ara zwischen unseren
beiden Volkern einleiten wird.
Nr. 332
Erklarung des Franzosischen AuBenministers Bonnet vor der Presse,
Paris, 6. Dezember 1938
(Ubersetzung)
Ich mochte zunachst den Herrn Reichsminister des Auswartigen begriiBen, den zu empfangen
wir uns besonders glucklich schatzen und dessen Anwesenheit die Tragweite der Urkunde
unterstreicht, die wir soeben unterzeichnet haben.
Die Bemuhungen der Franzosischen Regierung haben ebenso wie die aller ihrer
Vorgangerinnen immer mit derselben Aufrichtigkeit die Erhaltung und mil Organisierung des
Friedens angestrebt. Die Herstellung gutnachbarlicher Beziehungen zwischen Frankreich und
Deutschland bildet ebenso wie der Ausdruck ihres gemeinsamen Willens, ihre friedlichen
Beziehungen zu entwickeln, ein wesentliches Element ihres Vorhabens.
Aus diesem Grunde freue ich mich besonders iiber die Unterzeichnung dieser franzosisch-
deutschen Erklarung, die die bestehenden Grenzen in feierlicher Form anerkennt und damit
einen langen historischen Streit beendet sowie den Weg zu einer Zusammenarbeit ebnet, die
durch die Uberzeugung erleichtert wird, daB zwischen den beiden Landern kein Streitpunkt
besteht, der geeignet ware, die friedlichen Grundlagen ihrer Beziehungen in Frage zu stellen.
Diese Uberzeugung wird gefordert durch die gegenseitige Wertschatzung des geistigen
Austausches, der zwischen den beiden Nationen von jeher bestanden hat, sowie durch die
gegenseitige Achtung, die sich zwei Volker schulden, die wahrend des Weltkrieges ihren
Heldenmut gemessen haben und heute entschlossen sind, in einer Atmosphare des Vertrauens
und des Friedens zu arbeiten.
Im librigen zweifle ich nicht daran, daB diese gemeinsame Erklarung einen wichtigen Beitrag
zur allgemeinen Befriedung liefert, dessen voller Wert sich in der Zukunft erweisen wird. Sie
bildet einen besonders wichtigen Abschnitt bei diesem Werk der Versohnung und der
Zusammenarbeit, fur das Frankreich den heiBen Wunsch hegt, daB alle Volker sich ihm
beigesellen mochten.
Nr. 333
Der Reichsminister des Auswartigen an den Belgischen Gesandten
Berlin, den 13. Oktober 1937
Herr Gesandter!
Im Namen der Deutschen Regierung habe ich die Ehre, Euerer Exzellenz folgendes
mitzuteilen:
Die Deutsche Regierung hat mit besonderem Interesse Kenntnis von den offentlichen
Erklarungen genommen, die die Belgische Regierung zur Klarung der internationalen
Stellung Belgiens abgegeben hat.
Sie hat ihrerseits wiederholt, insbesondere durch die Erklarung des Deutschen Reichskanzlers
in seiner Rede vom 30. Januar 1937,— ihre Auffassung in dieser Hinsicht zum Ausdruck
gebracht.
Andererseits hat die Deutsche Regierung Kenntnis genommen von der Erklarung der
Koniglich Britischen und der Franzosischen Regierung vom 24. April 1937.—
P22i Mit Rucksicht darauf, daB der AbschluB eines zur Ersetzung des Pakts von Locarno
bestimmten Vertrags noch geraume Zeit in Anspruch nehmen kann, und in dem Wunsche, die
friedlichen Bestrebungen der beiden Lander zu starken, halt die Deutsche Regierung es fur
angebracht, ihre Haltung gegeniiber Belgien schon jetzt zu prazisieren.
Zu diesem Zweck gibt sie folgende Erklarung ab:
1. Die Deutsche Regierung hat Akt genommen von der Auffassung, der die Belgische
Regierung auf Grand ihrer eigenen Zustandigkeit Ausdruck gegeben hat, namlich,
a) daB sie in voller Souveranitat eine Politik der Unabhangigkeit zu verfolgen gedenkt,
b) daB sie entschlossen ist, die Grenzen Belgiens mit alien ihren Kraften gegen jeden
Angriff und jede Invasion zu verteidigen, zu verhindern, daB das belgische Gebiet fur
einen Angriff gegen einen anderen Staat als Durchmarschland oder als
Operationsbasis zu Lande, zur See oder in der Luft benutzt wird, und zu diesem
Zwecke die Verteidigung Belgiens in wirksamer Weise zu organisieren.
2. Die Deutsche Regierung stellt fest, daB die Unverletzlichkeit und die Integritat Belgiens fur
die Westmachte von gemeinsamem Interesse sind. Sie bestatigt ihren EntschluB, diese
Unverletzlichkeit und Integritat unter keinen Umstanden zu beeintrachtigen und jederzeit das
belgische Gebiet zu respektieren, ausgenommen selbstverstandlich in dem Fall, daB Belgien
in einem bewaffneten Konflikt, in dem Deutschland verwickelt ist, bei einer gegen
Deutschland gerichteten militarischen Aktion mitwirken wiirde.
3. Die Deutsche Regierung ist bereit, ebenso wie die Koniglich Britische und die Franzosische
Regierung, Belgien Beistand zu gewahren, falls es Gegenstand eines Angriffs oder einer
Invasion sein sollte.
Ich benutze auch diesen AnlaB, usw.
Frhr. von Neurath
Nr. 334
Der Belgische Gesandte an den Reichsminister des Auswartigen
Berlin, den 13. Oktober 1937
Herr Minister!
Im Auftrag meiner Regierung habe ich die Ehre, Euer Exzellenz folgende Mitteilungen zu
machen:
Die Regierung Seiner Majestat hat mit groBer Befriedigung von der Erklarung Kenntnis
genommen, die ihr am heutigen Tage durch die Reichsregierung ubermittelt wurde. Sie
spricht dieser hierfur ihren lebhaftesten Dank aus.
Ich benutze diese Gelegenheit, usw.
Vicomte Jacques Davignon
3231
Nr. 335
Der Deutsche Gesandte im Haag an das Auswartige Amt
Bericht
Den Haag, den 22. Marz 1937
Bei den Beratungen der I. Kammer liber den Etat des AuBenministeriums hat Minister de
Graeff am 17. Marz eine beachtenswerte Rede gehalten. Im nachstehenden behandele ich die
Ausflihrungen des Ministers liber das deutsche Garantieangebot und den Westpakt, wahrend
ich liber die anderen Teile seiner Rede, insbesondere soweit sie sich mit der Revision des
Volkerbundes befaBt, gesondert berichte.
Herr de Graeff begann seine Rede mit der Feststellung, daB, wie die Debatte gezeigt habe, die
I. Kammer in ihrer Gesamtheit mit der Antwort einverstanden sei, welche die Niederlandische
Regierung auf das in der Rede des Flihrers vom 30. Januar enthaltene Garantieangebot an
Holland erteilt habe. Diese Antwort sei lediglich die Bestatigung einer bereits immer
eingehaltenen politischen Linie gewesen. Solange Holland nicht durch eigene Handlungen die
Unantastbarkeit seines Gebietes in Gefahr bringe, sei die Unantastbarkeit bereits eine
selbstverstandliche Sache, die in keinem Vertrag mit einer fremden Macht naher umgrenzt
oder festgelegt werden konne. Trotzdem sei die gute Absicht des deutschen Staatsoberhauptes
auch durch die Niederlandische Regierung besonders gewlirdigt worden. Derartige
AuBerungen trligen nur dazu bei, in Holland das Geflihl der Sicherheit zu erhohen. Auf der
anderen Seite legten sie aber auch, so paradox es klinge, den Niederlanden die Verpflichtung
auf, ihre Wehrmacht auf der Hohe zu halten. Selbstandigkeitspolitik konne Holland nur dann
treiben, wenn es zeige, daB es bereit sei, sich gegen jeden Angriff nach Kraften zu
verteidigen. Wenn man im Ausland wisse, daB Holland bereit und imstande sei, einen
Durchzug fremder Truppen, wenn nicht zu verhindern, so doch ernsthaft zu erschweren, dann
konnten strategische Erwagungen leicht dazu flihren, daB man davon absehe, Holland in den
Streit hineinzuziehen.
Um auf die konkrete Frage des deutschen Garantieangebots zurlickzukommen, so sei der
Grund flir die hollandische Antwort der, daB die Angelegenheit nicht geeignet sei, in einem
Vertrage behandelt zu werden. Man mlisse den Eindruck vermeiden, als ob in Holland
irgendwelche Zweifel an der Unantastbarkeit des hollandischen Gebietes bestlinden. Auch
bedeute der AbschluB eines Vertrages die Annahme von Verpflichtungen flir beide Seiten,
und Holland konne keinerlei Verpflichtungen auf sich nehmen. Die Deutsche Regierung habe
im librigen den hollandischen Standpunkt vollkommen verstanden und gewlirdigt.
Zech
Nr. 336
Der Deutsche Gesandte im Haag an das Auswartige Amt
Bericht
Den Haag, den 28. Oktober 1937
Der N. S. B. Abgeordnete der I. Kammer van Vessem, der bereits nach der Flihrerrede vom
30. Januar d. J. eine Anfrage wegen einer eventuellen deutschen Garantieerklarung flir die
Niederlande an die Regierung gerichtet hatte, ist aus AnlaB der deutschen Garantieerklarung
flir Belgien erneut mit 13241 einer Kammeranfrage auf die Angelegenheit zurlickgekommen.
Seine Frage ging dahin, ob die Niederlandische Regierung auch heute noch auf ihrem
abweisenden Standpunkt verharre und ob bejahendenfalls dadurch nicht der Eindruck
entstellen konne, daB das niederlandische Gebiet Europa als Schlachtfeld zur Verfugung
stehe.
AuBenminister Patijn hat erwidert, die Regierung vertrete nach wie vor die Auffassung, daB
die Unantastbarkeit des niederlandischen Gebiets ein Axiom sei, welches nicht Gegenstand
einer unter niederlandischer Beteiligung zustande gekommenen Regelung sein konne. Aus
dieser unveranderten Haltung konne aber nach Auffassung der Regierung auch nach dem
deutsch-belgischen Abkommen und den vorausgegangenen englischen und franzosischen
Erklarungen unmoglich der Eindruck entstehen, als ob niederlandisches Gebiet Europa als
Schlachtfeld zur Verfugung stande.
Zech
Nr. 337
Der Staatssekretar des Auswartigen Amts
an die Deutschen Diplomatischen Missionen
ErlaB
Berlin, den 28. April 1938
Infolge der Wiedervereinigung Osterreichs mit dem Reich haben wir mit Italien, Jugoslawien,
der Schweiz, Liechtenstein und Ungarn neue Grenzen erhalten. Diese Grenzen werden von
uns als endgultig und unantastbar betrachtet. Hieriiber sind folgende besonderen Erklarungen
abgegeben worden:
1. Italien:
Der Fiihrer und Reichskanzler hat in seiner Reichstagsrede vom 18. Marz d. J. auf seinen an
Mussolini gerichteten Brief vom 11. Marz d. J. Bezug genommen und dabei hervorgehoben,
daB er hierin Mussolini versichert habe, "daB sich in der Einstellung Deutschlands nach
diesem Ereignis Italien gegenliber nicht nur nichts andern wird, sondern daB genau so wie
gegenliber Frankreich auch gegenliber Italien Deutschland die dann bestehenden Grenzen als
gegebene ansieht."
In derselben Reichstagsrede hat der Fiihrer weiter folgende Erklarung abgegeben: "Wir
wissen, was die Haltung Mussolinis in diesen Tagen fur Deutschland bedeutet hat. Wenn es
eine Festigung der Beziehungen zwischen Italien und Deutschland hat geben konnen, dann ist
sie jetzt eingetreten. Aus einer weltanschaulich und interessenmaBig bedingten Gemeinschaft
ist fur uns Deutsche eine unlosbare Freundschaft geworden. Das Land und die Grenzen dieses
Freundes aber sind flir uns unantastbar. Ich wiederhole es: daB ich Mussolini diese Haltung
nie vergessen werde! Das italienische Volk aber kann wissen, daB hinter meinem Wort die
deutsche Nation steht!"
2. Schweiz:
Der Deutsche Gesandte in Bern hat am 14. Marz Bundesrat Motta die Versicherung iiber die
Achtung der Unabhangigkeit und Unverletzlichkeit der Schweiz in Erinnerung gebracht, die
er bereits bei seinem Amtsantritt mit msi Ermachtigung des Fuhrers und Reichskanzlers Herrn
Motta ubermittelt hatte. Sachlich liefen diese Versicherungen auf eine Wiederholung der
bekannten Erklarung des Fuhrers und Reichskanzlers an den Altbundesrat SchultheB vom 23.
Februar 1937 hinaus, deren Kernsatz lautet: "Zu jeder Zeit, komme was da wolle, werden wir
die Unverletzlichkeit and Neutralitat der Schweiz respektieren." Die Schweizerische
Regierang hat von diesen AuBerungen des Deutschen Gesandten gegeniiber Herrn Motta am
15. Marz der schweizerischen Presse Kenntnis gegeben, von der sie dann durchweg, wenn
auch gelegentlich in nicht ganz zutreffender Form, wiedergegeben worden sind.
3. Jugoslawien:
Der Jugoslawischen Regierang ist von maBgebender deutscher Seite erklart worden, daB die
deutsche Politik nicht iiber Osterreich hinausziele und daB die jugoslawische Grenze in jedem
Falle unberiihrt bleibe. Der Fiihrer und Reichskanzler hat dann in seiner Rede in Graz vom 3.
April d. J. ausgefiihrt, Jugoslawien und Ungarn hatten zu der Wiedervereinigung Osterreichs
dieselbe Haltung eingenommen wie Italien. Wir seien gliicklich, hier Grenzen zu besitzen, die
uns der Sorge enthoben, sie militarisch beschutzen zu lassen.
4. Ungarn:
Der Ungarischen Regierang ist durch unseren Gesandten in Budapest mitgeteilt worden, daB
die Erklarangen, die wir bezuglich der neuen Grenzen gegeniiber Italien, Jugoslawien und der
Schweiz abgegeben hatten, selbstverstandlich auch entsprechende Geltung flir die neue
deutsch-ungarische Grenze hatten. Mit unserer Zustimmung hat der Ungarische
AuBenminister Kanja in seiner Rede vom 23. Marz vor den auswartigen Ausschussen des
Abgeordneten- und des Oberhauses darauf hingewiesen, daB die Reichsregierang keinerlei
Zweifel dariiber habe bestehen lassen, daB sie die gegenwartige deutsch-ungarische Grenze
flir ebenso unverletzlich halte wie die deutsche Grenze mit Jugoslawien, Italien und der
Schweiz.
Weizsacker
Amnertumgeii:
184 Vgl. Nr. 325 . ...zuriick...
Gemeinsame Note des Britischen und Franzosischen Botschafters in Briissel an den
Belgischen AuBenminister vom 24. April 1937, durch welche Belgien aus den im Vertrag von
Locarno und in den Londoner Abreden vom 19. Marz 1936 eingegangenen Verpflichtungen
entlassen wurde, unter gleichzeitiger Aufrechterhaltung der britischen und franzosischen
Beistandsversprechen. ...zurack...
Drittes Kapitel (Fo rts. )
Deutschlands Bemiihen
um Sicherung friedlicher Beziehungen
zu seinen Nachbarldndern
Nr. 338
Ansprache des Fuhrers in Rom, 7. Mai 1938
Auszug
Duce!
.... Sie haben im letzten Herbst auf dem Maifeld in Berlin als das ethische Gesetz, das Ihnen
und dem faschistischen Italien heilig sei, den Satz proklamiert: "Klar und offen reden, und
wenn man einen Freund hat, mit ihm bis ans Ende marschieren".
Auch ich bekenne mien im Namen des Nationalsozialistischen Deutschland zu diesem Gesetz.
Ich will Ihnen heute folgendes antworten:
Seit sich Romer und Germanen in der Geschichte fur uns bewuBt zum ersten Male
begegneten, sind nunmehr zwei Jahrtausende vergangen. Indem ich hier auf diesem
ehrwurdigsten Boden unserer Menschheitsgeschichte stehe, empfinde ich die Tragik eines
Schicksals, das es einst unterlieB, zwischen diese so hochbegabten und wertvollen Rassen
eine klare Grenzscheide zu ziehen. Unsagbares Leid von vielen Generationen war die Folge.
ma Heute nun nach fast zweitausend Jahren erhebt sich dank Ihrem geschichtlichen Wirken,
Benito Mussolini, der romische Staat aus grauen Uberlieferungen zu neuem Leben. Und
nordlich von Ihnen entstand aus zahlreichen Stammen ein neues germanisches Reich.
Belehrt durch die Erfahrung zweier Jahrtausende wollen wir beide, die wir nun unmittelbare
Nachbarn geworden sind, jene naturliche Grenze anerkennen, die die Vorsehung und die
Geschichte unseren beiden Volkern ersichtlich gezogen haben. Sie wird dann Italien und
Deutschland durch die klare Trennung der Lebensraume der beiden Nationen nicht nur das
Gliick einer friedlich gesicherten dauernden Zusammenarbeit ermoglichen, sondern auch als
Briicke gegenseitiger Hilfe und Unterstutzung dienen.
Es ist mein unerschutterlicher Wille und mein Vermachtnis an das deutsche Volk, daB es
deshalb die von der Natur zwischen uns beiden aufgerichtete Alpengrenze flir immer als eine
unantastbare ansieht. Ich weiB, daB sich dann flir Rom und Germanien eine groBe und
segensreiche Zukunft ergeben wird.
Duce!
Und so wie Sie und Ihr Volk in entscheidungsreichen Tagen die Freundschaft gehalten haben,
werde ich und mein Volk Italien in schwerer Stunde gleiche Freundschaft beweisen
rzz
Nr. 339
Erklarung des Fuhrers gelegentlich seiner Unterredung
dem fruheren Schweizerischen Bundesrat SchultheB
in Berlin, 23. Februar 1937^
Der Bestand der Schweiz ist eine europaische Notwendigkeit. Wir wiinschen, mit ihr als gute
Nachbarn in bestem Einvernehmen zu leben und uns mit ihr in alien Dingen loyal zu
verstandigen. Als ich in meiner jungsten Reichstagsrede von der Neutralitat zweier Lander
sprach, habe ich die Schweiz absichtlich nicht erwahnt, weil ihre hergebrachte, von ihr geiibte
und von den Machten, auch von uns, immer anerkannte Neutralitat in keiner Weise in Frage
steht. Zu jeder Zeit, komme was da wolle, werden wir die Unverletzlichkeit und Neutralitat
der Schweiz respektieren. Das sage ich Ihnen mit aller Bestimmtheit. Noch nie habe ich
AnlaB zu einer anderen Auffassung gegeben.
Nr. 340
Ansprache des Fuhrers anlaBlich der Abendtafel zu Ehren
des Prinzregenten von Jugoslawien, 1. Juni 1939
Auszug
Die deutsche Freundschaft zum jugoslawischen Volk ist nicht nur eine spontane. Sie hat
ihre Tiefe und Dauerhaftigkeit erhalten inmitten der tragischen Wirren des Weltkrieges. Der
deutsche Soldat hat damals seinen so iiberaus tapferen Gegner schatzen und achten gelernt.
Ich glaube, daB dies auch umgekehrt der Fall war. Diese gegenseitige Achtung findet ihre
Erhar- [32n tung in gemeinsamen politischen, kulturellen und wirtschaftlichen Interessen. So
sehen wir auch in Ihrem jetzigen Besuch, Konigliche Hoheit, nur einen lebendigen Beweis fiir
die Richtigkeit dieser unserer Auffassung, und wir schopfen deshalb zugleich die Hoffnung,
daB sich die deutsch-jugoslawische Freundschaft auch in Zukunft weiterentwickeln und
immer enger gestalten moge.
In Ihrer Anwesenheit, Konigliche Hoheit, sehen wir aber auch eine freudige Gelegenheit zu
einem offenen und freundschaftlichen Meinungsaustausch, der - davon bin ich iiberzeugt - fiir
unsere beiden Volker und Staaten in diesem Sinne nur nutzbringend sein kann. Ich glaube
daran um so mehr, als ein fest begriindetes vertrauensvolles Verhaltnis Deutschlands zu
Jugoslawien nun - da wir durch die geschichtlichen Ereignisse Nachbarn mit fiir immer
festgelegten gemeinsamen Grenzen geworden sind - nicht nur einen dauernden Frieden
zwischen unseren beiden Volkern und Landern sichern wird, sondern dariiber hinaus auch ein
Element der Beruhigung fiir unseren nervos erregten Kontinent darstellen kann. Dieser Friede
aber ist das Ziel all jener, die wirklich aufbauende Arbeit zu leisten gewillt sind
Nr. 341
Der Staatssekretar des Auswartigen Amts
an den Deutschen Gesandten in Budapest
Telegramm
Berlin, den 18. Marz 1938
Fiir die durch Sie und den hiesigen Ungarischen Gesandten ausgesprochenen Gluckwunsche
anlaBlich Wiedervereinigung Osterreichs mit dem Reich bitte dem Reichsverweser namens
Fuhrers und Reichskanzlers und der Ungarischen Regierung namens Deutscher Regierung
warmsten Dank zu ubermitteln.
Ungarischer Gesandter ansprach mich bei gestrigem Besuch auf Zusicherung, die wir nach
Wiedervereinigung Osterreichs unserem Schweizer, italienischen und jugoslawischen
Nachbar hinsichtlich Grenze gegeben hatten, wahrend Ungarn bisher mit einer solchen
Zusicherung noch nicht bedacht worden sei. Er erklarte mit dem ausdriicklichen Hinweis, daB
er keinen Auftrag seiner Regierung habe, daB eine solche Erklarung in Budapest
auBerordentlich begriiBt werden wiirde. Ich bitte Sie, bei Ausfiihrung obigen Auftrages Herrn
von Kanya im Namen der Reichsregierung zu versichern, daB das, was fur die Schweiz,
Italien und Jugoslawien gelte, selbstverstandlich auch Geltung habe fur die neue deutsch-
ungarische Grenze.
Mackensen
Nr. 342
Vertrag zwischen Deutschland und Litauen, 22. Marz 1939
Der Deutsche Reichskanzler und der Prasident der Republik Litauen haben sich entschlossen,
durch einen Staatsvertrag die Wiedervereinigung des Memelgebietes mit dem Deutschen
Reich zu regeln, hiermit die zwischen Deutschland und Litauen schwebenden Fragen zu
bereinigen und so den Weg flir eine freundschaftliche Gestaltung der Beziehungen zwischen
den beiden Landern zu eroffnen.
P28i Zu diesem Zwecke haben zu Bevollmachtigten ernannt: der Deutsche Reichskanzler den
Reichsminister des Auswartigen, Herrn Joachim von Ribbentrop,
der Prasident der Republik Litauen den AuBenminister, Herrn Juozas Urbsys, und den
Gesandten in Berlin, Herrn Kazys Skirpa, die sich nach Austausch ihrer in guter und
gehoriger Form befundenen Vollmachten liber folgende Bestimmungen geeinigt haben:
Artikel 1
Das durch den Vertrag von Versailles von Deutschland abgetrennte Memelgebiet wird mit
Wirkung vom heutigen Tage wieder mit dem Deutschen Reich vereinigt.
Artikel 2
Das Memelgebiet wird sofort von den litauischen Militar- und Polizeikraften geraumt werden.
Die Litauische Regierung wird dafiir Sorge tragen, daB das Gebiet bei der Raumung in
ordnungsmaBigem Zustand belassen wird.
Beide Teile werden, soweit erforderlich, Kommissare ernennen, die die Ubergabe der
nicht in den Handen der autonomen Behorde des Memelgebiets befindlichen Verwaltungen
durchzufuhren haben.
Die Regelung der ubrigen sich aus dem Wechsel der Staatshoheit ergebenden Fragen,
insbesondere der wirtschaftlichen und finanziellen Fragen, der Beamtenfragen sowie der
Staatsangehorigkeitsfragen bleibt besonderer Vereinbarung vorbehalten.
Artikel 3
Um den Wirtschaftsbedurfnissen Litauens Rechnung zu tragen, wird in Memel fiir Litauen
eine Freihafenzone eingerichtet werden. Die Einzelheiten werden nach den Richtlinien der
diesem Vertrage beigefugten Anlage besonders geregelt werden.
Artikel 4
Zur Bekraftigung ihres Entschlusses, eine freundschaftliche Entwicklung der Beziehungen
zwischen Deutschland und Litauen sicherzustellen, ubernehmen beide Teile die
Verpflichtung, weder zur Anwendung von Gewalt gegeneinander zu schreiten, noch eine
gegen einen der beiden Teile von dritter Seite gerichtete Gewaltanwendung zu unterstiitzen.
Artikel 5
Dieser Vertrag tritt mit der Unterzeichnung in Kraft.
Zu Urkund dessen haben die beiderseitigen Bevollmachtigten diesen Vertrag unterzeichnet.
Ausgefertigt in doppelter Urschrift in deutscher und in litauischer Sprache.
Berlin, den 22. Marz 1939
Joachim von Ribbentrop Urbsys Skirpa
T3291
Nr. 343
Aus der Rede des Fuhrers vor dem Deutschen Reichstag,
28. April 1939
18. Herr Roosevelt verlangt endlich die Bereitwilligkeit, ihm die Zusicherung zu geben,
daB die deutschen Streitkrafte das Staatsgebiet oder die Besitzungen folgender unabhangiger
Nationen nicht angreifen und vor allem nicht dort einmarschieren wiirden. Und er nennt als
dafiir in Frage kommend nun: Finnland, Lettland, Litauen, Estland, Norwegen, Schweden,
Danemark, Niederlande, Belgien, GroBbritannien, Irland, Frankreich, Portugal, Spanien, die
Schweiz, Liechtenstein, Luxemburg, Polen, Ungarn, Rumanien, Jugoslawien, RuBland,
Bulgarien, Tiirkei, Irak, Arabien, Syrien, Palastina, Agypten und Iran.
Meine Antwort: Ich habe mir zunachst die Miihe genommen, bei den angefiihrten Staaten
festzustellen, erstens, ob sie sich bedroht fiihlen, und zweitens, ob vor allem diese Anfrage
Herrn Roosevelts an uns durch eine Anregung ihrerseits oder wenigstens mit ihrem
Einverstandnis erfolgt sei.
Die Beantwortung war eine durchgehend negative, zum Teil schroff ablehnende. Allerdings
konnte an einige der angefiihrten Staaten und Nationen diese Ruckfrage von mir nicht
zugeleitet werden, weil sie sich - wie zum Beispiel Syrien - zur Zeit nicht im Besitz ihrer
Freiheit befinden, sondern von den militarischen Kraften demokratischer Staaten besetzt
gehalten und damit rechtlos gemacht sind.
Drittens: Abgesehen davon haben aber alle an Deutschland angrenzenden Staaten
Zusicherungen und vor allem viel bundigere Vorschlage erhalten, als sie sich Herr Roosevelt
in seinem eigenartigen Telegramm von mir erbittet.
Ich will aber abschlieBend hier folgendes erklaren:
Die Deutsche Regierung ist trotzdem bereit, jedem dieser genannten einzelnen Staaten, wenn
er es wunschen sollte und sich selbst an Deutschland mit einem entsprechenden tragbaren
Vorschlag wendet, um eine Zusicherung der von Roosevelt gewunschten Art zu erhalten,
diese Zusicherung unter der Voraussetzung der unbedingten Gegenseitigkeit auch zu geben.
Bei einer ganzen Reihe der von Roosevelt angefiihrten Staaten diirfte sich dies allerdings von
vornherein erledigen, weil wir mit ihnen ohnehin sogar entweder verbiindet oder zumindest
eng befreundet sind.
Auch liber die Zeitdauer dieser Abmachungen ist Deutschland gern bereit, mit jedem
einzelnen Staat die von ihm gewunschten Vereinbarungen zu treffen
Nr. 344
Amtliche Deutsche Verlautbarung, 19. Mai 1939
Im Verfolg der Erklarung des Fiihrers in seiner Reichstagsrede vom 28. April liber die
Bereitschaft Deutschlands zum AbschluB von Nichtangriffspakten haben Verhandlungen
zwischen der Deutschen Regierung und den Regierungen von Estland, Lettland, Danemark,
Norwegen, Schweden und Finnland wegen AbschluB solcher Pakte stattgefunden. Die
Verhandlungen mit Estland und Lettland stehen vor dem AbschluB. Mit Danemark besteht
grundsatzliches Einverstandnis iiber den baldigen AbschluB eines gegenseitigen
Nichtangriffspaktes.
[330] Mit Schweden, Norwegen und Finnland ist der Gedankenaustausch mit folgendem
Ergebnis beendet:
Die Schwedische und Norwegische Regierung haben der Deutschen Regierung aufs neue
erklart, daB ihre Lander sich von Deutschland nicht bedroht fiihlen und daB sie unter
Aufrechterhaltung des Prinzips der Neutralitat, Integritat und Unabhangigkeit die Absicht
haben, mit keinem Land Nichtangriffspakte abzuschlieBen. Sie halten daher ein Abkommen
dieser Art nicht flir erforderlich und sind mit der Reichsregierung ubereingekommen, von
einer weiteren Verfolgung des Planes Abstand zu nehmen. Zu dem gleichen Ergebnis haben
auch die Verhandlungen mit der Finnischen Regierung gefuhrt.
Nr. 345
Nichtangriffsvertrag zwischen Deutschland und Danemark,
31. Mai 1939
Der Deutsche Reichskanzler
und
Seine Majestat der Konig von Danemark und Island,
fest entschlossen, den Frieden zwischen Deutschland und Danemark unter alien Umstanden
aufrechtzuerhalten, sind ubereingekommen, diesen EntschluB durch einen Staatsvertrag zu
bekraftigen, und haben zu Bevollmachtigten ernannt:
Der Deutsche Reichskanzler
den Reichsminister des Auswartigen,
Herrn Joachim von Ribbentrop;
Seine Majestat der Konig von Danemark und Island
den AuBerordentlichen Gesandten und Bevollmachtigten
Minister in Berlin, Herrn Kammerherrn Herluf Zahle,
die nach Austausch ihrer in guter und gehoriger Form befundenen Vollmachten folgende
Bestimmungen vereinbart haben:
Artikel 1
Das Deutsche Reich und das Konigreich Danemark werden in keinem Falle zum Kriege oder
zu einer anderen Art von Gewaltanwendung gegeneinander schreiten.
Falls es von Seiten einer dritten Macht zu einer Aktion der im Absatz 1 bezeichneten Art
gegen einen der vertragschlieBenden Teile kommen sollte, wird der andere vertragschlieBende
Teil eine solche Aktion in keiner Weise unterstutzen.
Artikel 2
Dieser Vertrag soil ratifiziert und die Ratifikationsurkunden sollen so bald als moglich in
Berlin ausgetauscht werden. Der Vertrag tritt mit dem Austausch der Ratifikationsurkunden in
Kraft und gilt von da an fiir eine Zeit von zehn Jahren. Falls der Vertrag nicht spatestens ein
Jahr vor Ablauf dieser Frist von einem der vertragschlieBenden Teile gekiindigt wird,
verlangert sich seine Gultigkeitsdauer um weitere zehn Jahre. Das gleiche gilt fiir die
folgenden Zeitperioden.
Zu Urkund dessen haben die beiderseitigen Bevollmachtigten diesen Vertrag unterzeichnet.
Ausgefertigt in doppelter Urschrift, in deutscher und danischer Sprache, in Berlin am 31. Mai
1939
Joachim von Ribbentrop Herluf Zahle
T3311
Zeichnungsprotokoll
Bei der heutigen Unterzeichnung des deutsch-danischen Vertrages ist das Einverstandnis
beider Teile liber folgendes festgestellt worden:
Eine Unterstutzung durch den nicht am Konflikt beteiligten vertragschlieBenden Teil im Sinne
des Artikels 1 Absatz 2 des Vertrages liegt nicht vor, wenn das Verhalten dieses Teiles mit den
allgemeinen Regeln der Neutralitat im Einklang steht. Es ist daher nicht als unzulassige
Unterstutzung anzusehen, wenn zwischen dem nicht an dem Konflikt beteiligten
vertragschlieBenden Teil und der dritten Macht der normale Warenaustausch fortgesetzt wird.
Berlin, den 31. Mai 1939
Joachim von Ribbentrop Herluf Zahle
Nr. 346
Nichtangriffsvertrag zwischen Deutschland und Estland,
7.Junil939
Der Deutsche Reichskanzler
und
der President der Republik Estland,
fest entschlossen, den Frieden zwischen Deutschland und Estland unter alien Umstanden
aufrechtzuerhalten, sind ubereingekommen, diesen EntschluB durch einen Staatsvertrag zu
bekraftigen, und haben zu Bevollmachtigten ernannt:
Der Deutsche Reichskanzler
den Reichsminister des Auswartigen
Herrn Joachim von Ribbentrop;
der President der Republik Estland
den Minister flir Auswartige Angelegenheiten
Herrn Karl Selter,
die nach Austausch ihrer in guter und gehoriger Form befundenen Vollmachten folgende
Bestimmungen vereinbart haben:
Artikel 1
Das Deutsche Reich und die Republik Estland werden in keinem Falle zum Kriege oder zu
einer anderen Art von Gewaltanwendung gegeneinander schreiten.
Falls es von seiten einer dritten Macht zu einer Aktion der im Absatz 1 bezeichneten Art
gegen einen der vertragschlieBenden Teile kommen sollte, wird der andere vertragschlieBende
Teil eine solche Aktion in keiner Weise unterstutzen.
Artikel 2
Dieser Vertrag soil ratifiziert und die Ratifikationsurkunden sollen so bald als moglich in
Berlin ausgetauscht werden.
Der Vertrag tritt mit dem Austausch der Ratifikationsurkunden in Kraft und gilt von da flir
eine Zeit von zehn Jahren. Falls der Vertrag nicht spatestens ein Jahr vor Ablauf dieser Frist
von einem der vertragschlieBenden Teile gekiindigt wird, verlangert sich seine Geltungsdauer
um weitere zehn Jahre. Das gleiche gilt flir die folgenden Zeitperioden.
ma Der Vertrag bleibt jedoch nicht langer in Kraft als der heute unterzeichnete
entsprechende Vertrag zwischen Deutschland und Lettland. Sollte der Vertrag aus diesem
Grande vor dem sich aus Absatz 2 ergebenden Zeitpunkt auBer Kraft treten, so werden die
Deutsche Regierang und die Estnische Regierang auf Wunsch eines Teiles unverziiglich in
Verhandlungen iiber die Erneuerung des Vertrages eintreten.
Zur Urkund dessen haben die beiderseitigen Bevollmachtigten diesen Vertrag unterzeichnet.
Ausgefertigt in doppelter Urschrift, in deutscher und estnischer Sprache, in Berlin am 7. Juni
1939.
Joachim von Ribbentrop Karl Selter
Zeichnungsprotokoll
Bei der heutigen Unterzeichnung des deutsch-estnischen Vertrages ist das Einverstandnis
beider Teile liber folgendes festgestellt worden:
Eine Unterstutzung durch den nicht am Konflikt beteiligten vertragschlieBenden Teil im Sinne
des Artikels 1 Absatz 2 des Vertrages liegt nicht vor, wenn das Verhalten dieses Teiles mit den
allgemeinen Regeln der Neutralitat im Einklang stent. Es ist daher nicht als unzulassige
Unterstutzung anzusehen, wenn zwischen dem nicht an dem Konflikt beteiligten
vertragschlieBenden Teil und der dritten Macht der normale Warenaustausch und
Warentransit fortgesetzt wird.
Berlin, den 7. Juni 1939
Joachim von Ribbentrop Karl Setter
Nr. 347
Nichtangriffsvertrag zwischen Deutschland und Lettland,
7. Juni 1939
Der Deutsche Reichskanzler
und
der Prasident der Republik Lettland,
fest entschlossen, den Frieden zwischen Deutschland und Lettland unter alien Umstanden
aufrechtzuerhalten, sind ubereingekommen, diesen EntschluB durch einen Staatsvertrag zu
bekraftigen, und haben zu Bevollmachtigten ernannt:
Der Deutsche Reichskanzler
den Reichsminister des Auswartigen
Herrn Joachim von Ribbentrop;
der Prasident der Republik Lettland
den Minister fiir Auswartige Angelegenheiten
Herrn Vilhelms Munters,
13331 die nach Austausch ihrer in guter und gehoriger Form befundenen Vollmachten folgende
Bestimmungen vereinbart haben:
Artikel 1
Das Deutsche Reich und die Republik Lettland werden in keinem Falle zum Kriege oder zu
einer anderen Art von Gewaltanwendung gegeneinander schreiten.
Falls es von Seiten einer dritten Macht zu einer Aktion der im Absatz 1 bezeichneten Art
gegen einen der vertragschlieBenden Teile kommen sollte, wird der andere vertragschlieBende
Teil eine solche Aktion in keiner Weise unterstutzen.
Artikel 2
Dieser Vertrag soil ratifiziert und die Ratifikationsurkunden sollen so bald als moglich in
Berlin ausgetauscht werden.
Der Vertrag tritt mit dem Austausch der Ratifikationsurkunden in Kraft und gilt von da an
flir eine Zeit von zehn Jahren. Falls der Vertrag nicht spatestens ein Jahr vor Ablauf dieser
Frist von einem der vertragschlieBenden Teile gekiindigt wird, verlangert sich seine
Geltungsdauer urn weitere zehn Jahre. Das gleiche gilt flir die folgenden Zeitperioden.
Der Vertrag bleibt jedoch nicht langer in Kraft als der heute unterzeichnete entsprechende
Vertrag zwischen Deutschland und Estland. Sollte der Vertrag aus diesem Grande vor dem
sich aus Absatz 2 ergebenden Zeitpunkt auBer Kraft treten, so werden die Deutsche Regierung
und die Lettische Regierung auf Wunsch eines Teiles unverzuglich in Verhandlungen iiber die
Erneuerung des Vertrages eintreten.
Zu Urkund dessen haben die beiderseitigen Bevollmachtigten diesen Vertrag unterzeichnet.
Ausgefertigt in doppelter Urschrift, in deutscher und lettischer Sprache, in Berlin am 7. Juni
1939.
Joachim von Ribbentrop V. Munters
Zeichnungsprotokoll
Bei der heutigen Unterzeichnung des deutsch-lettischen Vertrags ist das Einverstandnis beider
Teile iiber folgendes festgestellt worden:
Eine Unterstutzung durch den nicht am Konflikt beteiligten vertragschlieBenden Teil im Sinne
des Artikels 1 Absatz 2 des Vertrages liegt nicht vor, wenn das Verhalten dieses Teiles mit den
allgemeinen Regeln der Neutralitat im Einklang steht. Es ist daher nicht als unzulassige
Unterstutzung anzusehen, wenn zwischen dem nicht an dem Konflikt beteiligten
vertragschlieBenden Teil und der dritten Macht der normale Warenaustausch und
Warentransit fortgesetzt wird.
Berlin, den 7. Juni 1939.
Joachim von Ribbentrop V. Munters
13341
Nr. 348
Nichtangriffsvertrag zwischen Deutschland
und der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken,
23. August 1939
Die Deutsche Reichsregierung und die Regierung der Union der SSR, geleitet von dem
Wunsche, die Sache des Friedens zwischen Deutschland und der UdSSR zu festigen, und
ausgehend von den grundlegenden Bestimmungen des Neutralists vertrages, der im April
1926 zwischen Deutschland und der UdSSR geschlossen wurde, sind zu nachstehender
Vereinbarung gelangt:
Artikel 1
Die beiden vertragschlieBenden Teile verpflichten sich, sich jeden Gewaltaktes, jeder
aggressiven Handlung und jeden Angriffs gegeneinander, und zwar sowohl einzeln als auch
gemeinsam mit anderen Machten, zu enthalten.
Artikel 2
Falls einer der vertragschlieBenden Teile Gegenstand kriegerischer Handlung seitens einer
dritten Macht werden sollte, wird der andere vertragschlieBende Teil in keiner Form diese
dritte Macht unterstiitzen.
Artikel 3
Die Regierungen der beiden vertragschlieBenden Teile werden kunftig fortlaufend mit
Konsultationen in Fiihlung miteinander bleiben, urn sich gegenseitig iiber Fragen zu
informieren, die ihre gemeinsamen Interessen beruhren.
Artikel 4
Keiner der beiden vertragschlieBenden Teile wird sich an irgendeiner Machtegruppierung
beteiligen, die sich mittelbar oder unmittelbar gegen den anderen Teil richtet.
Artikel 5
Falls Streitigkeiten oder Konflikte zwischen den vertragschlieBenden Teilen iiber Fragen
dieser oder jener Art entstehen sollten, wiirden beide Teile diese Streitigkeiten oder Konflikte
ausschlieBlich auf dem Wege freundschaftlichen Meinungsaustausches oder notigenfalls
durch Schlichtungskommissionen bereinigen.
Artikel 6
Der gegenwartige Vertrag wird auf die Dauer von zehn Jahren abgeschlossen mit der
MaBgabe, daB, soweit nicht einer der vertragschlieBenden Teile ihn ein Jahr vor Ablauf dieser
Frist kiindigt, die Dauer der Wirksamkeit dieses Vertrages automatisch fur weitere fiinf Jahre
als verlangert gilt.
Artikel 7
Der gegenwartige Vertrag soil innerhalb moglichst kurzer Frist ratifiziert werden. Die
Ratifikationsurkunden sollen in Berlin ausgetauscht werden. Der Vertrag tritt sofort mit seiner
Unterzeichnung in Kraft.
Ausgefertigt in doppelter Urschrift in deutscher und russischer Sprache.
Moskau, am 23. August 1939.
Fur die Deutsche Reichsregierung
Ribbentrop
In Vollmacht der Regierung der U. d. S. S. R.
Molotow
Anmetkuttcien:
[86
Am 14. Juni 1938 hat der Fiihrer gegeniiber dem neuernannten Schweizerischen Gesandten
Frolicher die Entschlossenheit des Reichs, die Neutralitat der Schweiz unter alien Umstanden
zu respektieren, erneut zum Ausdruck gebracht. ...zuruck...
Viertes Kapitel
Polen als Werkzeug
des Englischen Kriegswillens
A. Die Auswirkung
der Britischen Einkreisungspolitik
auf die Haltung Polens
I. Vernichtungsfeldzug gegen die Deutsche Volksgruppe Anm d scriptorium:
Eine noch mehr ins
l\r. J4y Einzelne gehende
Das Auswartige Amt an den Deutschen Botschafter in Warschau Dokumentation der
ErlaB T ,
Lage der
,, i- . n ^ ^,~ .^™ Volksdeutschen in
Berlin, den 27. Marz 1939 „ , ......
Polen als die in diesen
„ T , . „ . , , ^ , „ „ „ . „ , , , Kapiteln gegebene
Nach einem Bencht der Deutschen PaBstelle in Bromberg haben am ~ , „. . , n ,
TlTlCiCTl jIC ITl Cl£lTl DUCtl
26. Marz mittags in Bromberg von dem beruchtigten polnischen ' . , ,
Westverband veranstaltete deutschfeindliche Kundgebungen T7 „ : — ~ ,
V olks&Yunne in rolen
stattgefunden, an denen etwa 10.000 Personen teilgenommen haben. jqij 30
Insbesondere haben sich an diesen Kundgebungen paramilitarische \ '
Organisationen Brombergs, u. a. der Eisenbahn- und Postbeamten, beteiligt. Im Verlaufe
dieser Kundgebung ist in zwei Reden sowohl gegen das Deutsche Reich als auch gegen das
Volksdeutschtum in Polen scharfstens gehetzt worden. Von den Teilnehmern wurden Rufe
wie: "Weg mit Hitler", "Wir wollen Danzig", "Wir wollen Konigsberg" ausgestoBen. Nach
Angabe der PaBstelle ist es der polnischen Polizei mit Miihe gelungen, deutsches Eigentum
vor Ubergriffen der erregten Menge zu schutzen.
Erganzend wird bemerkt, daB die Volksdeutschen in der Woiwodschaft Thorn standig
zunehmenden Anfeindungen ausgesetzt sind. Insbesondere hat der vom Westverband und
anderen Organisationen systematisch vorbereitete Boykott der Deutschen in den letzten Tagen
ein bisher nicht gekanntes AusmaB angenommen. Die polnischen Behorden versuchten
hierbei zwar Ausschreitungen gegen Einzelne zu verhuten, die Boykottaktionen als solche
erfreuen sich aber offenbar ihrer Duldung.
Unter Bezugnahme auf die bereits friiher wiederholt wegen des Verhaltens des
Westverbandes bei der Polnischen Regierung erhobenen Beschwerden bitte ich, auch wegen
der letzten Boykotte nachdriickliche Vorstellungen zu erheben.
Im Auftrag
Bergmann
Nr. 350
Der Deutsche Generalkonsul in Thorn an das Auswartige Amt
Telegramm
Thorn, den 28. Marz 1939
25. Marz gegen 20 Uhr wurde Kameradschaftsabend der Ortsgruppe Liniewo, der im Hause
des Reichsangehorigen Klatt stattfand, von polnischen Einwohnern genannten Dorfes
gesprengt und Einrichtung Versammlungsraumes zerstort. Dabei Fiihrerbild, Reichsflaggen
und Hoheitszeichen vernichtet. Polizei war nicht zu erreichen.
Vorstellung bei Woiwodschaft erhoben. Strenge Bestrafung Taters und Schadensersatz
gefordert.
Graf
[338]
Nr. 351
Aufzeichnung des Dirigenten der Politischen Abteilung
des Auswartigen Amts
Berlin, den 29. Marz 1939
WeisungsgemaB habe ich heute den Polnischen Botschaftsrat zu mir gebeten, um ihm
gegeniiber die in dem Telegramm unseres Generalkonsulats Thorn vom 28. d. M.—
angefuhrten Vorfalle ebenso wie den Boykott-Aufruf einer Reihe polnischer Vereinigungen
gegen das Deutschtum in Polen zur Sprache zu bringen. Zu den aus Thorn gemeldeten
Vorfallen habe ich dem Prinzen Lubomirski an Hand des inzwischen eingegangenen
Berichtes aus Thorn die Einzelheiten mitgeteilt und ihm erklart, daB, obwohl unsere Botschaft
in Warschau bereits angewiesen worden sei, dieserhalb bei der Polnischen Regierung
scharfste Vorstellungen zu erheben,— wir auch nicht unterlassen wollten, die hiesige
Botschaft auf die Entrustung hinzuweisen, die diese Vorgange in amtlichen Berliner Kreisen
hervorgerufen hatten. Die Deutsche Regierung miisse auf einer sofortigen Untersuchung und
strengen Bestrafung der Angreifer bestehen.
Ebenso sei es unglaublich, daB polnische Blatter in der Lage seien, den genannten Boykott-
Aufruf zu veroffentlichen. Unter Hinweis auf die Unterredung zwischen dem Herrn
ReichsauBenminister und dem Polnischen Botschafter vom 27. d. M.— verwies ich den
Prinzen Lubomirski sehr nachdrucklich auf die ernsten Folgen, die solche Vorgange auf die
deutsch-polnischen Beziehungen haben muBten. Der Polnische Botschaftsrat, dem die
genannten Vorgange bisher unbekannt zu sein schienen, versicherte mir wiederholt, daB diese
"Politik der StraBe" von seiner Regierung keineswegs geduldet wurde und versprach, sofort
die Angelegenheit nach Warschau zu berichten. Er versuchte, das Verhalten der Polen mit der
allgemein in Polen herrschenden Nervositat zu entschuldigen, schien aber selbst einzusehen,
daB Abhilfe erforderlich sei.
Fiirst von Bismarck
Nr. 352
Der Deutsche Botschafter in Warschau an das Auswartige Amt
Telegramm
Warschau, den 30. Marz 1939
Nachdem ich bereits in meiner Unterredung mit AuBenminister Beck vom 28. d. M.— die
schweren Zwischenfalle in Pommerellen, insbesondere Liniewo und Bromberg zur Sprache
gebracht hatte, habe ich heute wegen der gleichen Angelegenheiten auch bei Vizeminister
Graf Szembek nachdriickliche Vorstellungen erhoben. Unter scharfstem Protest, insbesondere
wegen Zerstorung des Fuhrerbildes und der Angriffe auf deutsche Hoheitszeichen, habe ich
Untersuchung und Bestrafung Schuldiger gefordert. Graf Szembek, der bisher nur eine
wesentlich abgeschwachte Darstellung der Vorfalle kannte, zusagte sofortige Nachprufung.
Moltke
T3391
Nr. 353
Der Deutsche Generalkonsul in Thorn an das Auswartige Amt
Telegramm
Thorn, den 30. Marz 1939
29. Marz 21 Uhr Uberfall von etwa 40 Polen auf Lokal Reichsangehorigen Schnakenberg in
Jablonowo. Drei Volksdeutsche Gaste beim Verlassen Lokals angegriffen, einer
schwerverletzt. Gewaltsames Eindringen in Wirtschaft konnte verhindert werden. Gartenzaun
niedergerissen, Latten als Waffen benutzt. Heftiges Steinbombardement auf Haus. Polizei, die
rechtzeitig von drohendem Uberfall verstandigt war, abwesend und bisher nichts
unternommen.
Heute beim Vizewoiwoden scharfste Verwahrung eingelegt und sofortige Untersuchung
gefordert.
Graf
Nr. 354
Der Deutsche Generalkonsul in Thorn an das Auswartige Amt
Bericht
Thorn, den 30. Marz 1939
Die neuerliche Verscharfung der Stimmung gegen das Deutschtum in Pommerellen findet
ihren Ausdruck in einer steigenden Boykottbewegung, einer fortgesetzten Hetze und
zahlreichen Tatlichkeiten. Der Wirtschaftsboykott macht sich besonders in den Stadten
Graudenz und Bromberg bemerkbar und hat nach Angabe von Volksdeutschen bereits zu
spiirbaren Schadigungen deutscher Gewerbetreibender gefuhrt. In Bromberg ist von
verschiedenen polnischen Militarverbanden ein Aufruf erlassen worden, der zum luckenlosen
wirtschaftlichen und kulturellen Boykott gegen das Deutschtum - auch gegen deutsche
Einfliisse in Film und Presse - auffordert.
Bei den Demonstrationen, die in diesen Tagen stattfanden und bei denen oft Polizeibeamte
mitmarschierten, wurden wiederholt Forderungen wie "SchmeiBt die Deutschen heraus" und
"Danzig und Flatow miissen zu Polen kommen" laut. Vielerorts wurden auch den Deutschen
die Fensterscheiben eingeschlagen, wobei sich auch Beamte - wie Gemeindevorsteher -
beteiligt haben. Ein solcher Gemeindevorsteher hat auf die Vorstellungen eines Deutschen hin
zur Antwort gegeben, daB er nichts dafiir konne und daB er solche Demonstrationen nicht von
sich aus veranlasse, sondern daB Befehl dazu vorlage. Von vorn verhandelten die hohen
Herren in Berlin und Warschau und von hinten gaben sie den Befehl aufzuraumen.
In Vertretung
Graf
Nr. 355
Der Deutsche Generalkonsul in Posen an das Auswartige Amt
Bericht
Posen, den 31. Marz 1939
Seit Monaten arbeitet die polnische Presse in den Westgebieten auf eine Vergiftung der
offentlichen Meinung gegen die Deutschen hin. Bald fordert sie scharfe MaBnahmen gegen
die deutsche Volksgruppe in Polen, bald fordert sie zum Boykott deutscher Waren und
deutscher Geschafte auf, bald richtet P40i sie allgemeine Angriffe gegen die Volksdeutschen
und die Politik des Reichs. Die deutschfeindliche Stimmungsmache, die besonders seit der
Septemberkrise des letzten Jahres stetig gewachsen ist, hat jetzt, offenbar im Zusammenhang
mit der Entwicklung der politischen Lage in Europa, zu einer Entladung gefuhrt. Die Presse
auBert hemmungslos ihre deutschfeindlichen Gefiihle, und es vergeht kaum ein Tag, an dem
nicht die Posener Blatter irgendeinen mehr oder weniger aggressiven Artikel oder ausfallende
Bemerkungen gegen das Deutschtum bringen. Obwohl die Ausschreitungen in Posen nur etwa
eine Woche lang anhielten, kann von einem Abflauen der deutschfeindlichen Haltung nicht
die Rede sein. In der Stadt Posen ist eine auBerliche Beruhigung eingetreten, wenigstens
haben tatliche Angriffe im allgemeinen aufgehort, vorgestern wurden einige Fensterscheiben
einer deutschen Bank, deutscher Buchhandlungen und eines evangelischen Pfarrhauses
zertrummert. Das Generalkonsulat steht noch unter verstarktem polizeilichem Schutz. Es sind
jedoch in anderen Stadten und auf dem Lande weiterhin Ausschreitungen zu verzeichnen, es
wurden deutschen Kaufleuten die Fensterscheiben eingeschlagen, die deutschen Aufschriften
ubermalt, Hauswande verunreinigt und volksdeutsche Versammlungen gestort. In einzelnen
Fallen wurden Boykottposten aufgestellt. Die feindliche Haltung ist bis ins letzte Dorf
vorgedrungen.
Walther
Nr. 356
Das Auswartige Amt an den Deutschen Botschafter in Warschau
ErlaB
Berlin, den 2. April 1939
Die in den letzten Berichten des Generalkonsulats Thorn gemeldeten Vorgange liber
zahlreiche Ausschreitungen gegen Angehorige der deutschen Volksgruppe anlaBlich der
polnischen Gemeindewahlen liefern einen weiteren Beweis fur die planmaBig betriebene
Hetze gegen das Deutschtum. Sie lassen dariiber hinaus erkennen, daB diese Hetze nicht nur
von unverantwortlichen Elementen ausgeht, sondern durch polnische Polizeibeamte
weitgehend geduldet, ja sogar von gewissen Gemeindeorganen tatig unterstiitzt wird.
Ich darf bitten, unter Berufung auf die deutsch-polnische Minderheitenerklarung m die
Polnische Regierung mit allem Nachdruck zu ersuchen, endlich durchgreifende MaBnahmen
zur Unterbindung weiterer Ausschreitungen gegen die deutsche Volksgruppe in Polen zu
treffen und dabei darauf hinzuweisen, daB derartige Ausschreitungen die allgemeinen
deutsch-polnischen Beziehungen aufs schwerste belasten miiBten.
Im Auftrag
Schliep
T3411
Nr. 357
Der Deutsche Generalkonsul in Posen an das Auswartige Amt
Bericht
Posen, den 4. April 1939
In den letzten 10 Tagen wurden mehrere Mitglieder der deutschen Volksgruppe miBhandelt.
Auch wurde am 24. v. M. auf Mitglieder des Posaunenchors in Zerniki, Kr. Wongrowitz, von
einer Gruppe junger Burschen geschossen; die Schusse gingen glucklicherweise fehl. Ferner
wurden am 27. v. M. ein gewisser Hoffmann und eine Frau Schmalenberger aus Zabczyn von
einer Gruppe Burschen geschlagen und die Volksdeutschen Thomas und Thiede derart mit
Steinen beworfen, daB sie ernstlich verletzt wurden. AuBerdem wurden in Gollantsch, Kr.
Wongrowitz, am 24. v. M. Mitglieder des evangelischen Vereins junger Manner und
Madchen von einer Bande uberfallen und miBhandelt.
Der Volksdeutsche Zasche aus Wollstein wurde am 28. v. M. von polnischen
Wehrpflichtigen, die er in seinem Wagen nach Wollstein fuhr, geschlagen und miBhandelt.
Ferner wurden bei zahlreichen Deutschen in der Woiwodschaft die Fensterscheiben
eingeworfen, so in Margonin, Waldthal bei Samotschin und Lipiagora im Kreise Kolmar,
Schokken und Gollantsch im Kreise Wongrowitz, ebenso in Klecko, Kr. Gnesen; hier wurden
auBerdem die Laden der Geschafte mit Teer besudelt. Die Boykottaktion gegen deutsche
Firmen wurde gleichfalls weiter fortgefiihrt. Zum Beispiel wurden im Kreise Wollstein mit
Hilfe von vom Westmarkenverband aufgestellten Posten die Polen bei dem Einkauf in
deutschen Laden gehindert; im Kreis Wongrowitz hat sich besonders der Zwia^zek Polski dla
handlu i przemyshi (Polnischer Verband fiir Handel und Gewerbe) an der Boykotthetze
beteiligt.
Walther
1
Nr. 358
Der Deutsche Botschafter in Warschau an das Auswartige Amt
Bericht
Warschau, den 4. April 1939
In den letzten Tagen ist ein offentlicher Aufruf verbreitet worden, der ausdriicklich zum
Boykott des deutschen Handels und Handwerks aufruft. Der von 10 verschiedenen
paramilitarischen Verbanden unterschriebene Aufruf stellt u. a. folgende Forderungen auf:
1. Alle Polen, die Waren in deutschen Geschaften kaufen oder deutsche Lokale
besuchen, werden namentlich gebrandmarkt.
2. Im Haushalt diirfen Waren deutschen Ursprungs nicht verbraucht werden.
3. Hausfrauen diirfen auf den Markten keine Waren von deutschen Landwirten
erstehen.
4. Polen diirfen keine deutschen Zeitschriften abonnieren.
5. Alle polnischen Firmen sind verpflichtet, nur polnische Jugend und polnische
Arbeiter zu beschaftigen.
12421 6. Staatliche und kommunale Beamte und Arbeiter, ferner alle Angestellten und
Arbeiter privater Betriebe mussen in den Beziehungen mit Personen deutscher
Nationalitat ausschlieBlich die polnische Sprache gebrauchen.
7. Alle Aufschriften und Reklamen in deutscher Sprache mussen entfernt werden.
8. Polen diirfen nicht die Dienste deutscher Banken in Anspruch nehmen.
9. Wir werden danach streben:
a) eine Aufhebung des Rechts zu erwirken, wonach Deutsche Grundstiicke
erwerben und Konzessionen erhalten diirfen,
b) alien deutschen Firmen jegliche Lieferungen fiir Staat und
Selbstverwaltungen zu unterbinden,
c) der deutschen Presse und deutschen Verlagen in Polen das Postdebit
einzuschranken,
d) flir deutsche Filme in Polen ein Verbot zu erwirken.
10. Wir fordern die Ubergabe der uberflussigen deutschen Kirchen.
11. Wir fordern die Liquidierung der ubermaBigen Zahl deutscher, sowohl staatlicher
wie privater Schulen in Polen.
Der Sachbearbeiter der Botschaft hat den Vertreter des AuBenministeriums im polnischen
RegierungsausschuB— darauf aufmerksam gemacht, daB der in Frage stehende Aufruf eine
einwandfreie Bestatigung der deutschen Auffassung iiber die schadigenden Auswirkungen der
allgemeinen antideutschen Propaganda auf den deutsch-polnischen Wirtschaftsverkehr
darstellt.
Abgesehen hiervon werde ich im AuBenministerium auch noch hinsichtlich der politischen
Seite der Angelegenheit vorstellig werden.
von Moltke
Nr. 359
Der Deutsche Generalkonsul in Danzig an das Auswartige Amt
Bericht
Danzig, den 13. April 1939
In zahlreichen, in der Nahe der Danziger Grenze gelegenen Ortschaften Pommerellens haben
sich die deutschfeindlichen Ausschreitungen in der letzten Zeit erheblich verstarkt. Die
Nervositat unter den Volksdeutschen ist standig im Wachsen begriffen und hat dazu gefuhrt,
daB in den Tagen um Ostern eine groBere Anzahl von deutschen Volksgenossen aus
Pommerellen - man spricht von annahernd 100 Personen - iiber die Grenze nach Danzig
gefluchtet ist.
Wie ich von zuverlassiger Seite hierzu erganzend erfahre, sind in den ersten Tagen des
Monats April in verschiedenen Orten des friiheren Kreises Berent polnische zugereiste
Banden auf Kraftwagen herumgefahren, die die deutsche Bevolkerung tatlich angriffen, in die
deutschen Gehofte eindrangen und die Wohnungseinrichtungen zerschlugen. Die deutsche
Bevolkerung ist hierdurch zum Teil derartig verangstigt, daB sie bereits den wertvolleren Teil
ihrer Habe vergraben hat, sich tagsiiber nicht mehr auf die StraBen und Felder wagt und die
Nachte aus Angst vor Uberfallen auBerhalb der Gehofte in irgendwelchen Verstecken
verbringt. Die polnische bodenstandige Bevolkerung behauptet, im Besitze von Waffen zu
sein.
von Janson
T3431
Nr. 360
Der Deutsche Geschaftstrager in Warschau an das Auswartige Amt
Bericht
Warschau, den 18. April 1939
Wegen der schweren Ausschreitungen gegen Angehorige der deutschen Volksgruppe
anlaBlich der polnischen Gemeindewahlen habe ich weisungsgemaB m nachdriickliche
Vorstellungen im AuBenministerium beim stellvertretenden Leiter der Westabteilung Herrn
Kunicki erhoben, unter Hinweis darauf, daB diese Vorgange zu einer erheblichen
Beeintrachtigung der den Volksdeutschen verfassungsgemaB zustehenden Wahlfreiheit
gefiihrt hatten. Ich habe hierbei eine Reihe besonders gravierender Falle auf Grand des hier
vorliegenden umfangreichen Materials angefiihrt unter besonderer Hervorhebung des
Umstandes, daB sich auch polnische Polizeibeamte und Gemeinde-Organe an den Vorfallen
beteiligt hatten.
AbschlieBend habe ich der Erwartung Ausdruck gegeben, daB die Polnische Regierung die
Vorgange, die in klarem Widerspruch zur deutsch-polnischen Minderheitserklarang standen,
einer Untersuchung unterziehen wiirde. Herr Kunicki stellte eine solche in Aussicht und sagte
weiteren Bescheid zu.
Krummer
Nr. 361
Der Deutsche Generalkonsul in Thorn an das Auswartige Amt
Bericht
Thorn, den 18. April 1939
Seit dem Bericht vom 8. April d. J., in welchem eine Aufzahlung aller in der letzten Zeit dem
Generalkonsulat bekanntgewordenen Vorkommnisse iiber Angriffe auf Volksdeutsche und
Beschadigung deutschen Eigentums usw. mitgeteilt worden war, hat sich die Lage nicht
wesentlich geandert, wenn auch vielleicht eine Entspannung eingetreten ist. Diese
Entspannung darf aber nicht dariiber hinwegtauschen, daB die feindliche Gesinnung der Polen
gegen die Deutschen nach wie vor auBerordentlich stark ist und durch weiter stattfindende
Versammlungen auch stark erhalten bleibt. Das fiihrt dazu, daB weiter in verschiedenen
Gemeinden meines Amtsbezirks die Schilder und Firmenbezeichnungen mit Teer beschmiert
und die Fensterscheiben mit Steinen eingeschlagen werden. Auch finden weiter Entlassungen
deutscher Arbeiter statt, die auf Grand des Druckes der polnischen Belegschaft auf die
Direktion ihre Arbeit aufgeben miissen. MiBhandlungen deutscher Volksgenossen finden auch
weiter statt.
Es ist fast unmoglich, alle dem Generalkonsulat bekanntgewordenen Falle einzeln
aufzufuhren. Ebensowenig hat die Boykotthetze nachgelassen.
Hinter den deutschfeindlichen Provokationen steht, wie bereits ofters berichtet, der
Westmarkenverband, der keine Gelegenheit vorubergehen laBt, ohne die Deutschen
anzugreifen. Dieser Westmarkenverband halt jetzt wieder, und zwar in der Zeit vom 15. bis
22. 4. 39, eine Propagandawoche ab, in der in alien Stadten und Dorfern Pommerellens durch
Versammlungsredner, durch Radio und durch Umzlige mit Lautsprechern Propaganda gegen
Deutschland betrieben wird.
von Kuchler
13441
Nr. 362
Der Deutsche Generalkonsul in Kattowitz an das Auswartige Amt
Bericht
Kattowitz, den 22. April 1939
Neuerdings stoBt man in immer starkerem MaBe auf systematische Bemuhungen, das
Deutschtum in den Augen der Bevolkerung herabzusetzen. Neben einer im hiesigen
Amtsbereich beobachteten, offenbar von militarischer Seite betriebenen Propaganda gegen
die Starke und Schlagkraft der deutschen Armee ist in dieser Hinsicht die Verbreitung von
Nachrichten liber eine angebliche Lebensmittelnot in Deutschland bemerkenswert. Hand in
Hand damit geht eine maBlose Hetze gegen das gesamte hiesige Deutschtum. Nach den hier
einlaufenden Meldungen werden in den Versammlungen der politischen Verbande laufend
Beschlusse gefaBt, die auf eine Vernichtung des Deutschtums in Oberschlesien abzielen. Die
Folge ist eine sich in den letzten Tagen auffallend mehrende Zahl von wiisten
Ausschreitungen gegen einzelne Deutsche, bei denen sich vor allem die polnische Jugend
hervortut.
Noldeke
Nr. 363
Der Deutsche Generalkonsul in Kattowitz an das Auswartige Amt
Bericht
Kattowitz, den 24. April 1939
Der Uberfall auf das Volksbundheim in Chorzow hat sich als eine der ernstesten
Ausschreitungen herausgestellt, die sich bisher in den letzten Wochen ereignet haben. Am 21.
April abends drang ein groBerer Trupp von Menschen, mit Latten, Kniippeln u. dgl.
bewaffnet, in das Gebaude des Volksbundheimes ein, in dem die Mitglieder des deutschen
Jugendvereins ihre ubliche Singprobe abhielten. Es ist hierbei zu schweren MiBhandlungen
und Beschimpfungen gekommen, an denen sich spater auch der StraBenpobel beteiligte. Der
polizeiliche Schutz war offenbar ungeniigend. Bei der spateren Vernehmung auf der Wache
haben sich sogar die Polizeibeamten an Schmahungen gegen das Deutsche Reich und den
Fiihrer beteiligt.
Ferner beehre ich mich, von zahlreichen weiteren Ausschreitungen nachstehende Falle nach
Uberpriifung zur Kenntnis zu bringen:
Am 18. April wurde der Volksdeutsche Joachim Pilarek in Bismarckhiitte von einer Gruppe
von Terroristen am Eingang seines Hauses uberfallen und miBhandelt.
Am folgenden Tage wurden die Volksdeutschen Peter Kordys und Richard Mateja aus
Kattowitz in der Nahe der Ferrumkolonie in Begleitung ihrer Ehefrauen von einer 40 Mann
starken Bande, die sich zum groBten Teil aus Aufstandischen zusammensetzte, uberfallen und
in schwerster Weise miBhandelt. Frau Kordys nimmt an, daB ihr Ehemann liber die Grenze
gefliichtet ist. Mateja, welcher schwerverletzt liegen blieb, wurde am 24. 4. in das
Gerichtsgefangnis in Kattowitz eingeliefert. Nach den eingezogenen Erkundigungen sollen
die Verletzungen so schwer sein, daB sich die Polizei scheue, Mateja freizugeben.
13451 Ferner wurde der Lehrer Czauderna von der deutschen Schule in Ligota auf dem
Heimwege mit seiner Braut uberfallen und miBhandelt. Nach Feststellung des Arztes wurde
die Leber und die Niere angeschlagen.
Der Volksgenosse Herbert Lippok aus Lipiny wurde am 19. 4. auf der Chaussee von
Hubertushutte nach Chropaczow von 5 Zivilisten uberfallen und sein Fahrrad vollig
demoliert.
Am 20. 4. wurden 3 deutsche Madchen auf dem Ruckwege von einer Gesangprobe des
Cacilienchors wegen Gebrauchs der deutschen Sprache auf der Krakauer StraBe beschimpft;
wahrend 2 Madchen sofort fliehen konnten, wurde eins mehrfach geschlagen.
Am gleichen Tage wurde auf der Wojciechowskiego in Zalenze der Volksdeutsche Giinter
Stockel von Mitgliedern der "Mloda Polska"— uberfallen. Er entkam nach kurzer Gegenwehr.
Ferner wurde am gleichen Tage von einer Bande von etwa 40 Mann am Hause des Deutschen
Kulturbundes in Kattowitz, TheaterstraBe, das Schild heruntergerissen und vernichtet. Das
gleiche ereignete sich an dem Biiro des Kulturbundes in der BahnhofstraBe. Am folgenden
Tage wurden am Eichendorffgymnasium in Konigshutte wieder von unbekannten Tatern die
Scheiben eingeschlagen.
Hinsichtlich der Volksdeutschen ist in den zahlreichen Versammlungen des Aufstandischen-
— und Westverbandes mehr oder weniger deutlich ausgesprochen worden, daB das deutsche
Element zuruckgedrangt oder ganz ausgerottet werden mliBte. In Verfolg dieser Propaganda
ist vor allem auf dem flachen Lande und in den kleineren Ortschaften die Lage der
Volksdeutschen sehr schwierig und gefahrlich geworden. Auf Grand der Ereignisse der
letzten Tage ist zum mindesten festzustellen, daB es den Behorden nicht moglich gewesen ist,
die deutsche Bevolkerang vor Terrorakten einzelner verhetzter Chauvinisten geniigend zu
schutzen.
Noldeke
Nr. 364
Der Deutsche Generalkonsul in Kattowitz an das Auswartige Amt
Bericht
Kattowitz, den 28. April 1939
Anbei beehre ich mich, einen an die Mitglieder des "Verbandes friiherer Freiwilliger der
polnischen Armee" gerichteten Aufruf, welcher in der Ortschaft Wielopole bei Rybnik
angeschlagen war, in Ubersetzung vorzulegen.
Der Abteilungskommandant Woznica ist, wie ich hore, Finanzbeamter in Rybnik, wahrend
Szweda bei der dortigen Heil- und Pflegeanstalt als Pfleger tatig und bereits durch
verschiedene Exzesse gegen Deutsche bekannt ist.
Noldeke
JMfl
Anlage
(Ubersetzung)
Befehl Nr. 3/39 an die Mitglieder des Verbandes friiherer Freiwilliger der polnischen Armee
am Ort!
1. Mit dem heutigen Tage diirfen deutsche Radiostationen nicht gehort werden.
2. Jedes Mitglied der Abteilung muB dem Vorstand sofort die Personen melden, die
nach den Deutschen neigen, Personen, die deutsche Radiostationen horen, Personen,
die deutschen Organisationen angehoren, Personen, die deutsch sprechen, wo solche
Personen arbeiten, Personen, die sich fur Deutschland gunstig auBern und Personen,
die falsche Nachrichten verbreiten.
3. Obiger Befehl ist genau einzuhalten.
"Heil"
Woznica Szweda
der Kommandant der Abteilung der Vorsitzende der Abteilung
Nr. 365
Der Deutsche Generalkonsul in Kattowitz an das Auswartige Amt
Bericht
Kattowitz, den 6. Mai 1939
Anbei beehre ich mich, einen mir zur Verfugung gestellten Abdruck— des vom Deutschen
Volksbund gesammelten umfangreichen Materials iiber Ausschreitungen gegen
Volksdeutsche usw. vorzulegen, die in den letzten Wochen stattgefunden haben. Die
Sammlung enthalt, nach den einzelnen Bezirksvereinigungen des Volksbundes geordnet,
Niederschriften liber Ausschreitungen gegen Personen, gegen volksdeutsches Eigentum, liber
Freiheitsentziehungen usw. Die Sammlung umfaBt ferner deutschfeindliche Aufrufe in der
polnischen Presse, polnische Presseberichte liber deutschfeindliche Demonstrationen, eine
Ubersicht liber Zeitungsbeschlagnahmen sowie MaBnahmen gegen die Privatschulen des
Deutschen Schulvereins in der Woiwodschaft Schlesien bzw. einzelne Lehrer und Schliler.
Eine Nachprlifung der einzelnen Falle, die bereits vom Deutschen Volksbund sorgfaltig
gesichtet wurden, durch das Generalkonsulat ist angesichts ihrer groBen Zahl und der mit
einer weiteren Vernehmung der Betroffenen verbundenen erheblichen Gefahrdung dieser
Volksdeutschen unmoglich.
Im librigen hat sich die allgemeine Lage nicht wesentlich verandert. Die Zahl der
MiBhandlungen hat vielleicht in den letzten Tagen etwas abgenommen. Dagegen haben sich
die Falle von schweren Bedrohungen sowie von Ausschreitungen gegen das Eigentum nicht
unerheblich vermehrt. In nahezu alien Teilen des Amtsgebiets ist es in den letzten Tagen
immer wieder zum Einschlagen von Fensterscheiben an Wohnungen und Geschaftsraumen
Volksdeutscher und zu liblen Beschimpfungen auf offener StraBe, selbst in den
Hauptverkehrsgegenden der Stadte gekommen.
r347i Ein Abflauen der Ausschreitungen ist so lange nicht zu erwarten, als nicht von den
Behorden die fortgesetzte Hetze in der Presse und in den Versammlungen der Verbande
verhindert wird. Solange die polnische Presse und die Verbande immer wieder den einzelnen
auffordern, gegen die sogenannten Provokationen der Deutschen auf eigene Faust
handgreiflich vorzugehen, muB auch in Zukunft mit weiteren ernsten Zwischenfallen
gerechnet werden. Im allgemeinen besteht der Eindruck, daB die deutsche Bevolkerung, vor
allem auf dem Lande, weitgehend eingeschlichtert ist.
Noldeke
AtmietkuiHjen:
187 Vgl. Nr. 350 . ...zurtick...
188 Vgl. Nr. 349 . ...zurlick...
189 Vgl. Nr. 209 . ...zurlick...
190 Vgl. Nr. 211 . ...zurlick...
191 Vgl. Nr. 101 . ...zurlick...
i no
Es handelt sich um den polnischen RegierungsausschuB zur Durchflihrung des deutsch-
polnischen Handelsvertrages. ...zurlick...
193 Vgl. Nr. 356 . ...zuruck...
194 Jugend verb and der polnischen Regierungspartei "Lager der Nationalen Einigung".
...zuruck...
195 Vgl. Nr. 86 , Anm. T491 . ...zuruck...
196 Es handelt sich um eine Sammlung von mehr als 200 Fallen. ...zuriick...
Viertes Kapitel (Forts.)
Polen als Werkzeug des Englischen Kriegswillens
A. Die Auswirkung
der Britischen Einkreisungspolitik
auf die Haltung Polens
I. Vernichtungsfeldzug gegen die Deutsche Volksgruppe Anm d scriptorium:
(Forts.)
Nr. 366
Der Deutsche Konsul in Lodz an das Auswartige Amt
Bericht
Eine noch mehr ins
Einzelne gehende
Dokumentation der
Lage der
Volksdeutschen in
Polen als die in dies en
Lodz, den 8. Mai 1939 Kapiteln gegebene
Der Terror der verhetzten polnischen Bevolkerung gegen die
Deutschen in der Woiwodschaft Lodz, der sich durch zahlreiche
finden Sie in dem Buch
Die deutsche
Volksgruppe in Polen
Schlagereien mit oft schweren Korperverletzungen, Drohungen, 1934-39
Beleidigungen, Boykott, Eigentumsbeschadigungen, Verhaftungen
und Schikanen aller Art - nicht zuletzt durch Brandstiftungen - auBert, halt unvermindert an.
Unverkennbar besteht bei der polnischen Bevolkerung die Absicht, das Deutschtum in seiner
Existenz zu vernichten, soweit es sich nicht vollig polonisieren lassen will.
In unverantwortlicher Weise werden durch die Lehrerschaft in den Schulen polnische Kinder
gegen die deutschen aufgehetzt bzw. den deutschen Kindern kein Schutz gewahrt. Auf dem
Wege zur Schule werden deutsche Kinder in beinahe alien Orten angegriffen, angepobelt und
nicht selten von anderen Kindern geschlagen oder mit Steinen beworfen. Bereits 5jahrige
Kinder singen Schmahlieder auf die Deutschen, wobei in den Liedertexten nicht selten
Verwunschungen des Fuhrers vorkommen. In vielen Orten mussen die Eltern daher ihre
Kinder bis zur Schule begleiten, um sie vor Angriffen zu schutzen.
Auf dem Lande wurden Hauser deutscher Bauern angezundet. So brannten erst kurzlich in der
Nacht vom 26. bis 27. April gleichzeitig die Anwesen der deutschen Landwirte Rudolf
Albrecht und Julius Hein in Rokitnica, Kreis Lask, nieder. Zweifellos lag Brandstiftung vor.
Wahrend des Brandes erklarten die polnischen Nachbarn: "Die Hitlerleute sollen verbrennen,
am besten wirft man sie ins Feuer." Es konnte nur das Vieh gerettet werden.
Allerorts wurde bei den Polen die Parole ausgegeben, von Deutschen weder Grundstucke
noch Vieh mehr zu kaufen, da sie demnachst doch fliehen und ihre Habe zurucklassen
muBten.
Das Deutschtum ist hier in hochstem Grade beunruhigt und rechnet mit der Moglichkeit
weiterer und groBerer Ausschreitungen, wenn die von der Regierung geduldete Aufhetzung
des urteilslosen Pobels durch chauvinistische polnische Organisationen und durch die Presse
ungehindert fortgesetzt wird.
von Berchem
Nr. 367
Der Deutsche Botschafter in Warschau an das Auswartige Amt
Bericht
Warschau, den 8. Mai 1939
Seit etwa einer Woche ist in mehreren Schaufenstern der verkehrsreichsten StraBen eine
Landkarte ausgestellt, in welcher mit Fahnchen Gebiete des Deutschen Reiches markiert sind.
Das eingezeichnete Gebiet umfaBt ganz OstpreuBen sowie die Stadte Beuthen, Oppeln,
Gleiwitz, Breslau, Stettin und Kolberg.
Daneben ist ein Plakat angebracht, das folgende Beschriftung in polnischer Sprache tragt:
"Den Krieg suchen wir nicht! Sollte uns jedoch der Krieg aufgezwungen werden, werden wir
die uralten polnischen Gebiete, die von Polen bewohnt werden, zuriickholen."
Diese Karte findet auBerordentlich groBes Interesse. Dauernd sind Menschenansammlungen
davor zu beobachten, die die sich daraus fur Polen ergebenden neuen Perspektiven
besprechen.
von Moltke
Nr. 368
Das Auswartige Amt an den Deutschen Botschafter in London
ErlaB
Berlin, den 11. Mai 1939
Seit geraumer Zeit nehmen die Drangsalierungen des Deutschtums in Polen, besonders in den
ehemals preuBischen Provinzen, auf alien Lebensgebieten infolge einer verscharften Hetze,
die von den deutschfeindlichen Organisationen systematisch betrieben wird, trotz
fortgesetzter ernster Vorstellungen der Deutschen Regierung standig zu. Aus dem Verhalten
der polnischen Regierungsstellen muB gefolgert werden, daB sie weder ernstlich gewillt noch
in der Lage zu sein scheinen, dieser Entwicklung Einhalt zu bieten. Da die volksdeutschen
Blatter in Polen durch rigorose ZensurmaBnahmen daran gehindert werden, liber solche
antideutschen Ausschreitungen erschopfend zu berichten, sind neben den DNB-Meldungen
die Berichte der deutschen konsularischen Vertretungen in Polen zur Zeit die einzigen
zuverlassigen Informationsquellen fur die Beurteilung der tatsachlichen Lage des dortigen
Deutschtums.
Anliegend werden in Abschrift eine Anzahl solcher Berichte iiber deutschf eindliche Vorfalle
und MaBnahmen, die in Zukunft laufend ubermittelt werden, zur Kenntnis und mit der Bitte
ergebenst ubersandt, dieses Material in geeignet erscheinender Weise der dortigen Regierung
gegentiber zu verwerten.—
Im Auftrag
Woermann
Nr. 369
Eingabe der Vertreter der Deutschen Volksgruppe
an den Polnischen Staatsprasidenten
den 12. Mai 1939
Im Namen der deutschen Volksgruppe in Polen unterbreiten wir Ihnen, Herr Prasident, dem
Inhaber der einheitlichen und unteilbaren Staatsgewalt, die Bitte, den der deutschen
Volksgruppe in der Verfassung und den Gesetzen verburgten Rechten Achtung und Geltung
zu verschaffen. Wir sind zu diesem Schritt gezwungen, weil die fast unzahligen schriftlichen
und mundlichen, mit schlussigen Beweisen belegten Vorstellungen bei der Regierung
erfolglos geblieben sind, und in der Erinnerung an die Worte, die Sie, hochzuverehrender
Herr Prasident, am 5. November 1937 aus AnlaB der Vereinbarung zwischen der Polnischen
und der Deutschen Regierung iiber die Behandlung der beiderseitigen Volksgruppen an die
Unterzeichneten richteten.— Sie betonten damals als wichtigste Voraussetzung flir das
harmonische Zusammenleben zwischen Polen und Deutschen die Achtung vor dem
Volkstums des andern.
Die Lage der Deutschen Volksgruppe war immer schwer. Die aus dem weltpolitischen
Geschehen entstandenen Spannungen entladen sich seit Wochen in unverhulltem
leidenschaftlichem HaB und uberaus zahlreichen Gewalttatigkeiten gegen die deutsche
Volksgruppe und ihre einzelnen Angehorigen. Wir haben von der Regierung die mundliche
Versicherung erhalten, daB sie deutschfeindliche Ausschreitungen miBbillige und
Anweisungen erteilt habe, Aufreizungen und Ausschreitungen zu verhindern. Wirksamen
Schutz hat die deutsche Volksgruppe nicht gefunden. Sie ist bis zur Vernichtung gefahrdet.
Die Zahl der arbeitslosen Deutschen ist erschreckend hoch. Sie nimmt besonders in den
Industriegebieten standig zu. Die Organe des Arbeitsrechts versagen Deutschen den Schutz.
Deutschen ist die Einreihung in den ArbeitsprozeB so gut wie verschlossen.
Fur die Agrarreform wird der deutsche Grundbesitz in unverhaltnismaBig hoherem MaBe
herangezogen als der polnische, wahrend die Zuweisung von Siedlungsflachen an Deutsche
eine geradezu auffallende Ausnahme ist. Selbst im unmittelbaren Erbgange kann der
Deutsche Grand und Boden nicht ohne weiteres verlangen.
Die Pflege der kulturellen, geistigen, wirtschaftlichen und personlichen Beziehungen und der
Verkehr mit unserem Muttervolke wird behindert. Das Bekenntnis zur nationalsozialistischen
Weltanschauung wird als staatsfeindlich verdachtigt. Katholischen Deutschen wird die
Ausiibung der religiosen Pflichten in ihrer Muttersprache durch deutschfeindliche Elemente
vielfach erschwert und sogar unmoglich gemacht, ohne daB sie den Schutz der
Sicherheitsbehorden finden. Auf dem Gebiete der evangelischen Kirchen, namentlich der
evangelisch-unierten in Oberschlesien und der evangelisch-augsburgischen, wurden die
Deutschen entrechtet, obwohl sie die bei weitem liberwiegende Mehrheit des evangelischen
Kirchenvolkes darstellen.
An den offentlichen deutschen Schulen werden polnische Lehrkrafte in einem AusmaBe
beschaftigt, daB diese Schulen den Charakter als deutsche verloren haben. Fur den deutschen
Lehrernachwuchs besteht keine deutsche psoi Anstalt. Das deutsche Privatschulwesen stoBt
auf die mannigfachsten Erschwernisse. Die SchlieBung deutscher Privatschulen, besonders in
Wolhynien, nimmt der deutschen Volksgruppe die wichtigsten Bildungsstatten. Der
schlesische Sejm hat liber die Staatsgesetze hinausgehende Sonderbestimmungen erlassen, auf
Grand deren die Genehmigung zur Errichtung einer neuen deutschen Privatschule versagt und
der Besuch deutscher Privatschulen verhindert wird. In der Woiwodschaft Schlesien werden
Sprachprufungen durchgeflihrt, denen eine Rechtsgrandlage fehlt. Deutsche Eltern, die sich
weigern, ihre Kinder der polnischen Schule zuzufuhren, erleiden harte Geldstrafen und
Freiheitsstrafen. Die Frage der Lehrbucher fur die deutschen Privatschulen ist trotz
jahrelanger Bemuhungen offen. Die Erteilung der Unterrichtserlaubnis flir Lehrkrafte wird
vielfach versagt. Die Schulaufsicht wird ausschlieBlich durch Polen ausgeiibt. Die
Schulaufsichtsbehorden zeigen flir die Eigenart der deutschen Schule kein Verstandnis und
tragen ihr keine Rechnung.
Eine Zusammenfassung unserer deutschen Jugend in einen geschlossenen Verband zu
erzieherischer und kultureller Betatigung ist bis heute an dem Widerstand der Behorde
gescheitert. Unsere deutschen Kinder sind gerade in dem Alter, wo sie flir die Erziehung am
zuganglichsten sind, sich vollstandig selbst uberlassen.
Uber diese Punkte, die in gedrangtester Klirze zusammengefaBt sind, liegen der Regierang
seit Jahren eingehend begrlindete Denkschriften und Antrage vor. Sie ist liber die Anliegen
der deutschen Volksgruppe im einzelnen genau unterrichtet. Seit der Verklindung der
Verfassung vom 17. Marz 1921 haben die Vertreter der deutschen Volksgruppe bei der
Regierung und in den gesetzgebenden Korperschaften vergeblich den ErlaB von
Ausfuhrungsgesetzen zu Art. 109 122 angestrebt. Der vorbildliche Gedanke des Art. 109 ist rein
deklaratorisch geblieben. Die gegenwartigen Verhaltnisse sind auf das Fehlen einer klaren
Rechtsordnung flir die Volksgruppe zurackzuflihren.
Die deutsche Volksgruppe ist auf das tiefste davon durchdrangen, daB ihre Behandlung der
Verfassung und in sehr vielen Fallen den Absichten des Gesetzgebers widerspricht.
Aus der Verantwortung, die wir der Republik Polen ebenso wie unserer Volksgruppe
schulden, halten wir uns flir berechtigt und verpflichtet, Sie, hochzuverehrender Herr
President, unmittelbar zu unterrichten und um die Sicherang der durch die Verfassung
verblirgten Rechte der deutschen Volksgruppe und die Sicherung der unterschiedslosen,
lediglich durch das Recht bestimmten Anwendung der Gesetze zu bitten.
In ehrerbietiger Hochachtung
Namens der deutschen Volksgruppe:
Senator Erwin Hasbach Dipl.-Ing. Rudolf Wiesner
T3511
Nr. 370
Der Deutsche Konsul in Lodz an das Auswartige Amt
Bericht
Lodz, den 15. Mai 1939
Sehr schwere Ausschreitungen, die man als Deutschenpogrom bezeichnen kann, ereigneten
sich am vergangenen Samstag, dem 13., und Sonntag, dem 14. Mai, in der Stadt Tomaschow-
Mazowiecki (etwa 42.000 Einwohner, davon etwa 3.000 Deutsche), bei denen zahlreiche
deutsche Existenzen vollstandig vernichtet wurden. Dem Deutschen Schmiegel wurde der
Schadel gespalten und eine Frau, deren Namen ich bisher nicht erfahren konnte, wurde bei
ihrer Flucht auf einem Felde totgeschlagen. Der Sohn des Schmiegel, der aus einem Fenster
des 2. Stockwerks eines Hauses geworfen wurde, liegt schwerverletzt darnieder.
Die Ausschreitungen begannen am Sonnabend, dem 13. Mai. Einige Tage vorher hatte der der
Regierungspartei nahestehende "Verband der Polnischen Berufsverbande" in groB
plakatierten Aufrufen eine "Demonstration gegen die Deutschen" flir Sonnabend, den 13.
Mai, angekiindigt. Diese begann durch Ansprachen vom Balkon eines Gebaudes aus, in dem
der genannte Verband, die Regierungspartei OZON und dessen Jugendorganisation "Mloda
Polska" ("Das junge Polen") ihre Geschaftsraume hatten. In den Reden vor einer groBen
Menschenmenge wurde in ubelster Weise gegen Deutschland gehetzt und behauptet, die
Polen wurden im Reich sehr schlecht behandelt, man brache ihnen FiiBe und Hande, vernichte
ihre Schulen und Kirchen und dergleichen mehr. Als der Pobel geniigend aufgewiegelt war,
ubergaben die Leiter der Demonstration Formulare an verschiedene zweifelhafte Elemente,
die in Begleitung der Volksmenge von den Fabrikleitungen die sofortige Entlassung aller
Deutschen und die Unterzeichnung der diese Erklarung enthaltenden Formulare fordern
sollten. Das geschah dann auch. Unter dem Druck der StraBe muBten sich die Firmen dazu
bereit erklaren und man trieb daraufhin die deutschen Arbeiter aus den Fabriken. Nachdem
dies erreicht war, fing die Menge an, alle deutschen Geschafte und Privatwohnungen
systematisch vollstandig zu demolieren. In einer wilden Raserei vernichteten sie ziemlich
alles deutsche Privateigentum. Die Deutschen wurden wie Freiwild gejagt, sie fluchteten sich
auf das Land hinaus und kehrten erst bei Tagesanbruch wieder zuriick. Viele wurden durch
Messerstiche und Stockhiebe erheblich verletzt.
Wahrend des Sonntags war dann zunachst Ruhe. Am Abend begannen die Ausschreitungen
aber von neuem und die Menge vernichtete alles deutsche Privateigentum, das vom
vorherigen Tage noch heil geblieben war. Besonders hervorzuheben ist, daB die Polizei mit
den Demonstranten mitmarschiert war und nichts tat, um das Leben und Eigentum der
Deutschen zu schutzen. Man kann ohne Ubertreibung sagen, daB die Ausschreitungen unter
Duldung der Regierung erfolgt sind, wenn nicht sogar auf ihre Veranlassung hin. Jetzt, nach
den abgeschlossenen Terrorakten, patrouillieren, um den Schein zu wahren,
Polizeikommandos mit aufgepflanztem Seitengewehr in den StraBen der Stadt.
In Lodz wurden am Sonnabendabend die Fensterscheiben der Ruppertschen Buchhandlung in
der PetrikauerstraBe, die deutsche Biicher und Zeitschriften verkauft, eingeschlagen, ferner
die Fenster des Lokals des (vollig unpolitischen) Berufsverbandes Deutscher Angestellter.
Weiterhin erfolgten am gestrigen [3521 Sonntag Ausschreitungen im Kinotheater "Stylowy"
wahrend des deutschen Films "Land der Liebe", wobei Terroristen das Publikum zum
Verlassen der Vorstellung zwangen und vor dem Theater mit Latten, in denen Nagel steckten,
auf die fluchtenden Menschen eingeschlagen haben.
Da zunachst kein Grand zur Annahme besteht, daB die Terrorakte eingestellt werden, wird die
Lage von den hiesigen Deutschen als sehr ernst angesehen. In zunehmendem MaBe
entschlieBen sich diese zur Abwanderang und zum Verkauf ihres Grandeigentums, da sie ihre
Existenz in Polen als gefahrdet ansehen. Man fiirchtet die Polen, die, wenn alle Hemmungen
bei ihnen beseitigt sind, vor keinem Roheitsakt zurlickschrecken und von der hiesigen
deutschen Bevolkerang viel schlimmer eingeschatzt werden als die schlimmsten Terroristen
der fraheren russischen Zeit.
von Berchem
Nr. 371
Der Deutsche Konsul in Lodz an das Auswartige Amt
Bericht
Lodz, den 18. Mai 1939
Eine groBe Anzahl von Deutschen aus Tomaschow haben auf dem Konsulat Angaben tiber die
Ausschreitungen vom 13. und 14. d. M. und tiber den ihnen zugefugten Schaden gemacht und
gebeten, ihnen die Abwanderang nach Deutschland zu ermoglichen. Die Gesamtzahl der
Geschadigten geht in die Tausende, da ja alle Deutschen mit nur ganz wenigen Ausnahmen
Opfer des Pogroms geworden sind. Auch aus den bei Tomaschow gelegenen Dorfern, wo
deutsche Bauern wohnen, werden sehr groBe Sachschaden gemeldet.
Im Krankenhaus in Tomaschow befinden sich etwa 10 schwerverletzte Deutsche.
von Berchem
Nr. 372
Der Deutsche Generalkonsul in Kattowitz an das Auswartige Amt
Bericht
Kattowitz, den 19. Mai 1939
Ich beehre mich, eine erneute Sammlung— von mehr als 100 Fallen liber Ausschreitungen
gegen Angehorige der deutschen Volksgrappe vorzulegen. Bei den Zwischenfallen handelt es
sich in der Hauptsache um Verhaftungen, Bestrafungen, Hausdurchsuchungen, Bedrohungen,
Freiheitsberaubungen, Uberfalle, ferner um die Beschlagnahme von deutschen Zeitungen, um
deutschfeindliche Aufrafe sowie in groBerem Umfange um weitere Entlassungen von
Minderheitsangehorigen, die in den Industriebetrieben beschaftigt waren.
Noldeke
[353]
Nr. 373
Der Deutsche Generalkonsul in Posen an das Auswartige Amt
Bericht
Posen, den 22. Mai 1939
Durch Verfiigung des Schulkuratoriums sind die privaten Volksschulen in Gnesen, Birnbaum
und Wollstein geschlossen worden.
Es handelt sich um die
7klassige Volksschule Gnesen-Gniezno mit 209 Schulern,
4klassige Volksschule Wollstein-Wolsztyn mit 102 Schulern,
4klassige Volksschule Birnbaum-Miedzychod mit 102 Schulern.
Walther
Nr. 374
Der Deutsche Botschafter in Warschau an das Auswartige Amt
Bericht
Warschau, den 22. Mai 1939
Die Spannung der letzten Wochen ist auch auf das Deutschtum in Wolhynien nicht ohne
Ruckwirkungen geblieben. Die Wolhynien-Deutschen sind zwar insofern gunstiger als die
Volksdeutschen der Westgebiete gestellt, als sie nicht unter den im Westen ublichen
Boykottaktionen und Ausschreitungen der Nationalpolen, die in Wolhynien nur eine kleine
Minderheit darstellen, zu leiden haben. Von polnischer Seite werden dort ferner die Ukrainer,
die nach wie vor dem polnischen Staate in unversohnlicher Feindschaft gegenuberstehen,
auch heute noch als Hauptgegner angesehen, was in zahllosen Verhaftungen und
Drangsalierungen der ukrainischen Bevolkerung zum Ausdruck kommt. Immerhin hat sich
aber die Haltung der Behorden auch gegenliber den Wolhynien-Deutschen standig verscharft.
Immer offener tritt die antideutsche Einstellung der Schulbehorden zu Tage. Die SchlieBung
der deutschen Schulen geht z. Z. in einem solchen AusmaBe vor sich, daB die vollige
Vernichtung des deutschen Schulwesens nur noch eine Frage kurzer Frist ist. In den letzten
Tagen sind allein flinf deutsche Schulen in den Orten Rozysce, Bryszcze, Harazdze, Adamow
und Ludwikow geschlossen worden. Damit sind weitere 400 volksdeutsche Kinder ohne
deutschen Unterricht. Ferner wurden einer Reihe von Lehrern die Loyalitatszeugnisse
verweigert, so daB sie hinfort nicht mehr die Lehrtatigkeit ausiiben konnen.
Fur den Ernst der Lage, in der sich das wolhynische Deutschtum befindet, ist es schlieBlich
bezeichnend, daB auch hier in den letzten Monaten die illegale Abwanderung ins Reich trotz
des weiten Weges zur Grenze immer starker einsetzte.
mil In diesem Zusammenhang sind Nachrichten von Interesse, die der Botschaft kurzlich von
einem zuverlassigen Gewahrsmann liber das Kirchspiel Kostopol im ostlichen Wolynien
zugegangen sind. Allein aus Kostopol waren in letzter Zeit 250 Familien abgewandert,
nachdem sie ihren Besitz zu Schleuderpreisen verkauft hatten. Ein groBer Teil dieser
Abwanderer gelangte jedoch nicht ins Reich, sondern wurde an der Grenze von den
polnischen Behorden wieder zuriickgewiesen, so daB die zwangsweise Zuriickgekehrten
nunmehr volliger Verarmung preisgegeben sind. Mehrere junge Leute sind ferner beim
Versuch des Grenziiberganges von polnischen Grenzsoldaten erschossen worden. Aus
Kostopol sind dem Gewahrsmann fiinf derartige Falle bekanntgeworden.
von Moltke
Nr. 375
Der Deutsche Generalkonsul in Posen an das Auswartige Amt
Bericht
Posen, den 25. Mai 1939
Senator Hasbach hat am 12. d. M. in Warschau im Unterrichtsministerium Beschwerde
gefiihrt, daB deutsche Studenten in Posen an dem Besuch der Vorlesungen gehindert werden:
der Vizeminister hat nur zugesagt, er wolle sich mit der Posener Universitatsbehorde in
Verbindung setzen.
Insgesamt sind 40 volksdeutsche Studenten in Posen betroffen und verlieren dadurch
mindestens fiir dieses Jahr ihr Studium.
Walther
Nr. 376
Der Deutsche Generalkonsul in Kattowitz an das Auswartige Amt
Bericht
Kattowitz, den 30. Mai 1939
Die Lage hat sich leider auch in den letzten beiden Wochen nicht gebessert. Eine weitere
Sammlung m von insgesamt 48 Zwischenfallen beehre ich mich vorzulegen. Hinzufugen
mochte ich noch, daB die deutsche Minderheit durch die standigen Ausschreitungen
naturgemaB auBerordentlich eingeschuchtert ist, so daB heute kaum ein Angehoriger der
deutschen Volksgruppe es noch wagt, auf der StraBe deutsch zu sprechen. Trotzdem lassen
die Angriffe auf Volksdeutsche auf offener StraBe nicht nach, und es sind auch jetzt wieder
haufig schwere Ausschreitungen vorgekommen. Tater sind meist Angehorige des
sogenannten Verbandes der Jungen Aufstandischen.
Noldeke
J3551
Nr. 377
Der Deutsche Konsul in Teschen an das Auswartige Amt
Telegramm
Teschen, den 2. Juni 1939
Deutsches Volksheim Karwin 30. Mai durch Verfiigung Woiwodschaft in polnische
Zwangsverwaltung iibergegangen. Genossenschaftsorgane durch Zwangseinsetzung
polonisiert.
108 reichsdeutsche Teilhaber mit 256 Anteilen, 1 14 volksdeutsche Teilhaber mit 179
Anteilen.
Neubau des Heimes vor zwei Jahren fertiggestellt. Representatives Hauptgebaude, Turnhalle,
Blihne, groBe Gast- und Versammlungsraume, Sportplatz. Gesamtwert 160.000 Zloty; Heim
gait als Mittelpunkt groBer Teile gesamten Olsa-Deutschtums.
Damerau
Nr. 378
Der Deutsche Botschafter in Warschau an das Auswartige Amt
Bericht
Warschau, den 6. Juni 1939
Auf der Eroffnungssitzung des Wirtschaftsrates fur Pommerellen, die am 3. d. M. in Thorn
stattfand, hielt der Polnische Vizepremierminister Kwiatkowski eine Rede, die von der
gesamten Presse am 4. d. M. in groBer Aufmachung und mit entsprechenden Uberschriften
wiedergegeben wurde; die offiziose Gazeta Polska brachte sie unter der Uberschrift "Ruhige,
ausdauernde Arbeit, das Schwert an der Seite! Pommerellen ist und bleibt Polens Verbindung
mit der Welt."
Es geschieht zwar nicht zum erstenmal, daB ein Mitglied der Polnischen Regierung sich an
der gegen Deutschland gerichteten Propaganda beteiligt und die Kriegsstimmung gegen
Deutschland zu steigern sucht. Immerhin scheint es beachtenswert, daB nunmehr auch der
stellvertretende Chef der Regierung in diesem Sinne hervorgetreten ist.
Auch in einer nur einen Tag spater, am 4. d. M., aus AnlaB der Enthullung einer Pilsudski-
Gedenktafel in Ciechocinek gehaltenen Rede des Sozialfursorgeministers Koscialkowski
wurde die These in den Vordergrund gestellt, daB der Besitz Pommerellens die unentbehrliche
Voraussetzung flir Polens wirtschaftliche Bliite und politisches Gedeihen sei. Koscialkowski
ging dabei in seinen Ausfuhrungen ubrigens noch weiter, indem er "fur den Fall, daB Polen
der Kampf aufgedrungen wurde" als Ziel seines siegreichen Ringens "die Riickkehr jener
urpolnischen Gebiete, die schon langst zu Polen gehoren sollten", bezeichnete.
von Moltke
T3561
Nr. 379
Der Deutsche Konsul in Teschen an das Auswartige Amt
Bericht
Teschen, den 6. Juni 1939
Im AnschluB an die bereits durch Presse und Rundfunk bekanntgegebene Beschlagnahme des
Schiilerheimes in Oderberg und die drahtlich mitgeteilte Entdeutschung des Volksheimes in
Karwin— ist nunmehr am 6. 3. 1939 auch in der Deutschen Volksbank in Teschen ein
polnischer Zwangsverwalter eingesetzt worden.
Das in vorziiglichem Bauzustand befindliche Gebaude der Volksbank reprasentiert einen
Wert von etwa 400.000 Zloty. Die Volksbank war das letzte deutsche Geldinstitut des
gesamten Amtsbezirks.
Das in Oderberg enteignete Schulerheim war gleichfalls das einzige seiner Art. Es besaB
moderne internatsmaBige Einrichtungen flir insgesamt 60 Schiiler. Das Gebaude wurde vor
etwa 7 Jahren als Neubau aufgefuhrt und stellt einen Wert von etwa 160.000 Zloty dar.
Die seitens des Konsulats vornehmlich mit Bezug auf das Volksheim Karwin erhobenen
Vorstellungen blieben seitens der Woiwodschaft bisher unbeantwortet.
von der Damerau
Nr. 380
Der Deutsche Generalkonsul in Thorn an das Auswartige Amt
Bericht
Thorn, den 6. Juni 1939
Die MaBnahmen der polnischen Behorden gegen das Deutschtum und das deutsche Handwerk
nehmen ihren Fortgang. Vor einigen Tagen ist die alte, hier schon seit 2 Generationen in dem
Besitz der deutschen Familie Heininger befindliche Adler-Apotheke in Thorn geschlossen
worden und fast zur selben Zeit auch die privilegierte Hampelsche Apotheke in Culm. Auch
in Graudenz ist die Einstellung des Betriebes der einzigen dort noch vorhandenen deutschen
Kronen-Apotheke angeordnet worden.
DaB es sich hier um eine planmaBige MaBnahme gegen die deutschen Apotheken handelt,
liegt klar auf der Hand.
Auch auf dem Gebiete der Gastwirtskonzessionen sind in der letzten Zeit wieder zwei
Kundigungen fur den Spirituosen- und Tabakverkauf erlassen worden.
Neben diesen deutschfeindlichen MaBnahmen gehen, wie schon friiher berichtet, Kongresse,
Versammlungen und sonstige Tagungen patriotischer Verbande Hand in Hand, die entweder
selbst schon den Charakter einer deutschfeindlichen Veranstaltung tragen oder bei denen die
Redner jetzt ausnahmslos in scharfen Worten gegen Deutschland Stellung nehmen.
Auch der pommerellische Woiwode Minister Wladislaw Raczkiewicz betatigt sich in
antideutschem Sinne. Er benutzte die Gelegenheit der Uberreichung von Auszeichnungen, um
folgendes zu betonen: "Wir miissen das 13571 Brachland, das die Rauber zuriickgelassen haben,
umpfliigen". Wenn auch diese Veranstaltung im geschlossenen Raume stattfand, so geniigt
die Veroffentlichung dieser Rede, um festzustellen, daB, wenn der erste Beamte der Provinz
in dieser Weise gegen Deutschland (denn nur Deutschland kann gemeint sein) agitiert, die
breite Masse vor Ausschreitungen schwer zuriickzuhalten ist.
Es ist kein Wunder, daB sich das Deutschtum hier, angesichts dieser Verhaltnisse und nach
den anderweitig berichteten Exzessen, Uberfallen und Korperverletzungen, in einer
verzweifelten Lage befindet. Diese Verzweiflung spricht sich am deutlichsten darin aus, daB
der Strom der Abwanderung, und zwar hauptsachlich der illegal Abwandernden,
unvermindert anhalt.
Man kann verstehen, daB die deutschen Besitzer infolge der dauernden Drangsalierungen, der
Angriffe und der Tatlichkeiten der umwohnenden Polen, die sie teilweise zwingen, nachts
aufzubleiben, weil sie neben dem Einschlagen von Fenstern die Inbrandsetzung des Gehoftes
befurchten, sich in einem Zustand volliger Verzweiflung befinden, der sie alles vergessen und
nur den Wunsch haben laBt: "Aus dieser Holle zuriick ins Reich".
von Kuchler
Nr. 381
Der Deutsche Konsul in Lodz an das Auswartige Amt
Bericht
Lodz, den 7. Juni 1939
Wenn es auch seit den Vorfallen in Tomaschow— und Konstantynow— bisher nicht wieder zu
Masseniiberfallen und Ausschreitungen des Mobs gegen Deutsche gekommen ist, da den
polnischen Behorden derartige aufsehenerregende Ereignisse offenbar aus propagandistischen
Griinden unerwiinscht sind, so geht der Kampf gegen das Deutschtum dennoch mit Duldung
und Forderung der Behorden auf der ganzen Linie in alien Teilen des Amtsbezirks weiter.
Taglich werden dem Konsulat Einzeltatsachen berichtet, die keinen Zweifel daran lassen, daB
durch Drohungen, Einschuchterungen, von den Behorden veranlaBten Entlassungen und
Schikanen aller Art an der materiellen und seelischen Zermurbung des Deutschtums
gearbeitet wird.
Die Bedrohungen der Volksdeutschen mit Totschlag, Folterungen usw. sind in alien Teilen
der Woiwodschaft zu taglichen Selbstverstandlichkeiten geworden. Ebenso sind
Beschadigung und Diebstahl deutschen Eigentums (Holzdiebstahl, Umlegen von
Obstbaumen, Vergiftung von Hunden usw.) auf dem flachen Lande an der Tagesordnung,
ohne daB die Polizei auf die Anzeige der Geschadigten hin ernstliche Bemlihungen zur
Entdeckung oder Bestrafung der Tater unternimmt.
Die standigen Morddrohungen haben zu einer sehr starken Nervositat der Volksdeutschen in
den abseits gelegenen Hofen und auch in einzelnen starker mit Deutschen besiedelten Dorfern
gefiihrt. Noch immer gibt es ganze Familien, ma die in den Waldern und Feldern schlafen, da
nachtliche Bandenliberfalle auf das Haus befiirchtet werden. In verschiedenen Dorfern
sammeln sich nachts die deutschen Familien; wahrend Frauen und Kinder schlafen,
unterhalten die mit Kniippeln und Heugabeln bewaffneten Manner einen Wachtdienst. Das
starke Gefiihl des standigen Bedrohtseins hat die Abwanderungstendenz ganzer Dorfer in den
letzten Wochen ungemein verstarkt. Die Bauern sind bereit, ihr Hab und Gut zu lacherlich
niedrigen Preisen zu verauBern, was wiederum die Polen zur Fortsetzung ihres Terrors
ermuntern diirfte, da die polnische Bevolkerung hofft, sich bei Abwanderung der Deutschen
billig oder umsonst in den Besitz des zuriickgelassenen Grand und Bodens setzen zu konnen.
In vielen Fallen haben die bedrohten Bauern ihren Besitz einfach im Stich gelassen und sind
liber die "griine Grenze" abgewandert. Neuerdings ist jedoch die polnische Grenzkontrolle so
verstarkt worden, daB die Gefahr der Verhaftung und strenger Bestrafung wegen "illegaler
Auswanderung" sehr groB geworden ist. Es scheinen bereits Hunderte von Volksdeutschen
wegen unerlaubten Grenzubertritts in polnischen Gefangnissen zu sitzen.
Die industrielle deutsche Bevolkerung leidet in steigendem MaBe unter Arbeitslosigkeit.
Diese ist vor allem auf die systematische Verdrangung unserer Volksgenossen aus den
Arbeitsplatzen zuriickzufuhren. Die Unternehmer werden durch behordlichen Wink, durch
Drack ihrer Lieferanten und Abnehmer sowie durch die Drohungen der polnischen
Belegschaft und der StraBe gezwungen, die volksdeutschen Arbeitnehmer fristlos zu
entlassen. Selbst volksdeutsche Fabrikbesitzer haben sich diesen Forderangen des
aufgeputschten Polentums nicht entziehen konnen. Noch immer werden von polnischen
Verbanden aller Art EntschlieBungen angenommen, in denen die Behorden ersucht werden,
alle Deutschen aus ihren Arbeitsstellen zu entfernen, und in denen gleichzeitig zum Boykott
der deutschen Firmen aufgefordert wird.
Von dem von Polen durchgefuhrten Boykott werden besonders die kleinen deutschen
Geschaftsleute und Ladenbesitzer betroffen. Dem Konsulat sind Falle bekanntgeworden, in
denen der monatliche Umsatz kleiner Kaufleute auf 7 5 bis V 10 des Normalstandes
zuriickgegangen ist. Diesen Deutschen bleibt nichts anderes iibrig, als ihre beschleunigte
Abwanderung zu betreiben, da die Weiterfuhrung des Geschafts taglichen Kapitalverlust
bedeutet.
So setzt der polnische Chauvinismus den Kampf gegen das Deutschtum mit alien Mitteln und
auf alien Gebieten fort. Wird dieser Kampagne nicht in absehbarer Zeit Einhalt geboten, so
wird eine vollige Zerschlagung des Deutschtums im Lodzer Bezirke die unabwendbare Folge
sein.
von Berchem
Aninerfeumgtfi:
1 Q7
Die Deutsche Botschaft in London hat diese Berichte entsprechend verwertet. ...zuriick...
198 Vgl. Nr. 103 . ...zuriick...
199 Artikel 109 der polnischen Verfassung lautete:
Jeder Burger hat das Recht, seine Nationalist zu bewahren und seine Sprache und
nationalen Eigentumlichkeiten zu pflegen.
Besondere staatliche Gesetze sichern den Minderheiten im polnischen Staat die voile freie
Entwicklung ihrer nationalen Eigentumlichkeiten mit Hilfe von autonomen
Minderheitsverbanden offentlich-rechtlichen Charakters im Umfang der Verbande der
allgemeinen Selbstverwaltung.
Der Staat wird hinsichtlich ihrer Tatigkeit das Recht der Kontrolle und der Erganzung
ihrer finanziellen Mittel im Fall der Bediirftigkeit haben. ...zuriick...
200 Vgl. Nr. 365 . ...zuriick...
201 Vgl. Nr. 365 und 372. ...zuriick...
202 Vgl. Nr. 377 . ...zuriick...
203 Vgl. Nr. 370 . ...zuriick...
204 In Konstantynow fanden in der Zeit vom 17. bis 21. Mai 1939 ahnlich wie in Tomaschow
schwere deutschfeindliche Ausschreitungen statt, bei denen Deutsche miBhandelt und
Sachschaden angerichtet wurden. .. .zuriick...
Viertes Kapitel (Forts.)
Polen als Werkzeug des Englischen Kriegswillens
A. Die Auswirkung
der Britischen Einkreisungspolitik
auf die Haltung Polens
Anm. d. Scriptorium:
Eine noch mehr ins
Einzelne gehende
Dokumentation der
Lage der
Volksdeutschen in
Polen als die in dies en
Kapiteln gegebene
finden Sie in dem Buch
Die deutsche
I. Vernichtungsfeldzug gegen die Deutsche Volksgruppe VolkssrUDDe in Polen
(Forts.)
1934-39.
Nr. 382
Der Deutsche Botschafter in Warschau an das Auswartige Amt
Bericht
Warschau, den 15. Juni 1939
Ich habe weisungsgemaB gestern Vizeminister Graf Szembek aufgesucht und in scharfster
Form Protest gegen die verschiedenen Verunglimpfungen des Fuhrers und Reichskanzlers
eingelegt und Bestrafung der Schuldigen gefordert. Ich habe hierbei nicht nur die Anlagen des
dortigen Erlasses ver- P59i wertet, sondern habe ferner auch hingewiesen auf die Vorfalle, die
in Theatern und Kabaretts vorgekommen sind, auf die bereits wiederholt beanstandete
Verbrennung von Strohpuppen, die den Fiihrer darstellen, sowie auf die sonstige Propaganda,
die neuerdings nicht einmal vor den Schulen haltmacht. Ich habe weisungsgemaB zum
Ausdruck gebracht, daB alle diese Vorgange nur zu erklaren seien aus der Untatigkeit der
polnischen Behorden - trotz wiederholter Interventionen der Botschaft und der Konsulate -
und aus der unverstandlichen Nachsicht, die polnischerseits in dieser Frage bisher beobachtet
worden sei.
Graf Szembek erwiderte zunachst in bezug auf die als besonders grobe und gemeine
Verunglimpfung des Fuhrers anzusehenden Flugzettel, daB die Polnische Regierung bereits
eingeschritten sei und die Konfiskation dieser Flugzettel angeordnet habe. Ich entgegnete, daB
die Beschlagnahme in diesem Falle nicht ausreichen konne, weil, wenn einem StraBenhandler
Flugzettel abgenommen wiirden, sie unbemerkt in einer anderen StraBe weiter verkauft
werden konnten, wie das denn auch schon deutlich aus der Tatsache zu ersehen sei, daB diese
Flugzettel nicht nur in Kattowitz und anderen Stadten Oberschlesiens, sondern auch in Lodz
und in Warschau feilgehalten worden seien. Nur eine energische Verfolgung und Bestrafung
konne hier zum Ziele fiihren, und ich mlisse an dieser Forderung festhalten, um so mehr als
der Polnischen Regierung ausreichende gesetzliche Handhaben zur Verfugung standen, um
eine Bestrafung herbeizufuhren.
Graf Szembek versuchte dann auszuweichen, indem er auf die Haltung der deutschen Presse
hinwies. Aus einem offenbar bereitgelegten StoB verschiedener Presseausschnitte las er mir
einen Absatz des Artikels der Deutschen Diplomatisch-Politischen Korrespondenz vom 12.
Juni vor, aus dem er besonders beanstandete, daB Dirschau und Graudenz als deutsche Stadte
bezeichnet worden seien. Er verstieg sich zu der Behauptung, daB in der polnischen Presse
derartige annexionistische Gedanken nicht zu finden seien. Ich konnte ihm erwidern, daB
nicht nur fast taglich die polnische Presse, sondern daB auch letzthin eine ihm anscheinend
unbekannt gebliebene Ministerrede (Koscialkowski) ganz unverbliimt Revisionswunsche zum
Ausdruck gebracht hatte. Im ubrigen lehnte ich jeden Vergleich der deutschen Presse mit den
ziigellosen Produkten der polnischen Zeitungen ab und machte auBerdem geltend, daB es sich
in der von mir vorgebrachten Beschwerde nicht um allgemeine Presseangelegenheiten
handele, sondern um Verunglimpfungen und Beleidigungen des deutschen Staatsoberhauptes,
denen aus der deutschen Presse uberhaupt nichts irgendwie Vergleichbares entgegengestellt
werden konnte.
Graf Szembek versuchte auch im weiteren Verlauf der Unterredung noch mehrfach die von
mir vorgebrachte Beschwerde als Presseangelegenheit zu behandeln. Ich habe demgegenuber
erneut darauf hingewiesen, daB meine heutige Intervention nichts mit allgemeinen
Pressebeschwerden zu tun habe, und habe nachdriicklich Untersuchung und Bestrafung der
Schuldigen gefordert, indem ich geltend machte, daB in alien von mir vorgebrachten Fallen, u.
a. auch bei verschiedenen Karikaturen die Tatbestandsmerkmale der Beleidigung vorhanden
seien. Als ich dann schlieBlich Graf Szembek gegeniiber mein Erstaunen zum Ausdruck
brachte, bei ihm so wenig Verstandnis fur diese vollig klarliegenden Fragen zu finden, lenkte
er ein und erklarte, die ganze Angelegenheit einer erneuten Priifung unterziehen zu wollen.
von Moltke
T3601
Nr. 383
Der Deutsche Generalkonsul in Posen an das Auswartige Amt
Bericht
Posen, den 16. Juni 1939
Durch Verfugung des Woiwoden vom 15. d. M. ist der Verein "Evangelisches Vereinshaus
Herberge zur Heimat" in Posen liquidiert und am gleichen Tage das Eigentum des Vereins,
das Evangelische Vereinshaus und das sonstige Vermogen, einem polnischen Liquidator
ubergeben worden.
Das Aleja Marszalka Pilsudskiego 19 gelegene groBe Gebaude gegeniiber der deutschen
Landesgenossenschaft, der Universitat und dem SchloB stellt schon durch seine sehr gunstige
Lage und den guten Zustand des Hauses einen groBen Wert dar, der mit dem
beschlagnahmten Inventar mehrere hunderttausend Zloty betragt. Von besonderer Bedeutung
ist es aber vor allem als das letzte Haus, das dem Deutschtum in Stadt und Woiwodschaft
Posen fiir seine kulturellen Zwecke zur Verfugung stand. In dem Vereinshaus befindet sich
das Evangelische Hospiz mit etwa 30 Zimmern und 50 Betten, das bisher einzige deutsche
Hotel in Posen. Der Saalbau des Hauses mit dem etwa 400 Personen fassenden groBen Saal
und anderen Raumlichkeiten diente den Posener deutschen Organisationen fiir ihre
Veranstaltungen; er war der einzige groBe Saal, nachdem Anfang d. J. das Deutsche Haus
beschlagnahmt worden war. So hatte die Deutsche Biihne nach der SchlieBung des Deutschen
Hauses hier ihre Tatigkeit fortgesetzt. In dem Saale des Vereinshauses fanden groBere
Versammlungen und festliche Veranstaltungen der Volksgruppe, die Sitzungen der
Landessynode und die nationalen Feiern der Reichsdeutschen statt. Die Raumlichkeiten
wurden ferner benutzt von dem Mannergesangverein, dem Bachverein, dem Evangelischen
Verein junger Manner, dem Kirchlichen Jungmadchen-Verein, der Jungschar. In demselben
Gebaude war die "Herberge zur Heimat" untergebracht; Wohnraume dienten dem
Lehrlingsverein, dem Verein der Freundinnen junger Madchen fiir die Unterbringung
durchreisender junger Madchen sowie der Fursorge fiir weibliche Angestellte. Der Liquidator
hat samtlichen in dem Hause beschaftigten Angestellten, insbesondere des Hospizes, zum
Ende d. M. gekundigt, so daB eine erhebliche Anzahl volksdeutscher Familien und
Einzelpersonen brotlos wird. An der StraBenseite befinden sich in dem Gebaude die
evangelische Vereinsbuchhandlung, eine Filiale der Volksdeutschen Bank fiir Handel und
Gewerbe und eine Reihe von Laden, denen aufgegeben ist, innerhalb drei Tagen das Haus zu
raumen.
Die polnischen Behorden haben mit der Beschlagnahme des Vereinshauses bewuBt dem
Deutschtum einen empfindlichen Schlag versetzen wollen. Da gleichzeitig das Kasino-Haus
in Bromberg, das Haus des Mannergesangvereins in Lodz und das Deutsche Haus in
Tarnowitz geschlossen worden sind, handelt es sich zweifellos um eine groBe Aktion gegen
die Volksdeutschen.
Walther
1361]
Nr. 384
Der Deutsche Generalkonsul in Posen an das Auswartige Amt
Bericht
Posen, den 19. Juni 1939
Uber die groBe Zahl der MiBhandlungen von Reichs- und Volksdeutschen lege ich eine neue
Liste von 52 Fallen vor.
In letzter Zeit haufen sich die Meldungen, nach denen Volksdeutsche sowohl auf dem Lande
wie auch in Posen mit Anrufen "Wenn es jetzt zum Kriege kommt, werden wir Euch alle
aufhangen" bedroht werden.
Walther
Nr. 385
Der Deutsche Botschafter in Warschau an das Auswartige Amt
Bericht
Warschau, den 19. Juni 1939
Die Lage der deutschen Volksgruppe hat sich im Verlauf der letzten Wochen ganz wesentlich
verschlechtert und die Verhetzung hat AusmaBe angenommen, wie ich sie wahrend meiner
langjahrigen hiesigen Tatigkeit noch nicht habe beobachten konnen.
Am Dienstag, dem 13., war Senator Hasbach bei dem Ministerprasidenten, um noch einmal
auf diesem Wege den Versuch zu machen, eine Besserung der Zustande herbeizufuhren.
Unmittelbar darauf erfolgte der bisher schwerste Schlag gegen das Deutschtum mit der
Enteignung des Deutschen Hauses in Bromberg, der SchlieBung und Beschlagnahme des
Deutschen Hauses in Lodz, des evangelischen Vereinshauses in Posen und des Deutschen
Hauses in Tarnowitz. Uber die umfangreichen SchlieBungen von Organisationen in
Wolhynien sind noch Erhebungen im Gange.
Ich werde selbstverstandlich auch diese auBerordentlich schwerwiegenden behordlichen
MaBnahmen im AuBenministerium zur Sprache bringen, zweifle allerdings nach den
Erfahrungen der letzten Zeit, ob dort Geneigtheit zu einer Anderung in der Einstellung
gegenuber der deutschen Volksgruppe zu finden sein wird. Schon bei meiner letzten
Unterredung mit Graf Szembek, liber die ich am 15. Juni berichtet habe,— habe ich die
bedrohliche Zuspitzung der Gesamtsituation und die ungeheuer schwere Lage der Minderheit
mit allem Nachdruck zur Sprache gebracht und meinem Befremden darliber Ausdruck
gegeben, daB bei der an sich schon vorhandenen und immer wieder zu Zwischenfallen
fuhrenden deutschfeindlichen Stimmung der Bevolkerung nunmehr auch noch die Behorden
sich mit rigorosen VerwaltungsmaBnahmen an der Bedruckung der Minderheit beteiligen.
Graf Szembek verwies auf die Beschlagnahme des Polnischen Hauses in Ratibor, worauf ich
ihm erwiderte, er wisse doch genau, daB es sich hierbei nur um eine Repressalie gegeniiber
den Beschlagnahmen der deutschen Heime mn in Karwin und Oderberg handle und daB wir
sofort bereit sein wiirden, die Beschlagnahme in Ratibor riickgangig zu machen, wenn
polnischerseits die SchlieBung von Karwin und Oderberg wieder aufgehoben wiirde. Wir
befanden uns auf einer abschlissigen Bahn und man konne hinsichtlich der weiteren
Entwicklung nur ernste Sorgen haben. Auf meine Frage, ob er es nicht flir angezeigt halten
wiirde, der gefahrlichen Politik der inneren Behorden Einhalt zu gebieten, antwortete Graf
Szembek nur mit einem resignierten Achselzucken. Er verwies zwar mit dem Ausdruck des
Bedauerns auf die rapide Verschlechterung der Lage, zeigte aber keinerlei Initiative, um,
meiner Anregung entsprechend, einen Abbau der KampfmaBnahmen herbeizufuhren.
Es ist ein bedauerliches Zeichen, wenn selbst Graf Szembek, bei dem wir immer auf
verstandnisvolle Bereitschaft zur Beseitigung der auftretenden Schwierigkeiten rechnen
konnten, jetzt offenbar keine Moglichkeit mehr sieht, der gefahrlichen Entwicklung
entgegenzuwirken. Ob es sich hierbei darum handelt, daB das Auswartige Ministerium nicht
eingreifen will, oder ob es sich gegeniiber den nationalistischen Stromungen der Militars nicht
durchsetzen kann, ist schwer zu entscheiden. Ich habe in friiheren Berichten wiederholt darauf
hingewiesen, wie schwierig die Situation des AuBenministers Beck sich in den letzten
Monaten gestaltet hat und wie die militarischen Kreise immer starkeren EinfluB auf die
polnische AuBenpolitik gewonnen haben. Ich habe nicht den Eindruck, daB sich an dieser
Lage etwas geandert hat.
von Moltke
Nr. 386
Der Deutsche Generalkonsul in Kattowitz an das Auswartige Amt
Bericht
Kattowitz, den 22. Juni 1939
Anbei beehre ich mich, Abdruck einer weiteren Sammlung von Fallen von Ausschreitungen
gegen Angehorige der deutschen Volksgruppe fur das ganze polnische Staatsgebiet
vorzulegen, die von der Jungdeutschen Partei zusammengestellt und von Herrn Wiesner am
19. d. M. an den Polnischen Ministerprasidenten abgesandt worden ist.—
Noldeke
Nr. 387
Der Deutsche Generalkonsul in Thorn an das Auswartige Amt
Bericht
Thorn, den 23. Juni 1939
Auf Anordnung des Woiwoden von Pommerellen vom 20. Juni d. J. ist unter Hinweis auf
Artikel 26, Punkt 4 des Vereinsgesetzes der "sogenannte" Johanniter-Orden als "rechtlich
nicht bestehend" erklart worden.
In Pommerellen besaB der Johanniter-Orden das im Jahre 1 894 erbaute Johanniter-
Krankenhaus in Dirschau sowie ein weiteres Krankenhaus in r363i Briesen. Beide
Krankenhauser sind am 21. d. M. von den Liquidatoren iibernommen worden. Die deutschen
Johanniter-Schwestern des Dirschauer Krankenhauses muBten noch am gleichen Tage die
Anstalt verlassen und wurden durch polnisch-katholische Vinzenz-Schwestern ersetzt.
Die polnische Presse des hiesigen Amtsbezirks hat auch diesen erneuten Diebstahl deutschen
Eigentums mit Genugtuung begruBt, ohne sich um eine eingehende Begriindung desselben
auch nur zu bemuhen.
von Kuchler
Nr. 388
Der Deutsche Konsul in Lodz an das Auswartige Amt
Bericht
Lodz, den 24. Juni 1939
Uber die Vorfalle in Pabianice vom 22. und 23. d. M. habe ich folgende authentische
Darstellung erhalten:
Am spateren Nachmittag des 22. sammelte sich vor der deutschen Turnhalle eine
Menschenmenge, in der besonders zahlreiche Anhanger der Regierungspartei O. Z. N. zu
sehen waren. Die Menge verlangte EinlaB in die Halle, in der einige Volksdeutsche gerade
beim Turnen waren. Als der EinlaB verwehrt wurde, wurden Eingangstiir und verschiedene
Fensterscheiben zerschlagen, so daB die Menge eindringen konnte. In der Halle selbst wurden
einige Gegenstande demoliert; einige kleinere Gebrauchsgegenstande, wie Geschirr usw.,
gestohlen. Von der Blihne wurden polnische chauvinistische Reden gehalten. Der in der
Turnhalle anwesende Volksdeutsche Keil, Sohn des gleichnamigen Buchhandlers in
Pabianice, wurde bedroht und muBte liber einige Zaune fluchten. Dabei wurde er von der
Menge erreicht und verpriigelt.
Nach Demolierung der Schule begab sich die Menge zum Bethaus der Briidergemeinde. Der
Betsaal ist besonders stark demoliert worden. Samtliche deutschen Gesangbucher und
sonstige Schriften, darunter auch deutsche Bibeln, wurden von der Menge zerrissen.
In Vertretung
von Trutzschler
Nr. 389
Der Deutsche Generalkonsul in Kattowitz an das Auswartige Amt
Bericht
Kattowitz, den 26. Juni 1939
Die polnischen Behorden gehen in der letzten Zeit offenbar systematisch dazu liber, aus den
hiesigen Werken auch die letzten noch verbliebenen deutschen Arbeiter und Angestellten zu
entfernen. In den groBeren Industrieunternehmungen wurden sogenannte National-Komitees
gegriindet, die sich aus Mitgliedern des polnischen Westverbandes und anderer
deutschfeindlicher Verbande zusammensetzen. Sie haben die Aufgabe, die Belegschaftslisten
der einzelnen Werke eingehend nach noch beschaftigten Deutschen durchzusehen J3641 und
diese an die Werksleitungen zwecks sofortiger Entlassung bekanntzugeben. Die National-
Komitees, die Hand in Hand mit den polnischen Arbeitsbehorden arbeiten, sollen zur
Entlassung vorschlagen alle Belegschaftsangehorigen, die
1. deutschen Organisationen angehoren,
2. ihre Kinder in die deutsche Schule schicken bzw. geschickt haben,
3. deutsche Gottesdienste besuchen oder Mitglieder deutscher Volksbuchereien sind,
4. zwar polnischen Berufsorganisationen beigetreten sind, jedoch nach ihrem
sonstigen Verhalten und ihrer Vergangenheit zum deutschen Volkstum zu rechnen
sind.
Der Umfang dieser neuen fiir die Beurteilung der Lage durch die hiesigen Behorden sehr
bezeichnenden Kundigungswelle ist im einzelnen noch nicht zu ubersehen. Jedenfalls werden
wieder Hunderte von deutschen Existenzen davon betroffen werden.
Noldeke
Nr. 390
Das Auswartige Amt an den Deutschen Botschafter in Warschau
Telegramm
Berlin, den 26. Juni 1939
In Beantwortung polnischen Vorgehens gegen evangelisches Vereinshaus in Posen, Kasino-
Gesellschaft in Bromberg und Mannergesangverein in Lodz ist beabsichtigt, Dom Polski in
Buschdorf, Kreis Flatow, zu schlieBen. Durch SchlieBung dieses Hauses, in dem zahlreiche
Kurse, Schulungen usw. stattfinden, wiirde polnische Volkstumsarbeit empfindlich getroffen
werden. Nach Ansicht Innenministeriums sind uberdies Ausschreitungen emporter deutscher
Grenzbevolkerung zu erwarten, falls nicht SchlieBung alsbald erfolgt.
Erbitte umgehende drahtliche Stellungnahme zur Frage Repressalien im allgemeinen und
beabsichtigter MaBnahmen gegen Dom Polski in Buschdorf im besonderen.
Woermann
Nr. 391
Der Deutsche Botschafter in Warschau an das Auswartige Amt
Telegramm
Warschau, den 27. Juni 1939
Es ist keinesfalls zu erwarten, daB sich die Polen durch deutsche GegenmaBnahmen von
weiteren eventuell fur notwendig erachteten Aktionen zuriickhalten lassen. Sie werden im
Gegenteil - wie der Fall Ratibor gezeigt hat— - unsere Repressalien als willkommenen AnlaB
und als Rechtfertigung gegeniiber dem Ausland benutzen, um noch weitere MaBnahmen
gegen die deutsche Minderheit zu ergreifen.
Einen praktischen Nutzen haben bei der gegenwartigen Situation Repressalien deshalb
uberhaupt nicht mehr; sie beeintrachtigen nur das jetzt klare Bild des einseitigen
Vernichtungskampfes der Polen gegen die deutsche Volksgruppe.
13651 Was speziell Fall Buschdorf anbetrifft, so ist zu befurchten, daB SchlieBung dortigen Dom
Polski gleiche ungiinstige Wirkung wie Aktion gegen Polnisches Heim in Ratibor haben
wiirde. Bei allem Verstandnis flir Erregung Grenzbevolkerung mochte ich daher glauben, daB
Interessen der schwer ringenden deutschen Volksgruppe in Polen doch vorgehen sollten.
Moltke
Nr. 392
Die Deutsche Botschaft in Warschau
an das Polnische Ministerium fur Auswartige Angelegenheiten
Verbalnote
Warschau, den 27. Juni 1939
Die Deutsche Botschaft beehrt sich, im Auftrage ihrer Regierung die Aufmerksamkeit des
Ministeriums flir Auswartige Angelegenheiten auf folgenden Vorfall zu lenken:
Nach einem Bericht der Gazeta Pomorska Nr. 116 vom 20./21. Mai d. J. hat der
Generalstabsoberst Switalski anlaBlich der BegruBung der zur Kirchenvisitation nach
Graudenz gekommenen Bischofe Dr. Okoniewski und Dominik im Namen der polnischen
Armee eine BegruBungsansprache gehalten und in dieser u. a. von dem Deutschen Reich als
dem "uns ewig bekampfenden Nachbarn" und "Feind" gesprochen. Er hat ferner im Hinblick
auf die im Reich am 17. Mai durchgefuhrte Volkszahlung festgestellt, daB "die Verfolgung
unserer Bruder durch den starksten StoB gekront werden soil", und seine Rede wie folgt
geschlossen: "Beten Sie mit uns gerade heute am Tage der Volkszahlung darum, daB unsere
Bruder aushalten mogen, daB ihre Probezeit verkiirzt wird, und um eine groBe Tat, um ein
zweites Grunwald,— das sie aus der Unfreiheit erlost und uns einen entsprechenden Frieden
sichert."
Die Deutsche Botschaft beehrt sich, im Auftrage ihrer Regierung wegen dieser
deutschfeindlichen Rede, die ein Vertreter der polnischen Armee bei einem offiziellen AnlaB
gehalten hat und in der unter anderem offen Anspruch auf deutsches Gebiet erhoben wird,
Verwahrung einzulegen.
Nr. 393
Der Deutsche Generalkonsul in Thorn an das Auswartige Amt
Bericht
Thorn, den 3. Juli 1939
Am Freitag, dem 30. v. M., fand in Gdingen die Jahreshauptversammlung der polnischen
Pommereller Landwirtschaftsgesellschaft in Gegenwart des Landwirtschaftsministers
Poniatowski, des Pommereller Woiwoden, Ministers Raczkiewicz und zahlreicher anderer
fuhrender Personlichkeiten statt. Minister Poniatowski, der auf dieser Kundgebung das Wort
ergriff, erklarte, daB in nachster Zeit die Parzellierungsaktion in Pommerellen verstarkt
durchgefuhrt r366i werden wiirde. Im AnschluB an die Rede Poniatowskis wurde eine
EntschlieBung gefaBt, in der u.a. schnellste Parzellierung der deutschen Giiter in
Pommerellen, Ausweisung der deutschen Optanten aus Polen und ErlaB eines Gesetzes liber
die Entziehung der polnischen Staatsburgerschaft und die Konfiszierung des Vermogens von
polnischen Staatsangehorigen, die ins Reich gefliichtet sind, gefordert wurden.
von Kuchler
Nr. 394
Der Deutsche Botschafter in Warschau an das Auswartige Amt
Bericht
Warschau, den 5. Juli 1939
Wie ich bereits wiederholt berichtet habe, hat die Bedriickung der deutschen Volksgruppe auf
kirchlichem Gebiet eine weitere Verscharfung erfahren. Da das deutsche Element in seiner
uberwiegenden Mehrheit dem evangelischen Glauben angehort, hat es sich die polnische
Politik zum Ziel gesetzt, die Organisation der deutsch-evangelischen Kirche nach Moglichkeit
lahm zu legen. Bezeichnend sind in diesem Zusammenhang die Vorgange, die dazu gefuhrt
haben, daB der hochverdiente und wegen seines unerschutterlichen Glaubens allgemein
geachtete Pfarrer Kleindienst aus Wolhynien seines Amtes enthoben und schlieBlich aus
seiner Heimat, in der seine Familie mehr als zwei Jahrhunderte lebte, ausgewiesen wurde. Die
von der Botschaft unternommenen Versuche, eine Zurlickziehung dieser MaBnahme
herbeizufiihren, die naturgemaB bei den Deutschen in Wolhynien und dariiber hinaus auch bei
der deutschen Volksgruppe in Westpolen sehr viel boses Blut gemacht hat, sind leider
ergebnislos geblieben.
Wie sehr sich auch sonst in letzter Zeit die Gewalttatigkeiten gegen die evangelische Kirche
und ihre Trager gehauft haben, ergeben die in der beiliegenden Aufzeichnung aufgefuhrten 17
Falle, deren Tatbestand durch Zeugenaussagen erhartet worden ist.
von Moltke
Aufzeichnung
1. Am 2. Marz wurde das groBe Fenster der Christuskirche in Posen, ferner die Fenster im
Arbeitszimmer des dortigen Superintendenten zertrummert.
2. Am 12. Marz wurde Pfarrer Diestelkamp in Wisseck von 15 bis 20 jungen Burschen
uberfallen, vom Motorrad gestoBen und schwer miBhandelt. Die anwesende Polizei blieb
untatig.
3. Im Marz wurden im Pfarrhaus in Schokken 22 Fensterscheiben zertrummert.
4. Am 29. Marz demonstrierte eine Menschenmenge vor dem Pfarrhaus in Kruschwitz und
zertriimmerte 21 Fensterscheiben.
5. Am 31. Marz wurde Superintendent ABmann aus Bromberg und Kirchenaltester Quade aus
Labischin mit Steinen beworfen.
6. Am 15. April wurde Vikar Ortlieb in Neubarkoschin auf der StraBe schwer miBhandelt und
mit Stiefelabsatzen ins Gesicht geschlagen.
12671 7. In der Nacht vom 18. zum 19. April wurden im Pfarrhaus und Betsaal in Lonkors 63
Fensterscheiben zertrummert.
8. Am 19. April wurde Pfarrer Schenk in Hallkirch durch Steinwurfe verletzt.
9. Am 28. April wurden auf dem Friedhof in Neulaube bei Lissa Grabmaler zerstort.
10. Am gleichen Tage wurde das Pfarrhaus in Zirke uberfallen.
11. Am 2. Mai wurde der Kindergottesdiensthelfer Lenz zwischen Schubin und Kl. Salzdorf
vom Rade gestoBen und schwer miBhandelt. Rad und Biichertasche wurden gestohlen.
12. In der Nacht vom 3. zum 4. Mai wurde die Kirche in Briesen von unbekannten Tatern
besudelt.
13. Am 7. Mai wurde der Gottesdienst in Rakot durch eine Menschenmenge verhindert, die in
die Kirche eindrang; dieselbe Kirche wurde am Himmelfahrtstage von polnischen Tatern
vernagelt.
14. Am 24. Mai wurde das Altarfenster der Kirche in Rheinsberg zertriimmert.
15. Am 24. Mai wurde Pfarrer Schenk in Hallkirch auf einer Fahrt liber Land erneut mit
Steinen beworfen.
16. Am 2. Juni wurden im Pfarrhaus in Staykowo 16 Fensterscheiben zertriimmert.
17. Am 5. und 6. Juni wurde das Pfarrhaus in Hohensalza iiberfallen. Superintendent
Diestelkamp wurde durch Steinwiirfe am Kopf verletzt.
Nr. 395
Der Deutsche Generalkonsul in Posen an das Auswartige Amt
Bericht
Posen, den 10. Juli 1939
Der VorstoB der polnischen Behorden gegen das deutsche Genossenschaftswesen hat sich
weiterhin verscharft. Die MaBnahmen richten sich vor alien Dingen gegen die deutschen
Molkereigenossenschaften. So wurden im Laufe der letzten Zeit drei groBe
Molkereigenossenschaften durch polizeiliche Verfiigung geschlossen, darunter am 6. d. M.
auch die groBe, neuzeitlich eingerichtete Posener Molkerei. Die SchlieBung wurde damit
begriindet, daB die Untersuchung hygienische Mangel der Molkereieinrichtung ergeben hatte.
Diese Begriindung wirkt um so erstaunlicher, als allgemein bekannt ist, daB es sich bei der
Posener Molkerei um einen sehr gut instand gehaltenen und sachgemaB eingerichteten Betrieb
handelt.
Gleichfalls wurde die Molkerei in Wollstein geschlossen, nachdem der Versuch der Polen,
durch Aufnahme polnischer Genossen die Mehrheit zu erzwingen, erfolglos geblieben war.
Diese MaBnahmen liegen im Zuge der polnischen Bestrebungen, durch schikanose und
vielfach durch falsche Auslegung der Gesetze die volksdeutschen Unternehmungen und
Organisationen zu vernichten. Auf diese Weise sind in den letzten Jahren etwa 60
Molkereigenossenschaften dem Deutschtum verlorengegangen.
Walther
T3681
Nr. 396
Der Deutsche Generalkonsul in Thorn an das Auswartige Amt
Bericht
Thorn, den 10. Juli 1939
Der seitens der polnischen Behorden gegen die hiesige deutsche Volksgruppe gefiihrte
Vernichtungskampf hat ein bisher nicht gekanntes AusmaB erreicht. Er richtet sich in gleicher
Weise gegen die wirtschaftliche Existenz einzelner wie gegen das Bestehen der
Volkstumsorganisationen. Bezeichnend ist, daB die polnischen Behorden jetzt nicht einmal
mehr den Versuch unternehmen, ihrem Vorgehen gegen die Volksdeutschen irgendeine
Rechtsunterlage zu geben. Eine Aufstellung iiber weitere 65 Falle fiige ich bei.
Die iibersandten Listen konnen allerdings keinerlei Anspruch auf Vollstandigkeit machen,
weil dem Generalkonsulat meist nur ein Bruchteil der tatsachlich erfolgten Ubergriffe zur
Kenntnis gelangt. Denn die meisten der durch Uberfalle und sonstige MaBnahmen
geschadigten Deutschen haben Furcht davor, die Deutschtumsorganisationen oder das
Generalkonsulat zu verstandigen.
In Vertretung
Graf
Nr. 397
Der Deutsche Botschafter in Warschau an das Auswartige Amt
Bericht
Warschau, den 11. Juli 1939
Wegen der Ermordung des Reichsangehorigen Alois Sornik habe ich weisungsgemaB sehr
ernste Vorstellungen bei dem Stellvertreter des AuBenministers, Graf Szembek, erhoben. Graf
Szembek, der sich iiber die Einzelheiten des Falles genau orientiert zeigte, wies darauf hin,
daB es sich hier nicht um eine politische Angelegenheit handele, sondern daB nach den
Nachrichten, die das AuBenministerium bisher erhalten hatte, der Mord aus Eifersucht
begangen worden sei. Ich brachte demgegenuber zum Ausdruck, daB, selbst wenn personliche
Griinde bei der Tat mitgespielt hatten, die Schwere des Verbrechens doch zweifellos in erster
Linie auf die maBlose und systematische deutschfeindliche Hetze, die von der Polnischen
Regierung geduldet werde, zuriickzufuhren sei. Graf Szembek gab schlieBlich zu, daB die
augenblicklich in Polen herrschende deutschfeindliche Stimmung sicher nicht ohne EinfluB
auf den Tater geblieben sei.
Ich verwies in diesem Zusammenhang auch auf die in letzter Zeit nahezu unertraglich
gewordene Verfolgung des Deutschtums im oberschlesischen Verwaltungsbereich des
Woiwoden Grazynski, den man wohl mit Recht als den Totengraber der deutsch-polnischen
Verstandigung bezeichnen konne. Ich bemerkte des weiteren, ich hatte nachgerade den
Eindruck gewonnen, daB es zwecklos sei, Minderheitenfragen uberhaupt noch zur Sprache zu
bringen, nachdem die von mir in meiner letzten Unterredung mit ihm— zum Ausdruck
gebrachte Verstandigungsbereitschaft polnischerseits durch die am nachsten Tage
durchgefiihrte SchlieBung der deutschen Hauser in Posen, m Lodz, Bromberg und Tarnowitz
in leider nicht miBzuverstehender Weise beantwortet worden sei.
12691 Wie bei meiner Unterredung vom 14. Juni— nahm Graf Szembek meine Bemerkung
resigniert und stillschweigend zur Kenntnis. Auch diese Unterhaltung bestatigt von neuem,
daB in der gegenwartigen Lage keinerlei Aussichten mehr vorhanden sind, die
Minderheitenfragen zum Gegenstand von Erorterungen mit der Polnischen Regierung zu
machen. Es ist immer schwierig gewesen, Minderheitenfragen im AuBenministerium zur
Sprache zu bringen. Wie die taglich zunehmende Zahl der Gewaltakte gegen die
Volksdeutschen zeigt, fiihlt sich aber offensichtlich die Polnische Regierung jetzt durch die
englische Blankovollmacht so stark, daB sie es nicht mehr flir notig halt, bei der Behandlung
der Minderheit irgendeine Riicksicht auf die deutschen Interessen zu nehmen, obwohl sie sich
doch wohl dariiber klar sein muB, daB die deutsch-polnischen Beziehungen hierdurch
nachgerade in fast unertraglicher Weise belastet werden.
von Moltke
1
Nr. 398
Der Deutsche Generalkonsul in Posen an das Auswartige Amt
Bericht
Posen, den 12. Juli 1939
Mit dem Ende dieses Schuljahres sind folgende deutsche Volksschulen geschlossen worden:
1. Karmin, Kreis Jarotschin, 53 Schuler,
2. Strzalkowo, Kreis Wreschen, 45 Schuler,
3. Zatom Novvy (Neuzattum), Kreis Birnbaum, 22 Schuler,
4. Mechnacz, Kreis Birnbaum, 19 Schuler,
5. Strzyzewo-Smykowe (Striesen), Kreis Gnesen, 32 Schuler,
6. Zdziechowa (Zechau), Kreis Gnesen, 43 Schuler,
7. Grebocin (Gramtschen), Kreis Thorn, 46 Kinder,
8. Czempin, Kreis Kosten, 22 Kinder,
9. Daleszynek, Kreis Birnbaum, 19 Schuler,
10. Gnesen, 209 Schuler,
11. Wollstein, 81 Schuler,
12. Miedzychod (Birnbaum), 102 Schuler,
13. Gniew (Mewe), Kreis Dirschau, 48 Kinder. 212
Walther
Anmetfeum^en:
205 Vgl. Nr. 382 . ...zurlick...
206 Es handelt sich um mehrere hundert Falle von Entlassungen, Sachbeschadigungen,
Bestrafungen, Uberfallen und MiBhandlungen. ...zuruck...
207 Vgl. Nr. 385 . ...zurlick...
708
Grunwald ist die polnische Bezeichnung flir die Schlacht von Tannenberg 1410. ...zuruck.
209 Vgl. Nr. 385 . ...zuruck...
210 Vgl. Nr. 383 . ...zuruck...
211 Vgl. Nr. 385 . ...zuruck...
717
Seit 1924 sind von den damals noch vorhandenen 557 deutschen Schulen 425 Schulen
durch die polnischen Behorden geschlossen worden. Vgl. auch Nr. 12 und Anm. T91 .
...zuruck...
Viertes Kapitel (Forts.)
Polen als Werkzeug des Englischen Kriegswillens
A. Die Auswirkung
der Britischen Einkreisungspolitik
auf die Haltung Polens
I. Vernichtungsfeldzug gegen die Deutsche Volksgruppe
(Forts.)
Nr. 399
Der Deutsche Konsul in Teschen an das Auswartige Amt
Bericht
Anm. d. Scriptorium:
Eine noch mehr ins
Einzelne gehende
Dokumentation der
Lage der
Volksdeutschen in
Polen als die in dies en
Teschen, den 13. Juli 1939 Kapiteln gegebene
finden Sie in dem Buck
Die Woiwodschaft in Kattowitz hat dem Deutschen Theaterverein in jy- A eu t scne
Teschen die weitere Tatigkeit verboten mit der Begriindung, daB
diese Tatigkeit die offentliche Sicherheit und den Schutz der
Grenzen gefahrdet. DaB die Begriindung dieses Beschlusses nur ein
Vorwand ist, bedarf keiner weiteren Darlegung.
Volksgruppe in Polen
1934-39.
D701 Das Vereinsvermogen besteht im wesentlichen aus dem Theatergebaude, einem Magazin,
einem Wohnhaus sowie einem reichhaltigen Bestand von Theaterrequisiten. Mit Rucksicht
darauf, daB das Theater flir 600 Besucher Platz bietet und baulich in einem ausgezeichneten
Zustand ist, diirfte der Wert des Vereinsvermogens auf etwa 500.000 Zloty zu schatzen sein.
Dieser neuerliche Schlag gegen das hiesige Deutschtum ist auBerordentlich schwer und
bedauerlich. Das Theater ist seinerzeit aus Mitteln der deutschen Volksgruppe und von einem
deutschen Architekten erbaut. Es stellt ein wichtiges, wenn nicht das wichtigste
Kulturzentrum des Deutschtums im Olsa-Gebiet dar. Es war vor allem das letzte, in
deutschem Besitz befindliche Theatergebaude in ganz Polen. Die Erbitterung der hiesigen
deutschen Bevolkerung ist naturgemaB sehr groB.
In Vertretung
EhrenhauB
Nr. 400
Der Deutsche Konsul in Lemberg an das Auswartige Amt
Bericht
Lemberg, den 15. Juli 1939
Im Laufe des Monats Juni haben die polnischen Behorden scharfe MaBnahmen gegen die
deutschen Organisationen in Wolhynien durchgefiihrt. Wirtschaftlich wurden die Deutschen
durch die SchlieBung zahlreicher deutscher Genossenschaften getroffen. Besonders brutal ist
das Vorgehen der polnischen Polizei gegen die deutschen Organisationen, die mit den
gleichen Mitteln bekampft werden, wie die politischen und wirtschaftlichen Korperschaften
der Ukrainer. Das Vorgehen der polnischen Polizei spielt sich meistenteils so ab, daB die
Fiihrer der Ortsgruppe so lange miBhandelt werden, bis sie sich schriftlich zu einer Auflosung
der Ortsgruppe verpflichten. Besonders grausamen MiBhandlungen war der Leiter der
Ortsgruppe in Harazdze bei Luck ausgesetzt. Ahnliche Falle sind mir aus folgenden deutschen
Siedlungen in Wolhynien bekanntgeworden: Wicentowka, Stanislawka, Stary Zapust,
Podhajce und Ochocin.
Seelos
Nr. 401
Der Deutsche Generalkonsul in Thorn an das Auswartige Amt
Bericht
Thorn, den 20. Juli 1939
Ich ubersende eine neue Aufstellung liber Ausschreitungen gegen die deutsche Volksgruppe.
Ich mochte besonders darauf hinweisen, daB es sich bei diesen nahezu 200 Fallen nur um
solche Falle handelt, die sich in der Zeit zwischen dem 5. und 20. Juli ereignet haben.
In Vertretung
Graf
3711
Nr. 402
Der Deutsche Generalkonsul in Kattowitz an das Auswartige Amt
Bericht
Kattowitz, den 24. Juli 1939
In Oberschlesien dauern die Ausschreitungen gegen Volksdeutsche an. In der Zeit vom 1. bis
20. Juli haben mehr als 30 Uberfalle auf Volksdeutsche, ferner eine Anzahl von
MiBhandlungen, Einschlagen von Fensterscheiben sowie Verhaftungen stattgefunden. Auch
die Untersuchungen von Wohnungen Volksdeutscher seitens der Polizei haben in letzter Zeit
in bemerkenswerter Weise zugenommen.
In Vertretung
Schuller
Nr. 403
Der Deutsche Generalkonsul in Thorn an das Auswartige Amt
Bericht
Thorn, den 25. Juli 1939
An den Ausschreitungen gegen die Volksdeutschen beteiligte sich insbesondere das Militar.
So wurden am 2. Juli zwei Volksdeutsche nach abgehaltener und ergebnislos verlaufener
Haussuchung von einem Offizier in dem Orte Schanzendorf, Kreis Bromberg, aufgefordert,
mit dem Gesicht zum Zaun an der StraBe niederzuknien. Sie wurden dann von Soldaten
derartig miBhandelt, daB ihnen das Blut aus Nase, Mund und Ohren gelaufen ist. Zufallig
vorbeikommende polnische Kirchganger wurden von dem Offizier aufgefordert, die
Deutschen anzuspucken.
Es liegen mir eine Anzahl von Meldungen vor liber das Anhalten von Volksdeutschen durch
polnische Patrouillen. Wenn hierbei seitens des polnischen Militars festgestellt wird, daB die
Volksdeutschen der polnischen Sprache nicht vollkommen machtig sind, kommt es fast stets
zu Bedrohungen und Tatlichkeiten.
In Vertretung
Graf
Nr. 404
Der Deutsche Konsul in Teschen an das Auswartige Amt
Bericht
Teschen, den 28. Juli 1939
Wenn zunachst angenommen werden konnte, daB wenigstens voriibergehend ein Nachlassen
der Massenkundigungen reichs- und volksdeutscher Arbeiter und Angestellter eintreten
wiirde, so hat sich dies nicht bestatigt. Die Kundigungen werden vielmehr laufend
vorgenommen.
13721 Aus der Gesamtheit der Meldungen ergibt sich schon jetzt, daB im gesamten Amtsbezirk
kaum noch ein leitender reichs- oder volksdeutscher Angestellter in ungekundigter Stellung
ist. Es bestatigt sich ferner erneut die Richtigkeit der Befiirchtung, daB im Herbst iiberhaupt
keine volksdeutschen Arbeiter und Angestellten im hiesigen Gebiet mehr beschaftigt sein
werden.
Bemerkenswert ist, daB die polnischen Behorden wieder einen erheblichen Druck bei den
Industrieunternehmungen auf die Kiindigungen ausiiben.
Als Kiindigungsgrund, wenn iiberhaupt ein solcher abgesehen von der Tatsache der deutschen
Volkszugehorigkeit angegeben wird, dient zur Zeit besonders haufig der Umstand, daB die
Betreffenden ihre Kinder in deutsche Schulen schicken. Typisch fur die Einstellung der
polnischen Behorden ist hier wieder, daB sie den aus obigem Grunde Entlassenen keine
Arbeitslosenunterstutzung zubilligen, weil die Entlassung "durch eigenes Verschulden"
erfolgt sei.
In Vertretung
EhrenhauB
Nr. 405
Der Deutsche Konsul in Teschen an das Auswartige Amt
Telegramm
Teschen, den 3. August 1939
Zufolge behordlicher Verfugung wurde am heutigen Tage die deutsche Schule in
Alexanderfeld bei Bielitz geschlossen. Die Schule wurde von 155 Kindern besucht. Sie
bestand seit 70 Jahren.
Der Handelsschule in Bielitz, die von 220 Kindern besucht wird, ist eine kurz bevorstehende
SchlieBung in Aussicht gestellt worden.
Damerau
Nr. 406
Der Deutsche Generalkonsul in Kattowitz an das Auswartige Amt
Telegramm
Kattowitz, den 8. August 1939
Nach streng vertraulichen Informationen soil hiesigen Deutschen neuer schwerer Schlag in
Form von zahlreichen Verhaftungen bevorstehen. Information stiitzt sich auf verschiedene
sachlich ubereinstimmende Andeutungen aus Kreisen polnischer Polizei. An einer Stelle soil
ein Biindel unterschriebener Haftbefehle gesehen worden sein.
Noldeke
[373]
Nr. 407
Der Deutsche Konsul in Lemberg an das Auswartige Amt
Bericht
Lemberg, den 9. August 1939
Das lebensstarke Deutschtum, das seit 150 Jahren in Galizien angesiedelt ist und etwa 55.000
Menschen zahlt, hat in den letzten Jahrzehnten schon manche Krise iiberwunden. Die jetzige
Krise greift aber tiefer, da sie nicht nur wirtschaftlicher Art ist, sondern die Grundlagen des
volkischen Lebens bedroht. Seit etwa 3 Monaten wird den Deutschen jede Betatigung ihres
Volkstums immer schwerer und sogar unmoglich gemacht.
Mehrere deutsche Schulen sind bereits im Juni 1939 geschlossen worden, wie die privaten
katholischen Gemeindeschulen in Angelowka und Pochersdorf und die evangelischen Schulen
in Kaltwasser und Rosenberg. Weiteren Volksschulen diirfte dieses Schicksal bei Beginn des
nachsten Schuljahres im September bevorstehen.
Die deutschen Angestellten und Arbeiter in staatlichen und privaten polnischen Betrieben sind
seit einigen Monaten systematisch entlassen worden. Auch bei einer Volksdeutschen
Papierfabrik hat der Starost bereits amtlich geriigt, daB zuviel Deutsche beschaftigt werden.
Danach ist selbst in volksdeutschen Betrieben die Arbeitsmoglichkeit beschrankt. Fur die
zweiten und dritten Bauernsohne ist allmahlich jede Aussicht auf eine Berufstatigkeit verbaut.
In den gemischt besiedelten Dorfern stehen die Deutschen unter standigem Druck der
feindseligen Haltung der Polen. Sie mussen bei einer Verschlimmerung der deutsch-
polnischen Spannung mit dem AuBersten, selbst Brandstiftung und Gefahr flir Leib und Leben
rechnen. Fast der ganze Ort Schonthal ist vor einigen Wochen einer Brandstiftung zum Opfer
gefallen. In einem andern Ort hat man versucht, die Ernte anzuziinden.
Die deutsche Jugend in Galizien sieht schon jetzt keine Moglichkeit mehr flir die Zukunft, da
sie riicksichtslos durch Verhaftungen, Schikanen, Schlage u. a. unterdriickt wird.
Infolgedessen hat seit etwa 2 Monaten eine hemmungslose Abwanderung eingesetzt, die in
einigen deutschen Siedlungen, wie z. B. Josefsberg, fast alle jungen Burschen erfaBt hat.
Seelos
Nr. 408
Der Deutsche Generalkonsul in Thorn an das Auswartige Amt
Bericht
Thorn, den 10. August 1939
Wie der rucksichtslose Kampf gegen das Deutschtum gefuhrt wird, geht aus der anliegenden
Rundverfugung des Oberfinanzamtes Graudenz hervor, in dem die polnischen
Finanzbehorden aufgefordert werden, mit alien zur Verfiigung stehenden Mitteln das
Besitztum der deutschen Minderheit zu reduzieren.
In Vertretung
Graf
T3741
Anlage
(Ubersetzung)
Oberfinanzamt Graudenz
Nr. I-155/39/Geheim
Graudenz, am 14. Juli 1939
An
samtliche Herren Vorstande der Finanzamter
des Oberfinanzamts Graudenz
Wegen der standigen Verschlechterung der Beziehungen der deutschen Minderheiten zum
polnischen Staat ist es notwendig geworden, mit alien zur Verfiigung stehenden Mitteln das
Besitztum der deutschen Minderheit in Polen zu reduzieren.
Aus diesem Grunde empfiehlt das Oberfinanzamt den Herren Vorstehern der Finanzamter bei
samtlichen in ihrem Bereiche zu erfassenden Minderheiten in diesem Sinne zu verfahren.
Hierzu sind folgende Moglichkeiten vorhanden:
Bei der Bemessung von Steuern, bei der Angabe des Umsatzes und Einkommens der
Steuerzahler, Nichtanerkennung von SteuerermaBigung sowie Ablehnung von
Zahlungserleichterungen und Ratenerteilung bei riickstandigen Steuern.
Oberfinanzamt
A. Klausal
Chef der Abteilung I
Nr. 409
Der Deutsche Generalkonsul in Posen an das Auswartige Amt
Telegramm
Posen, den 12. August 1939
Deutscher Buchereiverein in Posen mit samtlichen Ortsgruppen und Sekretariaten in der
Woiwodschaft Posen und Pommerellen gestern durch Burgstarost Posen suspendiert, Raume
versiegelt, Bankkonten geschlossen, einstweilige Verwaltung durch polnischen Kurator.
Begrundung: Vorfinden von Zeitschriften ohne Postdebit in Polen. Begrundung nicht
stichhaltig, da nur vor Entziehung des Postdebits erschienene Exemplare gefunden.
Hiesige Berufshilfe polizeilich geschlossen, Haussuchung andauert.
Walther
Nr. 410
Aufzeichnung eines Beam ten der Politischen Abteilung
des Auswartigen Amts
Berlin, den 16. August 1939
Vizekonsul Schuller vom Deutschen Generalkonsulat in Kattowitz teilt soeben von Beuthen
aus folgendes telephonisch mit:
Die Befiirchtungen des Generalkonsulats betreffend bevorstehende Verhaftungen von
Volksdeutschen m hatten sich bestatigt. Am Montag und am Dienstag seien in groBem
Umfange bei Volksdeutschen Haussuchungen vorgenommen worden; im AnschluB hieran
seien sehr viele Volksdeutsche - schatzungsweise mehrere 100 - verhaftet worden, darunter
zahlreiche Leiter von Volkstumsorganisationen, soweit sie nicht geflohen seien.
Schliep
Nr.411
Der Deutsche Generalkonsul in Posen an das Auswartige Amt
Bericht
Posen, den 15. August 1939
Die Theologische Hochschule der unierten evangelischen Kirche in Polen ist durch einen
ErlaB des Ministers fur religiose Bekenntnisse und offentlichen Unterricht vom 1 1. d. M. zum
1. Januar 1940 geschlossen worden.
Als Vorwand fur die SchlieBung wird angegeben, die Hochschule habe die Bedingung nicht
erfullt, daB die Mehrzahl der an der Hochschule tatigen Lehrer die geniigende Befahigung fur
wissenschaftliches Schaffen hatte.
In Vertretung
Matuschka
Nr. 412
Der Deutsche Generalkonsul in Kattowitz an das Auswartige Amt
Telegramm
Kattowitz, den 16. August 1939
Angekundigte Aktion polnischer Behorden— seit 14. August durchgefiihrt. Zahlreiche
Haussuchungen und Verhaftungen vor allem in Kreisen Jungdeutscher Partei, Volksbund und
Gewerkschaften; Zahl der Verhaftungen schatzungsweise gegen 200. SchlieBung deutscher
Zeitungen, Gewerkschaften usw. Fast vollige Sperrung der Grenze. Aktion nach Gefluchteten
noch im Gange. Erhohte Bewachung und Bewaffnung im Grenzstreifen.
Noldeke
Nr. 413
Der Deutsche Konsul in Teschen an das Auswartige Amt
Telegramm
Teschen, den 17. August 1939
VerhaftungsmaBnahmen noch im Gange. Namensliste der Betroffenen folgt. Polizeistreifen
vornehmlich in Oderberg beunruhigen Bevolkerung.
Aus zuverlassiger Quelle verlautet glaubhaft, daB Verhaftungswelle den Zweck verfolgt, sich
in den Besitz von Geiseln zu setzen. Seit 15. August kleiner Grenzverkehr vollig unterbunden.
Betroffen vor allem etwa 8 bis 10.000 Arbeiter.
Damerau
13761
Nr. 414
Der Deutsche Konsul in Teschen an das Auswartige Amt
Bericht
Teschen, den 18. August 1939
Am 15. 8. 1939 wurden in Bielitz behordlich geschlossen:
Der deutsche Turnverein,
" " Gesangverein,
" " Wandervogel,
" " Lehrlingsverein.
Fiinf Schankkonzessionen wurden entzogen. Bei Haussuchungen wurden verschiedene
Radiogerate beschlagnahmt.
von der Damerau
Nr. 415
Aufzeichnung eines Beamten der Politischen Abteilung
des Auswartigen Amts
Berlin, den 20. August 1939
Dem Auswartigen Amt sind in den letzten Monaten dauernd Berichte der deutschen
Konsulate in Polen zugegangen liber grausame MiBhandlungen, denen die Volksdeutschen
durch die in immer zunehmendem MaBe aufgehetzten und in ihrem Fanatismus vollig
hemmungslosen Polen ausgesetzt sind. In der Anlage sind 38 besonders schwerwiegende
Falle zusammengestellt, bei denen die Gleichartigkeit bemerkenswert ist, mit der die
Uberfalle auf die Volksdeutschen inszeniert werden. Im Hinblick hierauf erscheint die Frage
berechtigt, inwieweit diese Ausschreitungen von den Behorden geduldet oder gefordert
werden. Trotz der Versicherungen, die der Botschaft in Warschau immer wieder von
maBgeblicher polnischer Seite erteilt wurden, wonach die Polnische Regierung ihre ganze
Autoritat aufbiete, die Deutschenverfolgungen zu verhindern, kann man sich des Eindrucks
nicht erwehren, daB amtliche Stellen die Ausschreitungen gegen das Deutschtum nach
Moglichkeit fordern, um auch auf diese Weise die Kriegsstimmung im polnischen Volke
aufrechtzuerhalten.
Bergmann
Anlage
1. Am 2. April wurden 8 Mitglieder des deutschen Sportklubs in Kl. Komorsk, Kr. Schwetz,
auf dem Hofe des Volksdeutschen Pankratz von Polen uberfallen, die mit Kniippeln sowie
Dreschflegeln auf die Deutschen einschlugen. Ein Niedergeschlagener wurde in die
Jauchegrube gestoBen. Pankratz wurde so zugerichtet, daB der Arzt ihn fur 6 Wochen fur
arbeitsunfahig erklarte. Am Tage darauf wurde Pankratz von der Polizei verhaftet.
2. Am 17. April 1939 wurde der Volksdeutsche Fritz Pawlik aus Ciszowieco durch eine
Gruppe von Polen unter Fuhrung des Polen Malcharek so schwer geschlagen, daB er von der
Polizei bewuBtlos in die Wohnung seiner Eltern [3771 geschafft werden muBte. Obwohl die
BewuBtlosigkeit noch am folgenden Tage andauerte, lehnten die polnischen Behorden die
Aufnahme in ein Krankenhaus ab.
3. Am 19. April 1939 wurden die Volksdeutschen Peter Kordys und Richard Mateja in
Kattowitz von etwa 40 Aufstandischen uberfallen. Die beiden Deutschen wurden so
geschlagen, daB Kordys blutuberstromt fluchtete, wahrend Mateja schwerverletzt liegenblieb.
Er wurde von der Polizei abtransportiert und, ohne einem Arzt vorgestellt zu werden, in das
Gerichtsgefangnis eingeliefert.
4. Am 23. April 1939 wurde ein Austrager der Kattowitzer Zeitung, der Invalide Cofalka, der
bereits im vorgeriickten Alter und schwerhorig ist, von Aufstandischen in Chorzow uberfallen
und blutig geschlagen. Cofalka hat als Folgen des Uberfalls das Gehor auf einem Ohr ganz
verloren.
5. Am 27. April wurden Hermann und Emil Mathies aus Liebenwalde, Kr. Schwetz, in ihrer
Wohnung uberfallen und so miBhandelt, daB dem einen mehrere Zahne eingeschlagen und der
Unterkiefer zertrummert wurde, wahrend der andere besinnungslos liegenblieb.
6. Am 28. April 1939 wurde der Volksdeutsche Fritz Koppke aus Zbiczno, Kr. Strasburg, von
Mitgliedern des Reservistenverbandes uberfallen und so schwer miBhandelt, daB ihm zwei
Rippen gebrochen wurden. Er muBte wochenlang zu Bett liegen und war arbeitsunfahig.
7. Am 30. April wurden mehrere junge Volksdeutsche in Piaski, Kr. Schwetz, uberfallen. Der
Volksdeutsche Eckert wurde hierbei so zugerichtet, daB er besinnungslos liegenblieb. Dem
Volksdeutschen Oswald Frey aus Schonreich wurden mehrere Zahne ausgeschlagen.
8. Am 3. Mai wurde der Volksdeutsche Franz Hybiorz aus Bijasowice von etwa 20 Polen in
Reservistenuniform uberfallen und mit Gummiknuppeln derartig zusammengeschlagen, daB
er bewuBtlos auf der StraBe liegenblieb.
9. Am 4. Mai wurde der Volksdeutsche Ehrenfried Heiber auf dem Bahnhof in Bismarckhutte
von hinten mit einem stumpfen Gegenstand niedergeschlagen, so daB er besinnungslos
liegenblieb. Er erhielt eine 10 cm lange und 1 cm breite Wunde. Die Polizei weigerte sich,
eine Anzeige liber den Uberfall aufzunehmen.
10. Am 5. Mai wurde der Schuler Rauhut des deutschen Gymnasiums in Bromberg von
mehreren Polen uberfallen, die ihm mit einer Flasche derart auf den Kopf schlugen, daB die
Flasche zerbrach und Rauhut mit schweren Schnittwunden am Kopf zusammenbrach. Als er
sich wieder aufraffte, wurde er von Passanten, die der rohen Tat Beifall gezollt hatten, erneut
niedergeschlagen.
11. Am 9. Mai wurden die Volksdeutschen Richard Fandrey aus Neukirchen, Kr. Schubin,
und der Bauer Damrau von etwa 30 Polen uberfallen und mit Steinen und Stocken so schwer
miBhandelt, daB ihr Gesicht bis zur Unkenntlichkeit zerschlagen war.
12. Am 12. Mai drang der Aufstandische Valentin Jendrzejak in die Wohnung des
Volksdeutschen Robert Robotta in Kattowitz ein, ergriff einen Stuhl und schlug damit auf
Robotta ein; dieser erhielt einen Schlag gegen den linken Arm, der im Handgelenk brach. Den
Wehrlosen bearbeitete der Pole sodann mit FuBtritten gegen den Unterleib und die Hiifte. Die
Tochter des Robotta wollte vom Kolonialwarengeschaft Poloczek aus die Polizei anrufen,
doch lieB es der Geschaftsinhaber nicht zu, da die Polizei nur flir Polen da sei.
12781 13. Am 14. und 15. Mai wurden in Tomaschow, Konstantynow und anderen Orten der
Woiwodschaft Lodz Hunderte von Volksdeutschen uberfallen, ihre Wohnungen gepliindert
und zerstort. Ein Volksdeutscher wurde bei dem Pogrom totgeschlagen, 10 andere so schwer
verletzt, daB an ihrem Aufkommen gezweifelt wurde, zahlreiche andere Volksdeutsche
wurden leichter verletzt.
14. Am 16. Mai 1939 uberfiel der Aufstandische Leo Krawczyk die Volksdeutsche Adelheit
Cichy in Kattowitz. Er trat ihr mit dem Stiefel in die Leistengegend und versuchte, sie die
Treppe des Hauses herunterzuwerfen. Frau Cichy erlitt zahlreiche Verletzungen am Kopf,
Schenkel, der Leistengegend und der Hand.
15. Am 18. Mai wurde der Volksdeutsche Paul Enders in Luck ohne Grand verhaftet. Bei den
Verhoren liber seine Zugehorigkeit zur Jungdeutschen Partei wurde er mit Faustschlagen ins
Gesicht und FuBtritten in den Leib traktiert. Am 20. Mai wurde er gefesselt nach Rowno
liberflihrt und dort am 25. Mai entlassen.
16. Am 24. Mai wurde der Volksdeutsche Erhard Ossadnik aus Kattowitz von vier
uniformierten Polen liberfallen, weil er mit einem Bekannten auf der StraBe deutsch
gesprochen hatte. Ihm wurden zahlreiche Verletzungen in der linken Gesichtshalfte
beigebracht und vier Schneidezahne ausgeschlagen.
17. Am 27. Mai wurde der Volksdeutsche Josef Mazur aus Kobior von einer groBeren Gruppe
Polen liberfallen. Er wurde mit Gummiknuppeln zusammengeschlagen, so daB er bewuBtlos
wurde. Der arztliche Befund ergab zahlreiche Blutergusse und Schnittwunden am Kopf, im
Gesicht und an den Ohren sowie zahlreiche Striemen, blaurot gefarbt und mit geronnenem
Blut bedeckt auf der Brust, dem Riicken und GesaB.
18. Am 29. Mai wurde der Landarbeiter Albert Krank aus Kzywka auf dem Felde von zwei
Polen, deren Gesicht unkenntlich gemacht war, liberfallen. Er wurde durch Messerstiche und
Schlage am Glied und am linken Hoden so schwer verletzt, daB er zur Behandlung in das
Krankenhaus Lessen liberwiesen werden muBte.
19. Am 29. Mai 1939 wurde der Volksdeutsche Stlihmer, Neudorf, Kr. Briesen, als er die
Grenze liberschreiten wollte, von Polen festgenommen und erschlagen. Die Angehorigen
haben seine Leiche, aufs schwerste verstlimmelt, im Graudenzer Krankenhaus wiedererkannt.
20. Am 1. Juni 1939 wurde der Volksdeutsche Grubeninvalide Johann Burdzik aus
Giszowiec-Myslowice von einem Aufstandischen liberfallen. Er wurde zunachst gewlirgt,
dann in den StraBengraben geworfen und mit einem Stock schwer verletzt. Als der
Aufstandische versuchte, Burdzik die Augen auszudrlicken, wurde er von Passanten
zurlickgerissen, so daB Burdzik mit Bluterglissen am Auge, zahlreichen Quetsch- und
Schlagwunden im Gesicht und am Korper sowie zwei losgeschlagenen Zahnen davonkam.
21. Am 2. Juni wurde der Volksdeutsche Theodor Stehr aus Konstantynow von einem Polen
liberfallen. Als er sich zur Wehr setzte, schlugen vier hinzueilende Polen so auf ihn ein, daB er
zusammenbrach und mit einem Rippenbruch und anderen Verletzungen in das Krankenhaus
eingeliefert werden muBte.
22. Am 5. Juni wurde der Volksdeutsche Wilhelm Klibel in Kostuchna, der die Kattowitzer
Zeitung austragt, des Zeitungspaketes beraubt. Bei dem P79i Versuch, es wiederzuerlangen,
wurde er von anderen Polen zu Boden geschlagen und am Boden liegend mit FuBtritten
bearbeitet. Die Polizei griff nicht ein.
23. Am 6. Juni wurden die Volksdeutschen Georg Kindler, Bykowina, und Bernhard
Harmada in Nowa Wies von Polen liberfallen. Kindler wurde mit einer Flasche gegen die
Rippen geschlagen, daB die Flasche zerschellte. Harmada, der schwerkriegsbeschadigt ist und
ein steifes Bein hat, wurde mit Bierflaschen, Gummiknuppeln und einem Spazierstock so
geschlagen, daB er am ganzen Korper Verletzungen und Quetschungen hatte.
24. In der Nacht vom 11. zum 12. Juni 1939 wurde der Volksdeutsche Gastwirt Anton
Podszwa aus Trzyniec auf dem Heimwege von unbekannten Tatern erschossen.
25. Am 15. Juni wurde der Reichsdeutsche Alois Sornik von dem polnischen Waldarbeiter
Onufrak in Zielona hinterrlicks durch einen Schlag auf den Kopf so schwer verletzt, daB er
einige Tage darauf verstarb.
26. Am 17. Juni wurde der Volksdeutsche Fritz Reinke aus Tonowo, Kr. Znin, von zwei
polnischen Knechten von hinten mit Zaunlatten niedergeschlagen. Die Polen schlugen auch
auf den am Boden Liegenden weiter ein, so daB er am Kopf, im Gesicht, an den Schultern,
Armen und Handen zahlreiche tiefe Wunden und Bluterglisse erlitt und zunachst
arbeitsunfahig ist.
27. Am 17. Juni wurde der Volksdeutsche Hans Zierott, OberausmaB, Kr. Kulm, von drei
Mannern liberfallen und aufgefordert zu sagen: "Der Hitler ist ein Schwein!" Als er sich
weigerte, zwang man inn dazu mit vorgehaltenem Messer. Zierott ist ein Krlippel und konnte
sich nicht wehren.
28. Am 20. Juni 1939 wurden die Vorstandsmitglieder der Ortsgruppe Harazdze (Kr. Luck)
der Jungdeutschen Partei, die Volksdeutschen Volpel, Dilk und Sawadski zum
Polizeikommandanten bestellt. Volpel wurde mit Faustschlagen miBhandelt, so daB ihm die
Unterlippe durchschlagen wurde, sodann trat ihm der Polizist mehrfach in den Unterleib und
riB ihn an den Haaren, bis er seine Austrittserklarung aus der Jungdeutschen Partei
unterschrieb und am Tage darauf mit seinen Freunden die Selbstauflosung der ganzen
Ortsgruppe beantragte. Kurze Zeit darauf meldete die polnische Presse, Ortsgruppen der
Jungdeutschen Partei in Wolhynien losten sich aus weltanschaulichen Griinden freiwillig auf.
29. Am 22. Juni wurde die Volksdeutsche Luzie Imiolcyk aus Chorzow in ihrem Hausflur von
zwei Nachbarinnen, den Polinnen Maciejkowiak und Wietrzniak liberfallen, und, obwohl sie
ein 14 Monate altes Kind in den Armen hatte, schwer geschlagen. SchlieBlich wurde sie auf
den Boden geworfen und ihr wurden Haare ausgerissen. Als sie den Vorfall der Polizei
meldete, wurde sie wegen Beleidigung der Polin Maciejkowiak verhaftet.
30. Am 2. Juli wurde die Volksdeutsche Luise Sprenzel, die auf dem Rade nach Zytna, Kreis
Rybnik, fuhr, von zwei Aufstandischen liberfallen und so gegen die Schlafe geschlagen, daB
sie vom Rade stlirzte und bewuBtlos auf der StraBe liegenblieb.
31. Am 7. Juli 1939 wurde der Volksdeutsche Schwerkriegsbeschadigte einarmige Invalide
Julius Saeftel aus Szopienice, Kreis Myslowice, nach einer von Polen gestorten
Beerdigungsfeier fur einen Volksdeutschen von flinf Polen verfolgt und mit Faustschlagen im
Gesicht verletzt.
13801 32. Am 8. Juli 1939 drang der Pole Kaczmarek in die Wohnung der Volksdeutschen
Margarete Plichta aus Tarnowskie ein, indem er mit einem Hammer gewaltsam die Tlir
sprengte. Sodann ging er mit dem Hammer auf die Volksdeutsche los und schlug ihr mit dem
Hammer eine in Notwehr ergriffene Waffe aus der Hand, so daB die Hand schwer verletzt ist.
Dann wlirgte er die Volksdeutsche und drohte ihr an, sie umzubringen. Erst auf Hilfeschreie
lieB er von seinem Opfer ab.
33. Am 23. Juli drangen drei polnische Soldaten in die Wohnung des Volksdeutschen Ewald
Banek in Sypiory, Kreis Schubin, ein und verlangten Lebensmittel und Getranke. Nachdem
sie sie unentgeltlich erhalten hatten, beschimpften sie die anwesenden Familienmitglieder und
schlugen auf sie ein. Banek wurde durch Seitengewehrstiche in die linke Schulter und den
rechten Arm erheblich verletzt. Gleichzeitig erzwangen polnische Soldaten Zutritt zur
Wohnung des Volksdeutschen Arthur Pahlke und versuchten Frau Pahlke zu vergewaltigen.
Als Pahlke seine Frau verteidigen wollte, wurde er auf das schwerste miBhandelt.
34. Am 6. August brach eine Bande junger Polen das Tor zum Anwesen des 72jahrigen
Volksdeutschen August Mundt in Bialezynek auf, verletzte Mundt am Auge und Unterkiefer,
schlug auf seinen Sohn Wilhelm mit Knuppeln und Steinen ein, so daB dieser bewuBtlos
niederbrach, und miBhandelte auch den bei Mundt tatigen Landarbeiter Karl Jesser.
35. Am 9. August drang Polizei in das christliche Hospiz in Kattowitz ein, wo gerade eine
Mitgliederversammlung des deutschen Volksbunds stattgefunden hatte. Die bewaffnete
Polizei schlug auf die anwesenden 1 8 Volksdeutschen mit Gummiknuppeln und Kolben ein
und schleifte sie zur Wache. Wahrend der Nacht wurden sie unter schweren MiBhandlungen
liber den Verlauf der Versammlung vernommen, so daB sie bei ihrer Entlassung am folgenden
Morgen mit blauen und roten Flecken und Striemen bedeckt waren. Einem Volksdeutschen
war der Arm verrenkt worden, ein anderer hatte durch die Schlage auf den Kopf zunachst das
Gehor verloren.
36. Am 14. August wurde der Volksdeutsche Thomalla aus Karwin auf Grund haltloser
Verleumdungen festgenommen. In der zweitagigen Untersuchungshaft erhielt er weder
Nahrung noch Wasser. Er wurde bei den Verhoren mit Knuppeln und Fausten blutig und
besinnungslos geschlagen, so daB er bei seiner Entlassung am 16. August geistig verwirrt war.
37. Mitte August wurden in Oberschlesien zahllose Volksdeutsche unter dem Vorwand,
Hochverrat begangen zu haben, verhaftet. Der verhaftete Volksdeutsche, Kreisleiter der
Jungdeutschen Partei, Rudolf Wilsch aus Laurahutte, wurde wahrend des Verhors
vollkommen zusammengeschlagen, unter der Androhung der Vierteilung und ahnlicher
Torturmethoden wurde der SchwermiBhandelte erpreBt, die gegen ihn zu Unrecht erhobene
Anklage zuzugeben.
38. Der Reichsangehorige Jager, der Volksdeutsche Grant, Fraulein Kiesewalter und Fraulein
Neudam sowie andere Reichs- und Volksdeutsche wurden in polnischen Gefangnissen zur
Erpressung von Gestandnissen schwer miBhandelt. Hinen wurden z. B. Einspritzungen
brennender Flussigkeiten in die Geschlechtsorgane gemacht, Rippen gebrochen, sie wurden
mit elektrischem Strom miBhandelt, und es wurde ihnen nach langem Aufenthalt in heiBen
Raumen Salzwasser als Getrank verabfolgt. Der Volksdeutsche Schienemann, der noch in
Sieradz einsitzt, ist korperlich vollig zerruttet und verlor bei der Inquisition fast alle Zahne.
[Ml]
Nr. 416
Aufzeichnung eines Beam ten der Politischen Abteilung
des Auswartigen Amts
Berlin, den 23. August 1939
Laut Mitteilung des Reichsministeriums des Innern sind bis zum 21. August d. J. etwa 70.000
Volksdeutsche Fluchtlinge aus Polen in den Fluchtlingsdurchgangslagern untergebracht
worden. Hiervon sind etwa 45.000 aus Polnisch-Oberschlesien und dem Olsagebiet
gekommen. Nicht einbegriffen sind die Fluchtlinge, die sich auf Danziger Gebiet begeben
haben, sowie alle jene, die, ohne ein Fluchtlingslager zu beriihren, bei Verwandten oder
Bekannten in Deutschland Unterkommen finden konnten.
Bergmann
Nr. 417
Der Deutsche Generalkonsul in Thorn an das Auswartige Amt
Bericht
Thorn, den 28. August 1939
Von einem als zuverlassig bekannten Vertrauensmann aus Usdau erhalte ich heute folgenden
Bericht:
"In Usdau sollte vor acht Tagen eine polnische Kundgebung unter dem Motto
"Erntefest mit blanken Waffen" stattfinden, welches aber infolge der Zuriickhaltung
der deutschen Bevolkerung eine auBerst klagliche Beteiligung aufwies.
Am vorigen Sonntag hielten die Polen die Stunde fur gekommen, um Rache an der
deutschen Bevolkerung nehmen zu konnen. Im Rahmen der EvakuierungsmaBnahmen
wurde der groBte Teil der Volksdeutschen wie eine Herde zusammengetrieben, und -
da Fahrzeuge zum Abtransport nicht zur Verfugung standen - ins Innere des Landes in
Marsch gesetzt. Wer infolge des hohen Marschtempos zuriickblieb, wurde mit
Kolbenschlagen angetrieben.
Eine schwangere Frau, die einfach nicht mehr weitermarschieren konnte, wurde
von der Begleitmannschaft so schwer geschlagen, daB sie friihzeitig niederkam und
dabei verstarb.
Eine andere Frau muBte ihr erst 4 Jahre altes Tochterchen mitfuhren. Bei einigen
Kolbenschlagen, mit denen die Frau und das Kind traktiert wurden, erhielt das Kind
eine schwere Kopfwunde und konnte uberhaupt nicht weiterlaufen. Die Mutter
versuchte nun das Kind zu tragen, war dadurch jedoch im Marschieren so gehindert,
daB sie das auBerst scharfe Tempo nicht mithalten konnte. Der Anfuhrer entriB ihr
daher kurzer Hand unter uberhaupt nicht wiederzugebenden Beschimpfungen das
Kind und erschlug es. Seinen SpieBgesellen gegeniiber rechtfertigte er seine
Handlungsweise mit den Worten "Das Balg bringt sonst spater doch wieder neue
deutsche Schweine zur Welt"."
Die Volksdeutschen durften in eins der zahlreichen Konzentrationslager getrieben worden
sein.
von Kuchler
Anmeckungcn;
213
Vgl. Nr. 406 . ...zuruck...
214 Vgl. Nr. 406 und 410. ...zuruck.
Viertes Kapitel (Forts.)
Polen als Werkzeug des Englischen Kriegswillens
A. Die Auswirkung
der Britischen Einkreisungspolitik
auf die Haltung Polens
II. Polnische MaBnahmen gegen Danzig
Nr. 418
Der Deutsche Generalkonsul in Danzig an das Auswartige Amt
Bericht
Danzig, den 11. Mai 1939
Nachdem bereits vor einiger Zeit polnische Flugzeuge, darunter auch Militarflugzeuge,
mehrfach Danziger Hoheitsgebiet unberechtigt iiberflogen hatten, hat sich ein erneuter
Grenzzwischenfall ereignet. Am 10. d. M. wurden 2 Beamte der Danziger politischen Polizei
auf Danziger Gebiet in der Nahe von Liessau, etwa 50 m von der polnischen Grenze entfernt,
aus einem Pfeiler des polnischen Briickenkopfes in Liessau von polnischem Militar
beschossen. Die Beamten sind nicht verletzt worden.
Der Senat der Freien Stadt Danzig hat gegen diese Verletzung Danziger Hoheitsgebietes bei
der hiesigen Polnischen Diplomatischen Vertretung Verwahrung eingelegt.
von Janson
Nr. 419
Der Deutsche Generalkonsul in Thorn an das Auswartige Amt
Telegramm
Thorn, den 15. Mai 1939
Mir sind folgende zuverlassige Nachrichten zugegangen:
I. Am 27. April sind Infanterietruppen aus Graudenz in verdeckten Lastautos in Zivil
nach der Westerplatte m abtransportiert worden.
II. Am 12. Mai wurden etwa 70 Arbeiter einer Firma aus Graudenz zu
Provokationszwecken nach Danzig geschickt. Vor einigen Monaten wurden sie im
Rekrutierungsburo vereidigt.
III. Die Gendarmeriebataillone aus Graudenz sind vom 1 1. bis 12. Mai mit Gepack
und TroB nach Dirschau verlegt worden.
IV. In Neuenburg wurden mehrere Jahrgange zur Grenzwache eingezogen, daranter
auch Volksdeutsche.
V. In Thorn und Umgebung sind vom 1 1. bis 12. Mai private Lastautos mit
Chauffeuren eingezogen worden. Betriebsstoff fiir 250 bis 400 km muBte gestellt
werden. Bestimmungsziel leer Dirschau.
VI. Samtliche Beamte in Thorn hatten vom 13. bis 14. Mai Bereitschaftsdienst.
VII. 13. Mai Urlauber Kavallerieschule und beurlaubte Offiziere Garnison Graudenz
zuriickgerufen.
VIII. Geriichtweise verlautet, daB durch Reserveoffizier- und Unteroffizierverband
sowie Aufstandischenverband Freiwillige geworben werden, die gegen Danzig
eingesetzt werden sollen.
Kuchler
Nr. 420
Aufzeichnung eines Beamten der Politischen Abteilung
des Auswartigen Amts
Berlin, den 22. Mai 1939
Nach Feststellungen des Prasidenten des Danziger Senats Greiser hat sich der Danzig-
polnische Zwischenfall in Kalthof in der Nacht vom 20. zum 21. Mai laut polizeilicher
Ermittlungen wie folgt abgespielt:
a) Am 20. Mai abends hatte sich vor dem Hause der polnischen Zollinspektoren in Kalthof
eine groBere Anzahl von Bewohnern dieses Ortes eingefunden, um gegen die standigen
Belastigungen deutscher Frauen und Madchen durch die polnischen Zollinspektoren zu
demonstrieren. Etwa 2 Stunden lang wurde in Sprechchoren der Abzug der Zollinspektoren
verlangt. Im Verlauf dieser Demonstrationen wurden einige Fensterscheiben des Hauses, in
dem die Zollinspektoren wohnen, zertrummert. Weitere Ausschreitungen erfolgten nicht, da
die Zollinspektoren nach Eingreifen der ortlichen Polizei, ohne belastigt zu werden, durch den
Garten ihr Grundstuck verlassen und mit einem Motorrad durch die Menge hindurch
fortfahren konnten.
b) Obwohl inzwischen in Kalthof wieder vollige Ruhe eingetreten war, teilte Legationsrat
Perkowski, der Stellvertreter des Leiters der Polnischen Diplomatischen Vertretung in
Danzig, dem Danziger Senat einige Stunden spater mit, daB er nach Kalthof fahren wolle, um
die dortige Lage festzustellen, und bat um Stellung eines Polizeibeamten zu diesem Zweck.
Danzigerseits wurde dieses Ersuchen zweimal mit dem Hinweis darauf abgelehnt, daB eine
Fahrt nach Kalthof uberhaupt nicht mehr notig sei and es im ubrigen Sache der Danziger
Behorden sei, amtlich Feststellungen im Gebiet der Freien Stadt zu treffen. Legationsrat
Perkowski hat sich trotzdem im Kraftwagen der Polnischen Diplomatischen Vertretung nach
Kalthof begeben. In seiner Begleitung befanden sich Dr. Sziller von der polnischen
Eisenbahndirektion in Danzig (der zu den exterritorialen Mitgliedern der Polnischen
Diplomatischen Vertretung gehort), ein polnischer Oberzollinspektor und der Chauffeur des
Kraftwagens, Murawski. Perkowski und seine Begleiter sind nach der Ankunft in Kalthof
gegen Mitternacht in keiner Weise belastigt worden. Die demonstrierende Menge hatte sich
inzwischen langst zerstreut.
c) Gegen 0.50 Uhr wollte der Danziger Staatsangehorige Fleischermeister Griibnau von
Marienburg mit einer Taxe, in der sich auBer dem Chauffeur Hops noch zwei Zivilisten
befanden, iiber Kalthof nach Danzig zuriickfahren. Als die Taxe in die Kurve an der
Chausseeuberfuhrung bei Kalthof einbog, wurde sie durch den Kraftwagen der Polnischen
Diplomatischen Vertretung in Danzig (Kennzeichen B 61/306) vom Bahnhofsdamm her so
stark angeblendet, daB sie halten muBte. Die Blendwirkung wurde anscheinend durch die
Benutzung einer Handblendlaterne erhoht. Griibnau und Hops stiegen aus und gingen auf das
polnische Auto zu, um darauf hinzuwirken, daB dessen Scheinwerfer abgestellt wiirden,
entschlossen sich aber unmittelbar darauf, wieder in ihren Wagen zuriickzukehren. Auf dem
Wege zu diesem wurde Griibnau durch 2 Schusse aus der Richtung des polnischen Autos, die
ihn von hinten in das Genick und in die Schulter trafen, erschossen. Infolge der Blendwirkung
des polnischen Autos haben weder der Chauffeur Hops p84i noch die beiden anderen Insassen
der Taxe feststellen konnen, wer sich in dem polnischen Auto befand und wer die beiden
Schusse abgegeben hat. Seitens der Polnischen Diplomatischen Vertretung in Danzig wird
behauptet, daB die Schusse von dem Chauffeur Murawski abgegeben worden seien,
Legationsrat Perkowski, Dr. Sziller und der polnische Oberzollinspektor hatten sich nicht
mehr in dem Dienstwagen, sondern im Bahnhofsgebaude von Kalthof befunden. Murawski
sei von zwei Mannern in Zivil mit hohen Stiefeln bedroht worden, habe zwei Schreckschusse
in die Luft abgegeben und erst, als einer der beiden Manner eine Pistole gezogen hatte, zwei
Schusse auf den angeblichen Angreifer abgefeuert.
Die friiheren Insassen des Dienstwagens der Polnischen Diplomatischen Vertretung sind zu
diesem nicht zuriickgekehrt, haben sich vielmehr - nach Danziger Darstellung auf einer
Lokomotive, nach polnischer Darstellung auf einer Drasine - vom Bahnhof Kalthof nach
Dirschau (Polen) begeben.
In dem zuriickgelassenen Kraftwagen wurden eine geladene Pistole, die nicht gebraucht
worden war, und ein leeres Futteral einer Mauserpistole vorgefunden. Die todlichen Schusse
sind nach polizeilicher Feststellung zweifelsfrei ans einer polnischen Armeepistole abgegeben
worden.
Die polnische Behauptung, der Chauffeur Murawski sei bedroht worden, ist falsch. Der
Chauffeur Hops und der Fleischermeister Griibnau waren vollig unbewaffnet. Griibnau hatte
noch eine brennende Pfeife im Munde, als er auf das polnische Auto zuging. Hinzukommt,
daB beide von der vorausgegangenen Demonstration in Kalthof sowie der Anwesenheit der
Angehorigen der Polnischen Diplomatischen Vertretung in Danzig mit Dienstkraftwagen in
Kalthof nichts wuBten.
d) Die Meldung des StraBburger Senders, daB Griibnau bereits mehrmals an Ausschreitungen
gegen polnische Zollinspektoren in Danzig beteiligt gewesen sei, ist unrichtig. Griibnau hat
als ruhiger Mensch niemals an solchen Kundgebungen teilgenommen.
Bergmann
Nr. 421
Der Deutsche Generalkonsul in Danzig an das Auswartige Amt
Bericht
Danzig, den 24. Mai 1939
Die beiden polnischen Noten vom 21. d. M. m sind heute durch zwei Schreiben des
Prasidenten des Senats an die Polnische Diplomatische Vertretung beantwortet worden.
In den Danziger Noten wird festgestellt, daB der polnische Chauffeur Murawski den Danziger
Staatsangehorigen Griibnau ohne jeglichen AnlaB and ohne auch nur im geringsten
angegriffen oder bedroht worden zu sein, niedergeschossen hat. Es wird hervorgehoben, daB
die drei hoheren polnischen Be- £3851 amten, namlich der Vertreter Minister Chodackis
Legationsrat Perkowski, der Oberste Zollrat Swida und der polnische Rat Dr. Sziller, sich zu
Mithelfern gemacht haben, indem sie Murawski eine ihrer Armeepistolen uberlassen haben,
und daB sie sich ferner einer Begunstigung des Murawski dadurch schuldig gemacht haben,
daB sie den Tater auf polnisches Gebiet brachten. Der Senat verlangt mit Rucksicht auf diesen
Sachverhalt die Abberufung der drei genannten Beamten; er weist endlich die in der zweiten
polnischen Note vom 21. d. M. enthaltenen Erklarungen und Forderungen zuriick.—
Die Bluttat von Kalthof hat am Abend des 22. d. M. zu einer groBen Protestkundgebung in
Tiegenhof gefuhrt, bei der Landrat und Kreisleiter Andres eine Rede hielt. Er hat dabei von
jedem einzelnen Danziger Volksgenossen Ruhe, Kaltblutigkeit und Disziplin gefordert und
erklart, Danzig konne trotz der Provokationen im Vertrauen auf den Fiihrer seine Stunde
abwarten.
Am heutigen Nachmittag findet in Kalthof eine Trauerfeier flir den ermordeten Griibnau statt,
an der fuhrende Personlichkeiten von Partei und Staat teilnehmen. Die Trauerrede halt
Senatsprasident Greiser. Die Beisetzung der Leiche des Griibnau erfolgt in Marienburg.
von Janson
Nr. 422
Protokoll des Hauptzollamts Elbing
Elbing, den 24. Mai 1939
Bei dem Hauptzollamt erscheint der Kraftfahrer der Firma A. Zedler, Elbing, Otto Eggert,
geboren 12. Dezember 1902 in Elbing, wohnhaft in Elbing, Paulikirchstr. 18, und gibt
folgendes an:
Am 23. Mai 1939 traf ich auf der Fahrt nach dem Reich mit dem Fernlastwagen der Firma A.
Zedler in Elbing gegen 22.30 Uhr in Liessau ein.
Zur Erledigung der Zollformalitaten hielt ich mit dem Wagen vor dem Transformatorenhaus
gegeniiber der Danziger Zollbude.
Wahrend ein polnischer Zollner zum Wagen kam, urn die Zollbleie usw. nachzupriifen, wollte
ich, wie ich dies bisher immer getan hatte, zum polnischen Zollamt im Briickenkopf geben,
urn den Wagen zur Durchfahrt anzumelden.
Als ich kurz vor dem zweiten Eisenzaun vor dem Briickenkopf war, horte ich, wie der im
oberen Vorsprung des Briickenkopfes stehende polnische Militarposten einem unten in der
Nahe der Eisenbahnschienen stehenden Militarposten etwas zurief.
r386i Der untere Posten gab eine nicht zu verstehende Antwort und legte sofort sein Gewehr auf
mich an. Als ich dies bemerkte, warf ich mich sofort auf die Erde. Ich hatte mich kaum
hingelegt, als der erste SchuB krachte, der knapp liber mich hinweggegangen sein muB.
Ich drehte mich auf der Erde um, sprang auf und lief einige Spriinge gegen die Danziger
Zollbude zu und warf mich wieder auf die Erde. Da krachte auch schon der zweite SchuB, der
wieder iiber mich hinwegging und in das Transformatorenhaus einschlug.
Ich lief dann noch einige Spriinge zuriick und fand Deckung hinter der Danziger Zollbude.
Nach diesem Vorfall begab sich der beim Wagen stehende polnische Zollbeamte zum
Briickenkopf und fragte dort den Posten, weshalb geschossen wird.
Er kam dann zuriick, sagte, es sei ein Versehen gewesen und ich mochte doch zwecks
Rucksprache zum polnischen Offizier im Briickenkopf kommen. Ich lehnte jedoch ab, mich
auf polnisches Gebiet zu begeben.
V. g. u.
Otto Eggert
g. w. o.
Klar
Zollinspektor
Nr. 423
Der Deutsche Generalkonsul in Danzig an das Auswartige Amt
Bericht
Danzig, den 5. Juni 1939
Die Zahl der auf Danziger Gebiet tatigen polnischen Zollbeamten ist im Laufe der letzten Zeit
erheblich verstarkt worden. Es ist auch, wie bekannt, wiederholt zu Zwischenfallen zwischen
der Danziger Bevolkerung und den polnischen Zollbeamten gekommen, die bei ihrer
dienstlichen Tatigkeit die ihnen vertragsmaBig zustehenden Aufgaben haufig uberschreiten.
Der Senat der Freien Stadt Danzig hat daher Veranlassung genommen, mit der abschriftlich
anbei iiberreichten Note vom 3. d. M. die Frage der polnischen Zollinspektoren in Danzig
grundsatzlich anzuschneiden und die Polnische Diplomatische Vertretung zu ersuchen, die
Tatigkeit der polnischen Zollinspektoren auf die vertragsmaBige Grundlage einer generellen
Kontrolle zu beschranken und von Anweisungen der polnischen Zollinspektoren an die
Danziger Zollbeamten kunftig abzusehen.
Gleichzeitig hat der Senat in seiner Note seine Absicht mitgeteilt, nunmehr die bisher
vorlaufig zurlickgestellte Vereidigung der Danziger Zollbeamten auf Grand des neuen
Danziger Beamtengesetzes vorzunehmen. Wie erinnerlich, hatte die hiesige Polnische
Diplomatische Vertretung gegen das neue Danziger Beamtengesetz gerade auch hinsichtlich
der Stellung der Danziger Zollbeamten Einwendungen erhoben, denen der Senat in seiner
Note vom 3. Januar d. J. entgegengetreten war.
von Janson
T3871
Anlage
Der President des Senats der Freien Stadt Danzig
an den Diplomatischen Vertreter der Republik Polen in Danzig
Danzig, den 3. Juni 1939
Herr Minister!
Ich hatte bereits vor Monaten die Ehre, Sie darauf aufmerksam zu machen, daB die immer
mehr anwachsende Zahl der polnischen Zollinspektoren nicht mehr mit der Erflillung ihrer
vertragsmaBigen Aufgaben in Einklang zubringen ist. Nach den neuesten Zugangen sind jetzt
weit liber 100 polnische Zollinspektoren auf Danziger Gebiet tatig. Ihr Verhalten innerhalb
und auBerhalb des Dienstes gibt zu haufigen Klagen AnlaB. Die Danziger Bevolkerung wie
auch die deutsche Bevolkerung im kleinen Grenzverkehr fiihlt sich durch die Art, in der die
polnischen Zollbeamten ihren Dienst ausliben und in der sie sich auBerdienstlich verhalten,
standig verletzt.
Ich hege nicht die Befurchtung, daB es deswegen zu Zwischenfallen von Seiten der
Bevolkerung kommen konnte. Noch viel weniger ist die Sicherheit der polnischen Beamten in
irgendeiner Form gefahrdet. Ich habe dafiir Sorge getragen, daB sie ihren Dienst wie bisher
vollig gesichert und ungehindert ausliben konnen. Ich glaube aber, daB man Mittel und Wege
suchen muB, um den standigen Reibungen und Spannungen aus dem Wege zu gehen.
Aus alien diesen Grlinden halte ich es flir notwendig, die Tatigkeit der polnischen
Zollinspektoren mit sofortiger Wirkung auf die vertragsmaBige Grundlage einer generellen
Kontrolle zu beschranken. Insbesondere muB ich verlangen, daB sie ihre Amtshandlungen auf
der Dienststelle selbst, also nicht auBerhalb des Dienstgebaudes, erledigen. Ich kann auch
nicht mehr zulassen, daB die Danziger Zollbeamten Anweisungen, auch in Form von
Anregungen, von den polnischen Zollbeamten entgegennehmen. Ich werden dafiir sorgen, daB
dienstlich gestellte Fragen dienstlich beantwortet werden.
Ich habe den Prasidenten des Landeszollamts der Freien Stadt Danzig beauftragt, seine
Beamten entsprechend zu instruieren. Ich beehre mich, Sie, Herr Minister, zu bitten, Ihrer
Regierung davon Mitteilung zu machen und dahin zu wirken, daB dem Verlangen der
Danziger Regierung entgegengekommen wird.
Ich mochte bei dieser Gelegenheit auf unsere Unterredung vom 8. Februar d. J.
zurlickkommen. Ich hatte Ihnen, Herr Minister, damals erklart, daB ich Anordnung geben
wlirde, vorlaufig von einer Vereidigung der Zollbeamtenschaft abzusehen, und daB ich mich
gegebenenfalls vor einer Vereidigung mit Ihnen in Verbindung setzen wlirde.
Ich beehre mich, Ihnen unter Bezugnahme auf die Ausfiihrungen in meinem Schreiben vom 3.
Januar d. J. (S. 2 und 3) mitzuteilen, daB ich jetzt der Finanzabteilung des Senats freigestellt
habe, die Vereidigung der Zollbeamtenschaft vorzunehmen, wenn sie es fur wunschenswert
halten sollte.
Genehmigen Sie, usw.
Greiser
T3881
Nr. 424
Der Deutsche Generalkonsul in Danzig an das Auswartige Amt
Bericht
Danzig, den 9. Juni 1939
Vor kurzem hat sich hier ein Vorfall ereignet, der auf die Tatigkeit der polnischen
Zollinspektoren in Danzig ein bezeichnendes Licht wirft.
Am Nachmittag des 25. Mai d. J. begaben sich die beiden polnischen Zollinspektoren
Kalinowski und Jarostowski aus Tiegenhof auf einem Motorrad zur Fahre bei Nickelswalde,
lieBen sich mit der Fahre nach Schiewenhorst ubersetzen und versuchten, an der dortigen
Briickenanlage Feststellungen zu treffen. Sie nahmen durch Abschreitungen Abmessungen
vor, stiegen die Steintreppe nach dem Wasser zu herunter, klopften das Fundament der
Briicke ab und untersuchten ein eisernes AbfluBrohr. Alsdann lieBen sie sich wieder mit der
Fahre nach Nickelswalde ubersetzen, begaben sich zu ihrem dort zuriickgelassenen Motorrad
und machten sich auf Papier Notizen.
Die beiden Danziger Tageszeitungen Der Danziger Vorposten und die Danziger Neueste
Nachrichten berichten in ihren Nummern 130 vom 7. d. M. liber den Vorfall, den man nur als
offensichtliche Spionagetatigkeit der polnischen Zollinspektoren bezeichnen konne, und
weisen darauf hin, daB er in deutlichster Weise bestatige, daB der wirkliche Zweck der
Tatigkeit der polnischen Zollinspektoren in Danzig auf ganz anderem als auf zolldienstlichem
Gebiete liege.
Die Zahl der polnischen Zollinspektoren ist im ubrigen nach dem Zwischenfall in Kalthof um
3 1 neue Beamte vermehrt worden.
In Vertretung
von Grolman
Nr. 425
Der Deutsche Generalkonsul in Danzig an das Auswartige Amt
Bericht
Danzig, den 12. Juni 1939
In der Angelegenheit der Zollinspektoren hat die hiesige Polnische Diplomatische Vertretung
auf die Danziger Note vom 3. d. M., die ich mit dem Vorbericht— iiberreicht habe, mit einer
Note vom 10. d. M. geantwortet.
Die polnische Note weist die Vorwiirfe gegen das Verhalten der polnischen Zollinspektoren
zurlick, bezeichnet die augenblickliche Zahl der in Danzig tatigen polnischen Zollinspektoren
noch als unzureichend und erklart, irgendwelche Beschrankung in den Rechten der polnischen
Zollinspektoren nicht zulassen zu konnen. Zu der Frage der Vereidigung der Danziger
Zollbeamten bemerkt die polnische Note, im Falle der Verteidigung miiBte die Polnische
Regierung eine Verstarkung der Zahl der Zollinspektoren erwagen, da die [389] Danziger
Zollbeamten, wie es in der Note wortlich heiBt, "dann eine geringere Gewahr der
Respektierung und entsprechenden Anwendung der polnischen Zollvorschriften als bisher
bieten werden."
Wie mir von Seiten des Senats mitgeteilt wird, betragt die Zahl der polnischen
Zollinspektoren auf Danziger Gebiete zur Zeit insgesamt 106 einschlieBlich der Vermehrung
um 3 1 Beamte, die nach dem Zwischenfall in Kalthof erfolgt ist und der ein Abgang von
lediglich 2 polnischen Beamten gegenlibergestanden hatte.
von Janson
Nr. 426
Der Deutsche Generalkonsul in Danzig an das Auswartige Amt
Bericht
Danzig, den 12. Juni 1939
In der Nacht vom 9. zum 10. d. M. hat sich erneut ein Zwischenfall mit einem polnischen
Zollinspektor ereignet. Der polnische Zollinspektor von Lipinski hat sich unter dem
Vorgeben, deutscher Oberleutnant d. R. zu sein, an zwei Danziger SA. -Manner herangemacht
und sie iiber dienstliche Angelegenheiten der SA. auszuhorchen versucht. Er hat alsdann mit
ihnen eine Autofahrt unternommen und beabsichtigte sogar, mit ihnen nach Gdingen zu
fahren, wobei er den Chauffeur angewiesen hatte, an der Grenze nicht zu halten. Zu der Fahrt
nach Gdingen ist es nicht gekommen, da inzwischen von Lipinski den Fiihrer sowie
Reichsminister Dr. Goebbels in unerhorter Weise beschimpfte, worauf sich eine tatliche
Auseinandersetzung entwickelte, bei der von Lipinski nicht unerheblich verletzt wurde.
Wegen dieses Vorfalls und wegen der in dem Vorbericht— erwahnten Spionagetatigkeit der
polnischen Zollinspektoren Kalinowski und Jarostowski an der Fahre in Schiewenhorst hat
der Senat der Freien Stadt Danzig am heutigen Tage bei der Polnischen Diplomatischen
Vertretung scharfsten Protest eingelegt.
von Janson
Nr. 427
Der Deutsche Generalkonsul in Danzig an das Auswartige Amt
Bericht
Danzig, den 23. Juni 1939
Am vergangenen Sonntag, dem 18. d. M., veranstaltete die polnische Berufs- und
Arbeitsvereinigung in Danzig einen Ausflug nach Dirschau, an dem etwa 1.600 Personen
teilgenommen haben.
Die Tatsache, daB die in Danzig wohnhaften Polen nach wie vor die Moglichkeit zu
derartigen Ausfliigen in das polnische Gebiet haben, steht im bemerkenswerten Gegensatz zu
den polnischen Verwaltungsschikanen gegeniiber den Volksdeutschen in Polen, denen es
bekanntlich kiirzlich u. a. verboten worden ist, an dem heute beginnenden groBen
Weichselland-Sangerfest in Danzig sowie an der internationalen Danziger Ruder-Regatta am
25. d. M. teilzunehmen.
In Vertretung
von Grolman
T3901
Nr. 428
Der Deutsche Generalkonsul in Danzig an das Auswartige Amt
Telegramm
Danzig, den 23. Juni 1939
Danziger Gendarmerie in Liessau erhielt Mitteilung, daB am 22. Juni in Dirschau durch
polnischen Offizier Kolonne von je 10 Mann unter Fuhrung namentlich bezeichneter
vorbestrafter Personen gebildet worden sei, die in den nachsten Tagen in Zivil nach Danzig
mit Gasbomben eindringen sollte. In Dirschau sei fur den 22. Juni bis 24. Juni
Alarmbereitschaft, angeordnet. Fur 23. Juni wiirden dort 2 Generale aus Warschau erwartet.
Auch seien bei Dirschau Flieger eingetroffen.
Grolman
Nr. 429
Der Deutsche Generalkonsul in Danzig an das Auswartige Amt
Bericht
Danzig, den 7. Juli 1939
Nachdem bereits in der letzten Zeit verschiedentlich Lieferungen alter Speisekartoffeln aus
Polen nach Danzig nicht mehr ausgefiihrt worden waren, ist nunmehr in einem Fall ein bereits
laufender Transport nicht liber die Grenze nach Danzig gelassen worden. Am 6. d. M. wurden
zwei Wagen mit 110 Zentnern Kartoffeln, die von einer Danziger Firma im Kreise Karthaus
eingekauft waren, an dem polnisch-Danziger Grenziibergang bei Kokoschken festgehalten.
Dabei auBerte einer der polnischen Grenzbeamten sich dahin, sie lieBen die Kartoffeln nicht
durch, da sie ja flir die deutschen Soldaten in Danzig bestimmt seien. Auf Veranlassung des
Danziger Empfangers setzte sich der Senat daraufhin mit der hiesigen Polnischen
Diplomatischen Vertretung in Verbindung, die zunachst auch zusagte, daB der festgehaltene
Transport freigegeben werde, etwa 2 Stunden spater jedoch mitteilte, aus "bestimmten
anderen Grunden " konnte die Freigabe des Transportes nicht erfolgen.
Das polnische Verfahren steht im Widerspruch mit den Bestimmungen des Warschauer
Abkommens vom 24. Oktober 1921, nach dessen Artikel 215 keinerlei Beschrankungen im
Warenverkehr zwischen Polen und Danzig bestehen. Zudem werden auch die besonderen
Danzig-polnischen Vereinbarungen iiber den Verkehr mit landwirtschaftlichen Erzeugnissen
verletzt, auf Grand deren sich Polen zur Lieferung bestimmter Mengen nach Danzig
verpflichtet hat.
Es diirfte keinem Zweifel unterliegen, daB die polnischen MaBnahmen auf politischen
Grunden beruhen.
von Janson
Nr. 430
Der Deutsche Generalkonsul in Thorn an das Auswartige Amt
Bericht
Thorn, den 11. Juli 1939
Das diesjahrige "Fest des Meeres" fand in der Zeit vom 25. Juni bis 2. Juli d. J. statt. Die See-
und Kolonialliga veroffentlichte in der hiesigen Presse einen Aufruf, in dem, ebenso wie in
der Eroffnungsansprache des Vorsitzenden mn der See- und Kolonialliga, des Generals
Kwasniewski, die Forderungen nach Verteidigung der polnischen Meereskuste sowie nach
VergroBerung der polnischen Kriegsflotte erhoben werden.
AnlaBlich der Feiern, die in alien groBeren Stadten Pommerellens unter starker Anteilnahme
der Bevolkerung stattfanden, wurde uberdies verschiedentlich die weitergehende Forderung
nach standiger Verbreiterung der polnischen Meereskuste aufgestellt und teilweise von der
ortlichen Presse ubernommen.
Den Hohepunkt der diesjahrigen Feier bildete eine Kundgebung in Gdingen am 29. Juni d. J.,
an der der Stellvertretende Ministerprasident Kwiatkowski, Handelsminister Roman und der
Woiwode von Pommerellen Minister Raczkiewicz teilnahmen. Nach einem Bericht des
Deutschen Konsulats in Gdingen wohnten dieser Kundgebung ferner etwa 3.000 Polen aus
Danzig bei, die Schilder mit den Aufschriften "Danziger Herz und polnisch Herz ist ein
Herz", "Danzig ist polnisch und wird polnisch bleiben" mit sich fuhrten. Der Abgeordnete der
polnischen Minderheit im Danziger Volkstag Budzynski wies in einer Ansprache auf die
angebliche Verfolgung der polnischen Minderheit in Danzig hin und erklarte, daB die
polnische Bevolkerung Danzigs die Vereinigung Danzigs mit dem Mutterlande Polen mit
Hilfe der polnischen Armee erreichen werde.
In Vertretung
Graf
Nr. 431
Der President des Senats der Freien Stadt Danzig
an den Diplomatischen Vertreter der Republik Polen in Danzig
Danzig, den 29. Juli 1939
Herr Minister!
Sie haben mich mit Ihrem Schreiben vom 19. d. M. davon unterrichtet, daB die Polnische
Regierung beschlossen hat, "die von den polnischen Zollinspektoren ausgeiibte Kontrolle bei
der Firma Amada/Unida in Danzig mit dem 1 . August d. J. einzustellen und die von dem
Danziger Zollamt fur den Veredelungsverkehr ausgestellten Bescheinigungen fur
Fettsendungen dieser Firma nach Polen nicht anzuerkennen".
Wenn die Regierung der Republik Polen von der Kontrollmoglichkeit bei der genannten
Firma keinen Gebrauch machen will, so ist das ihre eigene Sache. Sollten dagegen die von
dem Danziger Landeszollamt ausgestellten Bescheinigungen vor Ablauf der grundlegenden
Abmachung vom 22. Mai 1937 nicht mehr anerkannt werden, so wlirde dies eine action
directe und eine Verletzung der ungekundigten, bis zum 31. Juli 1940 laufenden Abmachung
vom 22. Mai 1937 bedeuten.
Ich beehre mich, Ihnen mitzuteilen, daB ich gegen eine solche Handlungsweise Verwahrung
einlegen muB, ebenso wie gegen eine Verquickung dieser rein wirtschaftlichen Angelegenheit
mit der Frage der Tatigkeit der polnischen Zollinspektoren. Ich erstrecke diese Verwahrung
auf die bei mundlichen Verhandlungen ausgesprochene Verquickung der Angelegenheit der
Frage 13921 der polnischen Zollinspektoren mit der Einfuhr von Heringen aus eigenen Danziger
Fangen nach Polen. Wie in dem Aide-Memoire des Senats vom 18. d. M. bereits dargelegt
wurde, steht dieses Einfuhrverbot nicht im Einklang mit dem Grundsatz eines
gemeinschaftlichen Wirtschaftsgebietes und bedeutet gleichfalls eine action directe.
Ich mochte nicht verfehlen, darauf hinzuweisen, daB, wenn tatsachlich die von dem Danziger
Landeszollamt ausgestellten Bescheinigungen fur Fettsendungen der Firma Amada/Unida
nach Polen nicht mehr anerkannt wlirden und wenn das Einfuhrverbot fur Heringe aus
Danziger eigenen Fangen nach Polen nicht zuriickgenommen werden wlirde, der Senat sich
gezwungen sehe, sogleich mit wirtschaftlichen GegenmaBnahmen zu antworten.
Genehmigen Sie, usw.
Greiser
Nr. 432
Der Diplomatische Vertreter der Republik Polen in Danzig
an den Prasidenten des Senats der Freien Stadt Danzig
(Ubersetzung)
Danzig, den 4. August 1939
An den
Herrn Prasidenten des Senats der Freien Stadt Danzig,
Arthur Greiser, Danzig.
Ich habe erfahren, daB die lokalen Danziger Zollbehorden an den Grenzstellen zwischen der
Freien Stadt Danzig und OstpreuBen sich an die polnischen Zollinspektoren mit der in ihrer
Art beispiellosen Erklarung gewandt haben, daB die Danziger Ausfuhrungsorgane
beabsichtigen, sich vom 6. August um 7 Uhr ab der Auslibung der Kontrollfunktionen durch
einen gewissen Teil der polnischen Inspektoren zu widersetzen, welche Funktionen sich aus
den Rechten der Polnischen Regierung an der Zollgrenze ergeben. Ich bin uberzeugt, daB
dieses Vorgehen der lokalen Organe entweder auf einem MiBverstandnis oder auf einer
irrigen Auslegung der Instruktion des Senats der Freien Stadt Danzig beruht.
Ich zweifle nicht, daB Sie, Herr President des Senats, keine Zweifel darliber hegen, daB eine
derartige Antastung der fundamentalen Rechte Polens unter keinem Vorwand von der
Polnischen Regierung geduldet wird.
Ich erwarte Ihre zusichernde Antwort, daB Sie Anordnungen erlassen haben, die das
Vorgehen Ihrer Untergebenen annullieren, spatestens bis zum 5. August um 18 Uhr.
Angesichts der Tatsache, daB das erwahnte Vorgehen an einer Reihe von Grenzstellen
stattgefunden hat, bin ich gezwungen, Sie, Herr President des Senats, zu warnen, daB alle
polnischen Zollinspektoren den Befehl erhalten haben, ihren Dienst in Uniform und mit der
Waffe am 6. August d. J. und den nachfolgenden Tagen an alien Grenzpunkten auszuiiben,
die sie flir die Kontrolle als notwendig erachten. Alle Versuche, ihnen die Auslibung des
Dienstes zu erschweren, alle Uberfalle oder Interventionen der Polizeibehorden wird die
Polnische Regierung als einen Gewaltakt gegen die amtlichen Bediensteten des Polnischen
Staates wahrend der Auslibung ihres Dienstes betrachten. Falls die obenerwahnten
MiBbrauche angewandt werden sollten, P93i wird die Polnische Regierung unverziiglich
Vergeltung (Retorsion) gegen die Freie Stadt anwenden, flir die die Verantwortung
ausschlieBlich auf den Senat der Freien Stadt fallt.
Ich hoffe, bis zu der erwahnten Zeit eine zufriedenstellende Aufklarung zu erhalten.
Chodacki
Nr. 433
Der Diplomatische Vertreter der Republik Polen in Danzig
an den Prasidenten des Senats der Freien Stadt Danzig
(Ubersetzung)
Danzig, den 4. August 1939
Herr Prasident des Senats!
Die Polnische Regierung gibt ihrer Verwunderung Ausdruck, daB der Senat bei der
Beantwortung einer so einfachen Angelegenheit technische Schwierigkeiten hat. Im Interesse
der Vermeidung drohender Folgen nehme ich einstweilen zur Kenntnis, daB keine Gewaltakte
gegen unsere Zollinspektoren erfolgen werden und daB sie ihre Funktionen werden normal
ausuben konnen. Ich bestatige jedoch, daB die in meiner Note vom 4. 8. - 23.40 Uhr -
enthaltenen Warnungen in Kraft bleiben.
Genehmigen Sie, usw.
Chodacki
Nr. 434
Der Prasident des Senats der Freien Stadt Danzig
an den Diplomatischen Vertreter der Republik Polen in Danzig
Danzig, den 7. August 1939
Herr Minister,
Auf Ihre beiden Schreiben, datiert vom 4. d. M., von denen das zweite am 5. August
zugestellt wurde, muB ich Ihnen mein Erstaunen dariiber zum Ausdruck bringen, daB Sie ein
vollig unkontrolliertes Geriicht zum AnlaB nehmen, der Danziger Regierung ein kurzfristiges
Ultimatum der Polnischen Regierung zu ubersenden und damit in dieser politisch bewegten
Zeit grundlos Gefahren heraufbeschworen, deren Auswirkung unubersehbares Unheil
anrichten kann. Die plotzliche Anordnung der Polnischen Regierung, daB alle polnischen
Zollinspektoren ihren Dienst in Uniform und mit Waffe auszuiiben haben, verstoBt gegen die
vertragliche Abmachung und kann nur als eine beabsichtigte Provokation aufgefaBt werden,
um Zwischenfalle und Gewaltakte bedenklicher Art herbeizufuhren.
Nach den von mir inzwischen getroffenen Feststellungen, von denen ich Ihnen sogleich am
Sonnabend, dem 5. d. M. vormittags, telephonisch Mitteilung machte, ist von keiner Stelle,
insbesondere von keiner Dienststelle des Landeszollamts der Freien Stadt Danzig, eine
Anordnung des Inhalts gegeben worden, daB die Danziger Ausfuhrungsorgane sich vom 6.
August, 7 Uhr frlih ab, der Ausiibung der Kontrollfunktionen durch einen gewissen Teil der
polnischen Zollinspektoren zu widersetzen haben. Ich verweise auBerdem auf mein P94i
Schreiben vom 3. Juni d. J., 222 in dem ich bereits das Verhaltnis der Danziger
Zollbeamtenschaft zu den polnischen Zollinspektoren an der Grenze genau prajudizierte.
Die Danziger Regierung protestiert mit aller Entschiedenheit gegen die von der Polnischen
Regierang angedrohten Retorsionen, die sie als vollig unzulassige Drohung ansieht und deren
Folgen allein auf die Polnische Regierung zuriickf alien.
Genehmigen Sie, usw.
Greiser
Nr. 435
Aufzeichnung eines Beamten der Politischen Abteilung
des Auswartigen Amts
Berlin, den 23. August 1939
Vizekonsul von Grolman, Deutsches Generalkonsulat Danzig, teilte soeben fernmundlich
folgendes mit:
Gegen 14.25 Uhr ist die fahrplanmaBige Verkehrsmaschine Berlin-Danzig-Konigsberg in der
Nahe von Heisternest, auf der Halbinsel Hela, von polnischer Seite scharf beschossen worden.
Die Maschine befand sich etwa sechs Seemeilen von der Kiiste entfernt und flog in einer
Hohe von etwa 50 m. Die Schiisse lagen etwa je 50 m seitlich der Maschine sowie vor dem
Flugzeug. Nur durch Zufall wurde das Flugzeug nicht getroffen.
(WeisungsgemaB fliegen die deutschen Verkehrsmaschinen seit gestern abend nicht mehr
durch die vorgeschriebenen Zonen liber den polnischen Korridor, sondern miissen den
Umweg liber die Ostsee machen.)
Bergmann
Nr. 436
Aufzeichnung eines Beamten der Politischen Abteilung
des Auswartigen Amts
Berlin, den 24. August 1939
AuBer der bereits gestern gemeldeten 221 BeschieBung des Lufthansa-Flugzeugs D-APUP vor
Hela sind bei der Deutschen Lufthansa noch zwei weitere Meldungen liber BeschieBung von
Flugzeugen eingegangen:
1. Das Flugzeug D-APUP, Typ Savoia, Flugzeugfuhrer Bohner, ist auf dem Flug von Danzig
nach Berlin um 13.15 Uhr von Hela aus und auch von einem 40 km von der Kiiste liegenden
polnischen Kreuzer durch Flak beschossen worden. Die Entfernung des Flugzeuges von der
Halbinsel Hela betrug 15 bis 20 km, die Flughohe 1.500 m. Sprengwolken von 8 Schiissen
wurden in groBerer Entfernung von der Maschine beobachtet.
13951 2. Das Flugzeug D-AMYO, Typ Ju 86, Flugzeugfiihrer Neumann, wurde auf dem Flug
von Danzig nach Berlin urn 16 Uhr von der Halbinsel Hela aus beschossen. Entfernung von
der Kiiste 5 bis 6 Seemeilen, Flughohe 1 .200 m. Die Schusse lagen zu kurz und zu tief.
Schultz-Sponholz
Nr. 437
Der Deutsche Generalkonsul in Danzig an das Auswartige Amt
Telephonische Mitteilung vom 31. August 1939 0.40 Uhr
Am 30. August 1939 etwa gegen 22.30 Uhr wurden an der Danziger Grenze bei SteinflieB
nordlich Zoppot von polnischer Seite aus eine Anzahl Schusse gegen Danziger Gebiet
abgegeben.
Ob diese Schusse Personen- oder Sachschaden angerichtet haben, konnte bisher nicht
festgestellt werden. Nahere Mitteilung erfolgt heute vormittag.
Anhang
Das Oberkommando der Wehrmacht an das Auswartige Amt
Berlin, den 3. November 1939
Die nach AbschluB der militarischen Operationen in Danzig eingeleitete Untersuchung liber
den militarischen Zustand der Westerplatte und der ehemals polnischen Gebaude in Danzig
hat zu folgendem Ergebnis gefuhrt:
1. Die polnische Besatzung der Westerplatte betrug rund 240 Mann.—
An Befestigungsanlagen m befanden sich auf der Westerplatte auBer einem alten deutschen
offenen Stand aus dem Jahre 1911, in dem 3 oder 4 Maschinengewehre mit mindestens
10.000 SchuB Munition vorgefunden wurden, 5 Maschinengewehr-Beton-Bunker, die
offensichtlich von den Polen von langer Hand vorbereitet und nach einem wohldurchdachten
System der gegenseitigen Flankierung errichtet worden waren. AuBerdem war die neue
Kaserne zur Rundum-Verteidigung eingerichtet und ihr UntergeschoB ebenso wie das
KellergeschoB des sogenannten Unteroffizier-Hauses betoniert ausgebaut und zur
Verteidigung hergerichtet. SchlieBlich wurden u. a. vorgefunden: eine 7,5 cm-Kanone und 2
Panzerabwehr-Kanonen sowie eine Reihe von feldmaBig ausgebauten Maschinengewehr-
Nestern, Palisaden und Schutzenlochern in feldmaBigem Ausbau.
13961 2. An polnischen Stutzpunkten befanden sich innerhalb Danzigs:
1. Polnische Post, Heveliusplatz,
2. Hauptbahnhof und polnische Bahnpost,
Es wurden u. a
3. Polnische Eisenbahndirektion,
4. Polnische Diplomatische Vertretung, Neugarten,
5. Polnische Zollinspektion, Opitzstr.,
6. Polnisches Pfadfinderheim, Jahnstr.,
7. Polnischer Wohnblock, Neufahrwasser, Hindoriusstr.,
8. Polnisches Studentenheim Langfuhr,
9. Polnisches Gymnasium,
bei der Besetzung der Gebaude festgestellt und sichergestellt:
1. in der polnischen Post: 3 leichte Maschinengewehre, 44 gefullte und 13 leere
Rahmen flir leichte Maschinengewehre, 30 Armeepistolen, 1 Trommelrevolver, 1
Sack Infanterie- und Pistolenmunition, 150 Eierhandgranaten, 2 Hollenmaschinen,
Handwaffen von 38 Gefangenen,
2. im Hauptbahnhof: 1 leichtes Maschinengewehr und kleine Waffen,
3. in der Bahnpost: 1 Maschinengewehr, 18 Pistolen, 4 Gewehre mit Munition, 2
Kisten Handgranaten,
4. in der polnischen Eisenbahndirektion: 45 Pistolen, 2.600 SchuB Munition,
5. in der Polnischen Diplomatischen Vertretung, Neugarten: 1 leichtes
Maschinengewehr, 5 Gewehre, 4 Pistolen und Munition,
6. in der polnischen Zollinspektion, Opitzstr.: 15 Gewehre und 1.000 SchuB Munition,
7. in dem polnischen Pfadfinderheim: 1 Maschinengewehr mit Munition und 20
Gummiknuppel.
In samtlichen anderen Stutzpunkten sind teils Gewehre, teils Pistolen sowie Munition
gefunden worden.
Der Chef des Oberkommandos der Wehrmacht
Im Auftrage
Burkner
Anmettuittaen:
TIC pp
Uber die militarischen Vorbereitungen Polens auf der Westerplatte vgl. den Anhang zu
diesem Abschnitt S. 395. ...zuruck...
216 Diese Noten behandelten den Zwischenfall in Kalthof. ...zuriick...
In dieser Note hatte die Polnische Regierung festgestellt, daB sie keinerlei Einschrankung
der polnischen Zollrechte durch "vollendete Tatsachen" dulden werde, und weiter eine
Untersuchung des "Uberfalls", Entschadigung der polnischen Zollinspektoren in Kalthof
sowie eine "klare und bindende Erklarung" des Senats hinsichtlich der Sicherheitsgarantien
verlangt, die dem "polnischen Volksteil" und den polnischen Beamten in Danzig zu gewahren
seien. ...zuruck...
218 Vgl. Nr. 423 und Anlage . ...zuruck...
219 Vgl. Nr. 424 . ...zuruck...
220 Vgl. Nr. 423, Anlage . ...zuruck...
221 Vgl. Nr. 435 . ...zuruck...
777
Nach dem BeschluB des Volkerbundsrates vom 9. Dezember 1925 stand Polen das Recht
zu, auf der Westerplatte eine militarische Wachabteilung von 2 Offizieren, 20 Unteroffizieren
und 66 Mann zu unterhalten (vgl. Nr. 22) . ...zuruck...
77^
Durch den BeschluB des Volkerbundsrates vom 14. Marz 1924, auf den in § 2 des
Provisorischen Abkommens zwischen Danzig und Polen betreffend die Westerplatte vom 4.
August 1928 Bezug genommen ist, wurde die Westerplatte der Polnischen Regierung
ausschliefilich als Lagerplatz fur Kriegsmaterial zur Verfugung gestellt. Im librigen blieb die
Souveranitat Danzigs liber das Gebiet unberiihrt, was auch von der Polnischen Regierung
anerkannt worden war (vgl. das dem Volkerbundsrat am 8. Dezember 1927 vom
Ratsberichterstatter vorgelegte Rechtsgutachten der Juristen Sir Cecil Hurst und Pilotti;
Societe des Nations. Journal Officiel 1928 p. 161/162. ...zuruck...
Viertes Kapitel (Forts.)
Polen als Werkzeug des Englischen Kriegswillens
B. Die letzte Phase
der Deutsch-Polnischen Krise
Nr.438
Erklarung des Britischen Premierministers Chamberlain
im Unterhaus, 10. Juli 1939
(Ubersetzung)
Ich habe schon fruher festgestellt, daB die Regierung Seiner Majestat mit der Polnischen und
der Franzosischen Regierung hinsichtlich der Danziger Frage in enger Flihlungnahme steht.
Ich habe den Informationen, die dem Haus bereits liber die dortige Lage gegeben worden
sind, gegenwartig nichts hinzuzufligen. Aber es ist vielleicht von Nutzen, wenn ich die
einzelnen Teile dieser Frage, so wie sie sich der Regierung Seiner Majestat darstellen, noch
einmal betrachte.
VolksmaBig ist Danzig fast vollig eine deutsche Stadt; aber der Wohlstand seiner Bewohner
hangt in sehr hohem MaBe vom polnischen Handel ab. Die Weichsel ist der einzige
Wasserweg, der Polen mit der Ostsee verbindet, und der Hafen an seiner Mlindung hat
natlirlich flir Polen eine lebenswichtige strategische und wirtschaftliche Bedeutung. Eine
andere Macht, die sich in Danzig festsetzt, konnte, wenn sie wollte, Polens Zugang zur See
sperren und auf diese Weise einen wirtschaftlichen und militarischen Druck auf Polen
ausliben. Die flir die Ausarbeitung des heutigen Statuts der Freien Stadt Verantwortlichen
waren sich dieser Tatsache durchaus bewuBt und taten ihr Bestes, um entsprechende
Vorkehrungen zu treffen. Uberdies kann von einer Bedrlickung der deutschen Bevolkerung
Danzigs keine Rede sein. Die Verwaltung der Freien Stadt liegt im Gegenteil in deutschen
Handen und die einzigen ihr auferlegten Beschrankungen sind nicht so geartet, daB sie die
Freiheit ihrer Burger beschneiden. Obwohl die heutige Regelung einer Verbesserung
zuganglich sein mag, kann sie doch an sich nicht als ungerecht oder unlogisch angesehen
werden. Die Aufrechterhaltung des status quo ist in der Tat vom Deutschen Reichskanzler
selbst bis 1944 durch den zehnjahrigen Vertrag, den er mit Marschall Pilsudski abgeschlossen
hatte, garantiert worden.
Bis zum letzten Marz schien Deutschland der Ansicht zu sein, daB, obschon die Stellung
Danzigs letztlich vielleicht einmal revidiert werden miisse, diese Frage weder dringend sei
noch geeignet, zu einem ernsthaften Konflikt zu fiihren. Aber als dann die Deutsche
Regierung im Marz ein Angebot in Form gewisser Wiinsche machte, das von einer
Pressekampagne begleitet wurde, erkannte die Polnische Regierung, daB sie sich unter
Umstanden schon sehr schnell einer einseitigen Losung gegenubersehen konnte, der sie sich
mit alien Machtmitteln zu widersetzen haben wurde. Sie hatte die Ereignisse in Osterreich, in
der Tschecho-Slowakei und im Memelland vor Augen. Demzufolge lehnte sie es ab, den
deutschen Standpunkt anzunehmen und machte ihrerseits Vorschlage fur eine mogliche
Losung der Probleme, an denen Deutschland interessiert war. Am 23. Marz ordnete Polen
gewisse DefensivmaBnahmen an, und am 26. Marz schickte es seine Antwort nach Berlin. Ich
bitte das Haus, sich diese Daten sorgfaltig zu merken. Es ist in Deutschland offen erklart
worden, daB es die britische Garantie gewesen sei, die die Polnische Regierung P98i dazu
ermutigt habe, die vorstehend bezeichnete Aktion zu unternehmen. Es muB jedoch festgestellt
werden, daB unsere Garantie erst am 31. Marz gegeben wurde; am 26. Marz war dariiber der
Polnischen Regierung gegeniiber noch nicht einmal Erwahnung getan worden.
Kiirzliche Vorfalle in Danzig haben unvermeidlicherweise Befurchtungen aufkommen lassen,
daB beabsichtigt wird, den kunftigen Status der Freien Stadt durch einseitiges Vorgehen, das
durch heimliche Methoden organisiert wurde, zu regeln und so Polen und die anderen Machte
vor ein fait accompli zu stellen. Unter diesen Umstanden wiirde, gibt man zu verstehen, jede
MaBnahme, die Polen zur Wiederherstellung der Sachlage ergreift, als eine von ihm
unternommene Angriffshandlung hingestellt werden, und, wenn seine Aktion durch andere
Machte unterstutzt wiirde, dann wiirden diese ihrerseits bezichtigt werden, Polen bei der
Gewaltanwendung zu helfen und Vorschub zu leisten.
Wenn sich die Ereignisse in der Tat so abspielen sollten, wie es diese Hypothese vorsieht,
werden sich die ehrenwerten Herren auf Grand dessen, was ich fraher sagte, dariiber klar sein,
daB der Fall nicht als rein lokale Angelegenheit angesehen werden kann, die nur die Rechte
und Freiheiten der Danziger betrifft, die, nebenbei gesagt, in keiner Weise bedroht sind; sie
wiirde vielmehr sofort ernstere, die nationale Existenz und Unabhangigkeit Polens beriihrende
Fragen aufwerfen. Wir haben garantiert, Polen flir den Fall einer klaren Bedrohung seiner
Unabhangigkeit beizustehen, die ihm einen Widerstand mit seinen nationalen Streitkraften
lebenswichtig erscheinen lieBe, und wir sind fest entschlossen, dieses Versprechen zur
Ausfuhrung zu bringen.
Ich habe bereits gesagt, daB die heutige Regelung weder grundsatzlich ungerecht noch
unlogisch ist; sie mag Verbesserungen zuganglich sein. Uber die moglichen Verbesserungen
konnte man vielleicht in einer klaren Atmosphare verhandeln. Oberst Beck hat denn auch
selbst in seiner Rede vom 5. Mai gesagt, daB alle Besprechungen moglich seien, wenn die
Deutsche Regierung sich an zwei Bedingungen halte, namlich an friedliche Absichten und
friedliche Methoden des Vorgehens. Der Deutsche Reichskanzler hat in seiner Reichstagsrede
vom 28. April gesagt, daB, wenn die Polnische Regierung zu einer neuen vertraglichen
Regelung der Beziehungen zu Deutschland kommen wolle, er dies nur begruBen wiirde. Er
fiigte hinzu, daB eine solche Regelung dann auf einer ganz klaren und beide Teile gleichmaBig
bindenden Verpflichtung beruhen muBte.
Die Regierung Seiner Majestat ist sich darliber klar, daB die jungsten Ereignisse in der Freien
Stadt das Vertrauen gestort und es flir den Augenblick schwer gemacht haben, eine
Atmosphare zu finden, in der verniinftige Ratschlage die Oberhand gewinnen konnen.
Angesichts dieser Lage ist die Polnische Regierung ruhig geblieben, und die Regierung Seiner
Majestat hofft, daB die Freie Stadt mit ihren alten Uberlieferungen wieder einmal, wie schon
friiher in ihrer Geschichte, beweisen wird, daB verschiedene Nationalitaten zusammenarbeiten
konnen, wenn ihre wirklichen Interessen zusammenfallen. Inzwischen verlasse ich mich
darauf, daB alle Beteiligten ihre Entschlossenheit erklaren und zeigen werden, keinerlei
Zwischenfalle im Zusammenhang mit Danzig einen derartigen Charakter annehmen zu lassen,
daB eine Bedrohung des Friedens von Europa daraus erwachsen konnte.
T3991
Nr. 439
Aufzeichnung des Staatssekretars des Auswartigen Amts
Berlin, den 13. Juli 1939
Gelegentlich einer Unterhaltung mit dem Franzosischen Botschafter, der mich aus anderem
AnlaB aufsuchte, brachte ich das Gesprach auf die jungste Rede des Britischen
Premierministers.— Ich erklarte Herrn Coulondre, daB mir diese Rede als ein schadliches
Novum erscheine. Herr Chamberlain gebe zwar in seiner Erklarung an, wenn eine bessere
politische Atmosphare geschaffen sei, konnte vielleicht liber das deutsch-polnische Problem
eine Einigung entstehen. Er selber tue aber das seinige, um die Atmosphare zu verschlechtern
und die Parteien noch weiter zu trennen. Die Polen ermutige er zur Hartnackigkeit und
Gereiztheit, die deutsche Politik aber versuche er einzuschuchtern, was bei uns bekanntlich
den umgekehrten Erfolg habe. Sein ganzes politisches Gebaude aber baue Chamberlain auf
einem Irrtum auf, er behaupte namlich, Deutschland habe den Status quo in Danzig bis zum
Jahre 1944 garantiert. Die Mitarbeiter von Chamberlain hatten doch vorher ihre Nase in die
Akten stecken konnen, ehe sie ihrem Chef einen solchen Fehler unterbreiteten.
Coulondre wollte dann die polnische Haltung als eine gemessene hinstellen. Ich bestritt ihm
das, verwies ihn auf die polnischen Kommentare zur Chamberlain-Erklarung und sagte ihm,
meines Erachtens habe eine englische Zeitung recht, die vor wenigen Tagen geschrieben
habe, nicht die Geheimdiplomatie sei schuld an Krisen, sondern die offentliche; die britischen
Kabinettsmitglieder sollten ihre deutschen Kollegen nachahmen und nun einmal in die Ferien
gehen.
Weizsacker
Nr. 440
Aufzeichnung des Staatssekretars des Auswartigen Amts
Berlin, den 14. Juli 1939
Der Britische Botschafter machte mir heute nach seinem kurzen Londoner Aufenthalt einen
amtlichen Besuch, bei dem sich das Gesprach natiirlich wieder in erster Linie urn die
allgemeine Lage drehte. Die beiderseitigen Ausfuhrungen bewegten sich in der ublichen
Bahn. DaB die letzte Chamberlain-Erklarung einen Riickschlag und keine Besserung der
internationalen Atmosphare bewirkt hat, bestritt der Botschafter nicht, gab es aber auch nicht
ausdriicklich zu. Er arbeitete, wie man das gegenwartig haufig horen kann, mit dem
Argument, daB im Jahre 1914 Sir Edward Grey nach einer verbreiteten Auffassung sich und
die Britische Regierung in schuldhafter Weise in eine Nebelwolke gehullt hatte. Diesen
Vorwurf wollte sich die jetzige Englische Regierung ersparen. Andererseits verstand Nevile
Henderson sehr gut, daB offentliche Erklarungen dieser Art dem Verbundeten, in diesem Falle
Polen, lediglich den Riicken starken, statt ihn zur Besinnung zu bringen.
An einer Stelle des Gesprachs erwahnte Henderson als ein Symptom der Lage, daB in
Deutschland doch jetzt Reservisteneinziehungen ausgeschrieben worden seien. Ich erwiderte
hierauf, Tatsache sei, daB in Frankreich und in mo] Polen Mannschaften in Hohe von etwa V2
Million liber den normalen Stand unter den Fahnen seien, wahrend die in unseren Zeitungen
ausgeschriebenen Reservisteneinziehungen nur das darstellten, was jedes stehende Heer im
Sommer zu tun pflege. Ich fiigte noch hinzu, die britische AuBenpolitik schiene mir im
ubrigen in vollen Kriegsvorbereitungen zu sein und sich nach Alliierten umzusehen, wo
immer moglich, wenn auch nicht mit durchschlagendem Erfolge. Henderson verbreitete sich
dann weiter liber die allgemeine Lage und schloB seine Betrachtungen mit seinem Vertrauen
auf das politische Genie des Flihrers, Schwierigkeiten und Konflikte im richtigen Moment
unblutig zu losen.
Weizsacker
Nr. 441
Der Deutsche Botschafter in Warschau an das Auswartige Amt
Telegramm
Warschau, den 21. Juli 1939
Interview Marschalls Smigly-Rydz mit amerikanischer Journalistin— bestatigt, daB eine
Anderung in polnischer Einstellung zu grands atzlichen Fragen Danziger Problems nicht
eingetreten ist. Die gegen die deutschen "AnschluBplane" gerichteten Ausfuhrungen des
Marschalls, die in ihrer scharfen Formulierung fast noch liber die Rede Becks vom 5. Mai
hinausgehen, sind hier offenbar als notwendig empfunden worden, weil man den Eindruck
hatte, daB die Anfang des Monats der hiesigen Presse auferlegte Reserve im Ausland vielfach
als Zeichen der Schwache gedeutet worden ist. Die wiederholte Betonung, daB Polen
notigenfalls auch ohne Bundesgenossen wegen Danzig zu den Waffen greifen wlirde, soil die
das polnische Selbstgeflihl verletzende These entkraften, daB Polens Bereitschaft zur Abwehr
erst durch englische Garantie hervorgerufen worden sei, und soil gleichzeitig den
befreundeten Machten gegenliber feststellen, daB der polnischen Verhandlungsbereitschaft
bestimmte Grenzen gesetzt sind. Auch der Zeitpunkt der Veroffentlichung des Interviews am
Tage des Eintreffens des Generals Ironside ist in diesem Zusammenhang interessant.
Moltke
T4011
Nr. 442
Der Deutsche Botschafter in Warschau an das Auswartige Amt
Bericht
Warschau, den 22. Mi 1939
Der Kommentar zum Interview des Marschalls Smigly-Rydz, der gestern abend auf der
Pressekonferenz des Polnischen AuBenministeriums der Auslandspresse mitgeteilt und
danach durch den polnischen Rundfunk verbreitet worden ist, unterstreicht erneut die
besondere Bedeutung, die man polnischerseits den Ausfuhrungen des Marschalls beigelegt
wissen will. Die Tatsache, daB der Marschall, der bisher noch niemals ein Interview gegeben
hat, sich an die internationale Offentlichkeit wendet, ist an sich schon auffallend genug und
beweist, wie sehr das Militar, in der Person des Obersten Heerfuhrers, unmittelbar in die
AuBenpolitik eingreift. DaB das Interview offenbar nicht im AuBenministerium verfaBt,
vielleicht mit diesem nicht einmal im Wortlaut vereinbart worden ist, zeigen einige
Wendungen des Marschalls, so z. B. liber die Beziehungen zu RuBland, die in dieser Form
von Herrn Beck kaum benutzt worden waren.
Ich habe bereits anderweitig darauf hingewiesen, daB die Ausfuhrungen des Marschalls
Smigly-Rydz sich teilweise an die Bundesgenossen, und zwar in erster Linie an England,
wenden und zum Ausdruck bringen sollen, daB Polen in der Danziger Frage zu keinerlei
Konzessionen bereit ist, auch wenn es allein bleibt und ohne Bundesgenossen kampfen
mliBte. In der Presse sowie in dem erwahnten Kommentar des Polnischen AuBenministeriums
wird aber in erster Linie die Bedeutung des Interviews flir die deutsche Offentlichkeit und fur
die deutschen Regierungsstellen unterstrichen, denen gegeniiber das Interview "das letzte
Wort" sei.
von Moltke
Nr. 443
Der Deutsche Botschafter in Warschau an das Auswartige Amt
Telegramm
Warschau, den 22. Juli 1939
Der Besuch Generals Ironside hat wohl vorwiegend demonstrative Bedeutung. Da offenbar
liber Zusammenarbeit zwischen polnischer und englischer Armee wenig zu vereinbaren war,
worauf schon das Fehlen eines entsprechenden Stabes von technischen Experten hindeutet,
kam es England anscheinend in erster Linie darauf an, hier wenigstens ein sichtbares Zeichen
der militarischen Beistandsbereitschaft zu geben, insbesondere nachdem der Plan eines Non-
Stop-Fluges englischer Flugzeuge aufgegeben werden muBte.
Polen haben alles getan, um ihren Gast durch besonders ehrenvolle Aufnahme auszuzeichnen.
Auffallend ist, daB der englische General nach Mitteilungen der polnischen Presse geplanten
zweitagigen Besuch in das Gebiet der neuen Rlistungsindustrie nicht ausgefiihrt hat. Ob es
richtig ist, hierin die Auswirkung von MiBstimmungen zu erblicken, erscheint mir
zweifelhaft. Tatsache ist aber wohl, daB in den englisch-polnischen Beziehungen nicht alles
nach Wunsch geht. Schon das Interview des polnischen Marschalls, in dem dieser, offenbar
nicht ganz im Einklang mit Minister Beck, die Ansatze zu r402i einer gewissen
atmospharischen Entspannung gerade am Tage der Ankunft des Generals Ironside durch
Wiederaufnahme einer scharfen Sprache unterbrach, verriet ein gewisses MiBtrauen
hinsichtlich der Bereitschaft zur restlosen Unterstiitzung polnischen Standpunktes in Danziger
Frage. Ferner verlautet, daB das bisherige Ergebnis der englisch-polnischen
Anleiheverhandlungen recht erheblich hinter den hiesigen Wunschen zuriickbleibt und daB
die hieruber entstandene Verstimmung ein wichtiger Gegenstand der Warschauer
Besprechungen mit englischem General gebildet hat. Wie ich hore, soil es den Polen gelungen
sein, General Ironside von der Notwendigkeit einer weiteren, und zwar sehr erheblichen
Verstarkung polnischer Rustungen zu uberzeugen. Zweifelhafter Ausgang Moskauer
Verhandlungen und polnische These, daB Ausbau polnischer Bastion wichtiger sei als
fragliche Sowjethilfe, scheinen hierbei eine bedeutende Rolle gespielt zu haben.
Moltke
Nr. 444
Der Deutsche Botschafter in Warschau an das Auswartige Amt
Bericht
Warschau, den 1. August 1939
Die Bevolkerung Polens hat den seit nunmehr vier Monaten andauernden Zustand der
Teilmobilisierung und politischen Unsicherheit ertragen, ohne daB es bisher zu einem
Zusammenbruch oder auch nur wesentlichen Abflauen der Stimmung gekommen ware. Der
alte HaB gegen alles Deutsche und die Uberzeugung, daB es Polens Schicksal ist, mit
Deutschland die Waffen zu kreuzen, sitzen zu tief, als daB die einmal angefachten
Leidenschaften sobald wieder zusammensinken konnten.
Wenn man dieser Einheitlichkeit der Stimmung der polnischen Bevolkerung auf den Grand
gehen will, ist es wichtig, sich die besondere Straktur der polnischen Bevolkerung zu
vergegenwartigen.
Die polnische Intelligenz stammt groBtenteils aus Bevolkerangsschichten, die vor dem
Weltkrieg und wahrend des Krieges den revolutionaren Kampf gegen die sogenannten
Teilungsmachte gefuhrt hatten. Diese polnische Intelligenz verwaltet heute den Staat, ihre
einzige Existenzbasis ist die Staatsstellung. Sie fiihlt sich als Haupttrager des nationalen
Gedankens und der polnischen Staatsidee und ist auch infolge ihrer nationalrevolutionaren
Tradition von einem nationalen Fanatismus erfullt, der durch gegnerische Propaganda nicht so
leicht zu erschuttern ist. GroBgrundbesitz und GroBburgertum, zahlenmaBig an sich zu
unbedeutend, um als besonderer Faktor bewertet zu werden, bleiben schon wegen ihrer
starken Verbundenheit mit der franzosischen Kultur in ihrer Abneigung gegen Deutschland
hinter den ubrigen Kreisen der Intelligenz nur wenig zuriick.
Die groBe Masse des polnischen Landvolkes ist stumpf und unwissend, zum groBen Teil
analphabetisch und von jeder Regierung leicht zu lenken, die sich mit klaren nationalen
Parolen an sie wendet. Pfarrer und Lehrer sind die Werkzeuge, mit deren Hilfe die politisch
gestaltlose Masse der Dorfbewohner geleitet und beeinfluBt wird. Auch die fortgeschrittenere
Schicht der bauerlichen Bevolkerung stent im deutschfeindlichen Lager.
j403i Die polnische Arbeiterschaft, die in sehr gedriickten sozialen Verhaltnissen lebt, ist
iiberwiegend marxistisch eingestellt und stent schon daher dem nationalsozialistischen
Deutschland feindlich gegeniiber. Ihre politische Organisation hat iiberdies alte Traditionen
aus dem nationalen Freiheitskampf, die ihr das Zusammengehen mit biirgerlichen
Nationalisten im Kampf gegen Deutschland erleichterten.
Ein eigenvolkisches Kleinburgertum ist in Polen fast nicht vorhanden. Seine Stelle wird von
einer starken judischen Mittelschicht eingenommen, der das NationalbewuBtsein fehlt und der
daher alle Untugenden des Kleinburgertums, wie Neigung zu Angstlichkeit und zum
Geruchtemachen in vervielfachtem MaBe anhaften. Diese judische Mittelschicht Polens ist,
soweit es sich um den Kampf gegen Deutschland handelt, ein naturlicher und fanatischer
Bundesgenosse des polnischen Chauvinismus.
Besondere Beachtung verdient die Tatigkeit des polnischen Klerus, dessen EinfluB bei der
starken, noch alle Volksschichten umfassenden Religiositat ungeheuer groB ist. Er stellt sich
fur die personliche Beeinflussung der Bevolkerung im Sinne der polnischen antideutschen
Propaganda um so williger restlos zur Verfiigung, als seine eigenen Ziele sich vollig mit
denen des Staates decken. Er verkiindet dem Volke, daB Polen vor einem heiligen Kriege
gegen das deutsche Neuheidentum steht, und laBt sich an Chauvinismus kaum iibertreffen. So
wird berichtet, daB einzelne Geistliche auf dem flachen Lande schon Gottesdienste flir den
polnischen Sieg abhalten und erklart haben, daB sie nicht flir den Frieden beten konnten, da
sie flir den Krieg seien. Ein vom Kardinal angeordneter Bittgottesdienst flir den Frieden
wurde von den Geistlichen vielfach in der Weise umgestaltet, daB flir einen polnischen Sieg
gebetet wurde. 226
Die Besonderheit der polnischen Bevolkerungsstruktur und die geschickt auf sie eingestellte
Propaganda haben bewirkt, daB in Polen, auch in der Masse der Bevolkerung, der
Widerstandswille offenbar ungebrochen fortbesteht. Die Parolen der Regierungspropaganda
werden blindlings geglaubt; weiteste Kreise sind tatsachlich davon iiberzeugt, daB sich Polen
auf Seiten der kunftigen Sieger befindet, daB in Deutschland die Bevolkerung hungert, daB
taglich Scharen von hungernden deutschen Soldaten und Arbeitsmannern nach Polen
desertieren, daB das deutsche Kriegsmaterial von sehr fragwurdigem Wert sei, daB die
deutsche AuBenpolitik eine Niederlage nach der anderen erleide. Ebenso ist es den polnischen
Propagandastellen gelungen, die offentliche Meinung weitgehend davon zu iiberzeugeil, daB
ein Kampf um Danzig einen Kampf um die Unabhangigkeit Polens bedeutet. Auch in den
Schichten der Intelligenz, die iiber einige Auslandserfahrung verfugen und daher das wahre
Krafteverhaltnis zwischen Deutschland und Polen richtig einzuschatzen vermogen, ist der
Widerstandsgeist noch unvermindert vorhanden. Selbst flir den Fall, daB Polen im Laufe eines
Krieges ganzlich von deutschen Truppen besetzt wurde, ist man davon iiberzeugt, daB Polen
letzten Endes dank dem Siege der Koalition groBer und machtiger denn je wieder erstehen
miisse. Eine gewisse Neigung zum Vabanque-Spiel, die im polnischen Charakter liegt,
verleitet sogar jetzt manche zu der Auffassung, daB Polen, um dem zermurbenden EinfluB der
langdauernden Krise entgegenzuwirken, eher friiher als spater losschlagen solle. Diese ganze
optimistische Einstellung hat freilich zur Voraussetzung, daB das Vertrauen auf die
Bundesgenossen, im besonderen auf England, unerschuttert bleibt. Wenn in dieser Hinsicht
der MiBerfolg der [4041 polnisch-englischen Anleiheverhandlungen unzweifelhaft eine gewisse
Nervositat hervorgerufen hat, so hat andererseits die polnische Propaganda das Ihrige getan,
den Schlag zu parieren. Man wird daher gut tun, diese Vorgange und ihre Riickwirkung nicht
zu uberschatzen.
Die vier Monate der politischen Spannungen und der polnischen Teilmobilisierung haben, wie
aus den vorstehenden Ausfuhrungen hervorgeht, bisher keinen EinfluB auf die moralische und
materielle Widerstandskraft der Polen gehabt. Bei dem Vertrauen der Polen in ihre
Bundesgenossen, das vornehmlich von englischer Seite propagandistisch mit Sorgfalt genahrt
wird, wird auch in der nachsten Zukunft mit einer Wandlung der Grundhaltung der Polen
nicht zu rechnen sein.
von Moltke
Nr. 445
Mitteilung des Staatssekretars des Auswartigen Amts
an den Polnischen Geschaftstrager, 9. August 1939
Die Reichsregierung hat mit groBem Befremden von der Note der Polnischen Regierung an
den Senat der Freien Stadt Danzig Kenntnis erhalten, in der die Zuriicknahme einer
angeblichen - auf unwahren Geruchten beruhenden - Anordnung des Senats zwecks
Verhinderung der polnischen Zollinspektoren an der Ausiibung ihres Dienstes, die in
Wirklichkeit von dem Senat der Freien Stadt gar nicht erlassen war, in ultimativer Form
gefordert wurde. Im Falle einer Weigerung wurden VergeltungsmaBnahmen gegen die Freie
Stadt Danzig angedroht.—
Die Reichsregierung sieht sich veranlaBt, die Polnische Regierung darauf hinzuweisen, daB
eine Wiederholung solcher ultimativer Forderungen an die Freie Stadt Danzig und die
Androhung von VergeltungsmaBnahmen eine Verscharfung in den deutsch-polnischen
Beziehungen herbeifuhren wiirde, fur deren Folgen die Verantwortung ausschlieBlich auf die
Polnische Regierung fallen wiirde und fur die die Reichsregierung schon jetzt jede
Verantwortung ablehnen muB.
Die Reichsregierung lenkt fernerhin die Aufmerksamkeit der Polnischen Regierung auf die
Tatsache, daB die von der Polnischen Regierung getroffenen MaBnahmen zur Verhinderung
der Einfuhr gewisser Waren aus der Freien Stadt Danzig nach Polen geeignet sind, schwere
wirtschaftliche Schadigungen fur die Bevolkerung Danzigs hervorzurufen.
Sollte die Polnische Regierung auf der Aufrechterhaltung derartiger MaBnahmen beharren, so
bliebe nach Auffassung der Reichsregierung nach Lage der Dinge der Freien Stadt Danzig
keine andere Wahl, als sich nach anderen Ausfuhr- und damit auch Einfuhrmoglichkeiten
umzusehen.
Nr. 446
Mitteilung des Unterstaatssekretars im Polnischen AuBenministerium
an den Deutschen Geschaftstrager in Warschau, 10. August 1939
(Ubersetzung)
Die Regierung der Republik Polen hat mit der lebhaftesten Uberraschung von der Erklarung
Kenntnis genommen, die der Staatssekretar im Deutschen Auswartigen Amt dem
Geschaftstrager Polens a. i. in Berlin am 9. August 1939 liber die zwischen Polen und der
Freien Stadt Danzig bestehenden Be- j405i ziehungen gemacht hat. 221 Die Polnische Regierung
kann tatsachlich keine juristische Grundlage erkennen, die eine Einmischung Deutschlands in
die vorgenannten Beziehungen rechtfertigen konnte.
Wenn liber das Danziger Problem zwischen der Polnischen Regierung und der
Reichsregierung Meinungsaustausche stattgefunden haben, so war dies allein in dem guten
Willen der Polnischen Regierung begrlindet und ergab sich keineswegs aus irgendwelcher
Verpflichtung.
In Beantwortung der vorgenannten Erklarung der Reichsregierung ist die Polnische Regierung
gezwungen, die Deutsche Regierung darauf hinzuweisen, daB sie wie bisher auch in Zukunft
gegen jeden Versuch der Behorden der Freien Stadt, die Rechte und Interessen in Frage zu
stellen, die Polen auf Grand seiner Abkommen in Danzig besitzt, vorgehen wird, und zwar
durch Mittel und MaBnahmen, die sie allein flir angebracht halt, und daB sie eventuelle
Einmischungen der Reichsregierung zum Schaden dieser Rechte und Interessen als
Angriffshandlung ansehen wird.
Nr. 447
Der Deutsche Geschaftstrager in Warschau an das Auswartige Amt
Telegramm
Warschau, den 11. August 1939
Zu gestern fernmlindlich durchgegebener Mitteilung Arciszewskis an mich— mitteile
erganzend, daB Herr Beck gestern, ehe mich Arciszewski empfing, Botschafter Englands und
Frankreichs zu sich bestellt hatte. Offenbar hat Beck Wert darauf gelegt, vor Abgabe
Erklarung an uns das Plazet der Bundesgenossen einzuholen.
Wuhlisch
Nr. 448
Der Deutsche Botschafter in London an das Auswartige Amt
Telegramm
London, den 10. August 1939
Ich aufsuchte gestern Lord Halifax, um mien vor Urlaubsantritt von ihm zu verabschieden. Im
Verlauf der Unterhaltung, die im allgemeinen den bei solchen Anlassen ublichen Charakter
trug, fragte Halifax, ob der Notenwechsel zwischen Senat und polnischem Vertreter
Chodacki— sowie die scharfe Sprachfuhrung deutscher Presse eine bedrohliche Verscharfung
der Lage in Danzig herbeigefiihrt hatte. Ich hinwies auf den provozierenden Artikel im
Czas, m der eine scharfe Zuriickweisung erforderlich gemacht hatte, sowie auf die
herausfordernde Sprache Chodackis im Notenwechsel mit Senat. 222 Es j406i zeige sich aufs
neue die Richtigkeit der deutscherseits vertretenen Ansicht, daB es letzthin die - meist
chauvinistischen und unverantwortlich handelnden - lokalen polnischen Stellen seien, in deren
Hand die Entscheidung iiber Krieg und Frieden gelegt sei. In diesen Zustanden kame die
innere Briichigkeit Polens mit seinen auseinanderstrebenden politischen Stromungen zum
Ausdruck.
Halifax behauptete, daB die Britische Regierung ihren EinfluB in Warschau im Sinne der
MaBigung geltend mache. Seine weiteren Ausfuhrungen beschrankten sich auf eine
Wiederholung des Inhalts seiner Rede in Chatham House. 221
Dirksen
Nr. 449
Aufzeichnung des Staatssekretars des Auswartigen Amts
Berlin, den 15. August 1939
Der Franzosische Botschafter meldete sich heute bei mir nach Ruckkehr von seinem Urlaub.
Der Botschafter druckte sich zur Lage etwa folgendermaBen aus und brachte dies ruhig und
bestimmt vor: Frankreich habe seine Stellung bezogen. Sein Verhaltnis zu Polen und zu
England sei bekannt. Ein Konflikt zwischen Deutschland und Polen werde automatisch
Frankreich einbeziehen. Das sei eine Tatsache, kein Wunsch Frankreichs. Vielmehr wiinsche
Frankreich nichts dringlicher als einen deutsch-polnischen Ausgleich, besonders hinsichtlich
Danzigs. Er hoffe, daB einer Regelung dieser Sonderfrage auch eine allgemeine deutsch-
polnische Entspannung folgen wiirde. So sei in kurzen Worten sein Eindruck aus seinen
letzten Gesprachen mit Daladier und Bonnet. Sein frischer Eindruck in Berlin aber sei der
einer gewissen Verscharfung der Lage. Besonders beschaftige ihn, daB in den neuesten
deutschen Auslassungen der Ehrenpunkt wiederholt vorkomme; das bedeute doch
offensichtlich eine ernste Zuspitzung.
Ich habe Coulondre daraufhin bestatigt, daB die Lage eine andere sei als vor seinem
Urlaubsantritt im Juli. Alsdann holte ich ziemlich weit aus und zog die notigen Argumente
heran, um die ungeziigelte selbstmorderische Politik Polens zu kennzeichnen. Ich sprach
Coulondre von der ultimativen Note Polens an Danzig vom Samstag vor 8 Tagen, von der
Aggressivitat in dem vorwochigen Meinungsaustausch zwischen Berlin und Warschau, von
den provokatorischen AuBerungen der gesteuerten polnischen Presse, von den fortgesetzten
Unterdruckungs-, Knebelungs-, Ausweisungs- und ahnlichen MaBnahmen der polnischen
unteren Instanzen (ich zeigte Coulondre dazu eine mir dariiber frisch zugegangene Liste) und
erklarte dieses alles als das faktische Ergebnis der Versprechungen Frankreichs und Englands
an Polen. So also sei die Saat aufgegangen, welche die Westmachte in Polen ausgestreut
hatten.
Coulondre machte dann einen kleinen Ausflug in die Vergangenheit und stellte die englisch-
franzosische Garantieleistung an Polen hin als das unvermeidliche Ergebnis der deutschen
Errichtung des Protektorats in der Tschechei. Im iibrigen behauptete der Botschafter, es
herrsche nach der franzosischen Berichterstattung aus Warschau dort kein Ubermut, vielmehr
bewahre die Polnische Regierung kiihles Blut.
Mil Ich fiihrte nun erhaltenem Auftrag gemaB eine sehr ernste, warnende Sprache und bestritt
Coulondres Darlegungen auf das heftigste. Die Polnische Regierung regiere auBerdem ja gar
nicht. In Paris wisse man anscheinend nicht, was "polnische Wirtschaft" sei. Die Polnische
Regierung sei auch keineswegs bei Verstand, sonst konnten ultimative Drohungen, wie
kurzlich in Danzig, nicht durch polnische Diplomaten ausgesprochen werden. Derartige
Exzesse bewiesen nur den polnischen Glauben an die beiden groBen Brlider im Westen, die
schon helfen wiirden. Wir konnten und wlirden uns eine Fortsetzung eines solchen polnischen
Verhaltens nicht weiter gefallen lassen. Polen ziehe als Amoklaufer sein Schicksal iiber sich
zusammen.
Ich fuhr dann fort, wie jede Dummheit, habe auch die polnische ein gewisses Verdienst:
1. sahen daraus Polens Freunde, was sie selber angerichtet hatten, und
2. befreie Polen seine Freunde damit von ihrer Unterstutzungspflicht,
denn man konne sich ja nicht vorstellen, daB etwa Frankreich oder England zugunsten ihres
wild gewordenen Freundes ihre Existenz aufs Spiel setzen wollten. Ich verstande daher auch
nicht, wieso Coulondre zu Beginn unserer Unterhaltung die franzosische Hilfe an Polen als
eine selbstverstandliche und automatische habe bezeichnen konnen.
Coulondre sprach dann einen Augenblick davon, daB der franzosisch-polnische
Bundnisvertrag durch die diesjahrige Garantie noch verstarkt worden sei, die juristische
Bindung an Polen sei aber nicht ausschlaggebend. Frankreich brauche zu seiner Sicherheit das
Gleichgewicht Europas. Wlirde dies zugunsten Deutschlands gestort, d. h. wiirde Polen jetzt
von uns uberrannt, so kame in absehbarer Zeit Frankreich an die Reihe, oder aber es miisse
herabsinken etwa auf das Niveau von Belgien oder Holland. Frankreich wiirde damit
praktisch zum Vasallen Deutschlands und dieses wolle es eben nicht.
Ich legte dem Botschafter dringend nahe, sich iiber das tatsachliche Verhalten Polens zu
unterrichten und sich von seinem totalen Irrtum iiber das Benehmen seiner Freunde kurieren
zu lassen, dann werde er auch zu den richtigen SchluBfolgerungen kommen.
Als Coulondre mich nach diesen SchluBfolgerungen fragte, sagte ich ihm, Polen miisse den
berechtigten Anspruchen Deutschlands nachkommen und es miisse sein Gesamtverhalten
gegeniiber Deutschland total umstellen.
SchlieBlich meinte der Botschafter, zu einem Druck auf Warschau wie im vorigen Jahr auf
Prag werde seine Regierung sich nicht verstehen. Die Lage sei eine andere als damals.
Ich erwiderte Coulondre trocken, ich hatte ihm bzw. seiner Regierung keine Ratschlage zu
erteilen. Sie moge sich die Tatsachen ansehen und diese sprechen lassen.
Zum SchluB versicherte mich der Botschafter seiner Bereitschaft zu jeder Art von Mitwirkun^
an der Bewahrung des Friedens. Ein europaischer Krieg wiirde enden mit einer Niederlage
aller, auch des heutigen RuBland. Der Sieger ware nicht Stalin, sondern Trotzki.
Weizsacker
Atimectum^en:
224 Vgl. Nr. 438 . ...zuriick...
In dem vom News Chronicle am 19. Juli 1939 veroffentlichten Interview hatte Marschall
Smigly-Rydz zur Danzigfrage unter anderem folgendes geauBert: "Sofern die Deutschen
weiter bei ihren AnschluBplanen beharren werden, wird Polen den Kampf aufnehmen, sogar
wenn es allein und ohne Bundesgenossen sich schlagen sollte. Das ganze Volk ist darin einig.
Wir sind bereit, um die Unabhangigkeit Polens bis zum letzten Mann und zur letzten Frau zu
kampfen, denn wenn wir sagen, daB wir um Danzig kampfen werden, so verstehen wir das so,
daB wir damit um unsere Unabhangigkeit kampfen werden. Danzig ist fur Polen notwendig.
Wer Danzig kontrolliert, kontrolliert unser Wirtschaftsleben. Die Einnahme Danzigs durch
die Deutschen ware eine Handlung, die uns an die Teilung Polens erinnert. Aus diesem
Grande habe ich vor vier Monaten die Mobilisierung angeordnet, als Herr Hitler wiederum
Forderungen betreffs Danzigs und Pommerellens erhob. Glauben Sie mir bitte, daB die
Mobilisierung nicht nur eine Demonstration war. Wir waren damals zum Kriege bereit, wenn
das notwendig gewesen ware. Polens Armee ist nicht so groB wie die deutsche Armee, sie ist
jedoch eine gute Armee. Im Falle eines Krieges wird indessen jeder Mann und jede Frau ohne
Riicksicht auf das Alter polnischer Soldat sein." ...zuriick...
226 Vgl. auch Nr. 392 . ...zuriick...
227 Vgl. Nr. 432 . ...zuriick...
228 Vgl. Nr. 445 . ...zuriick...
229 Vgl. Nr. 446 . ...zuriick...
230 Vgl. Nr. 432 , 433 und 434. ...zuriick...
Die Warschauer Zeitung Czas vom 7. August hatte u.a. folgendes geschrieben: "Die
Geschiitze sind auf Danzig gerichtet, die Polens Ehre schlitzen. Es sollen sich alle klar
dariiber sein, daB diese Geschiitze schieBen, wenn die Behorden der Freien Stadt entgegen den
offensichtlichen Interessen der Danziger Bevolkerung Polen vor irgendwelche vollendet
Tatsachen stellen wollen." ...zuriick...
232 Vgl. Nr. 432 , 433 . ...zuruck...
233 Vgl. Nr. 312 . ...zuruck...
Viertes Kapitel (Fo rts. )
Polen als Werkzeug des Englischen Kriegswillens
B. Die letzte Phase
der Deutsch-Polnischen Krise
Nr. 450
Aufzeichnung des Staatssekretars des Auswartigen Amts
Berlin, den 15. August 1939
Der Britische Botschafter kam heute nach langerer Zeit zu einer Aussprache zu mir. Er fragte
mich ziemlich unvermittelt nach dem Ergebnis des Ciano-Besuches in Salzburg.
Auf Ciano und die Gesprache mit ihm ging ich in meiner Antwort nicht ein. Ich schilderte
ihm aber die Verschlechterung der Lage zwischen Berlin und Warschau und hielt mich etwa
an den Gedankengang, dem ich heute friih auftragsgemaB gegenliber dem Franzosischen
Botschafter gefolgt war. Meine Ausdrucksweise iiber die polnische Politik habe ich
gegenliber Henderson vielleicht noch um eine Kleinigkeit scharfer gewahlt als gegenliber
Coulondre.
Henderson knlipfte an die Zollinspektorenfrage— die Behauptung deutschen
Waffenschmuggels und einer weitgehenden Militarisierung Danzigs, womit polnische Rechte
und Interessen berlihrt seien, ohne daB Polen remonstriert habe. Ich bestritt auf das
energischste, daB die militarischen MaBnahmen in Danzig unberechtigt seien. Danzig mache
nichts anderes, als daB es sich gegen seinen Beschlitzer schlitze. Das werde wohl doch noch
erlaubt sein. Im librigen flihrte ich wieder aus, wie die britische Politik der Polnischen
Regierung Narrenfreiheit gegeben habe, welche sich die Polen nunmehr ungezligelt zunutze
machten. England mlisse jetzt erkennen, wohin seine sogenannte Einkreisungspolitik geflihrt
habe, und werde doch wohl schwerlich geneigt und verpflichtet sein, sich von seinen wild
gewordenen polnischen Freunden ins Ungllick flihren zu lassen.
Auch bei dem Gesprach mit Henderson heute nachmittag ergab sich wieder ein fundamentaler
Unterschied in der Auffassung von der Haltung der Polen. Henderson bzw. seine Regierung
behauptet, Polen sei vernlinftig und ruhig, und bestreitet, daB Polen in der Lage ware, einen
Angriffsakt gegen Deutschland zu begehen. In alien anderen Fallen eines deutsch-polnischen
ZusammenstoBes aber sei die Britische Regierung zur Waffenhilfe verpflichtet und zu dieser
fest entschlossen. Im librigen werde Polen Schritte von groBer Tragweite nicht tun, ohne sich
des Londoner Einverstandnisses zu versichern.
Ich fragte darauf den Botschafter, ob etwa das Londoner Einverstandnis zu der Drohnote an
Danzig 231 oder zu der polnischen Erklarung von Mitte voriger Woche an uns— oder zu all den
provokatorischen Reden und Artikeln und zu der fortgesetzten Bedrangung der deutschen
Minderheit vorliege. Das MaB unserer Geduld sei bis an den Rand geflillt. Die Politik eines
Landes wie Polen setze sich aus tausend Provokationen zusammen. Ob England wohl damit
rechne, Polen von jeder neuen Unbesonnenheit zurlickhalten zu konnen? Es sei doch alles
pure Theorie, wenn England glaube, Polen in der Hand zu haben, solange Warschau sich von
London gedeckt fiihle. Umgekehrt liege es.
Alsdann hatte ich noch gegeniiber dem Botschafter die Behauptung zu dementieren, daB
durch unseren Generalkonsul in Danzig verscharfende Instruktionen nach Danzig gelangt
seien. Ich bezeichnete diese dem Botschafter hinterbrachte Behauptung als eine glatte Luge.
14091 Der Botschafter ging dann zu der Frage iiber, ob nicht das Problem Danzig so lange
verschoben werden konne, bis es in einer ruhigeren Atmosphare losbar sei. Er verspreche sich
dann auch flir uns einen besseren Erfolg. Henderson meinte, ich wiirde ihm auf diese Frage
wohl nicht antworten konnen. Ich erwiderte ihm aber damit, seine Frage sei eine rein
theoretische, denn eine Verschiebung wiirde in Polen zu nichts anderem ausgeniitzt werden,
als das Unheil noch zu vergroBern, was es jetzt schon anrichte, so daB von einer Verbesserung
der Atmosphare gar keine Rede ware.
Henderson meinte dann, ob denn nicht deutsch-polnische Verhandlungen zu fiihren waren, zu
denen wir den AnstoB geben konnten. Hierauf erinnerte ich Henderson daran, daB Beck in
seiner letzten Parlamentsrede sich wie ein Pascha auf den Diwan gesetzt habe mit der
Erklarung, wenn Deutschland sich den polnischen Prinzipien anpasse, so sei er bereit, in
diesem Rahmen Vorschlage gnadig entgegenzunehmen. AuBerdem hatte j a gerade in der
vorigen Woche die Polnische Regierung erklart, daB jede deutsche Initiative auf Kosten
polnischer Anspruche als eine Angriffshandlung anzusehen ist. Ich sahe also keinen Raum fur
eine deutsche Initiative.
Henderson deutete dann noch auf eventuelle spatere umfassende deutsch-englische
Erorterungen in groBen Fragen wie Kolonien, Rohstoffe usw. hin, sagte aber gleichzeitig, die
Lage sei doch viel schwieriger und ernster als im Vorjahre, denn Chamberlain konne nicht
noch einmal bei uns angeflogen kommen.
Ich erklarte mich meinerseits auBerstande, andere Ratschlage zu geben, als daB Polen in dem
akuten Problem Danzig und in seinem gesamten Verhalten zu uns schleunigst Vernunft
annehmen miisse.
Henderson verlieB mich mit dem Gefiihl vom Ernst und der Dringlichkeit der Lage.
Weizsacker
Nr. 451
Aufzeichnung des Staatssekretars des Auswartigen Amts
Berlin, den 18. August 1939
Der Britische Botschafter war heute bei mir, um mir zu sagen, er werde voraussichtlich am
nachsten Dienstag nach Salzburg fliegen. Am Mittwoch sei das Hauptrennen der Motorradler,
an welchem auch eine Reihe von Englandern teilnahmen.
Zur politischen Lage iibergehend, bemerkte Henderson wieder, er sei iiberzeugt, Polen werde
sich zu keinen Provokationen hinreiBen lassen. Dafiir werde die Britische Regierung schon
sorgen.
Ich muBte bei Sir Nevile Henderson wieder eine vollige Verkennung des polnischen
Verhaltens gegen die Deutschen feststellen und erklarte ihm den wahren Tatbestand. Wir
stellten in dieser Hinsicht eine grundliche Meinungsverschiedenheit zwischen den britischen
und deutschen Informationen und Auffassungen fest. Henderson sagte dann nochmals mit
allem Nachdruck, man moge sich doch in Deutschland nicht dem Irrtum hingeben, als werde
England den Polen keine Waffenhilfe leihen. Er kenne doch die heutige Lage in England.
Weizsacker
[410]
Nr. 452
Der Deutsche Geschaftstrager in Washington an das Auswartige Amt
Bericht
Washington D. C, den 21. August 1939
Wie ich zuverlassig erfahre, hat Mr. Bevin, Generalsekretar der "Transport and General
Workers Union of Great Britain", der sich gegenwartig in New York als Delegierter zum
KongreB flir demokratische Erziehung aufhalt, gegeniiber einem amerikanischen Freunde die
Meinung ausgedriickt, daB der Krieg unvermeidlich sei, es sei denn, Deutschland gabe nach.
Dies begriindet Bevin damit, daB er und seine Gewerkschaftskollegen die fuhrenden Leute in
der Britischen Regierung kennen. Sie hatten in ihren eigenen Kampfen selbst die Erfahrung
gemacht, daB diese Art von Leuten (these people) an ihrer Meinung festhielten, wenn sie sich
einmal entschlossen hatten. Dies sei heute gewiB der Fall, und die Labour-Party habe dabei
mitgewirkt, diese Entschlossenheit hervorzurufen.
Thomsen
Nr. 453
Der Deutsche Geschaftstrager in London an das Auswartige Amt
Telegramm
London, den 22. August 1939
Amtliches Communique iiber heutige Kabinettsitzung hat folgenden Wortlaut:
"Bei seinem heutigen Zusammentritt beriet das Kabinett iiber die internationale Lage in ihrer
ganzen Tragweite. Das Kabinett nahm auBer den eingetroffenen Berichten iiber militarische
Bewegungen in Deutschland die Mitteilung zur Kenntnis, daB ein Nichtangriffsvertrag
zwischen der Deutschen und der Sowjetrussischen Regierung vor dem AbschluB stehe.—
Es zogerte nicht, die Entscheidung zu treffen, daB ein solches Ereignis seine Verpflichtungen
gegeniiber Polen in keiner Weise beriihre, Verpflichtungen, die das Kabinett verschiedentlich
in der Offentlichkeit dargelegt hat und die zu erfiillen es entschlossen ist.
Das Parlament ist flir den nachsten Donnerstag einberufen worden, und die Regierung
beabsichtigt, beide Hauser zur Durchbringung der "Emergency Powers (Defence) Bill" durch
alle parlamentarischen Stadien aufzufordern. Hierdurch wird die Regierung in die Lage
versetzt werden, unverzuglich alle notwendigen MaBnahmen zu ergreifen, wenn es die
Sachlage erfordern sollte. In der Zwischenzeit werden von den Abteilungen weitere
MaBnahmen vorbeugender Art getroffen, z. B. die Einberufung eines bestimmten Personals
der Koniglichen Marine, Armee und Luftwaffe sowie des Luftschutzes und der
Zivilverteidigung. Es werden ferner Vorkehrungen getroffen, um gewisse Angelegenheiten zu
regeln, die die Ausfuhr lebenswichtiger Materialien und Waren aus diesem Lande betreffen.
mil Wahrend sie diese diesmal flir notwendig erachteten VorsichtsmaBregeln trifft, ist die
Regierung nach wie vor der Ansicht, daB es in dem zwischen Deutschland und Polen
entstandenen Streifall nichts gibt, was die Anwendung von Gewalt und die Einbeziehung in
einen europaischen Krieg mit alien seinen tragischen Folgen rechtfertigen wiirde.
Es gibt, wie der Premierminister wiederholt gesagt hat, tatsachlich keine Frage in Europa, die
nicht einer friedlichen Losung zuganglich ware, wenn nur ein Zustand des Vertrauens
wiederhergestellt werden konnte.
Die Regierung Seiner Majestat ist wie stets bereit, bei der Schaffung eines solchen Zustandes
zu helfen, aber wenn trotz aller ihrer Bemuhungen andere auf der Anwendung von Gewalt
bestehen, so ist sie darauf vorbereitet und entschlossen, bis zum auBersten Widerstand zu
leisten."
Kordt
Nr. 454
Der Britische Premierminister Chamberlain an den Ftihrer,
22. August 1939
(Ubersetzung)
London, den 22. August 1939
Euer Exzellenz !
Euer Exzellenz werden bereits von gewissen MaBnahmen Kenntnis erhalten haben, die von
Seiner Majestat Regierung getroffen und heute abend in der Presse und im Rundfunk
bekanntgegeben wurden.
Diese MaBnahmen sind nach Ansicht Seiner Majestat Regierung notwendig geworden durch
Truppenbewegungen, liber die aus Deutschland berichtet worden ist, und durch die Tatsache,
daB anscheinend die Ankundigung eines deutsch-sowjetischen Abkommens in gewissen
Kreisen in Berlin als Anzeichen dafiir aufgefaBt wird, daB eine Intervention seitens
GroBbritanniens zugunsten Polens nicht mehr eine Eventualitat darstellt, mit der zu rechnen
notwendig ist. Kein groBerer Fehler konnte begangen werden. Welcher Art auch immer das
deutsch-sowjetische Abkommen sein wird, so kann es nicht GroBbritanniens Verpflichtung
gegenliber Polen andern, wie Seiner Majestat Regierung wiederholt offentlich und klar
dargelegt hat, und diese entschlossen ist, zu erfullen.
Es ist behauptet worden, daB, wenn Seiner Majestat Regierung ihren Standpunkt im Jahre
1914 klarer dargelegt hatte, jene groBe Katastrophe vermieden worden ware. Unabhangig
davon, ob dieser Behauptung Bedeutung beizulegen ist oder nicht, ist Seiner Majestat
Regierung entschlossen, dafiir zu sorgen, daB im vorliegenden Falle kein solch tragisches
MiBverstandnis entsteht.
Notigenfalls ist Seiner Majestat Regierung entschlossen und bereit, alle ihr zur Verfugung
stehenden Krafte unverzuglich einzusetzen, und es ist unmoglich, das Ende einmal
begonnener Feindseligkeiten abzusehen. Es wlirde eine gefahrliche Tauschung sein, zu
glauben, daB ein einmal begonnener Krieg fruhzeitig enden wlirde, selbst wenn ein Erfolg auf
einer der verschiedenen Fronten, an denen er gefuhrt werden wird, erzielt worden sein sollte.
[4i2] Nachdem unser Standpunkt auf diese Weise vollkommen klar dargelegt ist, mochte ich
Euer Exzellenz wiederholt meine Uberzeugung dahingehend zum Ausdruck bringen, daB
Krieg zwischen unseren beiden Volkern die groBte Katastrophe darstellen wlirde, die
liberhaupt eintreten konnte. Ich bin liberzeugt, daB weder unser Volk noch das Ihrige einen
Krieg wlinscht, und ich kann nicht ersehen, daB die zwischen Deutschland und Polen
schwebenden Fragen irgend etwas enthalten, das nicht ohne Gewalt gelost werden konnte und
sollte, wenn nur ein Zustand des Vertrauens wiederhergestellt werden konnte, der es
ermoglichen wurde, Verhandlungen in einer besseren als der heute bestehenden Atmosphare
zu flihren.
Wir sind immer bereit gewesen und werden es auch stets sein, zu der Schaffung von
Bedingungen beizutragen, in denen solche Verhandlungen stattfinden konnten und in denen
es moglich sein wlirde, gleichzeitig jene groBeren, zuklinftige internationale Beziehungen
berlihrenden Probleme zu erortern, einschlieBlich die uns und Euer Exzellenz interessierenden
Angelegenheiten.
In dem heute bestehenden Spannungszustande nehmen jedoch die Schwierigkeiten zu, die
friedlichen Verhandlungen im Wege stehen und je langer diese Spannung aufrechterhalten
wird, desto schwerer wird sich die Vernunft durchzusetzen vermogen.
Diese Schwierigkeiten konnten jedoch gemildert, wenn nicht beseitigt werden, wenn liber
einen anfanglichen Zeitraum auf beiden Seiten - und liberhaupt auf alien Seiten - eine Pause
eingehalten werden konnte, in der Pressepolemik und jedwede Aufreizung einzustellen sei.
Wenn eine solche Pause herbeigeflihrt werden konnte, dann dlirfte Grand zu der Hoffnung
bestehen, daB, nach Ablauf dieses Zeitraums, in dem Schritte unternommen werden konnten,
um die von beiden Seiten erhobenen Beschwerden bezliglich der Behandlung von
Minderheiten zu untersuchen und in Angriff zu nehmen, geeignete Bedingungen geschaffen
sein wlirden fur die Aufnahme von direkten Verhandlungen zwischen Deutschland und Polen
liber die zwischen ihnen bestehenden Fragen (unter Mitwirkung eines neutralen Vermittlers,
sollten beide Parteien dies fur zweckmaBig erachten).
Ich fiihle mich jedoch verpflichtet zu sagen, daB nur eine geringe Hoffnung bestehen wiirde,
solche Verhandlungen zu einem erfolgreichen AbschluB zu bringen, wenn es nicht von
Anfang an feststiinde, daB ein zu erreichendes Abkommen bei seinem AbschluB von anderen
Machten garantiert werden wiirde. Seiner Majestat Regierung wiirde bereit sein, wenn der
Wunsch dazu ausgesprochen werden sollte, zu der wirksamen Durchfiihrung solcher
Garantien nach ihrem Vermogen beizutragen.
In diesem Augenblick gestehe ich, daB ich keinen anderen Weg sehe, eine Katastrophe zu
vermeiden, die Europa in den Krieg fiihren wird.
Im Hinblick auf die schweren Folgen fur die Menschheit, die aus einer Handlung ihrer
Herrscher entstehen konnen, vertraue ich darauf, daB Euer Exzellenz mit tiefster Uberlegung
die Ihnen von mir dargelegten Gesichtspunkte abwagen werden.
Neville Chamberlain
[413]
Nr. 455
Unterredung des Fuhrers mit dem Britischen Botschafter,
Berchtesgaden, 23. August 1939
Aufzeichnung des Dolmetschers von Loesch
Der Britische Botschafter bemerkte einleitend, daB er im Auftrage der Britischen Regierung
einen Brief iiberbringe. Zunachst habe ein Wiirdigerer dies tun sollen. Doch habe der Gang
der Ereignisse zu schnellem Handeln gedrangt, zumal die Britische Regierung durch die
Nachricht des deutsch-sowjetrussischen Paktes sehr iiberrascht worden sei.
Der Fiihrer stellte fest, daB ihm bereits eine Ubersetzung des Briefes vorliege. Er sei im
Begriffe, eine schriftliche Antwort auszuarbeiten, doch wolle er einstweilen dem Botschafter
im gleichen Sinne einige miindliche Ausfiihrungen machen.
Henderson erwiderte, daB sich hoffentlich flir die schwierige Lage eine Losung finden lassen
werde; es sei in England verstanden worden, daB flir das Wohl Europas die deutsch-englische
Zusammenarbeit erforderlich sei.
Hierauf antwortete der Fiihrer, daB man das friiher habe erkennen miissen. Auf den Einwand
des Botschafters, daB die Britische Regierung ihre Garantien gegeben habe und ihnen nun
auch nachkommen miisse, antwortete der Fiihrer, er habe in der Antwort klargestellt, daB
Deutschland nicht die Verantwortung flir die von England gegebenen Garantien trage, wohl
aber England flir die aus diesen Verpflichtungen entstehenden Folgen. Es sei Englands Sache,
sich dariiber klarzuwerden. Er habe der Polnischen Regierung mitgeteilt, daB jede weitere
Verfolgung der Deutschen in Polen sofort ein Handeln seitens des Reiches nach sich ziehen
werde. Wie er andererseits erfahren habe, hatte Chamberlain verstarkte militarische
Vorbereitungen in England vorgesehen. Deutsche Vorbereitungen seien auf reine
DefensivmaBnahmen beschrankt. "Sollte ich", so sagte der Fiihrer, "von weiteren MaBnahmen
dieser Art horen, die englischerseits heute oder morgen durchgefiihrt werden, so werde ich die
sofortige Generalmobilmachung in Deutschland anordnen".
Auf die Bemerkung des Botschafters, daB der Krieg dann unvermeidlich sei, wiederholte der
Fiihrer seine Feststellung iiber die Mobilmachung.
Er fiihrte dann aus, daB man in England immer von der "vergifteten Atmosphare" spreche.
Tatsache sei, daB die "Atmosphare" von England "vergiftet" worden sei. Ware England nicht
gewesen, so hatte er im vergangenen Jahre eine friedliche Einigung mit der Tschecho-
Slowakei erreicht, und es ware mit Sicherheit auch dieses Jahr mit Polen in der Danzig-Frage
dahin gekommen. England allein sei verantwortlich, und ganz Deutschland sei dieser festen
Uberzeugung. Hunderttausende von Volksdeutschen wiirden heute in Polen miBhandelt, in
Konzentrationslager verschleppt und vertrieben. Hieriiber liege ihm ein umfangreiches
Material vor, auf dessen Veroffentlichung er bisher verzichtet habe. Flir all dieses habe
England einen Blankoscheck gegeben, jetzt miisse es dafiir zahlen. Seitdem England die
Garantie erklart habe, habe er, der Fiihrer, einen festen Standpunkt in dieser Frage einnehmen
miissen. Er konne es nicht zulassen, daB wegen einer Laune Englands Zehntausende deutscher
Volksgenossen hingeschlachtet wiirden.
I4i4i Er erinnerte daran, daB Deutschland friiher mit Polen in einem guten Verhaltnis gelebt
habe, und er habe Polen ein anstandiges und faires Angebot gemacht. Dieses Angebot sei von
den Westmachten sabotiert worden, und zwar weitgehend, wie schon im Falle der Tschecho-
Slowakei, durch Berichte der Militar- Attaches, die falsche Geruchte einer deutschen
Mobilmachung ausgestreut hatten.
Hier wandte der Botschafter ein, daB die Polnische Regierung das deutsche Angebot
abgelehnt habe, bevor England die Garantien ausgesprochen habe.
Der Fiihrer fuhr fort, indem er sagte, daB Chamberlain keinen besseren Plan gefunden haben
konnte, um alle Deutschen geschlossen hinter den Fiihrer zu stellen, als daB er flir Polen und
eine polenfreundliche Regelung der Danziger Frage eingetreten sei. Er sehe keine
Moglichkeit auf dem Verhandlungswege, weil er iiberzeugt sei, daB der Britischen Regierung
gar nichts an einer solchen Regelung liege. Er konne nur noch einmal wiederholen, daB in
Deutschland die Generalmobilmachung proklamiert werde, falls in England weitere
militarische MaBnahmen ergriffen wiirden. Das gleiche gelte flir Frankreich.
Nachdem der Fiihrer betont hatte, daB dies alles noch schriftlich fixiert wlirde, stellte er fest,
daB er alles Menschenmogliche getan habe. England habe sich den Mann, der sein groBter
Freund werden wollte, zum Feinde gemacht. Jetzt werde man in England ein anderes
Deutschland kennenlernen, als man es sich so viele Jahre vorgestellt habe.
Henderson erwiderte, daB man in England wisse, daB Deutschland stark sei, und es habe es in
letzter Zeit oft bewiesen.
Der Fiihrer stellte fest, daB er Polen ein groBzligiges Angebot gemacht habe, doch habe sich
England eingemischt.
Der Fiihrer beschrieb dann, wie er an der gleichen Stelle vor mehreren Monaten mit dem
Oberst Beck liber die gleiche Regelung gesprochen habe, der sie damals als zu plotzlich
bezeichnete, aber darin doch eine Moglichkeit erblickte. Im Marz habe er seine Vorschlage
wiederholt. Damals, so betonte der Fiihrer, wlirde sich Polen sicherlich bereit erklart haben,
wenn nicht England sich dazwischen gestellt hatte. Die englische Presse habe damals
geschrieben, daB nun die Freiheit Polens und auch Rumaniens bedroht sei.
Der Flihrer fiihrte dann aus, daB er bei dem geringsten polnischen Versuch, noch weiterhin
gegen Deutsche oder gegen Danzig vorzugehen, sofort eingreifen werde, ferner, daB eine
Mobilmachung im Westen mit einer deutschen Mobilmachung beantwortet werden wlirde.
Der Botschafter Henderson: "1st das eine Drohung?" - Der Flihrer: "Nein, eine
SchutzmaBnahme!" -
Er stellte dann fest, daB die Britische Regierung alles andere einer Zusammenarbeit mit
Deutschland vorgezogen habe. Sie hatte sich vielmehr in ihrem Vernichtungswillen an
Frankreich, an die Tlirkei, an Moskau gewandt.
Der Botschafter beteuerte demgegenliber, daB England Deutschland nicht vernichten wolle.
Der Fiihrer entgegnete, daB er dennoch der festen Uberzeugung sei; darum habe er flir 9
Milliarden einen Westwall gebaut, um Deutschland vor dem Angriff von Westen zu schutzen.
[4i5] Henderson wies darauf hin, daB der Umschwung in der englischen Auffassung seit dem
15. Marz eingetreten sei, worauf der Fiihrer entgegnete, daB Polen sich aus eigenem Interesse
iiber die Karpatho-Ukraine erregt habe. Ferner seien die inneren Zustande in der Tschecho-
Slowakei flir Deutschland untragbar geworden. SchlieBlich seien Bohmen und Mahren von
Deutschen und nicht von Englandern kultiviert worden. Er sei iiberzeugt, daB die tschechische
Losung die beste sei. President Hacha sei glucklich gewesen, einen Ausweg aus der Krise zu
sehen, den Englandern naturlich sei es gleichgultig, ob im Herzen Mitteleuropas geschossen
wiirde.
SchlieBlich versicherte der Fiihrer dem Botschafter, daB er ihm keinen Vorwurf zu machen
habe, und daB er seinen personlichen Einsatz flir die deutsch-englische Freundschaft stets zu
schatzen gewuBt habe.
Der Botschafter wies auf die groBe Tragodie hin, die sich nun abspielen werde, worauf der
Fiihrer feststellte, daB, falls es zum Kriege komme, es ein Krieg auf Leben und Tod sein
wiirde, ausgehend von englischen Absichten in dieser Richtung. England habe dabei mehr zu
verlieren.
Henderson bemerkte, daB nach Clausewitz der Krieg immer Uberraschungen bringe, er wisse
nur, daB jeder seine Pflicht tun werde.
Der Fiihrer sagte, daB Deutschland niemals etwas zum Schaden Englands unternommen habe,
trotzdem stelle sich England gegen Deutschland. Er verwies nochmals auf die Frage von
Danzig und Polen, bei der England den Standpunkt einnahm, "lieber den Krieg als etwas zum
Vorteil Deutschlands".
Henderson stellte fest, daB er sein Bestes getan habe. Er habe kurzlich einem Reichsminister
geschrieben, daB der Fiihrer, der 10 Jahre gebraucht habe, um Deutschland zu gewinnen,
England auch langer Zeit lassen miisse.
Der Fiihrer stellte fest, daB die Tatsache, daB England sich in der Danzig-Frage gegen
Deutschland gestellt hatte, das deutsche Volk tief erschuttert habe.
Henderson wandte ein, man habe sich nur gegen den Grundsatz der Gewalt gestellt, worauf
ihm der Fiihrer entgegenhielt, ob etwa England flir irgendeine der Versailler Idiotien jemals
eine Losung auf dem Verhandlungswege gefunden habe.
Der Botschafter hatte hierauf nichts zu entgegnen, und der Fiihrer stellte fest, daB nach einem
deutschen Sprichwort zum Lieben immer zwei gehoren.
Henderson betonte sodann, daB er personlich nie an einen englisch-franzosisch-russischen
Pakt geglaubt habe. Es sei seine Ansicht, daB RuBland durch die Verzogerung nur
Chamberlain loswerden und dann durch einen Krieg profitieren wollte. Ihm personlich sei es
lieber, daB Deutschland mit RuBland einen Vertrag habe, als daB es England tue.
Der Fiihrer antwortete: "Irren Sie sich nicht. Es wird ein langer Vertrag werden".
Mit der Feststellung des Fuhrers, daB dem Botschafter am Nachmittag die schriftliche
Antwort ubergeben werden wiirde, schloB die Unterredung.
von Loesch
1416]
Nr. 456
Der Fiihrer an den Britischen Premierminister Chamberlain,
23. August 1939
Den 23. August 1939
Euer Exzellenz !
Der Koniglich Britische Botschafter hat mir soeben ein Schreiben uberreicht, in dem Eure
Exzellenz namens der Britischen Regierung auf eine Reihe von Punkten hinweisen, die Ihrer
Auffassung nach von groBter Wichtigkeit seien.
Ich darf dieses Ihr Schreiben wie folgt beantworten:
1. Deutschland hat niemals Konflikte mit England gesucht und sich nie in englische
Interessen eingemischt. Es hat sich im Gegenteil - wenn auch leider vergebens - jahrelang
bemiiht, die englische Freundschaft zu erwerben. Es hat aus diesem Grande freiwillige
Begrenzungen seiner eigenen Interessen in einem groBen Gebiet Europas vorgenommen, die
ansonst nationalpolitisch nur sehr schwer tragbar waren.
2. Das Deutsche Reich besitzt aber - wie jeder andere Staat - bestimmte Interessen; auf die
Verzicht zu leisten unmoglich ist. Sie liegen nicht auBerhalb des Rahmens der durch die
friihere deutsche Geschichte gegebenen und durch wirtschaftliche Lebensvoraussetzungen
bedingten Notwendigkeiten. Einige dieser Fragen besaBen und besitzen zugleich eine
nationalpolitisch und psychologisch flir jede Deutsche Regierung zwingende Bedeutung.
Zu ihnen gehoren die deutsche Stadt Danzig und das damit im Zusammenhang stehende
Problem des Korridors. Zahlreiche Staatsmanner, Geschichtsforscher und Literaten, auch in
England, waren sich wenigstens noch vor wenigen Jahren dessen bewuBt. Hinzufligen mochte
ich noch, daB alle diese Gebiete, die in der vorher erwahnten deutschen Interessensphare
liegen, und insbesondere die seit 1 8 Monaten zum Reich zurlickgekehrten Lander ihre
kulturelle ErschlieBung nicht durch Englander, sondern ausschlieBlich durch Deutsche
erhalten haben, und zwar zum Teil schon in und seit einer Zeit, die liber tausend Jahre
zuriickliegt.
3. Deutschland war bereit, die Frage Danzig und die des Korridors durch einen wahrhaft
einmalig groBzligigen Vorschlag auf dem Wege von Verhandlungen zu losen. Die von
England ausgestreuten Behauptungen liber eine deutsche Mobilmachung gegenliber Polen, die
Behauptung von Agressionsbestrebungen gegenliber Rumanien, Ungarn usw., sowie die
spater abgegebenen sogenannten Garantieerklarungen hatten die Geneigtheit der Polen zu
Verhandlungen auf einer solchen auch fur Deutschland tragbaren Basis beseitigt.
4. Die von England Polen gegebene Generalzusicherung, ihm unter alien Umstanden
beizustehen, ganz gleich, aus welchen Ursachen ein Konflikt entstehen konnte, konnte in
diesem Lande nur als eine Ermunterung aufgefaBt werden, nunmehr - gedeckt durch einen
solchen Freibrief - eine Welle furchtbaren Terrors gegen die IV2 Millionen zahlende deutsche
Bevolkerung, die in Polen lebt, anlaufen zu lassen. Die Greuel, die seitdem dort stattfinden,
sind flir die Betroffenen entsetzlich, fur das dabei zusehen sollende Deutsche Reich als
GroBmacht unertraglich. Der Freien Stadt Danzig gegenliber hat Polen zahlreiche
Rechtsverletzungen begangen, Forderungen ultimativen Charakters geschickt und mit der
wirtschaftlichen Abdrosselung begonnen.
[4i7] 5. Die Deutsche Reichsregierung hat der Polnischen Regierung nun vor kurzem mitteilen
lassen, daB sie nicht gewillt ist, diese Entwicklung stillschweigend hinzunehmen, daB sie nicht
dulden wird, daB weitere ultimative Noten an Danzig gerichtet werden, daB sie nicht dulden
wird, daB man die Verfolgungen des deutschen Elements fortsetzt, daB sie ebenso nicht
dulden wird, durch wirtschaftliche MaBnahmen die Freie Stadt Danzig umzubringen, das
heiBt, durch eine Art von Zollblockade der Danziger Bevolkerung die Lebensgrundlagen zu
vernichten, und daB sie auch nicht dulden wird, daB sich sonstige weitere Provokationsakte
gegen das Reich ereignen. Unabhangig davon mlissen und werden die Fragen des Korridors
und von Danzig ihre Losung finden.
6. Sie teilen mir, Exzellenz, im Namen der Britischen Regierung mit, daB Sie in jedem
solchen Fall des Einschreitens Deutschlands gezwungen sein werden, Polen Beistand zu
leisten. Ich nehme diese Ihre Erklarung zur Kenntnis und versichere Ihnen, daB sie keine
Anderung in die Entschlossenheit der Reichsregierung bringen kann, die Interessen des
Reiches in dem in Punkt 5 mitgeteilten Sinn wahrzunehmen. Dire Versicherung, daB Sie in
einem solchen Fall an einen langen Krieg glauben, teile ich ebenfalls. Deutschland ist - wenn
es von England angegriffen wird - darauf vorbereitet und dazu entschlossen. Ich habe schon
ofter als einmal vor dem Deutschen Volk und der Welt erklart, daB es liber den Willen des
neuen Deutschen Reiches keinen Zweifel geben konne, lieber jede Not und jedes Ungllick
und auf jede Zeit auf sich zu nehmen, als seine nationalen Interessen oder gar seine Ehre
preiszugeben.
7. Die Deutsche Reichsregierung hat Kenntnis davon bekommen, daB die Britische Regierung
beabsichtigt, MobilmachungsmaBnahmen durchzuflihren, deren eindeutiger Charakter als nur
gegen Deutschland gerichtet, nach den eigenen Erklarungen in Ihrem Schreiben an mich, Herr
Ministerprasident, feststeht. Dies soil auch flir Frankreich zutreffen. Da Deutschland niemals
die Absicht hatte, sei es gegen England oder gegen Frankreich, militarische MaBnahmen
auBer solchen defensiver Natur zu treffen, und - wie schon betont - nie beabsichtigte und auch
flir die Zukunft nicht beabsichtigt, England oder Frankreich anzugreifen, kann es sich in
dieser Ankiindigung, wie Sie sie, Herr Ministerprasident, in Hirem Schreiben mir bestatigen,
nur um einen in Aussicht genommenen Akt der Bedrohung des Reiches handeln. Ich teile
daher Eurer Exzellenz mit, daB ich im Falle des Eintreffens dieser militarischen
Ankiindigungen die sofortige Mobilmachung der deutschen Wehrmacht anordnen werde.
8. Die Frage der Behandlung der europaischen Probleme im friedlichen Sinn kann nicht von
Deutschland entschieden werden, sondern in erster Linie von jenen, die sich seit dem
Verbrechen des Versailler Diktats jeder friedlichen Revision beharrlich und konsequent
widersetzt haben. Erst nach der Anderung der Gesinnung der dafiir verantwortlichen Machte
kann auch eine Anderung des Verhaltnisses zwischen England und Deutschland in einem
positiven Sinne eintreten. Ich habe Zeit meines Lebens fur eine deutsch-englische
Freundschaft gekampft, bin aber durch das Verhalten der britischen Diplomatie -
wenigstens bisher - von der Zwecklosigkeit eines solchen Versuches uberzeugt worden. Wenn
sich dies in der Zukunft andern wiirde, konnte niemand glucklicher sein als ich.
Adolf Hitler
[418]
Nr. 457
Erklarung des Fuhrers gegenuber dem Britischen Botschafter,
25. August 1939 13.30 Uhr
Der Fiihrer erklarte einleitend, daB der Britische Botschafter am SchluB der letzten
Unterredung der Hoffnung Ausdruck gegeben habe, daB doch noch eine Verstandigung
zwischen Deutschland und England moglich sein wird. Er, der Fiihrer, habe sich daraufhin die
Dinge noch einmal durch den Kopf gehen lassen und wolle heute England gegenuber einen
Schritt unternehmen, der genau so entscheidend sei wie der Schritt RuBland gegenuber, der zu
der kurzlichen Vereinbarung gefuhrt habe.
Auch die gestrige Unterhaussitzung bzw. die Reden Chamberlains und Lord Halifax' hatten
den Fiihrer veranlaBt, noch einmal mit dem Britischen Botschafter zu sprechen. Die
Behauptung, daB Deutschland die Welt erobern wolle, ist lacherlich. Das Britische
Imperium umfaBt 40 Millionen qkm, RuBland 19 Mill, qkm, Amerika 9V2 Mill, qkm,
wahrend Deutschland noch nicht 600.000 qkm umfaBt. Wer also die Welt erobern will,
ist klar.
Der Fiihrer teilt dem Britischen Botschafter folgendes mit:
1. Die polnischen Akte der Provokation sind unertraglich geworden, gleich, wer
verantwortlich ist. Wenn die Polnische Regierung die Verantwortung bestreitet, so
beweist dies nur, daB sie selbst keinen EinfluB mehr auf ihre militarischen
Unterorgane besitze. In der letzten Nacht seien wieder 21 neue Grenzzwischenfalle
erfolgt, auf deutscher Seite habe man groBte Disziplin gewahrt. Alle Zwischenfalle
seien von der polnischen Seite hervorgerufen worden. AuBerdem wurden
Verkehrsflugzeuge beschossen. Wenn die Polnische Regierung erklare, nicht
verantwortlich dafiir zu sein, so beweise dies, daB es ihr nicht mehr moglich sei, ihre
eigenen Leute im Zaume zu halten.
2. Deutschland sei unter alien Umstanden entschlossen, diese mazedonischen
Zustande an seiner Ostgrenze zu beseitigen, und zwar nicht nur im Interesse von Rune
und Ordnung, sondern auch im Interesse des europaischen Friedens.
3. Das Problem Danzig und Korridor mlisse gelost werden. Der Britische
Ministerprasident habe eine Rede gehalten, die nicht im geringsten geeignet sei, einen
Wandel in der deutschen Einstellung herbeizuflihren. Aus dieser Rede konne
hochstens ein blutiger und unubersehbarer Krieg zwischen Deutschland und England
entstehen. Ein solcher Krieg wlirde blutiger sein als der von 1914 bis 1918. Im
Unterschied zu dem letzten Kriege wlirde Deutschland keinen Zweifrontenkrieg mehr
zu fiihren haben. Das Abkommen mit RuBland sei bedingungslos und bedeute eine
Wende in der AuBenpolitik des Reiches auf langste Zeit. RuBland und Deutschland
wiirden unter keinen Umstanden mehr die Waffen gegeneinander ergreifen. Davon
abgesehen wiirden die mit RuBland getroffenen Abmachungen Deutschland auch
wirtschaftlich flir eine langste Kriegsperiode sichern.
Dem Flihrer habe immer an der deutsch-englischen Verstandigung gelegen. Ein Krieg
zwischen England und Deutschland konne im glinstigsten Fall Deutschland einen Gewinn
bringen, England aber liberhaupt nicht.
Der Flihrer erklart, daB das deutsch-polnische Problem gelost werden mlisse und gelost
werden wlirde. Er ist aber bereit und entschlossen, nach der Losung dieses Problems noch
einmal an England mit einem groBen umfassenden Angebot heranzutreten. Er ist ein Mann
groBer Entschllisse und wird ms\ auch in diesem Fall zu einer groBen Handlung fahig sein. Er
bejaht das Britische Imperium und ist bereit, sich flir diesen Bestand personlich zu
verpflichten und die Kraft des Deutschen Reiches dafiir einzusetzen, wenn
1. seine kolonialen Forderungen, die begrenzt sind und auf friedlichem Wege
ausgehandelt werden konnen, Erflillung finden, wobei er hier zu einer weitesten
Terminbestimmung bereit ist,
2. seine Verpflichtungen Italien gegenliber nicht tangiert werden, d. h. mit anderen
Worten: Er fordert von England nicht die Preisgabe seiner franzosischen
Verpflichtungen, und konnte sich seinerseits auch nicht von den italienischen
Verpflichtungen entfernen.
3. Er wlinscht ebenso den unverrlickbaren EntschluB Deutschlands zu betonen, nie
mehr mit RuBland in einen Konflikt einzutreten.
Der Flihrer ist bereit, dann mit England Abmachungen zu treffen, die, wie schon
betont, nicht nur die Existenz des Britischen Weltreichs unter alien Umstanden
deutscherseits garantieren wiirden, sondern auch, wenn es notig ware, dem Britischen
Reich die deutsche Hilfe sicherten, ganz gleich, wo immer eine derartige Hilfe
erforderlich sein sollte. Der Flihrer wlirde dann auch bereit sein, eine vernlinftige
Begrenzung der Rlistungen zu akzeptieren, die der neuen politischen Lage entsprachen
und wirtschaftlich tragbar waren. Endlich versichert der Flihrer erneut, daB er an den
westlichen Problemen nicht interessiert sei und daB eine Grenzkorrektur im Westen
auBerhalb jeder Erwagung stehe; der mit Milliarden Kosten errichtete Westwall sei die
endgliltige Reichsgrenze nach Westen.
Wenn die Britische Regierung diese Gedanken erwagen wiirde, so konnte sich daraus ein
Segen fur Deutschland und auch flir das Britische Weltreich ergeben. Wenn sie diese
Gedanken ablehnt, wird es Krieg geben. Auf keinen Fall wiirde GroBbritannien aus diesem
Krieg starker hervorgehen; schon der letzte Krieg habe dies bewiesen.
Der Fiihrer wiederholt, daB er ein Mann groBer und ihn selbst verpflichtender Entschliisse sei
und daB dies sein letzter Vorschlag ware. Er werde sofort nach Losung der deutsch-
polnischen Frage mit einem Angebot an die Britische Regierung herantreten.
Anmerkim^n;
234 Vgl. Nr. 423 ff. ...zuriick...
235 Vgl. Nr. 432 . ...zuriick...
236 Vgl. Nr. 446 . ...zuriick...
237 Vgl. Nr. 348 . ...zuriick...
Viertes Kapitel (Forts.)
Polen als Werkzeug des Englischen Kriegswillens
B. Die letzte Phase
der Deutsch-Polnischen Krise
Nr.458
Aufzeichnung des Direktors der Politischen Abteilung
des Auswartigen Amts
Berlin, den 25. August 1939
Ich habe weisungsgemaB die Aufmerksamkeit des Britischen Botschafters heute 4 Uhr 15
nachmittags telephonisch auf die in der Abendausgabe der Berliner Borsenzeitung von heute
und in anderen Abendzeitungen enthaltene Nachricht iiber das Blutbad bei Bielitz gelenkt, das
8 Tote und zahlreiche Verletzte erfordert hat. m
Woermann
Nr. 459
Britisch-Polnischer Vertrag tiber gegenseitigen Beistand,
25. August 1939
(Ubersetzung)
Die Regierung des Vereinigten Konigreichs von GroBbritannien und Nordirland und die
Polnische Regierung
haben in dem Wunsche, die Zusammenarbeit zwischen ihren Landern, die sich aus den bereits
zwischen ihnen ausgetauschten Zusicherungen gegenseitigen Beistandes defensiver Art
ergibt, auf eine dauernde Grundlage zu stellen, beschlossen, zu diesem Zweck ein Abkommen
zu schlieBen, und haben zu ihren Bevollmachtigten ernannt:
Die Regierung des Vereinigten Konigreichs von GroBbritannien und Nordirland:
den sehr ehrenwerten Viscount Halifax, K. G., G. C. S. J., G. C. J. E., Ersten
Staatssekretar flir Auswartige Angelegenheiten;
Die Polnische Regierung:
Seine Exzellenz den Grafen Eduard Raczynski, AuBerordentlichen und
Bevollmachtigten Botschafter der Polnischen Republik in London;
die nach Austausch ihrer flir gut und richtig befundenen Vollmachten liber folgende
Bestimmungen libereingekommen sind:
Artikel 1
Sollte eine der Vertragsparteien in Feindseligkeiten mit einer europaischen Macht verwickelt
werden, und zwar infolge eines Angriffs der letzteren auf diese Vertragspartei, so wird die
andere Vertragspartei der in Feindseligkeiten verwickelten Vertragspartei sofort jede
Unterstlitzung und jeden Beistand gewahren, die in ihrer Macht stehen.—
Artikel 2
(1) Die Bestimmungen von Artikel 1 sind auch dann anwendbar, wenn irgendeine Handlung
einer europaischen Macht die Unabhangigkeit einer der Vertragsparteien offensichtlich
unmittelbar oder mittelbar bedrohen und so geartet sein sollte, daB die betreffende Partei es
flir lebenswichtig hielte, ihr mit ihrer bewaffneten Macht Widerstand zu leisten.
(2) Sollte eine der Vertragsparteien in Feindseligkeiten mit einer europaischen Macht
verwickelt werden infolge einer Handlung dieser Macht, die die Unabhangigkeit oder
Neutralitat eines anderen europaischen Staates derart bedrohte, daB darin eine offensichtliche
Bedrohung flir die Sicherheit der erwahnten Vertragspartei lage, so sind die Bestimmungen
von Artikel 1 anwendbar, jedoch unbeschadet der Rechte des anderen beteiligten
europaischen Staates.
Artikel 3
Sollte eine europaische Macht versuchen, die Unabhangigkeit einer der Vertragsparteien
durch ein Verfahren wirtschaftlicher Durchdringung oder auf mn irgendeine andere Weise zu
untergraben, so werden die Vertragsparteien einander bei dem Widerstand gegen solche
Versuche unterstlitzen. Sollte die betreffende europaische Macht daraufhin Feindseligkeiten
gegen eine der Vertragsparteien eroffnen, so sind die Bestimmungen von Artikel 1
anwendbar.
Artikel 4
Die Methoden flir die Durchflihrung der in diesem Abkommen enthaltenen gegenseitigen
Beistandsverpflichtungen werden zwischen den zustandigen Marine-, Heeres- und
Luftwaffenbehorden der Vertragsparteien vereinbart.
Artikel 5
Unbeschadet der obigen Verpflichtungen der Vertragsparteien, einander beim Ausbruch von
Feindseligkeiten unverziiglich gegenseitige Unterstutzung und gegenseitigen Beistand zu
gewahren, werden sie liber alle Vorgange, die ihre Unabhangigkeit bedrohen konnten, und
insbesondere iiber alle Vorgange, die dazu zu fiihren drohen, daB die erwahnten
Verpflichtungen zur Auswirkung kommen, einen vollstandigen und schleunigen
Nachrichtenaustausch vornehmen.
Artikel 6
(1) Die Vertragsparteien werden einander die Bedingungen jeglicher
Beistandsverpflichtungen gegen Angriffe mitteilen, die sie anderen Staaten gegeniiber bereits
eingegangen sind oder kunftig eingehen sollten.
(2) Sollte eine der Vertragsparteien beabsichtigen, nach dem Inkrafttreten dieses Abkommens
eine derartige Verpflichtung einzugehen, so ist die andere Vertragspartei davon zu
benachrichtigen, damit das ordnungsmaBige Arbeiten des Abkommens gesichert wird.
(3) Alle neuen Verpflichtungen, die die Vertragsparteien etwa kunftig eingehen sollten, sollen
weder ihre Pflichten aus diesem Abkommen einschranken noch mittelbar neue Pflichten
zwischen der an diesen Verpflichtungen nicht beteiligten Vertragspartei und dem dritten Staat
schaffen.
Artikel 7
Sollten die Vertragsparteien infolge der Durchfuhrung dieses Abkommens in Feindseligkeiten
verwickelt werden, so werden sie keinen Waffenstillstand oder Friedensvertrag schlieBen, es
sei denn im Einvernehmen miteinander.
Artikel 8
(1) Dieses Abkommen soil fur einen Zeitraum von fiinf Jahren in Kraft bleiben.
(2) Wird es nicht sechs Monate vor Ablauf dieses Zeitraums gekiindigt, so soil es weiter in
Kraft bleiben; jede Vertragspartei hat nach diesem Zeitpunkt das Recht, es jederzeit mit
sechsmonatiger Frist zu kiindigen.
(3) Dieses Abkommen soil mit der Unterzeichnung in Kraft treten.
Zu Urkund dessen haben die eingangs genannten Bevollmachtigten dieses Abkommen
unterzeichnet und mit ihren Siegeln versehen.
Geschehen in doppelter Ausfertigung in englischer Sprache in London am 25. August 1939.
Eine polnische Fassung soil nachtraglich zwischen den Vertragsparteien vereinbart werden,
und es werden dann beide Texte maBgebend sein.
(L. S.) Halifax
(L. S.) Eduard Raczynski
Nr. 460
Der Franzosische Ministerprasident Daladier an den Ftihrer,
26. August 1939
(Ubersetzung)
Paris, den 26. August 1939
Sehr geehrter Herr Reichskanzler!
Der Franzosische Botschafter in Berlin hat mir Ihre personliche Mitteilung zur Kenntnis
gebracht.
In der Stunde, wo Sie von der schwersten Verantwortung sprechen, die zwei Regierungschefs
unter Umstanden libernehmen konnen, das heiBt, das Blut von zwei groBen Volkern, die sich
nur nach Frieden und Arbeit sehnen, zu vergieBen, bin ich Ihnen personlich und unseren
beiden Volkern schuldig zu sagen, daB das Schicksal des Friedens noch in Ihren Handen liegt.
Sie konnen weder an meinen Gefuhlen Deutschland gegeniiber noch an den friedlichen
Geflihlen Frankreichs flir Dire Nation einen Zweifel hegen. Kein Franzose hat mehr als ich
selbst getan, um zwischen unseren beiden Volkern nicht nur den Frieden, sondern eine
aufrichtige Mitarbeit in ihrem eigenen Interesse sowie im Interesse Europas und der Welt zu
bekraftigen.
Es sei denn, Sie trauen dem franzosischen Volke einen weniger hohen Begriff der Ehre zu, als
ich selber dem deutschen Volke anerkenne, so konnen Sie nicht bezweifeln, daB Frankreich
seine Verpflichtungen anderen Machten gegeniiber treu erfullt, Machten, wie zum Beispiel
Polen, die, davon bin ich uberzeugt, mit Deutschland in Frieden leben wollen.
Diese beiden Uberzeugungen sind vollkommen vereinbar.
Bis heute gibt es nichts, das eine friedliche Losung der internationalen Krise in Ehren und
Wiirden flir alle Volker verhindern konnte, wenn auf alien Seiten der gleiche Friedenswille
besteht.
Mit dem guten Willen Frankreichs bekunde ich denjenigen aller seiner Verbundeten. Ich
ubernehme selbst die Garantie flir diese Bereitschaft, die Polen immer gezeigt hat flir die
gegenseitige Anwendung eines Verfahrens des freien Ausgleichs, wie man es sich vorstellen
kann zwischen den Regierungen zweier souveraner Nationen. Mit dem besten Gewissen kann
ich Ihnen die Versicherung geben, daB es unter den zwischen Deutschland und Polen mit
Bezug auf die Danziger Frage entstandenen Differenzen keine gibt, die nicht einem solchen
Verfahren unterbreitet werden konnte zwecks einer friedlichen und gerechten Losung.
Auf meine Ehre kann ich auch bekunden, daB es in der klaren und aufrichtigen Solidaritat
Frankreichs mit Polen und seinen Verbundeten nichts gibt, das die friedliche Gesinnung
meines Vaterlandes irgendwie beeintrachtigen konnte. Diese Solidaritat hat uns niemals daran
gehindert und hindert uns auch heute nicht, Polen in dieser friedlichen Gesinnung zu erhalten.
In einer so schweren Stunde glaube ich aufrichtig, daB kein edelgesinnter Mensch es
verstehen konnte, daB ein Krieg der Zerstorung unternommen wiirde, ohne daB ein letzter
Versuch einer friedlichen Losung zwischen Deutsch- 14231 land und Polen stattfindet. Ihr
Friedenswille konnte sich in aller Bestimmtheit daflir einsetzen, ohne der deutschen Ehre
irgendwie Abbruch zu tun. Ich, als Chef der Franzosischen Regierung, der ich eine gute
Harmonie zwischen dem franzosischen und dem deutschen Volke wiinsche und der ich
andererseits durch Freundschaftsbande und durch das gegebene Wort mit Polen verbunden
bin, bin bereit, alle Anstrengungen zu machen, die ein aufrichtiger Mensch unternehmen
kann, urn diesen Versuch zu einem guten Ende zu fiihren.
Sie waren wie ich selbst Frontkampfer im letzten Kriege. Sie wissen wie ich, welche Abscheu
und Verurteilung die Verwiistungen des Krieges im Gewissen der Volker hinterlassen haben,
ganz gleich wie der Krieg endet. Die Vorstellung, die ich mir von Ihrer hervorragenden Rolle
machen kann als Fiihrer des Deutschen Volkes auf dem Wege des Friedens, der Vollendung
seiner Aufgabe in dem gemeinsamen Werk der Zivilisation entgegen, ftihrt mich dazu, eine
Antwort auf diesen Vorschlag zu erbitten.
Wenn das franzosische und das deutsche Blut von neuem flieBen, wie vor 25 Jahren, in einem
noch langeren und morderischeren Krieg, dann wird jedes der beiden Volker kampfen im
Vertrauen auf seinen eigenen Sieg. Siegen werden am sichersten die Zerstorung und die
Barbarei.
Daladier
Nr. 461
Der Fiihrer an den Franzosischen Ministerprasidenten Daladier,
27. August 1939
Berlin, den 27. August 1939
Sehr geehrter Herr Ministerprasident!
Ich verstehe die Bedenken, die Sie aussprechen. Auch ich habe niemals die hohe
Verpflichtung ubersehen, die denen auferlegt ist, die iiber das Schicksal der Volker gestellt
sind. Als alter Frontsoldat kenne ich wie Sie die Schrecken des Krieges. Aus dieser
Gesinnung und Erkenntnis heraus habe ich mich auch ehrlich bemiiht, alle Konfliktstoffe
zwischen unseren beiden Volkern zu beseitigen. Ich habe dem franzosischen Volk eins ganz
offen versichert, daB die Ruckkehr des Saargebietes die Voraussetzung dazu sein wiirde. Ich
habe nach dieser Ruckkehr sofort feierlich meinen Verzicht bekraftigt auf irgendwelche
weiteren Anspruche, die Frankreich beruhren konnen. Das deutsche Volk hat diese meine
Haltung gebilligt. Wie Sie sich selbst bei Ihrem letzten Hiersein uberzeugen konnten,
empfand und empfindet es gegen den einstigen tapferen Gegner im BewuBtsein seiner
eigenen Haltung keinerlei Groll oder gar HaB. Im Gegenteil. Die Befriedung unserer
Westgrenze flihrte zu einer steigenden Sympathie, jedenfalls von seiten des deutschen Volkes.
Eine Sympathie, die sich bei vielen Anlassen geradezu demonstrativ zeigte. Der Bau der
groBen Westbefestigungen, der zahlreiche Milliarden verschlang und verschlingt, stellt fiir
Deutschland zugleich ein Dokument der Akzeptierung und Festlegung der endgultigen
Reichsgrenze dar. Das deutsche Volk hat damit auf 2 Provinzen Verzicht geleistet, die einst
zum alten Deutschen Reich gehorten, spater durch [4241 viel Blut erobert und endlich mit noch
viel mehr Blut verteidigt wurden. Dieser Verzicht stellt, wie Sie mir, Exzellenz, zugeben
mussen, keine taktische, nach auBen gezeigte Haltung dar, sondern einen EntschluB, der in
alien unseren MaBnahmen seine konsequente Erhartung erfuhr. Sie werden mir, Herr
Ministerprasident, nicht einen Fall nennen konnen, in dem auch nur durch eine Zeile oder eine
Rede gegen diese endgliltige Fixierung der deutschen Reichsgrenze nach dem Westen hin
verstoBen worden ware. Ich glaubte, durch diesen Verzicht und durch diese Haltung jeden
denkbaren Konfliktstoff zwischen unseren beiden Volkern ausgeschaltet zu haben, der zu
einer Wiederholung der Tragik von 1914-1918 wiirde fiihren konnen. Diese freiwillige
Begrenzung der deutschen Lebensanspruche im Westen kann aber nicht aufgefaBt werden als
eine auch auf alien anderen Gebieten geltende Akzeptierung des Versailler Diktats. Ich habe
nun wirklich Jahr fur Jahr versucht, die Revision wenigstens der unmoglichsten und
untragbarsten Bestimmungen dieses Diktats auf dem Verhandlungswege zu erreichen. Es war
dies unmoglich. DaB die Revision kommen muBte, war zahlreichen einsichtsvollen Mannern
aus alien Volkern bewuBt und klar. Was immer man nun gegen meine Methode anflihren
kann, was immer man an ihr aussetzen zu mlissen glaubt, so darf doch nicht ubersehen oder
bestritten werden, daB es durch sie moglich wurde, ohne neues BlutvergieBen in vielen Fallen
nicht nur fur Deutschland befriedigende Losungen zu finden, sondern daB durch die Art des
Verfahrens die Staatsmanner anderer Volker von der flir sie oft unmoglichen Verpflichtung
enthoben wurden, diese Revision vor ihren eigenen Volkern verantworten zu mlissen; denn
immerhin eines werden Eure Exzellenz mir zugeben mlissen: Die Revision muBte kommen.
Das Versailler Diktat war untragbar. Kein Franzose von Ehre, auch Sie nicht, Herr Daladier,
hatte in einer ahnlichen Lage anders gehandelt als ich. Ich habe nun in diesem Sinne auch
versucht, die allerunvernlinftigste MaBnahme des Versailler Diktats aus der Welt zu schaffen
Ich habe der Polnischen Regierung ein Angebot gemacht, liber das das Deutsche Volk
erschrocken ist. Kein anderer als ich konnte es liberhaupt wagen, mit einem solchen Angebot
vor die Offentlichkeit zu treten. Es konnte daher auch nur einmalig sein. Ich bin nun zutiefst
liberzeugt, daB, wenn besonders von England aus damals, statt in der Presse gegen
Deutschland ein wilde Campagne loszulassen, Gerlichte von einer deutschen Mobilmachung
zu lancieren, Polen irgendwie zugeredet worden ware, vernlinftig zu sein, Europa heute und
auf 25 Jahre den Zustand des tiefsten Friedens genieBen konnte. So aber wurde erst durch die
Luge von der deutschen Aggression die polnische offentliche Meinung aufgeregt, der
Polnischen Regierung die eigenen notwendigen klaren Entschllisse erschwert und vor allem
durch die dann folgende Abgabe des Garantieversprechens der Blick flir die Grenze realer
Moglichkeiten getrlibt. Die Polnische Regierung lehnte die Vorschlage ab. Die polnische
offentliche Meinung begann in der sicheren Uberzeugung, daB ja nun England und Frankreich
flir Polen kampfen wurden, Forderungen zu erheben, die man vielleicht als lacherliche
Verrucktheit bezeichnen konnte, wenn sie nicht so unendlich gefahrlich waren. Damals setzte
ein unertraglicher Terror, eine physische und wirtschaftliche Drangsalierung der immerhin
liber IV2 Millionen zahlenden Deutschen in den vom Reich abgetretenen Gebieten ein. Ich
will hier nicht liber die vorgekommenen ScheuBlichkeiten sprechen. Allein auch Danzig
wurde mit fortgesetzten Ubergriffen polnischer Behorden steigend zum BewuBtsein gebracht,
daB es scheinbar rettungslos der Willklir einer dem nationalen Charakter der Stadt und der
Bevolkerung fremden Gewalt ausgeliefert ist.
14251 Darf ich mir nun die Frage erlauben, Herr Daladier, wie wurden Sie als Franzose handeln,
wenn durch irgendeinen ungllicklichen Ausgang eines tapferen Kampfes eine Ihrer Provinzen
durch einen von einer fremden Macht besetzten Korridor abgetrennt wiirde, eine groBe Stadt -
sagen wir Marseille - verhindert wiirde, sich zu Frankreich zu bekennen und die in diesem
Gebiete lebenden Franzosen nun verfolgt, geschlagen, miBhandelt, ja bestialisch ermordet
wurden? Sie sind Franzose, Herr Daladier, und ich weiB daher, wie Sie handeln wurden. Ich
bin Deutscher. Herr Daladier, zweifeln Sie nicht an meinem Ehrgeflihl und an meinem
PflichtbewuBtsein, genau so zu handeln. Wenn Sie nun dieses Ungllick hatten, das wir
besitzen, wurden Sie dann, Herr Daladier, verstehen, wenn Deutschland ohne jede
Veranlassung daflir eintreten wollte, daB der Korridor durch Frankreich bleibt, daB die
geraubten Gebiete nicht zuriickkehren diirfen, daB die Riickkehr Marseilles nach Frankreich
verboten wird? Ich kann mir jedenfalls nicht vorstellen, Herr Daladier, daB Deutschland aus
diesem Grande gegen Sie kampfen wiirde, denn ich und alle Welt haben auf ElsaB-Lothringen
verzichtet, urn ein weiteres BlutvergieBen zu vermeiden. Um so weniger wiirden wir Blut
vergieBen, um ein Unrecht aufrechtzuerhalten, das fiir Sie untragbar sein muBte, wie es fiir
uns bedeutungslos ware. Alles, was Sie in Ihrem Brief, Herr Daladier schreiben, empfinde ich
genau so wie Sie. Vielleicht konnen gerade wir uns als alte Frontsoldaten auf manchen
Gebieten am leichtesten verstehen, allein ich bitte Sie, verstehen Sie auch dies: daB es fiir eine
Nation von Ehre unmoglich ist, auf fast 2 Millionen Menschen zu verzichten und sie an
seinen eigenen Grenzen miBhandelt zu sehen. Ich habe daher eine klare Forderung aufgestellt:
Danzig und der Korridor mlissen an Deutschland zuriick. Die mazedonischen Zustande an
unserer Ostgrenze mlissen beseitigt werden. Ich sehe keinen Weg, Polen, das sich ja nun im
Schutze seiner Garantien unangreifbar fiihlt, hier zu einer friedlichen Losung bewegen zu
konnen. Ich wiirde aber an einer ehrenvollen Zukunft meines Volkes verzweifeln, wenn wir
unter solchen Umstanden nicht entschlossen waren, die Frage so oder so zu losen. Wenn das
Schicksal nun dadurch unsere beiden Volker wieder zum Kampfe zwingt, dann wiirde doch in
den Motiven ein Unterschied sein. Ich, Herr Daladier, kampfe dann mit meinem Volk um die
Wiedergutmachung eines uns zugefugten Unrechts, und die anderen um die Beibehaltung
desselben. Dies ist um so tragischer, als viele der bedeutendsten Manner auch Ihres eigenen
Volkes den Unsinn der Losung von 1919 ebenso erkannt haben, wie die Unmoglichkeit seiner
dauernden Aufrechterhaltung. Ich bin mir im klaren iiber die schweren Konsequenzen, die ein
solcher Konflikt mit sich bringt. Ich glaube aber, die schwerste wiirde Polen zu tragen haben,
denn ganz gleich, wie auch ein Krieg um diese Frage ausginge, der Polnische Staat von jetzt
ware so oder so verloren.
DaB nun daflir unsere beiden Volker in einen neuen blutigen Vernichtungskrieg eintreten
sollen, ist nicht nur fiir Sie, sondern auch fiir mich, Herr Daladier, sehr schmerzlich. Ich sehe
aber, wie schon bemerkt, von uns aus keine Moglichkeit, auf Polen in einem vernunftigen
Sinne einwirken zu konnen zur Korrektur einer Lage, die fiir das Deutsche Volk und das
Deutsche Reich unertraglich ist.
Adolf Hitler
14261
Nr. 462
Der Deutsche Geschaftstrager in Warschau an das Auswartige Amt
Telegramm
Warschau, den 27. August 1939
Wie mir ein hiesiger Gesandter erzahlte, hat der Englische Botschafter ihm erklart, er sei nicht
befugt, ihm den Inhalt der Unterredung des Fiihrers mit Henderson mitzuteilen; er konne ihm
aber so viel sagen, daB deutscher Vorschlag offensichtlich den Zweck verfolge, England von
seinen Verbundeten zu trennen.
Wuhlisch
Nr. 463
Dem Ftihrer vom Britischen Botschafter am 28. August 1939 22.30 Uhr
ubergebenes Memorandum der Britischen Regierung
(Ubersetzung)
Seiner Majestat Regierung hat die ihr vom Herrn Deutschen Reichskanzler durch den
Britischen Botschafter in Berlin ubermittelte Botschaft empfangen und hat dieselbe mit der
ihr gebiihrenden Sorgfalt gepriift.
1. Seiner Majestat Regierung hat den vom Herrn Reichskanzler zum Ausdruck gebrachten
Wunsch, daB Freundschaft die Grundlage der Beziehungen zwischen Deutschland und dem
Britischen Imperium bilden moge, zur Kenntnis genommen, und sie teilt diesen Wunsch voll
und ganz. Auch sie glaubt, wie der Herr Reichskanzler, daB, wenn eine vollstandige und
dauernde Verstandigung zwischen diesen zwei Nationen hergestellt werden konnte, es beiden
Voikern unermeBlichen Segen bringen wiirde.
2. Die Botschaft des Herrn Reichskanzlers behandelt zwei Gruppen von Fragen - diejenigen,
die gegenwartig Gegenstand von Differenzen zwischen Deutschland und Polen sind, und
diejenigen, die die endgultigen Beziehungen zwischen Deutschland und GroBbritannien
beriihren. Im Zusammenhang mit diesen zuletzt genannten Fragen ersieht Seiner Majestat
Regierung, daB der Herr Reichskanzler gewisse Vorschlage angedeutet hat, die er unter einer
Bedingung der Britischen Regierung zur Herbeifuhrung einer allgemeinen Verstandigung zu
unterbreiten bereit sein wiirde. Diese Vorschlage sind naturgemaB in sehr allgemeiner Form
gehalten und wiirden eine genauere Definierung erfordern, aber Seiner Majestat Regierung ist
voll und ganz bereit, sie mit einigen Zusatzen als Gegenstand von Unterhaltungen
anzunehmen, und sie wiirde bereit sein, wenn die Streitfragen zwischen Deutschland und
Polen auf friedlichem Wege beigelegt werden, sobald wie moglich diesbeziigliche
Besprechungen einzuleiten mit dem aufrichtigen Wunsche, zu einer Verstandigung zu
gelangen.
3. Die Bedingung, die der Herr Reichskanzler festlegt, ist, daB eine Losung der zwischen
Deutschland und Polen bestehenden Differenzen vorangehen muB. In dieser Beziehung ist
Seiner Majestat Regierung vollkommen gleicher Ansicht. Alles hangt jedoch ab von der Art
der Losung und von der Methode, die zur Erzielung derselben angewandt wird. Zu diesen
Punkten, deren Wichtigkeit dem Herrn Reichskanzler gegenwartig sein wird, ist in seiner
Botschaft nichts gesagt, und Seiner Majestat Regierung fiihlt sich gezwungen, darauf hin- r427i
zuweisen, daB eine Verstandigung bezuglich dieser beiden Punkte flir die Erzielung eines
weiteren Fortschrittes unbedingt notwendig ist. Die Deutsche Regierung wird sich dessen
bewuBt sein, daB Seiner Majestat Regierung gegeniiber Polen Verpflichtungen hat, die sie
binden und die einzulosen sie beabsichtigt. Sie konnte nicht wegen irgendeines
GroBbritannien angebotenen Vorteils einer Losung zustimmen, die die Unabhangigkeit eines
Staates gefahrden wiirde, dem sie ihre Garantie gegeben hat.
4. Nach Ansicht Seiner Majestat Regierung konnte und sollte eine vernunftige Losung der
Differenzen zwischen Deutschland und Polen auf dem Wege der Vereinbarung zwischen den
beiden Nationen erzielt werden auf einer Grundlage, die die Sicherstellung der wesentlichen
Interessen Polens einbeziehen wiirde, und Seiner Majestat Regierung erinnert sich, daB der
Herr Reichskanzler in seiner Rede am 28. April die Wichtigkeit dieser Interessen flir Polen
anerkannt hat.
Wie jedoch der britische Premierminister in seinem Schreiben vom 22. August an den Herrn
Reichskanzler zum Ausdruck brachte, ist es nach Ansicht Seiner Majestat Regierung
unerlaBlich flir den Erfolg der Besprechungen, die der Vereinbarung vorangehen wiirden, daB
es im voraus feststiinde, daB ein zu erzielendes Abkommen von anderen Machten garantiert
werden wiirde. Seiner Majestat Regierung wiirde bereit sein, wenn der Wunsch dazu
ausgesprochen werden sollte, zu der wirksamen Durchfuhrung einer solchen Garantie
beizutragen.
Nach Ansicht Seiner Majestat Regierung folgt hieraus, daB als nachster Schritt direkte
Verhandlungen zwischen der Deutschen und Polnischen Regierung eingeleitet werden sollten
auf einer Grundlage, die die obenerwahnten Grundsatze einschlieBen wiirde, namlich die
Sicherstellung der unentbehrlichen Interessen Polens und die Sicherstellung des Abkommens
durch eine Internationale Garantie. Seiner Majestat Regierung hat bereits eine definitive
Zusicherung von der Polnischen Regierung erhalten, daB diese bereit ist, auf dieser Grundlage
in Besprechungen einzutreten, und Seiner Majestat Regierung hofft, daB die Deutsche
Regierung ihrerseits ebenfalls bereit sein wiirde, einem solchen Verfahren zuzustimmen.
Wenn, wie Seiner Majestat Regierung hofft, solche Besprechungen zu einer Vereinbarung
fiihren wiirden, so ware der Weg off en flir Besprechungen iiber jene breitere und
umfassendere Verstandigung zwischen GroBbritannien und Deutschland, die beide Nationen
erstreben.
5. Seiner Majestat Regierung stimmt mit dem Herrn Reichskanzler darin uberein, daB eine der
hauptsachlichsten Gefahren in der zwischen Deutschland und Polen bestehenden Lage in
Berichten iiber die Behandlung der Minderheiten ihren Ursprung hat. Der gegenwartige
Spannungszustand, zusammen mit den ihn begleitenden Grenzzwischenfallen, Berichten iiber
MiBhandlungen und der aufreizenden Propaganda ist eine standige Gefahr flir den Frieden. Es
ist offensichtlich eine Frage auBerster Dringlichkeit, daB alle Zwischenfalle dieser Art
unverziiglich und mit fester Hand unterdriickt werden, und daB die Verbreitung unbestatigter
Geruchte verhindert wird, um eine Frist zu erlangen, in der ohne Provokation auf beiden
Seiten eine eingehende Prufung der Moglichkeiten einer Losung unternommen werden
konnte. Seiner Majestat Regierung ist iiberzeugt, daB beide beteiligten Regierungen sich
dieser Erwagung vollig bewuBt sind.
r428i 6. Seiner Majestat Regierung hat ihre eigene Haltung gegenuber den besonderen zwischen
Deutschland und Polen strittigen Angelegenheiten erschopfend zum Ausdruck gebracht. Sie
vertraut darauf, daB der Herr Reichskanzler nicht glauben wird, daB Seiner Majestat
Regierung, weil sie ihre Verpflichtung gegenuber Polen genau nimmt, aus diesem Grande
nicht bestrebt ist, ihren ganzen EinfluB flir das Zustandekommen einer sowohl Deutschland
wie Polen befriedigenden Losung einzusetzen.
DaB eine solche Losung erzielt werden sollte, erscheint Seiner Majestat Regierung als
unbedingt notwendig, nicht nur aus Griinden, die in unmittelbarem Zusammenhang mit der
Losung selbst entstehen, sondern auch wegen der umfassenderen Erwagungen, von denen der
Herr Reichskanzler mit solcher Uberzeugung gesprochen hat.
7. Es ist unnotig, in der vorliegenden Antwort die Vorteile einer friedlichen Losung
hervorzuheben gegenuber einem EntschluB, die in Frage kommenden Probleme mit
Waffengewalt zu losen. Die Folgen eines Entschlusses, Gewalt zu gebrauchen, sind in dem
Schreiben des Premierministers vom 22. August an den Herrn Reichskanzler klar dargelegt
worden, und Seiner Majestat Regierung zweifelt nicht daran, daB diese Folgen vom Herrn
Reichskanzler genau so klar erkannt werden wie von Seiner Majestat Regierung selbst.
Andererseits glaubt Seiner Majestat Regierung, indem sie mit Interesse den in der Botschaft
des Herrn Reichskanzlers enthaltenen Hinweis auf eine Begrenzung der Rustungen zur
Kenntnis nimmt, daB, wenn eine friedliche Losung erreicht werden kann, die Unterstutzung
der Welt zuversichtlich vorausgesetzt werden konnte flir praktische MaBnahmen, die es
ermoglichen wiirden, den Ubergang von einer Vorbereitung zum Kriege auf eine normale
Tatigkeit friedlichen Handels sicher und reibungslos durchzuflihren.
8. Eine gerechte Losung dieser zwischen Deutschland und Polen bestehenden Fragen kann
den Weg zum Weltfrieden offnen. Das Ausbleiben einer solchen Losung wiirde die Hoffnung
auf eine bessere Verstandigung zwischen Deutschland und GroBbritannien zerschlagen,
wiirde die beiden Nationen in Konflikt bringen und konnte sehr wohl die gesamte Welt in den
Krieg sturzen. Ein solches Ergebnis ware eine Katastrophe ohne Beispiel in der Geschichte.
Nr. 464
Dem Britischen Botschafter am 29. August 1939 18.45 Uhr
ubergebene Antwort des Ftihrers an die Britische Regierung
Der Koniglich Britische Botschafter in Berlin hat der Koniglich Britischen Regierung
Anregungen ubermittelt, die ich vorschlagen zu mussen glaubte, um
1. dem Willen der Reichsregierung nach einer aufrichtigen deutsch-englischen
Verstandigung, Zusammenarbeit und Freundschaft noch einmal Ausdruck zu geben;
2. keinen Zweifel dariiber aufkommen zu lassen, daB eine solche Verstandigung nicht erkauft
werden konnte mit dem Verzicht auf lebenswichtige deutsche Interessen oder gar einer
Preisgabe von Forderungen, die ebenso im allgemeinen menschlichen Recht wie in der
nationalen Wiirde und Ehre unseres Volkes begriindet sind.
14291 Mit Befriedigung hat die Deutsche Regierung aus den Antwortschreiben der Koniglich
Britischen Regierung und den mundlichen Erlauterungen des Koniglich Britischen
Botschafters entnommen, daB die Koniglich Britische Regierung auch ihrerseits bereit ist, das
deutsch-englische Verhaltnis zu bessern, es im Sinne der deutschen Anregungen zu
entwickeln und auszubauen.
Die Koniglich Britische Regierung ist dabei ebenfalls uberzeugt, daB die Losung der
unertraglich gewordenen deutsch-polnischen Spannung die Voraussetzung flir eine
Realisierung dieser Hoffnung ist.
Seit dem Herbst des vergangenen Jahres und zuletzt im Marz 1939 wurden der Polnischen
Regierung mundlich und schriftlich Vorschlage unterbreitet, die unter der Beriicksichtigung
der damals zwischen Deutschland und Polen bestehenden Freundschaft eine fiir beide Teile
annehmbare Losung der strittigen Fragen ermoglichen konnten. Es ist der Koniglich
Britischen Regierang bekannt, daB die Polnische Regierang glaubte, diese Vorschlage im
Marz dieses Jahres endgultig ablehnen zu mlissen. Sie hat diese Ablehnung zugleich zum
Vorwand oder AnlaB genommen, militarische MaBnahmen zu treffen, die seitdem eine
fortgesetzte Steigerang erfuhren. Schon in der Mitte des vergangenen Monats hat der
Polnische Staat tatsachlich mobil gemacht. In Verbindung damit haben zahlreiche Ubergriffe
in der Freien Stadt Danzig stattgefunden, hervorgerufen durch polnische Behorden; mehr oder
weniger drohend ultimative Forderungen wurden an diese Stadt gerichtet. Die Verhangung
einer erst zollpolitisch durchgefiihrten, nunmehr aber auch militarisch und verkehrstechnisch
erweiterten Grenzsperre mit dem Ziel der politischen Zermurbung und wirtschaftlichen
Zerstorung dieses deutschen Gemeinwesens fand statt.
Hinzu kommen himmelschreiende, barbarische Mifihandlungen und sonstige
Verfolgungen der grofien deutschen Volksgruppe in Polen, die bis zur Totung vieler
dort lebender Deutschen oder zur Verschleppung unter grausamsten Begleitumstanden
fuhrten. Diese Zustande sind fur eine GroBmacht unertraglich. Sie haben Deutschland
gezwungen, nach monatelangem Zusehen nunmehr ebenfalls die notwendigen Schritte zur
Wahrung der berechtigten deutschen Interessen zu ergreifen. Und die Deutsche
Reichsregierung kann der Britischen Regierang nur auf das ernsteste versichern, daB nunmehr
jener Zustand erreicht ist, der ein weiteres Hinnehmen oder auch nur Zusehen ausschlieBt.
Die Forderung der Deutschen Reichsregierung entspricht der von Anfang an als notwendig
erkannten Revision des Versailler Vertrags in diesem Gebiet; Ruckkehr von Danzig und
dem Korridor an Deutschland, Sicherung des Lebens der deutschen Volksgruppen in den
restlich Polen verbleibenden Gebieten.
Die Deutsche Reichsregierung nimmt mit Befriedigung Kenntnis, daB auch die Koniglich
Britische Regierang im grands atzlichen iiberzeugt ist, daB die entstandene Lage einer Losung
entgegengefuhrt werden muB. Sie glaubt weiter annehmen zu diirfen, daB sich auch die
Koniglich Britische Regierang keinem Zweifel dariiber hingibt, daB es sich hier nicht mehr
um Zustande handelt, zu deren Beseitigung Tage oder gar Wochen, sondern vielleicht nur
Stunden zur Verfugung stehen. Denn es ist in jedem Augenblick angesichts der
desorganisierten Verhaltnisse in Polen mit der Moglichkeit des Eintretens von Akten zu
rechnen, die hinzunehmen flir Deutschland unmoglich sein konnte.
Wenn die Koniglich Britische Regierang noch immer glaubt, daB diese schwerwiegenden
Differenzen auf dem Wege direkter Verhandlungen zu losen seien, so kann die Deutsche
Reichsregierung diese Auffassung von vornherein r43oi leider nicht mehr teilen. Denn sie hat es
ja versucht, den Weg einer solchen friedlichen Verhandlung einzuleiten, wurde aber dabei
von der Polnischen Regierang nicht unterstutzt, sondern durch briisk eingeleitete MaBnahmen
militarischen Charakters im Sinne der schon angedeuteten Entwicklung abgewiesen.
Die Koniglich Britische Regierang sieht 2 Momente als wichtig an:
1. daB durch direkte Verhandlungen schnellstens die vorhandene Gefahr einer
drohenden Entladung beseitigt wird, und daB
2. der Existenz des im iibrigen dann fortbestehenden Polnischen Staates durch
internationale Garantien wirtschaftlich und politisch die notwendige Sicherung
gegeben wird.
Die Deutsche Reichsregierung hat dazu folgende Erklarung abzugeben:
Trotz ihrer skeptischen Beurteilung der Aussichten solcher direkten Besprechungen will sie
dennoch den englischen Vorschlag akzeptieren und in diese eintreten. Sie tut dies
ausschlieBlich unter dem Eindruck der - wie schon betont - ihr zugegangenen schriftlichen
Mitteilung der Koniglich Britischen Regierung, daB auch diese ein Freundschaftsabkommen
unter Zugrundelegung der dem Botschafter Henderson gegebenen Anhaltspunkte wunscht.
Die Deutsche Regierung will dadurch der Koniglich Britischen Regierung und dem
englischen Volk einen Beweis flir die Aufrichtigkeit der deutschen Absicht, zu einer
dauernden Freundschaft mit GroBbritannien zu kommen, geben.
Die Reichsregierung muB die Britische Regierung pflichtgemaB aber darauf hinweisen, daB
sie im Falle einer Neugestaltung der territorialen Verhaltnisse in Polen nicht mehr in der Lage
ware, ohne Hinzuziehung der Sowjet-Union sich zu Garantien zu verpflichten oder an
Garantien teilzunehmen.
Im ubrigen hat die Deutsche Reichsregierung bei ihren Vorschlagen nie die Absicht gehabt,
lebenswichtige Interessen Polens anzugreifen oder die Existenz eines unabhangigen
Polnischen Staates in Frage zu stellen. Die Deutsche Reichsregierung ist unter diesen
Umstanden daher damit einverstanden, die vorgeschlagene Vermittlung der Koniglich
Britischen Regierung zur Entsendung einer mit alien Vollmachten versehenen polnischen
Personlichkeit nach Berlin anzunehmen. Sie rechnet mit dem Eintreffen dieser Personlichkeit
fur Mittwoch, den 30. August 1939.
Die Reichsregierung wird die Vorschlage einer flir sie akzeptablen Losung sofort ausarbeiten
und diese, wenn moglich, bis zur Ankunft des polnischen Unterhandlers auch der Britischen
Regierung zur Verfugung stellen.
Nr. 465
Der Deutsche Geschaftstrager in Warschau an das Auswartige Amt
Telephonische Mitteilung vom 30. August 1939 17.30 Uhr
Seit einer Stunde ist in Polen durch Anschlag die allgemeine Mobilmachung befohlen
worden. Erster Mobilmachungstag ist der 3 1 . August; zu melden haben sich alle Personen, die
eine weiBe Einberufungskarte besitzen.
Attmerfumgen:
Der Deutsche Konsul in Teschen von der Damerau hat hieriiber der Deutschen Botschaft in
Warschau am 31. August berichtet: Ein Lastkraftwagen, auf dem 30 in Bielitz verhaftete
Volksdeutsche ins Innere transportiert werden sollten, geriet auf der StraBe dicht hinter Bielitz
ins Schleudern, wobei einige Volksdeutsche vom Wagen fielen. Diesen AnlaB benutzte das
auf dem Wagen befindliche polnische Begleitkommando, um blindlings in die auf dem
Wagen zusammengedrangten Volksdeutschen hineinzuschieBen, wobei 8 den Tod fanden und
eine groBe Anzahl verwundet wurde. ...zurlick...
" Auf eine Anfrage des Unterhausmitgliedes Harvey, ob die Beistandsverpflichtungen des
britisch-polnischen Vertrages vom 25. August 1939 auch den Fall des Angriffs durch
nichtdeutsche Machte, einschlieBlich RuBlands, decken sollten, gab der Britische
Unterstaatssekretar flir Auswartige Angelegenheiten Butler am 19. Oktober 1939 folgende
schriftliche Antwort: "Nein. Wahrend der Verhandlungen, die zur Unterzeichnung des
Abkommens fuhrten, wurde zwischen der Polnischen Regierung und der Regierung Seiner
Majestat vereinbart, daB das Abkommen nur den Fall eines Angriffs durch Deutschland
decken sollte; die Polnische Regierung bestatigt, daB dies zutrifft." ...zurlick...
Viertes Kapitel (Fo rts. )
Polen als Werkzeug des Englischen Kriegswillens
B. Die letzte Phase
der Deutsch-Polnischen Krise
Nr. 466
Unterredung des Reichsministers des Auswartigen
mit dem Britischen Botschafter, 30. August 1939 um Mitternacht
Aufzeichnung des Gesandten Schmidt
Henderson libergab das in der Anlage— beigefugte Memorandum der Britischen Regierung.
Er fiigte hinzu, daB er den Auftrag habe, zwei weitere Punkte mundlich zur Sprache zu
bringen.
Man konne von der Polnischen Regierung nur dann vollstandige Zuriickhaltung erwarten,
wenn die Deutsche Regierung auf ihrer Seite der Grenze die gleiche Haltung einnehme und
wenn keine Provokationen der deutschen Minderheit in Polen erfolgten. Es seien Berichte im
Umlauf, nach denen die Deutschen in Polen Sabotageakte veriibten, die die scharfsten
GegenmaBnahmen seitens der Polnischen Regierung rechtfertigen wlirden. Der
ReichsauBenminister wies diese Bemerkung auf das nachdrucklichste zuriick. Deutschland
kenne ausschlieBlich polnische Provokationen, aber die polnische Propaganda schiene bei der
Britischen Regierung ihre Wirkung nicht verfehlt zu haben. Unerhorteste Sabotageakte
wlirden von den Polen verlibt. Er lehne es ab, mit der Britischen Regierung liber dieses Thema
liberhaupt zu sprechen.
Die weitere Weisung Hendersons bezog sich auf die Antwort der Deutschen Regierung vom
Vortage, in der die Deutsche Regierung sich bereit erklart hatte, in direkte Flihlung mit Polen
zu treten, wenn die Polnische Regierung sofort einen bevollmachtigten Vertreter entsenden
wurde. Die Britische Regierung sei nicht in der Lage, der Polnischen Regierung zu
empfehlen, auf dieses Verhandlungsverfahren einzugehen. Sie schlage der Deutschen
Regierung vor, auf normalem diplomatischem Wege, d. h. durch Uberreichung ihrer
Vorschlage an den Polnischen Botschafter, die Dinge ins Rollen zu bringen, um den
Polnischen Botschafter in die Lage zu versetzen, im Einvernehmen mit seiner Regierung die
Vorbereitungen flir direkte deutsch-polnische Verhandlungen zu treffen. Wenn die deutsche
Regierung diese Vorschlage auch der Britischen Regierang zuleiten wiirde, und diese der
Ansicht ware, daB die Vorschlage eine vernunftige Grundlage flir eine Regelung der zur
Erorterung stehenden Probleme bilden, so wiirde sie ihren EinfluB im Sinne einer Losung in
Warschau zur Geltung bringen.
Henderson fragte unter Hinweis auf den letzten Absatz der deutschen Antwort vom Vortage,
ob die deutschen Vorschlage bereits ausgearbeitet seien und ob ihm diese Vorschlage
ubergeben werden konnten.
Der ReichsauBenminister antwortete, daB 1. die britische Vermittlung bisher nur ein klares
Ergebnis gezeitigt hatte, namlich die polnische Generalmobilmachung. 2. Man habe
deutscherseits mit dem Erscheinen eines polnischen Vertreters am heutigen Tage gerechnet.
Es sei dies nicht, wie der Britische Botschafter irrtumlich angenommen habe, ein Ultimatum
gewesen, sondern, wie der Fiihrer bereits am Vortage auseinandergesetzt habe, es sei ein von
den Zeitumstanden diktierter praktischer Vorschlag gewesen. Bis Mitternacht habe man auf
deutscher Seite nichts von den Polen gehort. Die Frage eines eventuellen Vorschlags sei daher
nicht langer aktuell. Um aber zu zeigen, was Deutschland vorzuschlagen beabsichtigt hatte,
wenn der polnische Vertreter gekommen ware, verlas der ReichsauBenminister die in der
Anlage beigefiigten deutschen Vorschlage 241 und erlauterte sie im einzelnen.
r432i Henderson erwiderte, die Erklarung des ReichsauBenministers, daB infolge des
Nichterscheinens des polnischen Vertreters bis Mittwoch Mitternacht die urspriinglich
beabsichtigten deutschen Vorschlage nicht mehr aktuell waren, schiene seine Auslegung des
Vorschlags als Ultimatum zu bestatigen.
Der ReichsauBenminister trat dieser Auffassung erneut energisch entgegen und wies auf die
am Vortage vom Fiihrer abgegebene Erklarung hin, daB die Eile durch die Tatsache bedingt
sei, daB sich zwei mobilisierte Armeen in SchuBweite gegenuberstanden und in jeder Minute
ein Zwischenfall ernste Konflikte auslosen konne.
Zum SchluB schlug Henderson vor, der ReichsauBenminister moge den Polnischen
Botschafter herbeirufen und ihm die deutschen Vorschlage ubergeben.
Der ReichsauBenminister lehnte dieses Verfahren flir seine Person ab und beendete die
Unterredung, indem er dem Fiihrer samtliche Entscheidungen vorbehielt.
Schmidt
Anlage I
Dem Reichsminister des Auswartigen am 30. August 1939 24 Uhr
vom Britischen Botschafter ubergebenes Memorandum
der Britischen Regierung
(Ubersetzung)
1. Die Regierung Seiner Majestat weiB die Tatsache zu wiirdigen, daB die Deutsche
Regierung in der in ihrer Antwort enthaltenen Erklarung freundlichst auf ihren Wunsch einer
deutsch-englischen Verstandigung hinweist, und weiB ebenso den Hinweis zu wiirdigen, daB
diese Erwagung ihre Politik beeinfluBt hat.
2. Die Regierung Seiner Majestat bringt wiederholt zum Ausdruck, daB sie den Wunsch der
Deutschen Regierung nach einer Verbesserung der Beziehungen durchaus teilt; es ist jedoch
dabei zu beriicksichtigen, daB sie urn dieser Verbesserung willen nicht die Interessen ihrer
Freunde preisgeben kann. Sie hat voiles Verstandnis dafiir, daB die Deutsche Regierung
Deutschlands Lebensinteressen nicht opfern kann, aber die Polnische Regierung befindet sich
in der gleichen Lage, und die Regierung Seiner Majestat glaubt, daB die Lebensinteressen der
beiden Lander nicht unvereinbar sind.
3. Die Regierung Seiner Majestat nimmt zur Kenntnis, daB die Deutsche Regierung den
britischen Vorschlag annimmt und bereit ist, mit der Polnischen Regierung in unmittelbaren
Meinungsaustausch zu treten.
4. Die Regierung Seiner Majestat glaubt annehmen zu diirfen, daB die Deutsche Regierung im
Prinzip die Bedingung annimmt, daB jedwede Regelung zum Gegenstand einer
internationalen Garantie gemacht werden sollte. Die Frage, wer sich an einer solchen Garantie
beteiligen soil, wird spater zu erortern sein, und die Regierung Seiner Majestat hofft, daB, um
Zeitverlust zu vermeiden, die Deutsche Regierung sofort Schritte unternehmen wird, um die
Zustimmung der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken zu erreichen, deren Beteiligung
an der Garantie die Regierung Seiner Majestat stets vorausgesetzt hat.
14331 5. Die Regierung Seiner Majestat nimmt gleichfalls zur Kenntnis, daB die Deutsche
Regierung den Standpunkt der Britischen Regierung hinsichtlich der Lebensinteressen und
der Unabhangigkeit Polens anerkennt.
6. Hinsichtlich besonderer Forderungen, die die Deutsche Regierung in einem fruheren
Absatz ihrer Antwort anmeldet, muB die Regierung Seiner Majestat einen ausdriicklichen
Vorbehalt machen. Sie glaubt zu verstehen, daB die Deutsche Regierung zur Zeit Vorschlage
flir eine Losung ausarbeitet. Zweifelsohne werden diese Vorschlage wahrend des
Meinungsaustausches sorgfaltig gepriift werden. Es kann dann entschieden werden, wie weit
diese mit den wesentlichen Bedingungen vereinbar sind, die die Regierung Seiner Majestat
bekanntgegeben hat und die anzunehmen die Deutsche Regierung ihre Bereitwilligkeit zum
Ausdruck gebracht hat.
7. Die Regierung Seiner Majestat wird die Polnische Regierung sofort von der Antwort der
Deutschen Regierung verstandigen. Die Art der Fuhlungnahme und die Vorbereitungen flir
einen Meinungsaustausch mussen selbstverstandlich in aller Eile zwischen der Deutschen und
der Polnischen Regierung vereinbart werden. Die Regierung Seiner Majestat ist jedoch der
Ansicht, daB es untunlich ware, diese Fuhlungnahme schon heute herzustellen.
8. Die Regierung Seiner Majestat erkennt voll an, daB bei der Aufnahme der Verhandlungen
Eile geboten ist, und teilt die Befurchtungen des Herrn Reichskanzlers, die sich aus dem
Umstand ergeben, daB zwei mobilisierte Armeen sich in allernachster Nahe gegenuberstehen.
Sie mochte daher auf das dringendste nahelegen, daB beide Parteien sich verpflichten, daB
wahrend der Verhandlungen keine aggressiven militarischen Bewegungen stattfinden. Die
Regierung Seiner Majestat vertraut darauf, daB sie von der Polnischen Regierung eine
derartige Zusage erhalten wiirde, wenn die Deutsche Regierung eine gleichartige
Versicherung abgeben wollte.
9. Die Regierung Seiner Majestat mochte ferner noch vorschlagen, daB vorlaufig ein modus
vivendi flir Danzig geschaffen wird, um Zwischenfalle zu verhliten, die geeignet waren, die
deutsch-polnischen Beziehungen noch schwieriger zu gestalten.
Berlin, den 30. August 1939
Anlage II
Vorschlag fur eine Regelung des Danzig-Korridor-Problems
sowie der Deutsch-Polnischen Minderheitenfrage
Die Lage zwischen dem Deutschen Reich und Polen ist zur Zeit so, daB jeder weitere
Zwischenfall zu einer Entladung der beiderseits in Stellung gegangenen militarischen
Streitkrafte fiihren kann. Jede friedliche Losung muB so beschaffen sein, daB sich nicht bei
nachster Gelegenheit die diesen Zustand ursachlich bedingenden Ereignisse wiederholen
konnen und dadurch nicht nur der Osten Europas, sondern auch andere Gebiete in die gleiche
Spannung versetzt werden.
Die Ursachen dieser Entwicklung liegen
1. in der unmoglichen Grenzziehung, wie sie durch das Versailler Diktat vorgenommen
wurde,
2. in der unmoglichen Behandlung der Minderheit in den abgetrennten Gebieten.
r434i Die Deutsche Reichsregierung geht daher bei diesen Vorschlagen von dem Gedanken aus,
eine endgliltige Losung zu finden, die die unmogliche Situation der Grenzziehung beseitigt,
beiden Teilen ihre lebenswichtigen VerbindungsstraBen sichert, das Minderheitenproblem -
soweit irgend moglich - beseitigt und, soweit dies nicht moglich ist, das Schicksal der
Minderheiten durch eine sichere Garantie ihrer Rechte ertraglich gestaltet.
Die Deutsche Reichsregierung ist iiberzeugt, daB es dabei unerlaBlich ist, wirtschaftliche und
physische Schadigungen, die seit dem Jahre 1918 stattgefunden haben, aufzudecken und im
vollen Umfange wiedergutzumachen. Sie sieht selbstverstandlich diese Verpflichtung als eine
flir beide Teile bindende an.
Aus diesen Erwagungen ergeben sich folgende praktische Vorschlage:
1. Die Freie Stadt Danzig kehrt auf Grand ihres rein deutschen Charakters sowie des
einmutigen Willens ihrer Bevolkerung sofort in das Deutsche Reich zuriick.
2. Das Gebiet des sogenannten Korridors , das von der Ostsee bis zu der Linie Marienwerder-
Graudenz-Kulm-Bromberg (diese Stadte einschlieBlich) und dann etwa westlich nach
Schonlanke reicht, wird liber seine Zugehorigkeit zu Deutschland oder zu Polen selbst
entscheiden.
3. Zu diesem Zweck wird dieses Gebiet eine Abstimmung vornehmen.
Abstimmungsberechtigt sind alle Deutschen, die am 1. Januar 1918 in diesen Gebiete
wohnhaft waren oder bis zu diesem Tage dort geboren wurden, und desgleichen alle an
diesem Tage in diesem Gebiet wohnhaft gewesenen oder bis zu diesem Tage dort geborenen
Polen, Kaschuben usw. Die aus diesem Gebiet vertriebenen Deutschen kehren zur Erflillung
ihrer Abstimmung zuriick.
Zur Sicherang einer objektiven Abstimmung sowie zur Gewahrleistung der dafiir
notwendigen umfangreichen Vorarbeiten wird dieses erwahnte Gebiet ahnlich dem Saargebiet
einer sofort zu bildenden internationalen Kommission unterstellt, die von den vier
GroBmachten Italien, Sowjetunion, Frankreich, England gebildet wird. Diese Kommission libt
alle Hoheitsrechte in diesem Gebiet aus. Zu dem Zweck ist dieses Gebiet in einer zu
vereinbarenden kiirzesten Frist von den polnischen Militars, der polnischen Polizei und den
polnischen Behorden zu raumen.
4. Von diesem Gebiet bleibt ausgenommen der polnische Hafen Gdingen, der grundsatzlich
polnisches Hoheitsgebiet ist, insoweit er sich territorial auf die polnische Siedlung beschrankt.
Die naheren Grenzen dieser polnischen Hafenstadt waren zwischen Deutschland und
Polen festzulegen und notigenfalls durch ein internationales Schiedsgericht festzusetzen.
5. Um die notwendige Zeit fur die erforderlichen umfangreichen Arbeiten zur Durchfuhrung
einer gerechten Abstimmung sicherzustellen, wird diese Abstimmung nicht vor Ablauf von 12
Monaten stattfinden.
6. Um wahrend dieser Zeit Deutschland seine Verbindung mit OstpreuBen und Polen seine
Verbindung mit dem Meere unbeschrankt zu garantieren, werden StraBen und Eisenbahnen
festgelegt, die einen freien Transit- 14351 verkehr ermoglichen. Hierbei diirfen nur jene
Abgaben erhoben werden, die flir die Erhaltung der Verkehrswege bzw. fur die Durchfuhrung
der Transporte erforderlich sind.
7. Uber die Zugehorigkeit des Gebietes entscheidet die einfache Mehrheit der abgegebenen
Stimmen.
8. Um nach erfolgter Abstimmung - ganz gleich, wie diese ausgehen moge - die Sicherheit
des freien Verkehrs Deutschlands mit seiner Provinz Danzig-OstpreuBen und Polen seine
Verbindung mit dem Meere zu garantieren, wird, falls das Abstimmungsgebiet an Polen fallt,
Deutschland eine exterritoriale Verkehrszone, etwa in Richtung von Biitow-Danzig bzw.
Dirschau, gegeben zur Anlage einer Reichsautobahn sowie einer viergleisigen Eisenbahnlinie.
Der Bau der StraBe und der Eisenbahn wird so durchgefuhrt, daB die polnischen
Kommunikationswege dadurch nicht beriihrt, d. h. entweder liber- oder unterfahren werden.
Die Breite dieser Zone wird auf einen Kilometer festgesetzt und ist deutsches Hoheitsgebiet.
Fallt die Abstimmung zugunsten Deutschlands aus, erhalt Polen zum freien und
uneingeschrankten Verkehr nach seinem Hafen Gdingen die gleichen Rechte einer ebenso
exterritorialen StraBen- bzw. Bahnverbindung, wie sie Deutschland zustehen wiirden.
9. Im Falle des Zuriickfallens des Korridors an das Deutsche Reich erklart sich dieses bereit,
einen Bevolkerungsaustausch mit Polen in dem AusmaB vorzunehmen, als der Korridor
hierfiir geeignet ist.
10. Die etwa von Polen gewunschten Sonderrechte im Hafen von Danzig wiirden paritatisch
ausgehandelt werden mit gleichen Rechten Deutschlands im Hafen von Gdingen.
11. Um in diesem Gebiet jedes Gefiihl einer Bedrohung auf beiden Seiten zu beseitigen,
wiirden Danzig und Gdingen den Charakter reiner Handelsstadte erhalten, d. h. ohne
militarische Anlagen und militarische Befestigungen.
12. Die Halbinsel Hela, die entsprechend der Abstimmung entweder zu Polen oder zu
Deutschland kame, wiirde in jedem Fall ebenfalls zu demilitarisieren sein.
13. Da die Deutsche Reichsregierung heftigste Beschwerden gegen die polnische
Minderheitenbehandlung vorzubringen hat, die Polnische Regierung ihrerseits glaubt, auch
Beschwerden gegen Deutschland vorbringen zu mlissen, erklaren sich beide Parteien damit
einverstanden, daB diese Beschwerden einer international zusammengesetzten
Untersuchungskommission unterbreitet werden, die die Aufgabe hat, alle Beschwerden liber
wirtschaftliche und physische Schadigungen sowie sonstige terroristische Akte zu
untersuchen.
Deutschland und Polen verpflichten sich, alle seit dem Jahre 1918 etwa vorgekommenen
wirtschaftlichen und sonstigen Schadigungen der beiderseitigen Minoritaten wieder
gutzumachen bzw. alle Enteignungen aufzuheben oder fur diese und sonstige Eingriffe in das
wirtschaftliche Leben eine vollstandige Entschadigung den Betroffenen zu leisten.
14. Um den in Polen verbleibenden Deutschen sowie den in Deutschland verbleibenden Polen
das Gefiihl der internationalen Rechtlosigkeit zu J43&1 nehmen und ihnen vor allem die
Sicherheit zu gewahren, nicht zu Handlungen bzw. zu Diensten herangezogen werden zu
konnen, die mit ihrem nationalen Gefiihl unvereinbar sind, kommen Deutschland und Polen
uberein, die Rechte der beiderseitigen Minderheiten durch umfassendste und bindende
Vereinbarungen zu sichern, um diesen Minderheiten die Erhaltung, freie Entwicklung und
Betatigung ihres Volkstums zu gewahrleisten, ihnen insbesondere zu diesem Zweck die von
ihnen fur erforderlich gehaltene Organisierung zu gestatten. Beide Teile verpflichten sich, die
Angehorigen der Minderheit nicht zum Wehrdienst heranzuziehen.
15. Im Falle einer Vereinbarung auf der Grundlage dieser Vorschlage erklaren sich
Deutschland und Polen bereit, die sofortige Demobilmachung ihrer Streitkrafte anzuordnen
und durchzufuhren.
16. Die zur Beschleunigung der obigen Abmachungen erforderlichen weiteren MaBnahmen
werden zwischen Deutschland und Polen gemeinsam vereinbart.
Nr. 467
Der Staatssekretar des Auswartigen Amts
an die Deutschen Diplomatischen Missionen
Rundtelegramm
Berlin, den 31. August 1939
Unsere Erwartung, daB, entsprechend unserem durch Britische Regierung nach Warschau
iibermittelten Vorschlag, unverzugliche Entsendung eines polnischen Bevollmachtigten zur
Aufnahme direkter deutsch-polnischer Verhandlungen erfolgen wiirde, ist nicht in Erfiillung
gegangen. Vielmehr hat Polen, wie bekannt, gestern Generalmobilmachung angeordnet. Unter
diesen Umstanden hat Lage weitere uberaus schwerwiegende Zuspitzung erfahren.
Weizsacker
Nr. 468
Amtliche Deutsche Mitteilung vom 31. August 1939 21 Uhr
Die Koniglich Britische Regierung hat sich in einer Note vom 28. August 1939 gegeniiber der
Deutschen Regierung bereit erklart, ihre Vermittlung zu direkten Verhandlungen zwischen
Deutschland und Polen liber die strittigen Probleme zur Verfugung zu stellen. Sie hat dabei
keinen Zweifel daruber gelassen, daB auch ihr angesichts der fortdauernden Zwischenfalle
und der allgemeinen europaischen Spannung die Dringlichkeit des Vorganges bewuBt ware.
Die Deutsche Regierung hat sich in einer Antwortnote vom 29. August 1939 trotz ihrer
skeptischen Beurteilung des Willens der Polnischen Regierung, uberhaupt zu einer
Verstandigung zu kommen, im Interesse des Friedens bereit erklart, die englische Vermittlung
bzw. Anregung anzunehmen. Sie hat unter Wlirdigung aller der zur Zeit gegebenen Umstande
es flir notwendig erachtet, in dieser ihrer Note darauf hinzuweisen, daB, wenn uberhaupt die
Ge- £437i fahr einer Katastrophe vermieden werden soil, dann schnell und unverzuglich
gehandelt werden muB. Sie hat sich in diesem Sinne bereit erklart, bis zum 30. August 1939
abends einen Beauftragten der Polnischen Regierung zu empfangen, unter der Voraussetzung,
daB dieser auch wirklich bevollmachtigt sei, nicht nur zu diskutieren, sondern Verhandlungen
zu fiihren und abzuschlieBen.
Die Deutsche Regierung hat weiter in Aussicht gestellt, daB sie glaubt, bis zum Eintreffen
dieses polnischen Unterhandlers in Berlin der Britischen Regierung die Grundlagen liber das
Verstandigungsangebot ebenfalls zuganglich machen zu konnen.
Statt eine Erklarung liber das Eintreffen einer autorisierten polnischen Personlichkeit erhielt
die Reichsregierung als Antwort auf ihre Verstandigungsbereitschaft zunachst die Nachricht
der polnischen Mobilmachung und erst am 30. August 1939 gegen 12 Uhr nachts eine mehr
allgemein gehaltene britische Versicherung der Bereitwilligkeit, ihrerseits auf den Beginn von
Verhandlungen hinwirken zu wollen.
Trotzdem durch das Ausbleiben des von der Reichsregierung erwarteten polnischen
Unterhandlers die Voraussetzung entfallen war, der Britischen Regierung noch eine Kenntnis
liber die Auffassung der Deutschen Regierung in bezug auf mogliche
Verhandlungsgrundlagen zu geben, da die Britische Regierung ja selbst flir direkte
Verhandlungen zwischen Deutschland und Polen pladiert hatte, gab ReichsauBenminister v.
Ribbentrop dem Britischen Botschafter anlaBlich der Ubergabe der letzten englischen Note
eine genaue Kenntnis des Wortlautes der flir den Fall des Eintreffens des polnischen
Bevollmachtigten als Verhandlungsgrundlage vorgesehenen deutschen Vorschlage.
Die Deutsche Reichsregierung glaubte ein Recht darauf zu haben, daB unter diesen
Umstanden wenigstens nachtraglich die sofortige Benennung einer polnischen Personlichkeit
stattfinden wlirde. Denn es ist der Reichsregierung nicht zuzumuten, ihrerseits fortgesetzt die
Bereitwilligkeit zur Inangriffnahme solcher Verhandlungen nicht nur zu betonen, sondern
auch daflir bereitzusitzen, von der polnischen Seite aber nur mit leeren Ausfllichten und
nichtssagenden Erklarungen hingehalten zu werden.
Aus einer inzwischen stattgefundenen Demarche des Polnischen Botschafters geht erneut
hervor, daB auch dieser nicht bevollmachtigt ist, in irgendeine Diskussion einzutreten oder gar
zu verhandeln.
Somit haben der Fiihrer und die Deutsche Reichsregierung nun 2 Tage vergeblich auf das
Eintreffen eines bevollmachtigten polnischen Unterhandlers gewartet.
Unter diesen Umstanden sieht die Deutsche Regierung auch dieses Mai ihre Vorschlage
praktisch als abgelehnt an, obwohl sie der Meinung ist, daB diese in der Form, in der sie auch
der Englischen Regierung bekanntgegeben worden sind, mehr als loyal, fair und erfiillbar
gewesen waren.
Die Reichsregierung halt es fur angebracht, der Offentlichkeit Kenntnis von diesen dem
Britischen Botschafter durch den ReichsauBenminister von Ribbentrop mitgeteilten
Verhandlungsgrundlagen zu geben.—
MM
Nr. 469
Meldung des Polnischen Rundfunksenders Warschau
vom 31. August 1939 23 Uhr
(Ubersetzung)
Die heutige Bekanntmachung des deutschen offiziellen Communiques hat die Ziele und
Absichten der deutschen Politik klar gezeigt. Es beweist die offenen Aggressionsabsichten
Deutschlands gegeniiber Polen. Die Bedingungen, unter denen das Dritte Reich bereit ist, mit
Polen zu verhandeln, lauten: Danzig kehrt sofort zum Reich zurtick. Pommerellen mit den
Stadten Bromberg und Graudenz unterliegt einem Plebiszit, wobei alle Deutschen, die nach
dem Jahre 1918 aus irgendwelchen Griinden von dort ausgewandert sind, hineingelassen
werden sollen. Polnisches Militar und Polizei evakuiert Pommerellen. Die Polizei Englands,
Frankreichs, Italiens und der Sowjetunion ubernimmt die Gewalt. Nach Ablauf von 12
Monaten findet das Plebiszit statt. Das Gebiet der Halbinsel Hela wird vom Plebiszit
gleichfalls erfaBt. Gdingen ist als polnische Stadt ausgeschlossen. Unabhangig vom Ausgang
des Plebiszits wird eine exterritoriale StraBe in der Breite eines Kilometers gebaut
Die deutsche Agentur gibt bekannt, daB der Termin flir die Annahme dieser Bedingungen
gestern abgelaufen ist. Deutschland hat vergeblich auf einen Abgesandten Polens gewartet.
Die Antwort waren die militarischen Anordnungen der Polnischen Regierung.
Keine Worte konnen jetzt mehr die Aggressionsplane der neuen Hunnen verschleiern.
Deutschland strebt die Herrschaft liber Europa an und durchstreicht mit einem bisher nicht
dagewesenen Zynismus die Rechte der Volker. Dieser unverschamte Vorschlag beweist
deutlich, wie notwendig die militarischen Anordnungen der Polnischen Regierung gewesen
sind.
Nr. 470
Von einem Beamten der Politischen Abteilung des Auswartigen Amts gefertigte
Zusammenstellung der dem Auswartigen Amt vorliegenden amtlichen Meldungen tiber
schwere Grenzzwischenfalle an der deutsch-polnischen Grenze zwischen dem 25. und
dem 31. August 1939
Berlin, den 1. September 1939
25. August
1. Meldung der Staatspolizeistelle Elbing.
Gegen 22 Uhr brannte auf dem unmittelbar an der deutsch-polnischen Grenze gelegenen
Anwesen des Bauern Reinhard Briese in Scharschau, Kreis Rosenberg, WestpreuBen, ein Stall
nieder. An der Brandstelle wurde eine Brandbombe polnischer Herkunft gefunden.
2. Meldung der Staatspolizeistelle Elbing.
Gegen 23 Uhr verbrannte infolge Brandstiftung von aus Polen gekommenen Tatern das
unmittelbar an der deutsch-polnischen Grenze liegende Anwesen der Witwe Martha
Zerkowski in Schonerswalde, Kreis Rosenberg, WestpreuBen.
r439i 3. Meldung der Staatspolizeistelle Elbing.
In der Nacht vom 25. zum 26. August wurde durch Brandstiftung von aus Polen gekommenen
Tatern das an der deutsch-polnischen Grenze gelegene Anwesen des Holzschlagers Schlegel
in Neukrug, Kreis Rosenberg, WestpreuBen, vernichtet.
4. Meldung der Staatspolizeistelle Elbing.
In der Nacht vom 25. zum 26. brannte infolge Brandstiftung durch aus Polen gekommene
Tater die an der deutsch-polnischen Grenze gelegene Forsterei Dietrichswalde, Kreis
Marienwerder, vollstandig nieder.
5. Meldung der Staatspolizeistelle Elbing.
In der Nacht vom 25. zum 26. wurde das an der deutsch-polnischen Grenze gelegene
Anwesen des Bauern Gehrke in Niederzehren, Kreis Marienwerder, durch Brandstiftung von
aus Polen gekommenen Tatern vernichtet.
6. Meldung der Staatspolizeistelle Elbing.
In der Nacht vom 25. auf den 26. wurde das Warterhaus 34 an der Strecke Deutsch-Eylau-Alt-
Eiche-Soldau durch eine Bombe zerstort.
7. Meldung der Staatspolizeistelle Koslin.
In der Nacht vom 25. auf den 26. brannte die unmittelbar an der deutsch-polnischen Grenze
stehende Scheune des Mlillers Domke in Somminer Mlihle, Kreis Biitow, ab. Eine
Durchsuchung der Brandstatte ergab, daB die Scheune durch einen elektrischen Zeitziinder in
Brand gesetzt worden war.
8. Meldung des Oberfinanzprasidenten OstpreuBen.
In der Nacht vom 25. zum 26. August wurden die auf deutschem Gebiet gelegenen Teile der
StraBenbrucke und der Eisenbahnbrucke Zandersfelde-Neuliebenau von polnischem Militar
gesprengt und vollig zerstort.
26. August
1. Meldung des Hauptzollamtes Neidenburg.
Um 0.45 Uhr wurde von dem Standposten vor dem Zollamt Wetzhausen ein polnischer Soldat
festgestellt und angerufen, der sich aus dem dem Zollamt gegeniiberliegenden Waldchen auf
das Gebaude zu bewegte. Der Soldat ergriff die Flucht und wurde durch zwei Schusse
anscheinend verletzt.
Nachtraglich wurde festgestellt, daB der Soldat zu einer Gruppe von 6 polnischen Soldaten
gehorte, die an dieser Stelle die deutsch-polnische Grenze liberschritten hatten.
2. Meldung der Staatspolizeistelle Elbing.
Gegen 15 Uhr brannte infolge Brandstiftung das an der deutsch-polnischen Grenze gelegene
Wohn- und Wirtschaftshaus der Familien Werner und Scheffler in Neukrug, Kreis Rosenberg,
WestpreuBen, bis auf die Umfassungsmauern ab. Es wurde festgestellt, daB die later in Polen
zu suchen waren.
MQi 3. Meldung des Hauptzollamts Lauenburg.
Um 23 Uhr fllichtete der Volksdeutsche Tatulinski aus Seelau gegeniiber der
Zollaufsichts stelle GroB Sellnow liber die Grenze, nachdem sein Gehoft von einer polnischen
Bande angeziindet worden war. Auf den Fllichtigen wurden von den Polen mehrere Schusse
abgegeben, die auf deutschem Gebiet einschlugen.
4. Meldung des Hauptzollamts Meseritz.
Volksdeutsche Fluchtlinge, die am 26. August bei Betsche-Siid liber die Grenze kamen,
wurden von polnischen Grenzbeamten mehrfach beschossen, nachdem sie sich schon in
einem Maisfelde auf deutschem Boden verborgen hatten.
27. August
1. Meldung der Staatspolizeistelle Elbing.
In den friihen Morgenstunden brannte das an der deutsch-polnischen Grenze gelegene Gehoft
des Bauern Guzinski in Klein Heyde, Kreis Rosenberg, WestpreuBen, nieder. Es wurde
festgestellt, daB die polnischen Brandstifter liber die Grenze gekommen waren.
2. Meldung der Staatspolizeistelle Elbing.
Gegen 3.15 Uhr wurde die Eisenbahnhaltestelle und das Sagewerk in Alt-Eiche, Kreis
Rosenberg, WestpreuBen, von einer etwa 15 Mann starken, mit Gewehren bewaffneten
polnischen Bande liberfallen. Nachdem die Polen mehrere Schusse abgegeben hatten, wurden
sie durch eine Gruppe des deutschen Grenzschutzes vertrieben.
3. Meldung des Zollamtes Lindenhorst.
Gegen 4 Uhr wurden von einem Posten der Grenzwache 6 polnische Soldaten beobachtet, die
sich gegen den Grenzstein 127 zu bewegten. Sodann teilten sie sich zu dreien, liberschritten
die Reichsgrenze und gingen in Richtung der StraBe Neumittelwalde-Schonstein vor. Gegen
4.25 Uhr stellte der Gruppenflihrer der Grenzwache einen am Boden kriechenden polnischen
Soldaten fest. Er gab darauf 4 Schusse ab, worauf die Polen sich zurlickzogen.
4. Meldung des Hauptzollamtes Schneidemlihl.
Gegen 10.30 Uhr wurden in der Gegend Vorwerk-Dreilinden, etwa 300 m diesseits der
Grenze, drei deutsche Grenzwacht-Offiziere, Hauptmann Taschner, Oberleutnant Sebulka und
Leutnant Dinger, von der polnischen Grenze her beschossen.
5. Meldung des Hauptzollamtes Neidenburg.
Gegen 17 Uhr postierte eine Streife der Zollamtsstation Flammberg bei Punkt 128, der etwa
100 m vom GrenzfluB Orzyc an einem Waldrande westlich Flammberg gelegen ist. Plotzlich
fielen von polnischer Seite her etwa 20 Schusse, die auf deutschem Gebiet einschlugen. Wie
sich sparer ergab, riihrten sie von einer polnischen Grenzstreife her, die sich unter Flihrung
eines polnischen Offiziers der deutschen Grenze genahert und das Feuer auf einen deutschen
Wehrmachtsposten eroffnet hatte. Es konnte ferner festgestellt werden, daB hierbei seitens der
Polen 4 Eierhandgranaten geworfen wurden.
r44ii 6. Meldung des Hauptzollamtes Kreuzberg.
Um 20.15 Uhr wurde der Zollassistent Scheffler nahe Reidenwalde von polnischer Seite mit 7
bis 8 Gewehrschussen beschossen.
7. Meldung des Oberfinanzprasidenten OstpreuBen.
Gegen 21.45 Uhr wurde der Zollwarter Will, als er einen unweit der Grenze gelegenen
Gutshof mit dem Fahrrad verlieB, mehrfach von polnischen Grenzwachtbeamten, die in
Kleinfelde bei Mewe stationiert waren, beschossen.
28. August
1. Meldung der Staatspolizeistelle Elbing.
Gegen 0.30 Uhr wurden von einer deutschen Feldwache, die an der Eisenbahnbrucke
Deutsch-Eylau-Neumark lag, mehrere polnische Soldaten auf deutschem Gebiet gesichtet. Als
die Feldwache Feuer gab, verschwanden die Polen im Walde, wobei sie das Feuer erwiderten.
2. Meldung der Staatspolizeistelle Oppeln.
Gegen 1 Uhr wurden auf dem alten, von Ratibor nach Hohenbirken, Ostoberschlesien,
fuhrenden Promenadenweg marschierende polnische Truppen von einem deutschen
Flakkommando gesichtet, als sie die Reichsgrenze etwa 150 m uberschritten hatten. Das
Flakkommando eroffnete daraufhin das Feuer, worauf sich die polnischen Truppen
zurlickzogen.
3. Meldung des Hauptzollamtes Beuthen.
Gegen 1 Uhr wurden von einem polnischen Maschinengewehr mehrere Schusse abgegeben.
Sie schlugen dicht neben einer Maschinengewehrgruppe der Grenzwacht ein, die an der
Schlackenhalde beim Sportplatz Borsigwerk in Stellung lag.
4. Meldung der Staatspolizeistelle Elbing.
Gegen 1.45 Uhr wurde die Feldwache in Alt-Eiche, Kreis Rosenberg, WestpreuBen, von
regularen polnischen Truppen iiberfallen. Zunachst griffen die Polen eine Gruppe der
Grenzwacht an, die an dem dortigen Grenziibergang postiert war und sich daraufhin bis zum
Bahnhof Alt-Eiche zuriickzog. In diesem Augenblick kamen aus einer anderen Richtung etwa
10 polnische Soldaten, welche zum Sturmangriff ansetzten. Die deutsche Gruppe ging
nunmehr wieder in Stellung und eroffnete das Feuer. Die Polen waren in Schutzenlinie
ausgeschwarmt und schossen ebenfalls. Hierdurch wurde der Gefreite Grudzinski aus
Hansdorf todlich getroffen und ein weiterer deutscher Schutze an der Schulter verletzt. Die
polnischen Soldaten zogen sich sodann wieder auf polnisches Gebiet zuriick.
5. Meldung des Hauptzollamts Gleiwitz.
Gegen 22.45 Uhr wurden die deutschen Zollbeamten Fleischer und Quenzel, die an der
Panzerschranke beim Zollamt Neuberstein Dienst taten, von polnischer Seite mit
Maschinengewehr und Gewehr beschossen. Erst nach einem anschlieBenden Feuergefecht
von 20 Minuten mit der deutschen Grenzwacht stellten die Polen das Feuer ein.
29. August
1. Meldung der Staatspolizeistelle Elbing.
In den friihen Morgenstunden kamen in der Nahe der Sagemuhle Alt-Eiche polnische
Soldaten auf deutsches Gebiet, die durch den deutschen Grenzschutz vertrieben wurden.
2. Meldung der Staatspolizeistelle Koslin.
In den friihen Morgenstunden fiihrten polnische Grenzschutzsoldaten einen Feueruberfall auf
das deutsche Zollhaus Sonnenwalde-Bahnhof aus. Bei der Abwehr wurden ein deutscher
Bezirkszollkommissar und ein deutscher Hilfsgrenzangestellter verwundet.
3. Meldung der Staatspolizeistelle Breslau.
Um 13.40 Uhr wurde der Zollbetriebsassistent Dippe von einem polnischen Grenzposten mit
Gewehr beschossen, als er sich in einem Waldchen bei Neu-Vorberg an der StraBe Lesten-
Tharlang aufhielt.
4. Meldung des Hauptzollamtes Beuthen.
Gegen 21.45 Uhr wurden von polnischem Militar wiederholt auf deutsches Gebiet in der
Nahe des Zollamtes III Beuthen Schusse abgegeben. Zunachst erfolgten etwa 20 bis 30
Pistolenschusse liber die ZollstraBe beim Zollamt hinweg in Richtung auf den Grubenhof der
Beuthen-Grube, die etwa 10 m vor der dritten Gruppe eines dort befindlichen Zuges der 8.
Grenzwachtkompanie einschlugen. Es folgten dann 10 bis 15 Gewehrschusse und unmittelbar
darauf weitere 4 bis 5 SchuB, die von einer Maschinenpistole herruhrten. Das Feuer wurde
von deutscher Seite nicht erwidert.
5. Meldung des Hauptzollamts Gleiwitz.
Gegen 23.50 Uhr wurden deutsche Zoll- und Grenzwachtbeamte auf deutschem Gebiet nahe
dem Zollamt Neubersteich von einer polnischen Formation heftig unter Feuer genommen.
Hierbei waren zwei leichte Maschinengewehre, die auf deutschem Gebiet in Stellung gebracht
waren, sowie ein schweres Maschinengewehr einwandfrei festzustellen. Nach einem
Feuergefecht stellten die Polen um 1.15 Uhr das Feuer ein.
30. August
1. Meldung der Staatspolizeistelle Elbing.
Gegen 0.30 Uhr wurde das Zollgehoft Neukrug, Kreis Rosenberg, WestpreuBen, von der
Waldseite aus von regularen polnischen Truppen angegriffen. Die Polen beabsichtigten
offenbar, der Besatzung des Zollgehofts in den Riicken zu fallen. Sie hatten unweit des
Zollgehoftes hinter einer Autogarage ein leichtes Maschinengewehr in Stellung gebracht. Als
sie von der deutschen Feldwache aus einem oberen Zimmer des Zollgehoftes beschossen
wurden, erfolgte Stellungswechsel des polnischen Maschinengewehrs in eine dichte
Schonung, die sofort gleichfalls unter Feuer genommen wurde. Der Kampf dauerte bis etwa 5
Uhr. Ein Schiitze der deutschen Feldwache wurde todlich verletzt. Im Zollgehoft wurden
mehrere Fensterscheiben und die Telephonleitung zerstort.
14431 2. Meldung der Staatspolizeistelle Elbing.
Gegen 0.45 Uhr wurden in der Nahe der Sagemiihle Alt-Eiche 3 bis 4 polnische Soldaten vom
deutschen Grenzschutz festgestellt, als sie sich an die Miihle heranschleichen wollten. Sie
wurden sodann durch den Grenzschutz vertrieben.
3. Meldung der Staatspolizeistelle Breslau.
Gegen 7 Uhr befand sich der Landwirt Ferdinand Braun aus Golgas, Kreis Militsch, etwa
100 m diesseits des Grenzsteines 233 bei der Feldarbeit. Er wurde plotzlich von einem
polnischen Soldaten mit der Pistole beschossen, blieb aber unverletzt.
4. Meldung des Oberfinanzprasidenten in Troppau.
Um 15.05 Uhr wurde ein iiber deutschem Gebiet befindliches Flugzeug - anscheinend ein
deutsches Aufklarungsflugzeug - von polnischem Gebiet aus Richtung Oderberg und Wurbitz
von Flakartillerie beschossen. Sprengstucke wurden gefunden und sichergestellt.
31. August
1. Meldung der Staatspolizeistelle Elbing.
Gegen 1 Uhr wurde das Zollgehoft in Neukrug von polnischem Militar angegriffen. Es
handelte sich um etwa 25 Mann mit einem leichten Maschinengewehr. Sie versuchten, das
Zollgehoft zu umzingeln. Der Angriff wurde abgeschlagen.
2. Meldung des Hauptzollamts Gleiwitz.
Gegen 2 Uhr erfolgte von polnischer Seite ein Feueruberfall auf die das Zollamt Neubersteich
sichernde deutsche Grenzwache. Ein Angriff der Polen auf das Zollamt wurde durch
deutsches Abwehrfeuer verhindert.
3. Meldung des Zoll-Bezirkskommissars Deutsch-Eylau.
Gegen 3 Uhr friih wurde bei Scharschau auf deutschem Reichsgebiet durch polnische
Truppen auf eine Streife der Grenzwacht ein Feueruberfall veriibt. Als die Streife Verstarkung
heranzog und das Feuer erwiderte, zogen sich die Polen zuriick.
4. Meldung des Polizeiprasidenten Gleiwitz.
Gegen 20 Uhr wurde der Sender Gleiwitz durch einen Trupp polnischer Aufstandischer
uberfallen und voriibergehend besetzt. Die Aufstandischen wurden durch deutsche
Grenzpolizeibeamten vertrieben. Bei der Abwehr wurde ein Aufstandischer todlich verletzt.
5. Meldung des Oberfinanzprasidenten Troppau.
In der Nacht vom 31. August zum 1. September wurde das Zollamt Hoflinden durch
polnische Aufstandische angegriffen und voriibergehend besetzt. Durch einen Gegenangriff
der Ji-Verfiigungstruppe wurden die Aufstandischen wieder vertrieben.
6. Meldung der Staatspolizeistelle Elbing.
Gegen 24.30 Uhr wurde das Zollgehoft Neukrug von 30 polnischen Soldaten angegriffen, die
mit Maschinengewehren und Karabinern aus- 14441 geriistet waren. Der Angriff wurde durch
die deutsche Feldwache zuriickgeschlagen.
7. Meldung der Staatspolizeistelle Liegnitz.
In der Nacht vom 31. August zum 1. September wurde ein deutscher Zollbeamter bei
Pfalzdorf, Kreis Griinberg, etwa 75 m von der polnischen Grenze entfernt, durch polnische
Truppen todlich verletzt.
8. Meldung der Staatspolizeistelle Liegnitz.
In der Nacht vom 3 1 . August zum 1 . September wurde ein deutscher Zollbeamter wahrend
der Ausiibung seines Dienstes bei Rohrsdorf, Kreis Fraustadt, durch polnische Truppen
erschossen, ein weiterer Zollbeamter schwer verletzt.
9. Meldung der Staatspolizeistelle Liegnitz.
In der Nacht vom 31. August zum 1. September erfolgte ohne jede Veranlassung ein
Feueriiberfall von polnischer Seite auf das deutsche Zollhaus in Pfalzdorf, Kreis Griinberg.
10. Meldung der Staatspolizeistelle Liegnitz.
In der Nacht vom 3 1 . August zum 1 . September wurde das deutsche Zollhaus in Geyersdorf
durch polnische Aufstandische vorubergehend besetzt, die einen erheblichen Sachschaden
verursachten.
11. Meldung der Staatspolizeistelle Briinn.
In der Nacht vom 3 1 . August zum 1 . September wurde durch polnischen Grenzschutz auf die
deutsche Zollbaude in Hruschau ein Feueriiberfall mittels eines Maschinengewehrs veriibt.
Als deutsches Gegenfeuer einsetzte, ergriffen die Polen die Flucht.
Schliep
Anmerlumgeii:
240 Vgl. Anlage I . ...zuruck...
241 Vgl. Anlage II . ...zuruck...
Im Wortlaut der amtlichen deutschen Mitteilung folgte hier der oben unter Nr. 466 , Anlage
II abgedruckte Vorschlag. ...zuriick...
Viertes Kapitel (Forts.)
Polen als Werkzeug des Englischen Kriegswillens
B. Die letzte Phase
der Deutsch-Polnischen Krise
Nr. 471
Rede des Fuhrers vor dem Deutschen Reichstag,
1. September 1939
Abgeordnete, Manner des Deutschen Reichstags!
Seit Monaten leiden wir alle unter der Qual eines Problems, das uns einst das Versailler
Diktat beschert hat und das nunmehr in seiner Ausartung und Entartung unertraglich
geworden war. Danzig war und ist eine deutsche Stadt. Der Korridor war und ist deutsch.
Alle diese Gebiete verdanken ihre kulturelle ErschlieBung ausschlieBlich dem deutschen
Volk, ohne das in diesen ostlichen Gebieten tiefste Barbarei herrschen wiirde. Danzig wurde
von uns getrennt, der Korridor von Polen annektiert, die dort lebenden deutschen
Minderheiten in der qualvollsten Weise miBhandelt. Uber eine Million Menschen deutschen
Blutes muBten schon in den Jahren 1919 auf 1920 ihre Heimat verlassen. Wie immer, so habe
ich auch hier versucht, auf dem Wege friedlichster Revisionsvorschlage eine Anderung des
unertraglichen Zustandes herbeizufuhren. Es ist eine Luge, wenn in der Welt behauptet wird,
daB wir alle unsere Revisionen nur unter Druck durchzusetzen versuchten. 15 Jahre, bevor der
Nationalsozialismus zur Macht kam, hatte man Gelegenheit, auf dem 14451 Wege friedlicher
Verstandigung die Revision durchzufuhren. Man tat es nicht. In jedem einzelnen Falle habe
ich dann von mir aus nicht einmal, sondern oftmals Vorschlage zur Revision unertraglicher
Zustande gemacht.
Alle diese Vorschlage sind, wie Sie wissen, abgelehnt worden. Ich brauche sie nicht im
einzelnen aufzuzahlen: die Vorschlage zur Rustungsbegrenzung, ja, wenn notwendig, zur
Rustungsbeseitigung, die Vorschlage zur Beschrankung der Kriegfuhrung, die Vorschlage zur
Ausschaltung von in meinen Augen mit dem Volkerrecht schwer zu vereinbarenden
Methoden der modernen Kriegfuhrung. Sie kennen die Vorschlage, die ich liber die
Notwendigkeit der Wiederherstellung der deutschen Souveranitat liber die deutschen
Reichsgebiete machte, die endlosen Versuche, die ich zu einer friedlichen Verstandigung liber
das Problem Osterreich unternahm und spater liber das Problem Sudetenland, Bohmen und
Mahren. Es war alles vergeblich. Eines aber ist unmoglich: zu verlangen, daB ein
unertraglicher Zustand auf dem Wege friedlicher Revision bereinigt wird, und die friedliche
Revision konsequent zu verweigern. Es ist auch unmoglich, zu behaupten, daB derjenige, der
in einer solchen Lage dann dazu libergeht, von sich aus diese Revisionen vorzunehmen, gegen
ein Gesetz verstoBt. Das Diktat von Versailles ist flir uns Deutsche kein Gesetz. Es geht nicht
an, von jemand mit vorgehaltener Pistole und der Drohung des Verhungerns von Millionen
Menschen eine Unterschrift zu erpressen und dann das Dokument mit dieser erpreBten
Unterschrift als ein feierliches Gesetz zu proklamieren.
So habe ich auch im Falle Danzigs und des Korridors versucht, durch friedliche Vorschlage
auf dem Wege der Diskussion die Probleme zu losen. DaB sie gelost werden muBten, das war
klar. Und daB der Termin dieser Losung flir die westlichen Staaten vielleicht uninteressant
sein kann, ist begreiflich; aber uns ist dieser Termin nicht gleichgliltig, vor allem aber war er
und konnte er nicht gleichgliltig sein flir die leidenden Opfer. Ich habe in Besprechungen mit
polnischen Staatsmannern die Gedanken, die Sie von mir hier in meiner letzten
Reichstagsrede vernommen haben, erortert. Kein Mensch kann behaupten, daB dies etwa ein
ungebuhrliches Verfahren oder gar ein ungebuhrlicher Druck gewesen ware.
Ich habe dann die deutschen Vorschlage formulieren lassen, und ich muB es noch einmal
wiederholen, daB es etwas Loyaleres und Bescheideneres als diese von mir unterbreiteten
Vorschlage nicht gibt. Und ich mochte das jetzt der Welt sagen: ich allein war liberhaupt nur
in der Lage, solche Vorschlage zu machen; denn ich weiB ganz genau, daB ich mich damals
zur Auffassung von Millionen von Deutschen in Gegensatz gebracht habe.
Diese Vorschlage sind abgelehnt worden. Aber nicht nur das: sie wurden beantwortet mit
Mobilmachungen, mit verstarktem Terror, mit gesteigertem Druck auf die Volksdeutschen in
diesen Gebieten und mit einem langsamen wirtschaftlichen, politischen und in den letzten
Wochen endlich auch militarischen und verkehrstechnischen Abdrosselungskampf gegen die
Freie Stadt Danzig. Polen hat den Kampf gegen die Freie Stadt Danzig entfesselt. Es war
weiter nicht bereit, die Korridorfrage in einer irgendwie billigen und den In teres sen beider
gerecht werdenden Weise zu losen. Es hat endlich nicht daran gedacht, seine
Minderheitsverpflichtungen einzuhalten. Ich muB hier feststellen: Deutschland hat diese
Verpflichtungen eingehalten. Die Minderheiten, die im Deutschen Reich leben, werden nicht
verfolgt. Es soil ein Franzose aufstehen und erklaren, daB etwa die im Saargebiet lebenden
Franzosen unterdruckt, gequalt und entrechtet werden. Keiner wird dies behaupten konnen.
Ma Ich habe nun dieser Entwicklung vier Monate lang ruhig zugesehen, allerdings nicht, ohne
immer wieder zu warnen. Ich habe in letzter Zeit diese Warnungen verstarkt. Ich habe dem
Polnischen Botschafter vor nun schon liber drei Wochen mitteilen lassen, daB, wenn Polen
noch weitere ultimative Noten an Danzig schicken wiirde, wenn es weitere
UnterdruckungsmaBnahmen gegen das Deutschtum vornehmen wiirde oder wenn es
versuchen sollte, auf dem Wege zollpolitischer MaBnahmen Danzig wirtschaftlich zu
vernichten, dann Deutschland nicht langer mehr untatig zusehen konnte. Ich habe keinen
Zweifel dariiber gelassen, daB man in dieser Hinsicht das heutige Deutschland nicht mit dem
Deutschland, das vor uns war, verwechseln darf.
Man hat versucht, das Vorgehen gegen die Volksdeutschen damit zu entschuldigen, daB man
erklarte, sie hatten Provokationen begangen. Ich weiB nicht, worin die "Provokationen" der
Kinder oder Frauen bestehen sollen , die man miBhandelt und verschleppt, oder die
"Provokationen" derer, die man in der tierischsten, sadistischsten Weise gequalt und
schlieBlich getotet hat . Eines aber weiB ich: daB es keine GroBmacht von Ehre gibt, die auf
die Dauer solchen Zustanden ruhig zusehen wiirde.
Ich habe trotzdem noch einen letzten Versuch gemacht. Obwohl ich innerlich uberzeugt war,
daB es der Polnischen Regierung - vielleicht auch infolge ihrer Abhangigkeit von einer
nunmehr entfesselten wilden Soldateska - mit einer wirklichen Verstandigung nicht ernst ist,
habe ich einen Vermittlungsvorschlag der Britischen Regierung angenommen. Sie schlug vor,
daB sie nicht selbst Verhandlungen fiihren sollte, sondern versicherte, eine direkte Verbindung
zwischen Polen und Deutschland herzustellen, um noch einmal in das Gesprach zu kommen.
Ich muB hier folgendes feststellen: Ich habe diesen Vorschlag angenommen. Ich habe flir
diese Besprechungen Grundlagen ausgearbeitet, die Hinen bekannt sind, und ich bin dann mit
meiner Regierung zwei voile Tage dagesessen und habe gewartet, ob es der Polnischen
Regierung paBt, nun endlich einen Bevollmachtigten zu schicken oder nicht. Sie hat uns bis
gestern abend keinen Bevollmachtigten geschickt, sondern durch ihren Botschafter mitteilen
lassen, daB sie zur Zeit erwage, ob und inwieweit sie in der Lage sei, auf die englischen
Vorschlage einzugehen; sie wiirde dies England mitteilen.
Meine Herren Abgeordneten! Wenn man dem Deutschen Reich und seinem Staatsoberhaupt
so etwas zumuten kann und das Deutsche Reich und sein Staatsoberhaupt das dulden wurden,
dann wiirde die deutsche Nation nichts anderes verdienen, als von der politischen Biihne
abzutreten. Meine Friedensliebe und meine endlose Langmut soil man nicht mit Schwache
oder gar mit Feigheit verwechseln. Ich habe daher gestern abend der Britischen Regierung
mitgeteilt, daB ich unter diesen Umstanden auf seiten der Polnischen Regierung keine
Geneigtheit mehr finden kann, mit uns in ein wirklich ernstes Gesprach einzutreten.
Damit sind diese Vermittlungsvorschlage gescheitert. Denn unterdes war als Antwort auf
diesen Vermittlungsvorschlag erstens die polnische Generalmobilmachung gekommen und
zweitens neue schwere Greueltaten. Diese Vorgange haben sich nun heute nacht abermals
wiederholt. Nachdem schon neulich in einer einzigen Nacht 21 Grenzzwischenfalle zu
verzeichnen waren, sind es heute nacht 14 gewesen, darunter drei ganz schwere.
Ich habe mich daher nun entschlossen, mit Polen in der gleichen Sprache zu reden, die Polen
seit Monaten uns gegenliber anwendet.
Mil Wenn nun Staatsmanner im Westen erklaren, daB dies ihre Interessen beriihre, so kann ich
eine solche Erklarung nur bedauern. Sie kann mich aber nicht eine Sekunde in der Erfullung
meiner Pflicht wankend machen. Ich habe es feierlich versichert und wiederhole es, daB wir
von diesen Weststaaten nichts fordern und nie etwas fordern werden. Ich habe versichert, daB
die Grenze zwischen Frankreich und Deutschland eine endgultige ist. Ich habe England
immer wieder eine Freundschaft und, wenn notwendig, das engste Zusammengehen
angeboten. Aber Liebe kann nicht nur von einer Seite geboten werden, sie muB von der
anderen ihre Erwiderung finden. Deutschland hat keine Interessen im Westen. Unser
Westwall ist zugleich flir alle Zeiten die Grenze des Reiches. Wir haben auch keinerlei Ziel
flir die Zukunft, und diese Einstellung des Reiches wird sich nicht mehr andern.
Die anderen europaischen Staaten begreifen zum Teil unsere Haltung. Ich mochte hier vor
allem Italien danken, das uns in dieser ganzen Zeit unterstutzt hat. Sie werden aber auch
verstehen, daB wir flir die Durchfuhrung dieses Kampfes nicht an eine fremde Hilfe
appellieren wollen. Wir werden diese unsere Aufgabe selber losen.
Die neutralen Staaten haben uns ihre Neutralitat versichert, genau so, wie wir sie ihnen schon
vorher garantieren. Es ist uns heiliger Ernst mit dieser Versicherung, und solange kein anderer
ihre Neutralitat bricht, werden wir sie ebenfalls peinlichst beachten; denn was sollten wir von
ihnen wunschen oder wollen?
Ich bin glucklich, Ihnen nun von dieser Stelle aus ein besonderes Ereignis mitteilen zu
konnen. Sie wissen, daB RuBland und Deutschland von zwei verschiedenen Doktrinen regiert
werden. Es war nur eine Frage, die geklart werden muBte: Deutschland hat nicht die Absicht,
seine Doktrin zu exportieren, und in dem Augenblick, in dem SowjetruBland seine Doktrin
nicht nach Deutschland zu exportieren gedenkt, sehe ich keine Veranlassung mehr, daB wir
auch nur noch einmal gegeneinander Stellung nehmen sollen! Wir sind uns beide dariiber
klar: Jeder Kampf unserer
Volker gegeneinander wiirde nur anderen einen Nutzen abwerfen.
Daher haben wir uns entschlossen, einen Pakt abzuschlieBen, der
zwischen uns beiden flir alle Zukunft jede Gewaltanwendung
ausschlieBt, der uns in gewissen europaischen Fragen zur
Konsultierung verpflichtet, der das wirtschaftliche
Zusammenarbeiten ermoglicht und vor allem sicherstellt, daB sich
die Krafte dieser beiden groBen Staaten nicht gegeneinander
verbrauchen.
Jeder Versuch des Westens, hier etwas zu andern, wird
fehlschlagen ! Und ich mochte das eine hier versichern: Diese
politische Entscheidung bedeutet eine ungeheure Wende flir die
Anm. d.
Scriptorium:
Und weshalb kam
alles anders als
geplant? Warum
"uberfiel" Hitler die
"friedliche Sowjetunion "
trotzdem? Dieses wichtige
Buch des bekannten
russischen Historikers Viktor
Suworow gibt AufschluB iiber
diese Fragen und noch sehr
viel mehr!
Zukunft und ist eine endgiiltige!
Ich glaube, das ganze deutsche Volk wird diese politische Einstellung begruBen! RuBland und
Deutschland haben im Weltkrieg gegeneinander gekampft und waren beide letzten Endes die
Leidtragenden. Ein zweites Mai soil und wird das nicht mehr geschehen! Der Nichtangriffs-
und Konsultativpakt, der am Tage seiner Unterzeichnung bereits giiltig wurde, hat gestern die
hochste Ratifikation in Moskau und auch in Berlin erfahren.
In Moskau wurde dieser Pakt genau so begruBt, wie Sie inn hier begruBen. Die Rede, die der
Russische AuBenkommissar Molotow hielt, kann ich Wort flir Wort unterschreiben.
r448i Unsere Ziele: Ich bin entschlossen,
erstens die Frage Danzig,
zweitens die Frage des Korridors zu losen und
drittens dafiir zu sorgen, daB im Verhaltnis Deutschlands zu Polen eine Wendung
eintritt, die ein friedliches Zusammenleben sicherstellt!
Ich bin dabei entschlossen, so lange zu kampfen, bis entweder die derzeitige Polnische
Regierung dazu geneigt ist, diese Anderung herzustellen, oder bis eine andere polnische
Regierung dazu bereit ist!
Ich will von den deutschen Grenzen das Element der Unsicherheit, die Atmosphare ewiger,
burgerkriegahnlicher Zustande entfernen. Ich will dafiir sorgen, daB im Osten der Friede an
der Grenze kein anderer ist, als wir ihn an unseren anderen Grenzen kennen.
Ich will dabei die notwendigen Handlungen so vornehmen, daB sie nicht dem widersprechen,
was ich Ihnen hier, meine Herren Abgeordneten, im Reichstag selbst als Vorschlage an die
iibrige Welt bekanntgab.
Das heiBt, ich will nicht den Kampf gegen Frauen und Kinder fiihren! Ich habe meiner
Luftwaffe den Auftrag gegeben, sich bei den Angriffen auf militarische Objekte zu
beschranken. Wenn aber der Gegner glaubt, daraus einen Freibrief ablesen zu konnen,
seinerseits mit umgekehrten Methoden zu kampfen, dann wird er eine Antwort erhalten, daB
ihm Horen und Sehen vergeht!
Polen hat nun heute nacht zum erstenmal auf unserem eigenen Territorium auch durch
regulare Soldaten geschossen. Seit 5 Uhr 45 wird jetzt zuriickgeschossen! Und von jetzt ab
wird Bombe mit Bombe vergolten! Wer mit Gift kampft, wird mit Giftgas bekampft. Wer sich
selbst von den Regeln einer humanen Kriegfuhrung entfernt, kann von uns nichts anderes
erwarten, als daB wir den gleichen Schritt tun.
Ich werde diesen Kampf, ganz gleich gegen wen, so lange fiihren, bis die Sicherheit des
Reiches und seine Rechte gewahrleistet sind!
Uber sechs Jahre habe ich nun am Aufbau der deutschen Wehrmacht gearbeitet. In dieser Zeit
sind liber 90 Milliarden flir den Aufbau unserer Wehrmacht angewendet worden. Sie ist heute
die am besten ausgerustete der Welt und steht weit liber jedem Vergleich mit der des Jahres
1914! Mein Vertrauen auf sie ist unerschutterlich!
Wenn ich diese Wehrmacht aufrief und wenn ich nun vom deutschen Volk Opfer und, wenn
notwendig, alle Opfer fordere, dann habe ich ein Recht dazu, denn auch ich selbst bin heute
genau so bereit, wie ich es friiher war, jedes personliche Opfer zu bringen! Ich verlange von
keinem deutschen Mann etwas anderes, als was ich selber liber vier Jahre lang bereit war,
jederzeit zu tun. Es soil keine Entbehrungen Deutscher geben, die ich nicht selber sofort
ubernehme! Mein ganzes Leben gehort von jetzt ab erst recht meinem Volke! Ich will jetzt
nichts anderes sein als der erste Soldat des Deutschen Reiches.
Ich habe damit wieder jenen Rock angezogen, der mir selbst der heiligste und teuerste war.
Ich werde ihn nur ausziehen nach dem Sieg, - oder ich werde dieses Ende nicht erleben!
Sollte mir in diesem Kampf etwas zustoBen, dann ist mein erster Nachfolger Parteigenosse
Goring. Sollte Parteigenossen Goring etwas zustoBen, ist sein Nachfolger Parteigenosse HeB.
Sie wiirden diesen dann als Fiihrer genau so mai zu blinder Treue und Gehorsam verpflichtet
sein wie mir. Fur den Fall, daB auch Parteigenossen HeB etwas zustoBen sollte, werde ich
durch Gesetz nunmehr den Senat berufen, der dann den Wiirdigsten, das heiBt den Tapfersten,
aus seiner Mitte wahlen soil!
Als Nationalsozialist und deutscher Soldat gehe ich in diesen Kampf mit einem starken
Herzen! Mein ganzes Leben war nichts anderes als ein einziger Kampf fur mein Volk, flir
seine Wiederauferstehung, flir Deutschland, und liber diesem Kampf stand nur ein
Bekenntnis: der Glaube an dieses Volk!
Ein Wort habe ich nie kennengelernt, es heiBt Kapitulation. Wenn irgend jemand aber meint,
daB wir vielleicht einer schweren Zeit entgegengehen, so mochte ich bitten zu bedenken, daB
einst ein PreuBenkonig mit einem lacherlich kleinen Staat einer der groBten Koalitionen
gegenlibertrat und in drei Kampfen am Ende doch erfolgreich bestand, weil er jenes glaubige,
starke Herz besaB, das auch wir in dieser Zeit benotigen.
Der Umwelt aber mochte ich versichern: Ein November 1918 wird sich niemals mehr in der
deutschen Geschichte wiederholen!
So wie ich selber bereit bin, jederzeit mein Leben flir mein Volk und flir Deutschland
einzusetzen, so verlange ich dasselbe auch von jedem anderen!
Wer aber glaubt, sich diesem nationalen Gebot, sei es direkt oder indirekt, widersetzen zu
konnen, der fallt! Verrater haben nichts mit uns zu tun! Wir alle bekennen uns damit nur zu
unserem alten Grundsatz: Es ist ganzlich unwichtig, ob wir leben; aber notwendig ist es, daB
unser Volk, daB Deutschland lebt.
Ich erwarte von Ihnen als den Sendboten des Reiches, daB Sie nunmehr auf alien Platzen, auf
die Sie gestellt sind, Ihre Pflicht erflillen! Sie mlissen Bannertrager sein des Widerstandes,
koste es, was es wolle! Keiner melde mir, daB in seinem Gau, in seinem Kreis oder in seiner
Gruppe oder in seiner Zelle die Stimmung einmal schlecht sein konnte! Trager,
verantwortliche Trager der Stimmung sind Sie! Ich bin verantwortlich flir die Stimmung im
deutschen Volk, Sie sind verantwortlich flir die Stimmung in Ihren Gauen, in Hiren Kreisen.
Keiner hat das Recht, diese Verantwortung abzutreten. Das Opfer, das von uns verlangt wird,
ist nicht groBer als das Opfer, das zahlreiche Generationen gebracht haben. All die Manner,
die vor uns den bittersten und schwersten Weg fur Deutschland antreten muBten , haben
nichts anderes geleistet, als was wir auch zu leisten haben; ihr Opfer war kein billigeres und
kein schmerzloseres und damit kein leichteres, als das Opfer sein wlirde, das von uns verlangt
wird.
Ich erwarte auch von der deutschen Frau, daB sie sich in eiserner Disziplin vorbildlich in diese
groBe Kampfgemeinschaft einfiigt!
Die deutsche Jugend aber wird strahlenden Herzens ohnehin erfullen, was die Nation, der
Nationalsozialistische Staat, von ihr erwartet und fordert!
Wenn wir diese Gemeinschaft bilden, eng verschworen, zu allem entschlossen, niemals
gewillt zu kapitulieren, dann wird unser Wille jeder Not Herr werden!
Ich schlieBe mit dem Bekenntnis, das ich einst aussprach, als ich den Kampf urn die Macht im
Reich begann. Damals sagte ich: Wenn unser Wille so stark ist, daB keine Not ihn mehr zu
zwingen vermag, dann wird unser Wille und unser deutscher Stahl auch die Not zerbrechen
und besiegen.
Deutschland - Sieg Heil!
14501
Nr. 472
Unterredung des Reichsministers des Auswartigen
mit dem Britischen Botschafter, 1. September 1939 21 Uhr
Aufzeichnung des Gesandten Schmidt
Sir Nevile Henderson ubergab im Auftrag seiner Regierung folgende Note, der er auch eine
unverbindliche schriftliche Ubersetzung in deutscher Sprache hinzufugte:
Berlin, den 1. September 1939
Euer Exzellenz,
Im Auftrage des Ministers Seiner Majestat fur Auswartige Angelegenheiten beehre ich mich,
folgende Mitteilung zu machen:
In den friihen Morgenstunden des heutigen Tages hat der Deutsche Reichskanzler einen
Aufruf an die deutsche Wehrmacht erlassen, aus dem klar hervorging, daB er im Begriff war,
Polen anzugreifen.
Aus Nachrichten, die zur Kenntnis der Regierung Seiner Majestat im Vereinigten Konigreich
und der Franzosischen Regierung gelangt sind, geht hervor, daB deutsche Truppen die
polnische Grenze uberschritten haben und daB Angriffe auf polnische Stadte im Gange sind.
Unter diesen Umstanden sind die Regierungen des Vereinigten Konigreichs und Frankreichs
der Auffassung, daB die Deutsche Regierung durch diese ihre Handlung die Voraussetzungen
geschaffen hat (namlich einen aggressiven Gewaltakt gegeniiber Polen, der dessen
Unabhangigkeit bedroht), welche seitens der Regierungen des Vereinigten Konigreichs und
Frankreichs die Erfullung ihrer Verpflichtungen, Polen Beistand zu leisten, erheischen.
Ich bin daher beauftragt, Euer Exzellenz mitzuteilen, daB die Regierung Seiner Majestat im
Vereinigten Konigreich ohne Zogern ihre Verpflichtungen gegeniiber Polen erfullen wird,
wenn nicht die Deutsche Regierung bereit ist, der Regierung des Vereinigten Konigreichs
befriedigende Zusicherangen dahingehend abzugeben, daB die Deutsche Regierung jegliche
Angriffshandlung gegen Polen eingestellt hat und bereit ist, ihre Truppen unverzliglich aus
polnischem Gebiet zurlickzuziehen.
Ich benutze diese Gelegenheit, usw.
Nevile Henderson
Der ReichsauBenminister erwiderte, eine deutsche Aggression lage nicht vor, sondern Polen
habe seit Monaten Deutschland provoziert. Nicht Deutschland habe gegen Polen, sondern
Polen gegen Deutschland mobilisiert. Am Vortage hatten nun noch direkte Einfalle polnischer
regularer und irregularer Truppenverbande in deutsches Gebiet stattgefunden.
Die vom Englischen Botschafter soeben uberreichte Mitteilung wiirde er an den Flihrer
weiterleiten und dann eine sofortige Antwort erteilen. Der ReichsauBenminister fiigte hinzu,
daB, wenn die Britische Regierung Polen gegenliber eine solche Aktivitat entfaltet hatte, wie
sie dies anscheinend jetzt Deutschland gegenliber beabsichtige, eine Regelung mit Polen
langst gefunden worden ware.
r45ii Sir Nevile Henderson erwiderte, er wiirde diese Bemerkungen seiner Regierung
ubermitteln und bate, den Inhalt des Schreibens an den Flihrer weiterzuleiten. Er bat um eine
moglichst baldige Antwort.
Der ReichsauBenminister erwiderte, es hatte an und flir sich keine Veranlassung vorgelegen,
die deutschen Vorschlage der Britischen Regierung zur Kenntnis zu bringen, nachdem durch
Nichterscheinen eines polnischen Unterhandlers diese Vorschlage hinfallig geworden seien.
Trotzdem habe er (der ReichsauBenminister) diese Vorschlage Henderson vorgelesen in der
stillen Hoffnung, daB England doch noch Polen zur Vernunft bringen wiirde. Der Flihrer hatte
noch einen ganzen weiteren Tag vergeblich gewartet. Von polnischer Seite sei weiter nichts
erfolgt als neue schwere Provokationen.
Sir Nevile Henderson erwiderte, es tate ihm furchtbar leid, daB der ReichsauBenminister es
bei seiner letzten Unterredung ablehnte, ihm (Henderson) den Text der Vorschlage zu
liberreichen. Es sei begreiflich, daB er bei dem schnellen Vorlesen des deutschen Textes
dieses ziemlich langen und komplizierten Dokuments das meiste nicht verstanden habe.
Der ReichsauBenminister wies darauf hin, daB er das Dokument langsam und deutlich
vorgelesen habe und daB er sogar noch zu den Hauptpunkten (Danzig, Abstimmung im
Korridor, Minderheitenschutz) mlindliche Erklarungen abgegeben habe. Er sei nicht
ermachtigt gewesen, ihm das Dokument auszuhandigen und habe es daher vorgelesen in der
Hoffnung, daB wenigstens am nachsten Tage noch von polnischer Seite darauf eingegangen
wiirde. Der Flihrer habe noch einen ganzen Tag gewartet und schlieBlich den Eindruck
gewonnen, daB England nichts weiter tun wolle.
Als Henderson noch einmal sein Bedauern darliber aussprach, daB ihm trotz seiner Bitte die
Vorschlage nicht libergeben worden sind, wiederholte der ReichsauBenminister, daB er das
Dokument langsam vorgelesen und einzelne Punkte erlautert hatte, so daB er der Ansicht sein
konnte, Henderson habe alles verstanden.
Schmidt
Nr. 473
Unterredung des Reichsministers des Auswartigen
mit dem Franzosischen Botschafter, 1. September 1939 22 Uhr
Aufzeichnung des Gesandten Schmidt
Botschafter Coulondre iiberreichte folgende, mit der vorher von Henderson ubergebenen
Instruktion gleichlautende Weisung, ohne eine deutsche Ubersetzung hinzuzufiigen:
(Ubersetzung)
Berlin, den 1. September 1939
Euer Exzellenz,
Im Auftrag des Franzosischen AuBenministers beehre ich mich, folgende Mitteilung zu
machen.
In den friihen Morgenstunden des heutigen Tages hat der Deutsche Reichskanzler einen
Aufruf an die Deutsche Wehrmacht erlassen, aus dem klar hervorging, daB er im Begriff
war, Polen anzugreifen.
mil Aus Nachrichten, die zur Kenntnis der Franzosischen Regierung und der Regierung
Seiner Majestat im Vereinigten Konigreich gelangt sind, geht hervor, daB deutsche Truppen
die polnische Grenze uberschritten haben und daB Angriffe auf polnische Stadte im Gange
sind.
Unter diesen Umstanden sind die Regierungen Frankreichs und des Vereinigten Konigreichs
der Auffassung, daB die Deutsche Regierung durch diese ihre Handlung die Voraussetzungen
geschaffen hat (namlich einen aggressiven Gewaltakt gegeniiber Polen, der dessen
Unabhangigkeit bedroht), welche seitens der Regierungen Frankreichs und des Vereinigten
Konigreichs die Erfullung ihrer Verpflichtungen, Polen Beistand zu leisten, erheischen.
Ich bin daher beauftragt, Euer Exzellenz mitzuteilen, daB die Franzosische Regierung ohne
Zogern ihre Verpflichtungen gegeniiber Polen erfullen wird, wenn nicht die Deutsche
Regierung bereit ist, der Franzosischen Regierung befriedigende Zusicherungen dahingehend
abzugeben, daB die Deutsche Regierung jegliche Angriffshandlung gegen Polen eingestellt
hat und bereit ist, die Truppen unverziiglich aus polnischem Gebiet zuriickzuziehen.
Ich benutze die Gelegenheit, usw.
Coulondre
Der ReichsauBenminister erwiderte, daB er Botschafter Coulondre gegeniiber nur das gleiche
erklaren konne, was er bereits dem Englischen Botschafter gesagt habe: Deutschland habe
keine Aggression gegen Polen unternommen, sondern Polen hatte Deutschland seit Monaten
in unerhorter Weise provoziert, indem es Danzig wirtschaftlich abschnurte, die deutsche
Minderheit in Polen schwer drangsalierte und dauernd Grenzverletzungen beging. Der Fiihrer
habe eine unvergleichliche Geduld an den Tag gelegt und immer noch gehofft, daB Polen
vernunftig werden wiirde. Das Gegenteil sei der Fall gewesen. Polen habe, nachdem es schon
seit Monaten mit der Mobilisierung begonnen hatte, nunmehr auch formell die
Generalmobilmachung angeordnet und habe gestern abend nicht nur Grenzverletzungen,
sondern drei schwere Einfalle in deutsches Gebiet begangen. Auf Grand dieser Tatsachen
lehne daher Deutschland die Version einer deutschen Aggression gegen Polen ab.
AbschlieBend versprach der ReichsauBenminister, dem Fiihrer vom Inhalt des Schreibens
Kenntnis zu geben und danach dem Franzosischen Botschafter eine Antwort zu erteilen.
Schmidt
Nr. 474
Dem Auswartigen Amt am 2. September 1939 vormittags
vom Italienischen Botschafter ubergebene Notiz—
Zur Information laBt Italien wissen, natiirlich jede Entscheidung dem Fiihrer uberlassend, daB
es noch die Moglichkeit hatte, von Frankreich, England und Polen eine Konferenz auf
folgenden Grundlagen annehmen zu lassen:
1. Waffenstillstand, der die Armeen laBt, wo sie jetzt sind;
2. Einberufung der Konferenz in zwei bis drei Tagen;
[453] 3. Losung des polnisch-deutschen Streits, welche, wie die Sachen heute liegen,
sicher gunstig fur Deutschland sein wiirde.
Fur den Gedanken, der urspriinglich vom Duce ausgegangen ist, setzt sich heute besonders
Frankreich ein.
Nr. 475
Mitteilung der Havas-Agentur, 2. September 1939
(Ubersetzung)
Die Franzosische Regierung ist gestern ebenso wie mehrere andere Regierungen mit einem
italienischen Vorschlag zur Regelung der europaischen Schwierigkeiten befaBt worden. Nach
Beratung iiber diesen Vorschlag hat die Franzosische Regierung eine positive Antwort
gegeben.
Nr. 476
Aus der Erklarung des Britischen Staatssekretars
fur Auswartige Angelegenheiten Lord Halifax
im Oberhaus, 2. September 1939 nachmittags—
(Ubersetzung)
Auf die mahnende Botschaft, die gestern abend Deutschland iibermittelt wurde, ist bisher
noch keine Antwort eingelaufen.
Es ist moglich, daB diese Verzogerung auf die von der Italienischen Regierung gemachten
Vorschlage zuriickzufiihren ist, wonach eine Einstellung der Feindseligkeiten erfolgen und
unverzuglich eine Konferenz zwischen GroBbritannien, Frankreich, Polen, Deutschland und
Italien einberufen werden sollte.
Der Britischen Regierung ist es aber nicht moglich, an einer Konferenz teilzunehmen zu einer
Zeit, da Polen einer Invasion ausgesetzt ist, polnische Stadte mit Bomben belegt werden und
Danzig durch Gewalt Gegenstand einer einseitigen Losung geworden ist
Nr. 477
Vom Britischen Botschafter am 3. September 1939 9 Uhr
im Auswartigen Amt ubergebene Note
(Ubersetzung)
Den 3. September 1939
Euer Exzellenz,
In der Mitteilung, welche ich die Ehre hatte, Ihnen am 1 . September zu machen, unterrichtete
ich Sie auf Weisung des Staatssekretars flir Auswartige r454i Angelegenheiten Seiner Majestat,
daB die Regierung Seiner Majestat im Vereinigten Konigreich ohne Zogern ihre
Verpflichtungen gegenuber Polen erfullen werde, wenn nicht die Deutsche Regierung bereit
sei, der Regierung Seiner Majestat im Vereinigten Konigreich befriedigende Zusicherungen
dahingehend abzugeben, daB die Deutsche Regierung jegliche Angriffshandlung gegen Polen
eingestellt habe und bereit sei, ihre Truppen unverzuglich aus polnischem Gebiet
zuruckzuziehen.
Obwohl diese Mitteilung vor mehr als 24 Stunden erfolgte, ist keine Antwort eingegangen,
hingegen wurden die deutschen Angriffe auf Polen fortgesetzt und verstarkt. Ich habe
demgemaB die Ehre, Sie davon zu unterrichten, daB, falls nicht bis 1 1 Uhr vormittags
britische Sommerzeit am heutigen Tage, dem 3. September, eine befriedigende Zusicherung
im obenerwahnten Sinne von der Deutschen Regierung erteilt wird und bei Seiner Majestat
Regierung in London eintrifft, ein Kriegszustand zwischen den beiden Landern von dieser
Stunde an bestehen wird.
Ich benutze diese Gelegenheit usw.
Nevile Henderson
Nr. 478
Note des Britischen Staatssekretars fur Auswartige Angelegenheiten
Lord Halifax an den Deutschen Geschaftstrager in London,
3. September 1939 11.15 Uhr
(Ubersetzung)
Den 3. September 1939
Herr Geschaftstrager,
Am 1. September unterrichtete der Botschafter Seiner Majestat in Berlin auf meine Weisung
hin die dortige Regierung davon, daB die Regierung Seiner Majestat im Vereinigten
Konigreich ohne Zogern ihre Verpflichtungen gegeniiber Polen erfullen werde, wenn nicht
die Deutsche Regierung bereit sei, der Regierung Seiner Majestat im Vereinigten Konigreich
befriedigende Zusicherungen dahingehend abzugeben, daB die Deutsche Regierung jegliche
Angriffshandlung gegen Polen eingestellt habe und bereit sei, ihre Truppen unverzuglich aus
polnischem Gebiet zuriickzuziehen.
Um 9 Uhr vormittags am heutigen Tage unterrichtete der Botschafter Seiner Majestat in
Berlin auf meine Weisung hin die Deutsche Regierung dahingehend, daB, falls nicht bis 1 1
Uhr vormittags britische Sommerzeit am heutigen Tage, dem 3. September, eine
befriedigende Zusicherung im obengenannten Sinne von der Deutschen Regierung erteilt wird
und bei Seiner Majestat Regierung in London eintrifft, ein Kriegszustand zwischen den
beiden Landern von dieser Stunde an bestehen wird.
Da keine solche Zusicherungen eingingen, habe ich die Ehre, Sie davon zu unterrichten, daB
ein Kriegszustand zwischen den beiden Landern von 11 Uhr vormittags am heutigen
Tage, dem 3. September, an gerechnet, besteht.
Ich habe die Ehre, usw.
Halifax
14551
Nr. 479
Dem Britischen Botschafter vom Reichsminister des Auswartigen
am 3. September 1939 11.30 Uhr ausgehandigtes Memorandum
der Reichsregierung
Die Deutsche Reichsregierung hat das Ultimatum der Britischen Regierung vom 3. September
1939 erhalten. Sie beehrt sich, darauf folgendes zu erwidern:
1. Die Deutsche Reichsregierung und das deutsche Volk lehnen es ab, von der Britischen
Regierung ultimative Forderungen entgegenzunehmen, anzunehmen oder gar zu erfullen.
2. Seit vielen Monaten herrscht an unserer Ostgrenze der tatsachliche Zustand des Krieges.
Nachdem der Versailler Vertrag Deutschland erst zerrissen hat, wurde alien deutschen
Regierungen seitdem jede friedliche Regelung verweigert. Auch die nationalsozialistische
Regierung hat nach dem Jahre 1933 immer wieder versucht, auf dem Wege friedlicher
Aushandlungen die schlimmsten Vergewaltigungen und Rechtsbruche dieses Vertrages zu
beseitigen. Es ist mit in erster Linie die Britische Regierung gewesen, die durch ihr
intransigentes Verhalten jede praktische Revision vereitelte. Ohne das Dazwischentreten der
Britischen Regierung ware - dessen sind sich die Deutsche Reichsregierung und das deutsche
Volk bewuBt - zwischen Deutschland und Polen sicher eine vernunftige und beiden Seiten
gerecht werdende Losung gefunden worden. Denn Deutschland hatte nicht die Absicht oder
die Forderung gestellt, Polen zu vernichten. Das Reich forderte nur die Revision jener Artikel
des Versailler Vertrages, die von einsichtsvollen Staatsmannern aller Volker schon zur Zeit
der Abfassung dieses Diktates als flir eine groBe Nation sowohl als fur die gesamten
politischen und wirtschaftlichen Interessen Osteuropas auf die Dauer als untragbar und damit
unmoglich bezeichnet worden waren. Auch britische Staatsmanner erklarten die damals
Deutschland aufgezwungene Losung im Osten als den Keim spaterer Kriege. Diese Gefahr zu
beseitigen, war der Wunsch aller deutschen Reichsregierungen und besonders die Absicht der
neuen nationalsozialistischen Volksregierung. Diese friedliche Revision verhindert zu haben,
ist die Schuld der britischen Kabinettspolitik.
3. Die Britische Regierung hat - ein einmaliger Vorgang in der Geschichte - dem polnischen
Staat eine Generalvollmacht erteilt flir alle Handlungen gegen Deutschland, die dieser Staat
etwa vorzunehmen beabsichtigen wurde. Die Britische Regierung sicherte der Polnischen
Regierung unter alien Umstanden flir den Fall, daB sich Deutschland gegen irgendeine
Provokation oder einen Angriff zur Wehr setzen wurde, ihre militarische Unterstutzung zu.
Daraufhin hat der polnische Terror gegen die in den einst von Deutschland weggerissenen
Gebieten lebenden Deutschen sofort unertragliche Formen angenommen. Die Freie Stadt
Danzig wurde gegen alle gesetzlichen Bestimmungen rechtswidrig behandelt, erst
wirtschaftlich und zollpolitisch mit der Vernichtung bedroht und endlich militarisch zerniert
und verkehrstechnisch abgedrosselt. Alle diese der Britischen Regierung genau bekannten
VerstoBe gegen das Gesetz des Danziger Statuts wurden gebilligt und durch die ausgestellte
Blankovollmacht an Polen gedeckt. Die Deutsche Regierung hat, ergriffen von dem Leid der
r456i von Polen gequalten und unmenschlich miBhandelten deutschen Bevolkerung ,
dennoch 5 Monate lang geduldig zugesehen, ohne auch nur einmal gegen Polen eine ahnlich
aggressive Handlung zu betatigen.
Sie hat nur Polen gewarnt, daB diese Vorgange auf die Dauer unertraglich sein wurden
und daB sie entschlossen sei, flir den Fall, daB dieser Bevolkerung sonst keine Hilfe wiirde,
zur Selbsthilfe zu schreiten. Alle diese Vorgange waren der Britischen Regierung auf das
genaueste bekannt. Es ware ihr ein leichtes gewesen, ihren groBen EinfluB in Warschau
aufzubieten, um die dortigen Machthaber zu ermahnen, Gerechtigkeit und Menschlichkeit
walten zu lassen und die bestehenden Verpflichtungen einzuhalten. Die Britische Regierung
hat dies nicht getan. Sie hat im Gegenteil unter steter Betonung ihrer Pflicht, Polen unter alien
Umstanden beizustehen, die Polnische Regierung geradezu ermuntert, in ihrem
verbrecherischen, den Frieden Europas gefahrdenden Verhalten fortzufahren. Die Britische
Regierung hat aus diesem Geiste heraus den den Frieden Europas immer noch retten
konnenden Vorschlag Mussolinis zuruckgewiesen, obwohl die Deutsche Reichsregierung ihre
Bereitwilligkeit erklart hatte, darauf einzugehen. Die Britische Regierung tragt daher die
Verantwortung flir all das Ungluck und das Leid, das jetzt liber viele Volker gekommen ist
und kommen wird.
4. Nachdem alle Versuche, eine friedliche Losung zu finden und abzuschlieBen, durch die
Intransigenz der von England gedeckten Polnischen Regierung unmoglich gemacht worden
waren, nachdem die schon seit Monaten bestehenden biirgerkriegsahnlichen Zustande an der
Ostgrenze des Reichs, ohne daB die Britische Regierung etwas dagegen einzuwenden hatte,
sich allmahlich zu offenen Angriffen auf das Reichsgebiet verstarkten, hat sich die Deutsche
Reichsregierung entschlossen, dieser fortdauernden und flir eine GroBmacht unertraglichen
Bedrohung des erst auBeren und dann endlich auch inneren Friedens des deutschen Volkes ein
Ende zu bereiten, mit jenen Mitteln, die, nachdem die Regierungen der Demokratien alle
anderen Revisionsmoglichkeiten praktisch sabotiert hatten, allein noch ubrigbleiben, um die
Ruhe, die Sicherheit und die Ehre des Deutschen Reiches zu verteidigen. Sie hat auf die
letzten, das Reichsgebiet bedrohenden Angriffe der Polen mit gleichen MaBnahmen
geantwortet. Die Deutsche Reichsregierung ist nicht gewillt, infolge irgendwelcher britischer
Absichten oder Verpflichtungen im Osten Zustande zu dulden, die jenen gleichen, wie wir sie
in dem unter britischem Protektorat stehenden Palastina vorfinden. Das deutsche Volk aber
ist vor allem nicht gewillt, sich von Polen miBhandeln zu lassen.
5. Die Deutsche Reichsregierung lehnt daher die Versuche, durch eine ultimative Forderung
Deutschland zu zwingen, seine zum Schutze des Reiches angetretene Wehrmacht wieder
zuriickzurufen und damit die alte Unruhe und das alte Unrecht erneut hinzunehmen, ab. Die
Drohung, Deutschland ansonsten im Kriege zu bekampfen, entspricht der seit Jahren
proklamierten Absicht zahlreicher britischer Politiker. Die Deutsche Reichsregierung und das
deutsche Volk haben dem englischen Volk unzahlige Male versichert, wie sehr sie eine
Verstandigung, ja eine engste Freundschaft mit ihm wunschen . Wenn die Britische
Regierung diese Angebote bisher immer ablehnte und nunmehr mit einer offenen
Kriegsdrohung beantwortet, ist dies nicht Schuld des deutschen Volkes und seiner Regierung,
sondern ausschlieBlich Schuld des britischen Kabinetts bzw. jener Manner, die seit Jahren die
Vernichtung und Aus- r457i rottung des deutschen Volkes predigen. Das deutsche Volk und
seine Regierung haben nicht wie GroBbritannien die Absicht, die Welt zu beherrschen,
aber sie sind entschlossen, ihre eigene Freiheit, ihre Unabhangigkeit und*** vor allem ihr
Leben zu verteidigen. Die im Auftrag der Britischen Regierung von Herrn King Hall uns
mitgeteilte Absicht, das deutsche Volk noch mehr zu vernichten als durch den Versailler
Vertrag, nehmen wir zur Kenntnis und werden daher jede Angriffshandlung Englands mit den
gleichen Waffen und in der gleichen Form beantworten.
Berlin, den 3. September 1939.
Nr. 480
Dem Reichsminister des Auswartigen am 3. September 1939 12.20 Uhr
vom Franzosischen Botschafter uberreichte Note
(Ubersetzung)
Berlin, den 3. September 1939
Exzellenz,
Da ich am 3. September 12 Uhr mittags keine befriedigende Antwort der Reichsregierung auf
die Note erhalten habe, die ich Ihnen am 1. September 22 Uhr ubergab, habe ich die Ehre,
Ihnen im Auftrag meiner Regierung folgende Mitteilung zu machen:
Die Regierung der Franzosischen Republik betrachtet es als ihre Pflicht, ein letztesmal an die
schwere Verantwortung zu erinnern, die von der Reichsregierung dadurch ubernommen
wurde, daB sie ohne Kriegserklarung die Feindseligkeiten gegen Polen eroffnete und dem
Vorschlag der Regierungen der Franzosischen Republik und Seiner Britischen Majestat nicht
Folge leistete, jede Angriffshandlung gegen Polen zu unterlassen und sich zur unverzuglichen
Zuruckziehung ihrer Truppen aus polnischem Gebiet bereit zu erklaren.
Die Regierung der Republik hat daher die Ehre, der Reichsregierung zur Kenntnis zu bringen,
daB sie sich verpflichtet sieht, von heute, dem 3. September, 17 Uhr, ab die vertraglichen
Bindungen zu erfullen, die Frankreich gegenuber Polen eingegangen ist und die der
Deutschen Regierung bekannt sind.
Genehmigen Sie, usw.
Coulondre
Nr. 481
Unterredung des Reichsministers des Auswartigen
mit dem Franzosischen Botschafter 3. September 1939 12.20 Uhr
Aufzeichnung des Gesandten Schmidt
Auf die Frage Coulondres, ob der Herr ReichsauBenminister in der Lage sei, die in der am 1.
September um 22 Uhr ubergebenen Note enthaltene Frage befriedigend zu beantworten,
erwiderte der Herr ReichsauBenminister, daB, nachdem England und Frankreich ihre Noten
ubergeben hatten, der Italienische Regierungs-Chef einen neuen Vermittlungsvorschlag
gemacht habe, und zwar mit dem Bemerken, daB die Franzosische Regierung diesem
Vorschlag zu- r458i stimme. Deutschland habe dem Duce am Vortage mitgeteilt, daB es
ebenfalls bereit sei, dem Vorschlag zuzustimmen, darauf habe jedoch spater am Tage der
Duce mitgeteilt, daB sein Vorschlag an der Intransigenz der Englischen Regierung gescheitert
sei. Heute vormittag habe England eine auf 2 Stunden befristete ultimative Forderung an
Deutschland gestellt. Deutschland habe die in dieser Forderung enthaltenen Zumutungen in
einer schriftlichen Mitteilung abgelehnt. Die Griinde der Ablehnung des englischen
Ultimatums seien in diesem Dokument, das er (ReichsauBenminister) dem Franzosischen
Botschafter zur Kenntnisnahme ubergebe,— enthalten. Wenn die Haltung Frankreichs zu
Deutschland durch dieselben Erwagungen bestimmt sein sollte wie die der Englischen
Regierung, so konne die Deutsche Regierung dies nur bedauern. Deutschland habe immer
einen Ausgleich mit Frankreich gesucht. Sollte die Franzosische Regierung trotzdem auf
Grand ihrer polnischen Verpflichtungen eine feindliche Haltung Deutschland gegenuber
einnehmen, so wiirde die Deutsche Regierung dies als einen durch nichts gerechtfertigten
Angriffskrieg Frankreichs gegen Deutschland ansehen. Deutschland selbst wiirde sich jeder
Angriffshandlung gegen Frankreich enthalten. Sollte Frankreich jedoch eine andere Haltung
einnehmen, so wiirde Deutschland gezwungen sein, in entsprechender Weise zu antworten.
Coulondre erwiderte, er entnehme den Ausflihrungen des Herrn ReichsauBenministers, daB
die Deutsche Regierung nicht in der Lage sei, der in der franzosischen Note vom 1.
September— enthaltenen Anregung stattzugeben. Der Herr ReichsauBenminister erklarte, daB
dies zutreffend sei.
Coulondre erwiderte darauf, daB er unter diesen Umstanden die unangenehme Pflicht habe,
die Reichsregierung noch einmal auf die schwere Verantwortung hinzuweisen, die sie durch
Eroffnung der Feindseligkeiten gegen Polen ohne Kriegserklarung auf sich genommen habe,
und ihr mitzuteilen, daB die Franzosische Regierung gezwungen sei, vom heutigen Tage, dem
3. September 1939, 5 Uhr nachmittags, ab ihre Polen gegeniiber eingegangenen
Verpflichtungen zu erfullen. Gleichzeitig ubergab Coulondre die anliegende schriftliche
Mitteilung.— Nachdem der Herr ReichsauBenminister sie gelesen hatte, fiigte er abschlieBend
hinzu, daB Deutschland nicht die Absicht habe, Frankreich anzugreifen, und daB die heutige
Franzosische Regierung flir das Leid, das den Landern zugefugt wird, falls Frankreich
Deutschland angreife, die voile Verantwortung trage.
Schmidt
Nr. 482
Der Staatssekretar des Auswartigen Amts
an die Deutschen Diplomatischen Missionen
Rundtelegramm
Berlin, den 3. September 1939
Zur Information und Regelung der Sprache.
Nachdem Versuch direkter deutsch-polnischer Aussprache durch Nichterscheinen Polnischen
Bevollmachtigten trotz zweitagigen Wartens Deutsche Regierung ergebnislos geblieben war,
und wir gezwungen waren, polnische r459i militarische Ubergriffe mit Ubergang zu
militarischer Aktion zu erwidern, forderten England und Frankreich am 1 . September von uns
Zuriickziehung deutscher Truppen von polnischem Gebiet. Kriegsgefahr schien jetzt noch
beschworen werden zu konnen durch Eingreifen Mussolinis, der Waffenstillstand und
anschlieBende Konferenz zur Losung deutsch-polnischen Konflikts vorschlug. Dieser
Vorschlag ist von uns und auch von Franzosischer Regierung positiv beantwortet worden,
Britische Regierung hat hingegen heute mit zweistiindiger Befristung Forderung
Zuriickziehung deutscher Truppen wiederholt und sich nach Ablauf dieser Zeit als im Krieg
mit Deutschland befindlich erklart. Frankreich ist dann mit Mitteilung gefolgt, daB es
sich gezwungen sehe, Polen beizustehen.
Vernunftige deutsch-polnische Regelung ware ohne Englands Dazwischentreten und seiner
antideutschen Einkreisungspolitik sicher langst zu erzielen gewesen. Statt aber Polen zum
Einlenken zu ermahnen, hat England ihm Generalvollmacht gegen Deutschland erteilt, sich
selbst in Abhangigkeit von Polens Entschliissen gebracht und schlieBlich im letzten
Augenblick auch noch Vorschlag Mussolinis durch sein Verhalten zum Scheitern verurteilt.
Damit ist Saat der Manner aufgegangen, die in England seit Jahren Vernichtung Deutschlands
predigen. Dieser Verlauf Ereignisse zeigt klar voile Verantwortlichkeit Englands fur
Kriegsausbruch.
Weizsacker
Attmettuitigen:
r )A'X
Die dem Italienischen Botschafter mitgeteilte Bereitwilligkeit der Deutschen Regierung,
auf diesen Vorschlag einzugehen, wurde der Offentlichkeit in dem Memorandum vom 3.
September 1939 ( Nr. 479 Ziff. 3) bekanntgegeben. Vgl. auch Nr. 482 . .. .zuriick. ..
244 Eine gleichlautende Erklarung war zu gleicher Zeit vom Britischen Premierminister im
Unterhause abgegeben worden. ...zuriick...
245 Vgl. Nr. 479 . ...zuriick...
246 Vgl. Nr. 473 . ...zuriick...
247 Vgl. Nr. 480 . ...zuriick...